Zitat Ende. – Unser Antrag ist nicht isoliert, sondern im Gesamtkontext der Integrationspolitik zu sehen. Nach über 50 Jahren Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen zeigt sich in aller Deutlichkeit: Keineswegs alle Menschen, die zu uns gekommen sind, haben unsere Werte verinnerlicht. Vielmehr leben nicht wenige von ihnen in bewusster Abgrenzung zur Aufnahmegesellschaft. Und diese Entwicklung haben alle fünf hier anwesenden etablierten Parteien mitzuverantworten,
weil sie viel zu lange weggesehen und in einer fatalen Kombination aus Kulturrelativismus, falsch verstandener Toleranz und schlichtem Desinteresse das Entstehen von
Parallel-, ja Gegengesellschaften gefördert haben. Weil sich die Ehre der Familie in der muslimischen Kultur über die Reinheit der Frau definiert, sind die Frauen das schwächste Glied in einem von massivem Konformitätsdruck geprägten Umfeld. Die jungen Frauen stehen unter dem Druck ihrer Familie, die ihrerseits wiederum unter dem Druck des sozialen Umfelds und der Moscheegemeinde steht. Hier schaffen wir Freiräume, damit sich die Betroffenen gegen den Außendruck behaupten und ihre Individualität entfalten können.
Die Haltung zum muslimischen Kopftuch bei Mädchen ist auch ein Lackmustest für die Haltung zum politischen Islam, zum politischen Islam als einer Strömung, die mit ihrem vermeintlich religiös unterlegten Allmachtsanspruch unserer freiheitlichen Ordnung diametral entgegensteht. Eigentlich müsste eine solche demokratiefeindliche Strömung in diesem Haus auf geschlossene Ablehnung stoßen, eigentlich. Denn tatsächlich wollen Linke und Grüne, indem sie das Neutralitätsgesetz schleifen, dem politischen Islam sogar die Möglichkeit eröffnen, versehen mit staatlicher Autorität auch an Gerichten und Schulen zu agieren. Wir von der AfD hingegen wollen das genaue Gegenteil, nämlich den politischen Islam zurückdrängen, und das heißt, ihn zu allererst von staatlichen Institutionen fernhalten.
Wenn die politische Linke ehrlich mit sich wäre, würde sie eingestehen, dass sie die Praxis der Verhüllung von Mädchen in jedem anderen Kontext schon längst als besonders subtile und perfide Herrschaftstechnik des Patriarchats gebrandmarkt hätte.
Sonst gerieren Sie sich bei jeder Gelegenheit als Vorkämpfer der Frauenrechte. Hier aber sind Sie bereit, eine eindeutig frauenfeindliche Praxis widerstandslos zu akzeptieren, und das nur, weil sie unter Berufung auf eine zugewanderte Religion erfolgt. Die aktuelle Posse um das von der SPD verzögerte Vorhaben, eine Einbürgerung bei Mehrehen auszuschließen, zeigt es exemplarisch. Die Scharia ist in vielen Facetten nicht grundgesetzkonform, aber die politische Linke ist inzwischen absolut schariakonform.
Mit einer bei Mädchen ansetzenden Verschleierungsdoktrin verbindet sich meist ein fundamentalistisches Weltbild, in dem nicht selten auch Kinder- und Vielehe ihren Platz haben, ein Weltbild, in dem der Frau in jedem Fall aber eine dem Mann untergeordnete Rolle zukommt. Wer heute einem Mädchen das Kopftuch aufzwingt, fordert morgen die Geschlechtertrennung in allen Lebensbereichen. Deshalb heißt es hier ganz klar, den Anfängen zu wehren.
Wir wollen mit unserem Gesetz für die betroffenen Mädchen erreichen, bei ihrer Religionsmündigkeit eine aufgeklärte und selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen, ob sie das Kopftuch tragen wollen oder nicht. Nur wer einmal bewusst erlebt hat, wie sich die beiden Alternativen, zwischen denen man sich zu entscheiden hat, auch real anfühlen, kann sich wirklich frei entscheiden. Hierzu schaffen wir den nötigen Freiraum. Wenn dagegen einem Mädchen von klein auf systematisch vermittelt wird, es sei mit dem Kopftuch quasi verwachsen, sobald es das Haus verlässt, dann kann von einer freien Wahl keine Rede mehr sein.
Vielmehr werden die Mädchen in einer entwicklungspsychologisch prägenden Phase auf eine untergeordnete, fremdbestimmte Rolle in ihrem Erwachsenenleben hinkonditioniert. Eines ist auch klar: Wir haben den Mädchen in keiner Weise vorzuschreiben, wie sie sich mit Erreichen der Religionsmündigkeit zu entscheiden haben. Aber ebenso klar ist, dass wir sehr wohl dafür Sorge zu tragen haben, dass sie sich frei und fundiert entscheiden können.
Derzeit machen wir es uns zu einfach, indem wir kulturell und religiös begründete Konflikte einfach ohne klare Vorgabe an die Schulen delegieren. Es ist aber an uns als demokratisch legitimierter Gesetzgeber, die involvierten Rechtsgüter abzuwägen und eine klare Richtungsentscheidung vorzugeben, die der Kinderschutz gewährleistet. Ich zitiere die Bildungssenatoren Frau Scheeres:
Elfjährige Mädchen suchen sich das Kopftuch nicht selbst aus. Sondern sie tun das, weil ihre Familie darauf hinwirkt. Lehrkräfte müssen hier die Kinder unterstützen – und nicht die Eltern.
