Sie müssen deshalb auch in mehr Praxis investieren. Die duale Ausbildung Deutschlands ist Vorbild für die ganze Welt, aber die Praxis muss heute viel früher in die Schulen kommen, um Schüler zu motivieren und ihnen zu zeigen, wofür sie lernen und was man alles damit werden kann.
Und Sie müssen – drittens – mehr Freiheit garantieren. Schulen sollen in Zukunft echte Verantwortung in Berlin
haben und nicht nur Scheinverantwortung. Sie sollen echte Möglichkeiten und Spielräume eröffnet bekommen. Nur damit können Wettbewerb und bessere Angebote in der Pädagogik gefördert werden und funktionieren.
Und Sie müssen in mehr Leistung investieren. Leistung aus Leidenschaft ist die Grundvoraussetzung des Lernens. Aber das muss vorgelebt werden, von allen in der Schule, besonders in Berlin, wo es auch leider noch zur Realität gehört, dass viele junge Menschen ihren Schulabschluss nicht schaffen.
Aber möglicherweise müssen Sie diesen Zwischenruf machen, weil Sie heute erst realisiert haben, was in Ihrem Koalitionsvertrag steht und was nicht. Von daher: Folgen Sie mir weiter, dann gibt es Orientierung für Ihre Politik in dieser Stadt!
[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Torsten Schneider (SPD): Sehr unwahrscheinlich!]
Und fünftens: mehr digital! Es muss nach unserer Auffassung Schluss sein mit der Kreidezeit in den Berliner Klassenzimmern. Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern muss intensiver, besser, schneller und auch digital ermöglicht werden.
Wir alle leben in Berlin. In Berlin hat Wilhelm von Humboldt vor 200 Jahren die bedeutendste Bildungsreform der deutschen Geschichte durchgesetzt. Lassen wir es nicht zu, dass 200 Jahre nach Humboldt ausgerechnet in Berlin die Bildung den Bach runtergeht!
Machen wir also Humboldts Ideale der Bildung zur Freiheit zur Richtschnur der Bildungspolitik in Berlin!
Und, ja, Freiheit ist nicht immer bequem. Und Freiheit ist für uns auch nicht verhandelbar. Elementarer Bestandteil ist für uns Freie Demokraten der Rechtsstaat und die Rechtsstaatlichkeit. Und wenn sich, wie in Berlin geschehen, ein Regierungschef – nämlich Sie, Herr Müller! – hinstellt und für sich und seine gesamte Regierung beschließt, geltendes Recht nicht umzusetzen, wie beim Abschiebestopp passiert, dann schwächt diese Regierung, dann schwächt Ihre Regierung den Glauben in die öffentliche Ordnung, beschädigt das Ansehen des Rechtsstaates
Deshalb wäre es gut, wenn Sie in den nächsten Tagen wieder zu Recht und Gesetz zurückfänden. Die Herausforderungen unserer Stadt sind in dieser Hinsicht zahlreich.
Und eins muss ganz deutlich feststehen: Unsere Polizei, unsere Polizisten in dieser Stadt sind die erste Verteidigungslinie unserer freien Gesellschaft. Und für die gilt es, eine bessere Politik zu machen und nicht irgendwelche Showveranstaltungen. Sorgen Sie also dafür, dass es eine bessere Ausstattung bei der Berliner Polizei gibt, dass es mehr Polizisten auf der Straße gibt, statt irgendwelche Scheindiskussionen zur Videoüberwachung zu stärken oder zu führen. Tragen Sie dazu bei, dass die Justiz endlich besser ausgestattet wird und ein vernünftiges Prozesswesen erfährt.
Dass die Videoüberwachung in dieser Stadt nicht unbedingt zum Erfolg beigetragen hat, ist im Übrigen auch erkennbar, wenn man sich die Koalition aus CDU und SPD noch einmal genauer anschaut. Auch zu Zeiten der großen Koalition hatten wir in dieser Stadt eine Kriminalitätssteigerung bei den Straftaten von über 15 Prozent. Auch das gehört zur Wahrheit. Auch da hat die Ausweitung der Videoüberwachung in den Teilen, wo Sie sie gemacht haben, nicht dazu geführt, dass das eine oder andere verhindert wurde. Im Gegenteil, wir durften mehr Straftaten in dieser Stadt verzeichnen.
Ich finde, dass hier einiges schiefläuft in unserem Land. Es läuft doch wirklich etwas schief, wenn ein Bürger, der in Berlin seinen Pkw ordnungswidrig abstellt, mehr mit den Behörden zu tun hat als ein Asylbewerber, der mit 14 Identitäten als Gefährder eingestuft wird. Dann läuft wirklich etwas schief.
Und wenn uns die Diskussion eins gezeigt hat: Es gibt keine Gewissheit mehr, dass eine offene Gesellschaft, wirtschaftliche Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sich auf Dauer durchsetzen. Die Geschichte will offensichtlich, dass wir all dies neu begründen und all dies neu erringen, und es ist unsere Aufgabe als Parlament, zusammen dafür einzustehen und zusammen auch darauf hinzuwirken, bei aller politischen Streitkultur. Gerade in Zeiten von Terror und Gewalt, gerade in Zeiten, in denen blanker Populismus Angst schürt, gerade in Zeiten, in denen zahlreiche
sind doch die Beständigkeit und der Glaube an die rechtsstaatliche Ordnung unser wichtigstes Schwert im Kampf gegen genau diesen Wahnsinn.
