Protokoll der Sitzung vom 09.05.2019

[Zuruf von Anne Helm (LINKE)]

Wir leben alle seit Jahrzehnten in einer Gesellschaft, in der auch der Islam beheimatet ist,

[Zurufe von der AfD]

und deshalb gibt es unterschiedliche Islamexpertinnen und -experten. Deswegen können wir gerne weiter streiten, aber Verbote bringen in diesem Fall nichts. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Bettina Domer (SPD) und Bettina König (SPD)]

Die AfD-Fraktion hat eine erneute Kurzintervention angemeldet. – Herr Bachmann, bitte, Sie haben das Wort!

[Bravo! von der AfD – Steffen Zillich (LINKE): Wie viele haben die denn schon?]

Ich wollte heute eigentlich keinen Rekord an Interventionen aufstellen, aber noch zwei kurze Anmerkungen: Sie haben darauf rekurriert, dass der Dialog und die Überzeugungsarbeit das mildere und geeignetere Mittel seien. Wir sind da halb bei Ihnen. Natürlich ist es immer der beste Weg, die Menschen zu überzeugen, aber ich glaube, die Realität zeigt, dass allein dieser Weg nicht gangbar ist. Dazu sind uns einfach zu viele Fälle aus der Praxis bekannt geworden, wo das so eben nicht funktioniert, sodass wir wirklich gesetzgeberisch einschreiten müssen.

Dann haben Sie noch gesagt, wir würden die Kinder gegen ihre Eltern aufbringen. – Uns geht es auch um den Schutz der Eltern, denn die werden durch das intolerante Umfeld teilweise auch unter Druck gesetzt.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Manche Eltern wollen dem Kind ja gar kein Kopftuch aufzwingen, müssen sich dann aber ihrerseits Vorwürfen aus der Moscheegemeinde und dem Umfeld ausgesetzt sehen, wieso sie ihren Kindern kein Kopftuch aufsetzen. Deshalb schützen wir mit unserem Gesetzesantrag auch die Eltern.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schneider?

[Zurufe von der AfD und der FDP)]

Ich bin schon fertig! – Danke!

Nein! – Frau Jarasch! Sie haben die Möglichkeit der Erwiderung!

[Zuruf von Holger Krestel (FDP) – Torsten Schneider (SPD): Nein, aber ich kann Frau Jarasch fragen!]

Ich gebe dem Herrn Schneider gerne meine Redezeit ab, aber ich fürchte, das ist formal nicht möglich.

[Thorsten Weiß (AfD): Doch, bei der Präsidentin geht es! – Heiterkeit bei der AfD]

Das ist korrekt so!

Wir reden nicht nur von Dialog, sondern wir reden von pädagogischen Mitteln, pädagogischen Instrumenten und von pädagogischer Arbeit. Etwas mehr als Dialogveranstaltungen sollten Sie den Lehrkräften und dem pädagogischen Personal an Schulen zutrauen; an Schulen passiert einiges mehr.

Was ich Ihnen noch sagen wollte: Sie reden über Grundrechtsbeschränkungen und Grundrechtseingriffe. Deswegen ist es auch nicht irgendein Mittel der Wahl, um ein politisch gewünschtes Ziel zu erreichen, vielmehr muss es sehr gründlich gegen die Grundrechte abgewogen werden, die Sie auf der anderen Seite beschränken. Das haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf einfach nicht überzeugend dargestellt, sorry!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Schauen Sie in die Türkei, Frau Jarasch!]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Gesetzesantrags an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie empfohlen. Auch wenn hier viele Emotionen hochkochen, wird in diesem Falle so verfahren.

(Bettina Jarasch)

Tagesordnungspunkt 10 war Priorität der Fraktion der FDP unter Nummer 3.5. Die Tagesordnungspunkte 11 und 12 stehen auf der Konsensliste.

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 13:

Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien vom 20. März 2019 Drucksache 18/1773

zum Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1512

In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Es hat das Wort der Abgeordnete Kössler. – Bitte schön!

