Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja menschlich verständlich: Die Erleichterung aufseiten des Senats über das Zustandekommen der neuen Hochschulpakte am vergangenen Freitag muss groß gewesen sein, nachdem noch in der Nacht zuvor das Scheitern gedroht hatte. Dass die Euphorie darüber das Thema gleich in die Aktuelle Stunde gespült hat, muss man wohl der Tatsache zurechnen, dass es fast kein anderes Thema gibt, bei dem es in der Koalition zurzeit keinen Streit gibt.
Damit Sie aber nicht komplett abheben, meine liebe Kollegen von der Koalition, wird es Zeit, dass wir Sie auch hier auf den Boden der Tatsachen zurückholen, denn der neuen Hochschulpakt ist alles andere als ein großer Wurf, und das wissen Sie auch. Ich verstehe, wie gesagt, die Erleichterung der Beteiligten, dass es zu keinem Scheitern gekommen ist, aber das Aufatmen darüber in der Koalition kann nicht verdecken, dass die Ergebnisse bei näherer Betrachtung unseren Hochschulen und dem Wissenschaftsstandort Berlin allenfalls eine Atempause verschaffen, aber die grundlegenden Probleme in keiner Weise einer Lösung zugeführt oder auch nur im Ansatz adressiert werden.
Statt das System zu korrigieren, reproduziert der neue Pakt Strukturprobleme auf finanziell höherem Niveau.
Dankenswerterweise hat ja gestern auch pünktlich zu unserer heutigen Debatte der Bundesrechnungshof seine Untersuchung der bisherigen drei Hochschulpakte vorgelegt, und man muss feststellen, dass sein Fazit verheerend ausfällt. Es hätte mich gefreut, Sie hätten dazu vielleicht auch ein paar Worte verloren, Frau Dr. Czyborra. Der Bundesrechnungshof zählt unzählige Versäumnisse und Ineffizienzen auf. Unter dem Strich heißt es sogar, dass eine sinnvolle Evaluation der Pakte aufgrund der Vertragskonstruktion bislang überhaupt nicht möglich ist. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus der vernichtenden Kritik des Rechnungshofes:
Das ,Programm zur Aufnahme zusätzlicher Studienanfänger’ ist gekennzeichnet durch Fehlentwicklungen, Verstöße im Haushaltsvollzug und ein intransparentes Berichtswesen. Wichtige Ziele hat es verfehlt.
Fraglich ist auch, ob die Länder die Gesamtfinanzierung der Ziele des Hochschulpakts in dem vereinbarten Umfang gesichert haben.
Zitat Ende. – Herr Müller! Der Rechnungshof nennt übrigens unter den Ländern, bei denen die Pro-Kopf- Ausgaben pro Student und die Betreuungsrelationen trotz der Paktgelder gesunken sind, ausdrücklich Berlin. Es wäre schön, wenn Sie zu diesem Vorwurf anschließend in Ihrer Erklärung etwas sagen könnten, Herr Müller.
Aber es kommt noch dicker: Der Rechnungshof warnt vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Hochschulpakte wichtige Ziele verfehlt haben, vor einem neuen unkündbaren Finanzausgleich und fordert den Bund auf, ein Kündigungsrecht geltend zu machen, falls die Ziele weiter nicht erreicht werden. Und für Berlin besonders pikant, Herr Müller: Der Bundesrechnungshof rügt die Sonderregelungen für die Stadtstaaten, die sich der Senat als besonderen Erfolg ans Revers geheftet hat. Es ist also gut möglich, dass der Bundestag die Hochschulpakte vor dem Hintergrund dieses Berichts noch einmal kippt, hat doch der Haushaltsausschuss des Bundestages gestern einstimmig die vereinbarten Pakte aus den genannten Gründen zur Überprüfung angefordert.
Aber selbst, wenn es nicht zum Schlimmsten kommen sollte – und niemand will hier den Teufel an die Wand malen, Herr Müller –, werden es in jedem Fall die Zielvereinbarungen in sich haben, die das Haus von Frau Ministerin Karliczek jetzt vom Senat verlangen wird. Da kann sich der Senat nach der Kritik des Rechnungshofs auf einiges gefasst machen. Das unbekümmerte Spiel jedenfalls mit den unkonditionierten Bundesmillionen könnte schneller vorbei sein, als es dem Senat lieb ist.
Wir als AfD-Fraktion haben immer wieder davor gewarnt, dass die starke Abhängigkeit der Länder von den Bundesmitteln eines Tages zu einem bösen Erwachen in der Hochschulpolitik führen könnte. Der Vorgang macht doch deutlich, wie stark die Abhängigkeit der Länder vom Bund mittlerweile geworden ist und wie sehr unser föderales System dadurch auf die schiefe Bahn gekommen ist. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, um sich vorzustellen, was bei den Neuverhandlungen 2026 passiert, wenn der Bundeshaushalt in keiner so komfortablen Lage mehr sein sollte wie heute. Dann steht zu befürchten, dass ein erheblicher Teil der Grundfinanzierung für die Hochschulen wegbricht und damit die Länder in große finanzielle Verlegenheit gestürzt werden.
[Torsten Schneider (SPD): Darauf freue ich mich! – Georg Pazderski (AfD): Werden Sie pro Zwischenruf bezahlt, Herr Schneider?]
