Protokoll der Sitzung vom 12.01.2017

[Lachen von Jörg Stroedter (SPD)]

Jetzt muss man sich doch tatsächlich die Frage stellen, ob wir uns das die kommenden fünf Jahre antun wollen, Herr Müller,

[Torsten Schneider (SPD): Bleiben Sie doch zu Hause, Herr Czaja!]

oder ob Sie aus Liebe zur Stadt lieber darüber nachdenken, darauf zu verzichten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der AfD]

Für die Fraktion der Grünen hat jetzt Frau Kapek das Wort.

[Torsten Schneider (SPD): Jetzt ist Schluss mit Populismus!]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Lieber Herr Czaja! Ich habe fünf Jahre darauf gewartet, diesen Satz sagen zu können, jetzt bringe ich ihn einmal: Sie sind neu in diesem Haus,

[Holger Krestel (FDP): Stimmt doch gar nicht!]

deshalb die Bitte für das nächste Mal: Reden Sie Berlin doch nicht so schlecht. Das hat diese Stadt nicht verdient.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Torsten Schneider (SPD): Novize!]

Der Start der rot-rot-grünen Koalition war holprig.

[Mario Czaja (CDU): Ja!]

Und ja, auch mich hat das enttäuscht,

[Sebastian Czaja (FDP): Nicht noch einmal so eine Saleh-Rede!]

denn nach fünf Jahren einer rot-schwarzen Koalition war das Wahlergebnis, Herr Czaja, mehr als eindeutig. Berlin will einen Aufbruch, Berlin will eine Veränderung, und Berlin will dabei weltoffen, bunt und vielfältig bleiben.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Viele Menschen in dieser Stadt verbinden mit einer rotrot-grünen Koalition die Hoffnung, diesen Aufbruch einzuleiten. Wir sind bereit, uns dieser Erwartung zu stellen, und wir werden ebenfalls hart dafür arbeiten, diese zu erfüllen. Denn wir haben ein Versprechen abgegeben, und dieses führt dazu, dass wir miteinander eine Verpflichtung eingehen,

[Zuruf von Mario Czaja (CDU)]

eine Verpflichtung, die uns zu weit mehr als nur zum Erfolg verdammt, sondern eine riesengroße Verantwortung mit sich bringt. Dieser Verantwortung können wir, glaube ich, nur dann gerecht werden, wenn wir auch den Mut haben, dort Diskussionen zu führen, wo es weh tut, und die Probleme anzupacken, auch wenn sie sich nicht leicht lösen lassen. Denn es ist eben auch ein Ausdruck guten Regierens, wenn man die Dinge nicht einfach nur beschönigt, sondern sich ihnen stellt.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Natürlich ist das kein einfacher Weg, sondern ein steiniger. Wir werden ihn aber miteinander gehen, weil wir ein klares Ziel vor Augen haben. Dieses Ziel heißt, das maximale Potenzial,

[Paul Fresdorf (FDP): Maximale Zahl an Staatssekretären!]

das es in einer der genialsten Städte der Welt gibt, auszuschöpfen. Berlin hat es verdient, endlich so regiert zu werden, dass sich dieses Potenzial auch entfalten kann. Für uns ist nicht der Weg das Ziel, sondern das Ergebnis.

Ich bin wirklich stolz darauf, dass wir gemeinsam einen sehr ambitionierten Koalitionsvertrag beschlossen haben, der echte Lösungen für ein solidarisches, nachhaltiges und weltoffenes Berlin zum Ziel hat.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Tatsächlich gibt es auch bereits die ersten Früchte zu ernten. Diese Früchte ernten wir mitnichten von der CDU, Herr Graf, sondern im Gegenteil, wir haben den Scherbenhaufen, den Sie hinterlassen haben, in den ersten 35 Tagen gleich aufgeräumt.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Um Ihnen ein Beispiel dafür zu nennen: Bereits nach 35 Tagen hat Senatorin Breitenbach es gemeinsam mit Herrn Kollatz-Ahnen geschafft, den Großteil der Berliner Turnhallen freizuziehen,

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

etwas, was Senator Czaja in der letzten Legislaturperiode über Monate nicht zustande gebracht hat.

