Protokoll der Sitzung vom 06.06.2019

Zur Ausübung der Vorkaufsrechte: Die Hoffnung, dass ich mit dem Vorkaufsrecht irgendein Milieu bewahre, haben wir, glaube ich, schon ausführlich diskutiert, und wir wissen: Es bewahrt gar nichts. Dass ich damit sozial gebundene Wohnungen schaffe, klappt eben auch nicht. Der einzige Unterschied ist: Ich habe einen anderen Eigentümer, aber natürlich bleibt die Mietsteigerung genau die gleiche. Es ist überhaupt gar keine Wohnung dort sozial gebunden, wo ich ein Vorkaufsrecht ausübe, weil sie vorher auch nicht sozial gebunden war. Insofern wäre es natürlich schon schlau, wenn die Wohnungsbaugesellschaften mehr bauen würden – auch wenn es schwierig ist, weil es Anwohner gibt, die meinen: Aber nicht bei mir; vielleicht woanders, aber da am besten auch nicht! – Aber es wäre eben trotzdem schlau, wenn wir einfach mehr bauen würden. Dafür haben wir die Wohnungsbaugesellschaften, damit die im sozialen Wohnungsbau bauen.

Es wird allerdings eine gewisse Herausforderung beim Mietendeckel, weil Sie ja Ihren Wohnungsbaugesellschaften gesagt haben, dass sie auch wirtschaftlich arbei

ten sollen. Also auf diese Quadratur des Kreises sind wir mal gespannt.

Aber das ist heute nicht das Thema: Es geht um das Mietergeld, um einen Vorschlag der CDU, der auf den ersten Blick gar nicht so uninteressant klingt, weil – das muss ich Ihnen gestehen – ich vom Prinzip her ein großer Fan der Subjektförderung bin, weil wir alle gesehen haben, dass eine Objektförderung – wer sich an die Neunzigerjahre erinnert – dazu führt, dass wenige in der Gesellschaft auf einmal viel hatten und das Ziel vom preiswerten Wohnraum damit überhaupt nicht erreicht war.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Das war also keine so richtig schlaue Idee, und ich glaube, es macht schon Sinn zu sagen: Wir fördern die Menschen, die eine Wohnung suchen, und versuchen, möglichst einen Freiraum für sie zu schaffen, sodass sie sich auch wirklich die Wohnung suchen können, die für sie passt, und setzen eben genau dort an. Dafür haben wir eigentlich auch das Wohngeld; es ist auch erhöht worden. Ich könnte auch gut damit sein, wenn man das Wohngeld noch weiter erhöht.

[Danny Freymark (CDU): Aber wohl nicht abschaffen!]

Jetzt sind Sie allerdings, glaube ich, ein Teil der GroKo, und nicht wir. Insofern wäre es Ihre Aufgabe, daran auf Bundesebene zu arbeiten. – Dann haben Sie noch geschrieben, dass das Mietergeld den Neubau ankurbeln soll. Das habe ich noch nicht ganz verstanden. Wie die Subjektförderung den Neubau ankurbeln soll, bleibt mir ein Rätsel.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall von der LINKEN und von Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Jetzt kann man auch noch über Neubauförderung nachdenken, aber sorry: Wenn wir etwas im Moment nicht brauchen, ist es Neubauförderung. Die Leute, die bauen wollen, stehen an. Wir bräuchten mal Bezirke und Stadträte, die sagen: Guten Tag! Kommen Sie herein! Sie wollen bauen? Da freuen wir uns aber! – Und was haben wir? – Stadträte wie Florian Schmidt, der für niemanden Zeit hat, noch nicht mal für den Holzmarkt! Auf der anderen Seite haben wir Stadträte, die sagen: Heute habe ich ganz schlechte Laune; das geht gar nicht. Kommen Sie mal in vier Wochen wieder! – Das kann es doch alles nicht sein! Wir haben genügend Leute in dieser Stadt, die ihr Geld ausgeben und dafür bauen wollen. Lassen wir sie doch einfach bauen; das wäre das Schlauste!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Eines sage ich Ihnen, lieber Herr Gräff: Am Ende des Tages glaube ich, dass das Mietergeld genau dazu führen wird, wie der Name es sagt: zu hohen Mieten.

[Iris Spranger (SPD): Das wäre ja Quatsch!]