Die Antizipation dieser Risiken gehört eben auch zu einem realistischen Lagebild, wenn wir über die Zukunftsfähigkeit des Wissenschaftsstandorts reden. Herr Schneider! Da kann ich Ihnen nur raten: Fangen Sie rechtzeitig an, über diese Eventualitäten nachzudenken, bevor Sie dann unsanft aus Ihren Blütenträumen von einer Bildungsexpansion zum Nulltarif gerissen werden.
Es gibt ja auch Kollegen aus der SPD, die schon ein bisschen weiter sind als Sie, Herr Schneider und Frau Dr. Czyborra. Die beiden Sozialdemokraten Nils Heisterhagen und Christian Tribowski haben z. B. vor wenigen Tagen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ die Einführung von Studiengebühren gefordert. Ein mutiger Vorschlag, kann ich da nur sagen,
den die beiden möglicherweise dem Bildungskonzept der AfD-Faktion im Abgeordnetenhaus entnommen haben.
Denn Studiengebühren, und zwar im Idealfall nachgelagerte Studiengebühren, sind auch nach unserer Auffassung ein geeignetes Instrument, um Vorsorge zu treffen für Zeiten, wenn das Manna der Steuerzahler nicht mehr vom Himmel fällt.
Und vor allem sind sie eben auch ein Mittel sozialer Gerechtigkeit. Das sollten Sie als Sozialdemokraten wissen, weil sie diejenigen –
an den Ausbildungskosten für Akademiker beteiligen, die davon auch den größten Nutzen haben, nämlich die nach ihrem Studium gut verdienenden Akademiker selbst. Es ist einfach unsozial und einer regierenden Arbeiterpartei eigentlich unwürdig, dass dafür die Busfahrer, Poliere und Krankenschwestern mit ihren Steuern herhalten sollen.
Außerdem – und das ist für den Wissenschaftsstandort von Bedeutung – sind Studiengebühren ein geeignetes
Mittel zur Sicherstellung und Rückgewinnung der Autonomie der Hochschulen, welche durch die zunehmende Zentralisierung der Wissenschaftsentscheidungen an der Spitze der Ministerien immer stärker ausgehöhlt wurde. Aber vielleicht ist das ja gerade Ihr Ziel, Herr Schneider, die Hochschulen langfristig noch mehr an die kurze Leine der Politik zu legen, als das bislang schon der Fall ist. Wenn man sich nämlich anschaut, wie Sie beispielsweise in Ihrem Antrag zur kolonialen Vergangenheit mal eben in die Curricula der Universitäten hineinregieren wollen, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Ihnen autonome Hochschulen, die selbst entscheiden, wo sie ihre wissenschaftlichen Schwerpunkte setzen, eher ein Dorn im Auge sind.
[Beifall bei der AfD – Tobias Schulze (LINKE): Wer wollte denn die Genderforschung abschaffen? Das waren Sie!]
Ein Anhaltspunkt dafür ist leider auch Ihr laxer Umgang mit den Bedrohungen der Freiheit von Wissenschaft und Forschung, denen sich die Hochschulen in zunehmendem Maße ausgesetzt sehen.
[Torsten Schneider (SPD): Also Ihr Vorschlag sind Studiengebühren, um Milliarden aufzubringen. Haben Sie das mal gegengerechnet? – Abzockerpartei! Abzocke für Deutschland!]
Gerade im April hat der Hochschulverband vor einer zunehmenden Intoleranz an den Universitäten und einem wachsenden Klima der Unduldsamkeit in den Hörsälen gewarnt.
Da muss man gar nicht ins Ausland oder in die Türkei schauen. Auch in Berlin gibt es Einschüchterungsversuche und Gesinnungsterror gegen einzelne Wissenschaftler. Das wissen Sie, Herr Müller.
So wurde Herfried Münkler, Politikwissenschaftler an der Humboldt-Universität, von einer linken Studentengruppe unter anderem auf einem Blog mit dem Titel „MünklerWatch“ anonym diffamiert, und der Historiker Jörg Baberowski sieht sich seit geraumer Zeit, ohne dass Sie je etwas dazu gesagt hätten, Herr Müller, Anfeindungen und Bedrohungen linker Splittergruppen ausgesetzt. Zuletzt wurden interne Unterlagen aus den Gremien der HU an eine linke Tageszeitung gespielt, um Prof. Baberowski mit einer verzerrten Berichterstattung gezielt zu schaden. Das sind beschämende Vorgänge, und Ihr Schweigen dazu zeigt, dass Sie nicht verstanden haben, worum es bei der Sicherung des Wissenschaftsstandorts Berlin eben auch geht, und zwar ganz grundsätzlich um die Verteidigung der Meinungs-, Wissenschafts- und Forschungsfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes.
Das sind nämlich die unabdingbaren Voraussetzungen für jede Wissenschaft und Forschung. In einem Klima der Angst und Selbstzensur kann keine freie Wissenschaft gedeihen.
[Torsten Schneider (SPD): Das sagen die Richtigen! – Frank-Christian Hansel (AfD): Das sagen die Richtigen, genau die Richtigen! Merken Sie sich das!]
Hier gilt es, den Anfängen zu wehren, denn wir dürfen nicht zulassen, dass kleine linksradikale Splittergruppen sich an den Berliner Universitäten als Gedankenpolizei etablieren und kritische Professoren über Jahre hinweg terrorisieren.