(Sebastian Czaja)

Bereits einen Monat nach dem offiziellen Start von R2D

[Heiterkeit]

R2D, das ist die Digitalisierung, die ich im Kopf habe! –, bereits einen Monat nach dem Start dieser Koalition kann man endlich – dank des Finanzsenators – problemlos einen Termin beim Bürgeramt bekommen, etwas, bei dem man sich fragen muss: Warum hat das Herr Henkel über Jahre nicht geschafft?

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Lachen von Tim-Christopher Zeelen (CDU) – Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)]

Jetzt komme ich zu dem wesentlichen Teil, denn das, was wir in den ersten fünf Wochen dieser Koalition im Bereich Sicherheitspolitik geschafft haben, ist weitaus mehr, als es die CDU in ihrer Verantwortung für die Innen- und Justizverwaltung in den gesamten fünf Jahren zustande gebracht hat.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Was diese Beispiele zeigen, ist: Gestalten muss man auch wollen. Denn wo ein Wille zur Veränderung ist, wo ein Wille zur Veränderung der Zustände ist, da bewegt sich auch etwas. Diese Koalition wird sich allen Baustellen stellen und wird sie in dem gleichen Tempo beackern wie in den ersten 35 Tagen. Wir wollen keine reine Symbolpolitik, und das zeigen wir gerade auch in der Sicherheitsdebatte der letzten Wochen. Uns ist durchaus bewusst, dass ein linkes Regierungsbedürfnis,

[Heiterkeit]

dass ein linkes Regierungsbündnis gerade innenpolitisch unter besonderer Beobachtung steht. Trotzdem widerstehen wir dem Reflex, vorschnell für Instrumente zu werben, die zwar Sicherheit suggerieren, so wie Sie das vorhin getan haben, sie aber nicht wirklich faktisch schaffen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Dr. Susanne Kitschun (SPD)]

Das Attentat vom Breitscheidplatz hat Berlin bis ins Mark erschüttert, und es wird in unserem kollektiven Gedächtnis bleiben. Deshalb – das haben meine Vorredner und Vorrednerinnen bereits gesagt – trauern wir alle gemeinsam um die Opfer und ihre Angehörigen. Selbstverständlich müssen wir jetzt alle Maßnahmen ergreifen, um eine solche Katastrophe in der Zukunft zu verhindern. Das kann aber nicht heißen, dass wir uns künftig abschotten, dass wir Geflüchtete unter einen Generalverdacht stellen und dass wir versuchen, jeden Schritt, der in Berlin getan wird, künftig rund um die Uhr zu überwachen. Die rot-rot-grüne Koalition hat sich stattdessen entschieden, auf Prävention und Terrorabwehr dort zu setzen, wo es nötig und vor allem effektiv ist. Sie bekennt sich aber im gleichen Atemzug zu einem weltoffenen und einem freiheitlichen Berlin, denn wir als Koalition haben den Mut, in so einer Situation Mut zur Freiheit zu zeigen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Franziska Becker (SPD)]

Diesen Mut haben auch die Menschen in Berlin. Das Attentat am Breitscheidplatz hat ein Wichtiges gezeigt: Wir lassen uns nicht kleinkriegen, auch nicht von Terror. Berlin hat schon so viel durchgemacht, dass wir auch in einer solchen Situation nicht in Panik verfallen – ganz im Gegenteil. Die Reaktionen auf das Attentat waren cool, sie waren kooperativ, sie waren vor allem sehr, sehr hilfsbereit, und sie waren gelassen – eine Reaktion, die mich sehr stolz auf meine Stadt gemacht hat. Wir haben wirklich deutlich gemacht, dass wir zusammenstehen, dass wir uns nicht einschüchtern lassen. Wir haben klargemacht, dass wir uns unseren Lebensstil, wie wir ihn pflegen, nicht verbiegen lassen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Wer deshalb, und das möchte ich mit aller Deutlichkeit sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen, versucht, den Anschlag vom Breitscheidplatz politisch für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren, indem Ängste geschürt werden, der macht die eigentliche Arbeit der Terroristen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Wer so Politik macht, ist einfach nur populistisch. Wer so Politik macht, der verändert überhaupt gar nichts zum Positiven in Berlin, er schafft auch keine weitere Sicherheit, sondern er vergiftet unsere Gesellschaft.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]