Sehr richtig, Frau Senatorin! Wenn aber die Lehrer die Kinder unterstützen müssen, dann doch wohl erst recht wir als Parlament. Wir müssen den Lehrern überhaupt erst die Mittel an die Hand geben, mit denen sie dann den Kindern helfen können.
In der letzten Zeit gibt es zunehmend Versuche, ein neues Framing für den Hijab zu finden. Er gilt demnach als Accessoire der hippen, weltgewandten Muslima, welche so ihr kulturelles Selbstbewusstsein zur Schau stellt. Solange aber beispielsweise im Iran jeder Zentimeter freies Haar ein Akt des Aufbegehrens ist und die Frauenrechtlerin Nasrin Sotoudeh wegen ihrer Ablehnung des Kopftuchzwangs zu Peitschenhieben verurteilt wird, solange kann das muslimische Kopftuch nicht einfach als unverfängliches Accessoire durchgehen. Eine solche Interpretation verbietet sich vor diesem Hintergrund.
Frauenrechte schützt man nicht, indem man ihnen mit gönnerhaft herablassender Attitüde einen Frauenfeiertag schenkt. Noch viel weniger schützt man sie mit der Etablierung absurder Sprach- und Schreibregeln, weil man den Unterschied zwischen grammatischem und natürlichem Geschlecht nicht verstehen will. Man schützt sie, indem man die realen Gefährdungen in den Blick nimmt und ihnen aktiv entgegentritt. Deshalb liegt unser Gesetzesantrag vor, denn eine weitere passive Hinnahme der Ausbreitung fundamentalistischer Praktiken ist nicht verantwortbar.
Es geht um viel, um den Schutz vor Frühsexualisierung, um eine selbstbestimmte Entscheidung, ob und wie Religion gelebt wird, um Integration, um den Schulfrieden und um die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Lassen Sie mich abschließend mit Blick auf die folgende Debatte die Hoffnung äußern, dass sich die politische Linke doch noch besinnt,
auf wessen Seite man in dieser Sache zwingend stehen muss, wenn es einem mit den Frauenrechten ernst ist und dass die beiden anderen Oppositionsparteien auch hier zu der klaren Haltung finden, wie sie von einzelnen ihrer Parteifreunde bereits geäußert worden sind, bei der FDP sogar von ihrem Vorsitzenden. Dann wäre Berlin endlich einmal wieder in positiver Hinsicht Avantgarde und würde seinem Anspruch als Stadt der Freiheit auch verhüllten Schulmädchen gegenüber gerecht. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sache, dass es sich hier um keine Antragsinitiative der Berliner AfD handelt, sondern die AfD damit durch den Bundestag, durch alle anderen Landesparlamente tingelt, macht den Antrag nicht besser.
Es ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass Sie gezielt die Gesellschaft spalten und islamfeindlichen Ressentiments Vorschub leisten möchten. Was fordert die AfD hier?
Hören Sie doch einmal zu, Herr Pazderski! – Was fordert die AfD hier? – Sie schlagen eine Änderung des Schulgesetzes vor, nach der in der Schule und auf schulischen Veranstaltungen Schülerinnen und Schülern bis zum 14. Lebensjahr – Sie sprechen hier vom Zeitpunkt der Religionsmündigkeit – eine weltanschauliche oder religiöse Bekleidung untersagt werden soll.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Gunnar Lindemann (AfD): Einfach erst einmal denken!]
Das bedeutet also, keine Kreuze, keine Kippa, nein, lediglich die religiöse Bekleidung, die mit der Verhüllung des Hauptes verbunden ist, wollen Sie verbieten, kurz, Sie fordern ein Kopftuchverbot und bedienen sich als Begründung dabei Minderjähriger. Das ist unglaublich.
Ihr Vorgehen ist wie immer das gleiche. Sie beschreiben ein angebliches Problem, denn wenn Sie sich in der Berliner Schullandschaft auskennen würden – darauf komme ich gleich noch, es gibt noch ein paar Punkte, bei denen Sie noch ein bisschen Nachhilfeunterricht brauchen –, würden Sie wissen, dass es keinerlei Anzeigen gibt
und dass Sie hier ein angebliches Problem beschreiben und dass es sich vom Prinzip nur um einen Ausdruck antimuslimischer Ressentiments und Fremdenhass handelt.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Das ist so ein Quatsch! 15 Seiten, das haben Sie doch nie geschrieben!]
Warum wir Ihren Antrag vehement ablehnen: Der Gipfel der Unredlichkeit, den Sie hier verbreiten ist die Behauptung, dass das Kopftuch kein religiöses Symbol ist. Natürlich ist es das. Aus diesem Grund ist ein Verbot auch abzulehnen. Im Übrigen hindert ein Kopftuch, dass das Gesicht frei lässt, kein Mädchen daran, am allgemeinen Unterrichtsgeschehen teilzunehmen, und es schränkt die Kommunikationsmöglichkeiten nicht ein,
sodass allein durch das Tragen eines Kopftuches der staatliche Bildung- und Erziehungsauftrag nicht verletzt wird. Kommen Sie doch einmal nach Neukölln und gehen Sie dort einmal an die Schulen. Dort finden Sie jede Menge selbstbewusster kopftuchtragender Mädchen, die Ihnen die Butter vom Brot nehmen.
Frau Kollegin! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kerker von der AfD zulassen.