Wenn ich weiß, dass meine Miete im Bereich von 8 bis 13 Euro subventioniert wird, was mache ich denn dann,

(Dr. Michail Nelken)

wenn ich mal auf einen Stadtrat treffe, der das Bauen ermöglicht? – Also insofern muss ich gestehen, tun auch wir uns mit dieser Idee schwer. Ausnahmsweise würde ich dem Vorsitzenden des Berliner Mietervereins an dieser Stelle recht geben und sagen: Das erscheint mir noch keine vernünftige Strategie zu sein.

Lieber Herr Gräff! Wir haben uns wirklich genau mit dem Modell beschäftigt, und das nächste Problem daran ist auch: Wir kommen in einen Bereich der Überbürokratisierung; zwei Personen, die 60 Quadratmeter kriegen, eine Person, die das kriegt – das ist alles so aufwendig. Lassen Sie uns das Geld in die Hand nehmen – Sie sagen, es kostet 130 Millionen im Jahr – und zumindest dafür schon einmal Wohnungen bauen, von mir aus gerne auch sozial gebunden! Ich sage das noch einmal in aller Deutlichkeit: gerne auch bezahlbaren Wohnraum. Aber es muss irgendjemand mal machen! – Danke schön!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Schmidberger das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Meister! Ich bin gerade positiv überrascht, dass Sie heute so ein starkes Bekenntnis zum sozialen Wohnungsbau und der Objektförderung geliefert haben. Finde ich super, dass wir mal eine Gemeinsamkeit feststellen. Das meine ich ganz im Ernst.

[Zuruf von Sibylle Meister (FDP)]

Ich glaube aber, dass die CDU dieses heute oder insgesamt – das Berliner Mietergeld von der CDU schwebt schon länger in der Öffentlichkeit herum – so gemacht hat, um auch mal irgendetwas zu präsentieren, was den Mietern gefallen und was suggerieren soll: Wir tun auch etwas für die Mieter und nicht nur für die Vermieter dieser Stadt. Es ist aber nach wie vor so: Wenn man sich das Mietergeld en détail anguckt, muss man feststellen, es ist ein verstecktes Subventionsprogramm für die Immobilienwirtschaft. Denn wenn man sich das anguckt – der Wohnungsmarkt ist ja jetzt angespannt, wir reden nicht von einem entspannten Wohnungsmarkt –, dann würde diese 5-Euro-Subventionierung ab Mieten von 8 Euro teure Mitnahmeeffekte erzeugen. Das können Sie sich beim Baukindergeld im Bund einmal angucken. Da wurde der Zuschuss komplett aufgefressen, weil Makler, die Immobilienwirtschaft und viele andere einfach ihre Preise erhöht haben. Das kann es ja wohl nicht sein. Dafür Landesgelder auszugeben, wäre totale Verschwendung.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gläser?

Gläser? – Nein, vielen Dank! Aber nettes Angebot! – Ich meine, der Punkt ist doch, je höher die Miete ist, desto höher soll der Zuschuss sein. Wie gesagt, ab 8 Euro. Zwar soll er dann gedeckelt sein auf 5 Euro, aber ich frage mich dann, ob die Förderung den Menschen, dem Mittelstand, die wirklich überhöhte Mieten zahlen müssen – wir sind oft schon viel höher als 13 Euro – dann hilft, in ihren Wohnungen bleiben zu können.

[Christian Gräff (CDU) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Ja, Herr Gräff, Sie können mir gerne eine Frage stellen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gräff?

Herr Präsident, vielen Dank! – Frau Schmidberger! Ist Ihnen denn bewusst, dass wir explizit in unserem Masterplan – bei Ihnen weiß ich ja, dass Sie ihn gelesen haben – das Thema Mietsteigerungen, die dadurch in der Tat als Mitnahmeeffekt, wenn man es nicht machen würde, entstehen können, ausgeschlossen haben, weil wir gesagt haben, dass wir genau da die Deckelung vornehmen, sondern wir nur über Ist-Situationen von Menschen, die diese Miete nicht mehr bezahlen können, in der Mitte der Gesellschaft sprechen?

Ja, da frage ich mich ein bisschen, wie Sie das Bürgerliche Gesetzbuch, das Mietrecht aushebeln wollen, wo ein Vermieter einfach das Recht darauf hat, die Miete in einem gewissen Zeitraum zu erhöhen. Übrigens finde ich es lustig, dass Sie dieses Thema ansprechen, denn im Grunde müssten Sie aus der Logik heraus auch für unseren Berliner Mietendeckel sein, für unser fünfjähriges Moratorium.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Können wir ja noch einmal in Ruhe ausdiskutieren.