Vielen Dank Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden hier in Berlin ja eher selten über internationale Friedenspolitik,

[Georg Pazderski (AfD): Weil Sie keine Ahnung haben!]

auch wenn das heute am Europatag natürlich angemessen wäre – das größte Friedensprojekt unserer Generation. Internationale Friedenspolitik erfordert aber auch Engagement auf allen Ebenen. Deshalb haben wir in dieser Legislatur stets wiederholt, dass Rot-Rot-Grün die weltpolitische Bedeutung dieser Stadt wahrnehmen und in Verantwortung für den Planeten entsprechend handeln will.

[Lachen von Georg Pazderski (AfD) – Georg Pazderski (AfD): Nicht das Universum?]

Ich finde es am Europatag passend, wenn Opa vom Krieg erzählt. – Herr Pazderski, Sie sind gleich noch dran! Jetzt ist es Zeit, die Schnabeltasse zu halten! –

[Heiterkeit bei der SPD]

Wir als Rot-Rot-Grün begrüßen explizit die Vision der internationalen Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen ICAN und vieler anderer für eine Welt ohne Atomwaffen, dass diese nicht nur möglich ist, sondern unabdingbar für den Frieden. Unter uns: Wer Visionen hat, sollte nicht zum Arzt gehen, sondern den Hintern hochbekommen, um sie umzusetzen. Deshalb wollen wir mit diesem Antrag einen Beitrag leisten, die Bundesregierung daran zu erinnern, dass Deutschland den Atomwaffenverbotsvertrag noch immer nicht unterzeichnet hat. Das muss sich ändern!

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD]

Die Antiatombewegung ICAN hat völlig zu Recht den Friedensnobelpreis bekommen. Wir beglückwünschen sie

dazu mit diesem Antrag. Das ist die gerechte Anerkennung dafür, dass sie dafür gesorgt hat, dass die Vollversammlung der Vereinten Nationen den Vertrag zum Verbot von Atomwaffen beschlossen hat. 122 Staaten haben für diesen Vertrag gestimmt; es fehlen natürlich die Atommächte, die NATO-Staaten und Deutschland.

[Lachen bei der AfD]

Ich denke, für ein Land, das Abrüstung und Friedenssicherung sehr ernst nehmen will, ist das eine Schande, und diese Schande muss in Deutschland beendet werden!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Deutschland muss den Vertrag aber auch deshalb unterzeichnen, um der UNO wieder mehr Gewicht zu geben. Das liegt in unser aller Sicherheitsinteresse, das wissen Sie. Unsere Erwartungen an die deutsche Mitgliedschaft im Sicherheitsrat sind deshalb auch hoch.

[Zuruf von Holger Krestel (FDP)]

Deutschland darf nicht länger wegschauen, sondern muss sich endlich gezielt für nukleare Abrüstung einsetzen. Um Glaubwürdigkeit zu gewinnen, muss Deutschland aber auch aus der nuklearen operativen Teilhabe der NATO aussteigen und darf nicht länger Bundeswehrpilotinnen und -piloten und Trägersysteme bereitstellen. Amerikanische Atombomben müssen abgezogen werden. Sie haben keinerlei Schutzfunktion für Deutschland und sind nur ein Risiko. Dieses Relikt aus dem Kalten Krieg muss endlich enden; Abrüstung muss endlich konkret werden!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Zu guter Letzt: Die Welt ist nicht erst seit Trump in einer Aufrüstungsspirale. Das Ende der Geschichte, wie 1990 vorhergesagt, ist nicht eingetreten. Vielmehr droht Geschichte, sich zu wiederholen. Dabei meine ich nicht einfach nur das braune Pack, das wieder in Parlamenten sitzt, damit meine ich überhaupt die Herangehensweise unserer Gesellschaft an Waffen und der Gedanke, dass mehr Waffen mehr Frieden bedeuten. Das ist Quatsch. Aber im Gegenteil: Atomwaffen werden immer noch modernisiert: Es werden sogenannte Mini-Nukes entwickelt, also Atomwaffen mit geringerer Sprengkraft und damit auch einer niedrigeren Hemmschwelle, sie einzusetzen. Und das alles angesichts von Typen wie Trump, Putin, Erdoğan und Bolsonaro, also Männern, die aufgrund ihrer persönlichen Unzulänglichkeiten –

[Zuruf von Holger Krestel (FDP)]

hören Sie hin, es geht jetzt auch um Sie! – das mit starken Sprüchen, mit einer falschen Männlichkeitsideologie und besonders großen Waffen auszugleichen zu suchen.