Ich finde, die Berliner haben gezeigt, dass sie sich von diesem Wahnsinn nicht übermannen lassen. Die schrecklichen Ereignisse, der Anschlag auf dem Breitscheidplatz, haben genau das gezeigt, dass die Berlinerinnen und Berliner sich selbst treu geblieben und nicht in Panik verfallen sind. Und auch dafür – das möchte ich hier an dieser Stelle besonders zum Ausdruck bringen – empfinde ich tiefe Dankbarkeit, auch gegenüber den Helferinnen und Helfern, den Einsatzkräften und Erstversorgern.
Als Politik sind wir aber auch in der Pflicht, für diese Ersthelfer, für diese Einsatzkräfte die besten politischen Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir müssen die Einsatzkräfte ins digitale Zeitalter transformieren. Dazu gehört nicht nur der Digitalfunk in dieser Stadt – das haben Sie sich auf die Agenda geschrieben –, sondern auch die Nutzung aller Vorzüge der Digitalisierung. Allein eine digitale Bearbeitung und Aufnahme von Vorgängen würde mehr Einsatzkräfte zurück auf die Straße bringen und die Mitarbeiter besser entlasten, als es jetzt der Fall ist.
Digitalisierung und Innovation sind ein ganzheitliches Thema. Auch das ist in Ansätzen im Koalitionsvertrag erkennbar, aber Digitalisierung ist nicht irgendeine Aufgabe, sondern sie ist wahrscheinlich eine noch schwierigere Aufgabe, als den BER zu eröffnen. Deshalb braucht man hier auch das richtige Maß.
Hier geht es schon längst nicht mehr nur um die Nutzung eines Onlineshops. Wir brauchen ein schnelleres Internet, Möglichkeiten statt bürokratischer Hürden und größtmögliche Attraktivität in dieser Stadt für kreative und vor allem auch digitale Köpfe.
Und wenn Sie sich dann immer wieder so gerne mit München und Hamburg vergleichen und auch gern konkurrieren, dann sagen wir Ihnen als Freie Demokraten: Die Zeit ist da, sich jetzt mit New York, London und Paris zu vergleichen, um Chancen zu eröffnen, und sich nicht im Klein-Klein zu verlieren.
Ihre digitale Zukunft made in Berlin fühlt sich irgendwie an wie eine Schwerstgeburt, bei der immer nur Wehen kommen und am Ende nichts herauskommt. Das ist Ihre Digitalisierungsstrategie, das ist Ihre Handschrift in dem Koalitionsvertrag, die natürlich jede Menge Hilfe braucht – und die geben wir Ihnen gern an die Hand.
Und wenn ich gerade beim Stichwort Geburtsfehler bin – aufpassen! –, bin ich natürlich auch bei dem Geburtsfehler dieser Stadt, beim Flughafen BER. Sie fahren jetzt seit 1996 auf Sicht und wollen die Realitäten dieser Stadt nicht zur Kenntnis nehmen. Dabei wäre es auch hier so bitter notwendig, an das nächste Berlin zu denken. Und ja, zum nächsten Berlin gehört ein funktionierender Flughafen, ein Flughafen Tegel. Dafür gilt es auch zu kämpfen, denn nur mit einem zweiten Flughafen werden wir dem erwarteten Passagieraufkommen von weit über 60 Millionen Passagieren gerecht. Nur mit einem zweiten Flughafen, Herr Müller, überwinden wir das drohende Verkehrschaos in Berlin, in unserer Stadt. Nur mit einem zweiten Flughafen werden wir Berlin langfristig als Tourismus- und Wirtschaftsstandort aufrechterhalten und angebunden halten können. Darum geht es.
Jede verkehrspolitische Operation, die sie in Ihrem Koalitionsvertrag beschreiben, läuft aus unserer Sicht fehl. Jede einzelne Maßnahme ist eine Dokumentation dafür, dass der eigentliche Stau in dieser Stadt im Rathaus beginnt. Der eigentliche Stau beginnt bei der Planung der Zukunft von Berlin. Der eigentliche Stau beginnt an Ihrem Schreibtisch und führt dazu, dass die Berlinerinnen und Berliner 105 Stunden im Jahr im Stau stehen. Damit muss Schluss sein.
Herr Bürgermeister! Ich weiß – Sie haben es hin und wieder beschrieben –, dass es durchaus nicht leicht ist, in diesen Zeiten Regierender Bürgermeister, Regierungschef von Berlin zu sein. Wenn Sie keine Lust haben, wenn Sie nicht wollen oder nicht können, dann arbeiten Sie hin und wieder mit der Opposition zusammen. Die greift Ihnen gern unter die Arme. Wir wissen, dass das nicht von jedem die Wunschregierung, die Wunschkonstellation ist, die hier im Haus zusammensitzt. Die Expertise sitzt in der Opposition.
[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – (Sebastian Czaja) Lachen bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Udo Wolf (LINKE): Der war gut!]
Wie Sie sehen: Der Weg in unsere Reihen ist wesentlich kürzer als in diese Reihen. Nutzen Sie die Chance, tauschen Sie sich mit uns aus – oder lassen Sie es sein. Am Ende steht aber fest: Das rot-rot-grüne Experiment ist gescheitert, bevor es richtig losgegangen ist.