[Christian Gräff (CDU): Absolut!]

Ich frage mich auch ein bisschen, ob die CDU eine Gelddruckmaschine erfunden hat, denn wenn ich mir alleine überlege, wie viele Leute in Berlin darauf angewiesen

(Sibylle Meister)

wären, und das sind eine Menge Berlinerinnen und Berliner, und wir dann bei einer 70-Quadratmeter-Wohnung ungefähr 5 Euro pro Quadratmeter – macht dann 350 Euro monatlich – bezuschussen sollen, dann frage ich mich gerade, wer das alles bezahlen soll und was dann sozusagen auf der Strecke bleibt. Sie beschweren sich die ganze Zeit, dass wir angeblich teure Häuser ankaufen bzw. das Vorkaufsrecht nutzen. Das ist im Vergleich dazu ein neuer Schuldenberg, der auf uns zukommen könnte.

Deswegen muss ich leider zusammenfassend feststellen, dass dieses Mietergeld zwar wie ein Mietergeld klingt, aber da ist kein Mietergeld drin, sondern das ist ein Vermietergeld, lieber Herr Gräff. Das tut mir leid, das muss ich hier so konstatieren.

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ich möchte aber noch eine Lanze brechen für das Thema Objektförderung, also sprich: nicht dem Vermieter Geld zu geben, damit er die Miete nicht so schlimm erhöht, sondern selber Wohnungen zu bauen, den Vermietern, Genossenschaften und Landeseigenen Geld zu geben, damit sie Wohnungsbestände errichten und ankaufen können. Der Punkt ist doch, dass viele Menschen gar nicht den Zugang zu den Wohnungen haben. Die eine Frage ist, ob man die Miete bezahlen kann, die andere, ob man überhaupt in den Genuss kommt, diese Wohnung anmieten zu können. Da haben wir eine massive Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt. Da fallen leider dann die Schwächsten der Gesellschaft schnell unter den Radar und haben nicht die Chance, sich mit einer Wohnung zu versorgen. Nur durch eine Objektförderung à la Wien können wir es schaffen, breite Schichten mit Wohnraum zu versorgen.

Ich möchte noch einen Punkt zum Thema Mittelschicht sagen, denn das regt mich langsam wirklich auf.

Ich darf Sie zwischendurch trotzdem fragen, ob Sie eine Zwischenfrage von Dr. Brinker zulassen.

Nein, danke! – Jetzt war ich so schön im Film. Na, egal. Ich fange noch einmal von vorne an. – Mittelschicht war das Stichwort. Sie selber widersprechen sich da nämlich ein Stück weit. Jetzt machen Sie einen auf Superritter der Mittelschicht. Wenn ich mir angucke, was Sie im Bund bundesmietrechtlich, baurechtlich alles zulassen, seien es die Share-Deals, seien es die überhöhten Modernisierungsumlagen und vieles andere, was der Mittelschicht nicht nutzt, seien es die stark steigenden Gewerbemieten, die Arbeitsplätze in dieser Stadt vernichten –, da sind Sie auch gegen eine Regulierung. Beim Vorkaufsrecht werfen Sie uns immer vor, wir würden die Häuser für die

grüne Mittelschicht kaufen wollen und nicht den Armen zugute geben. Was denn jetzt, Herr Gräff? Sie müssen sich mal entscheiden. Ihre Behauptung, Sie würden für die ganze Stadt und für alle Wohnungspolitik machen, stelle ich groß infrage, wenn ich mir angucke, wie Sie im Bund agieren.

Und wenn ich mir dieses Mietergeld anschaue, dann tut es mir leid, haben Sie kein Angebot für die Berlinerinnen und Berliner. Das ist wohnungspolitisches Harakiri, was Sie da vorschlagen.

Deswegen finde ich es gut, dass wir als rot-rot-grüne Koalition bei dem Dreiklang Bestandsschutz, Neubau, Ankauf bleiben. Das bedeutet, dass wir Gesetze wie das Zweckentfremdungsverbotsgesetz schärfen, dass wir den Mietendeckel einführen. Beim Neubau, und da gebe ich Ihnen auch recht, reicht die Wohnraumförderung nicht, und da sind wir noch zu langsam, aber dass da gar nichts passiert – bitte hören Sie mit den Übertreibungen auf. Seien Sie mal differenziert. Wir werden von den 30 000 Wohnungen wahrscheinlich 26 000 schaffen. Den Rest sollten meiner Meinung nach mindestens, wenn nicht sogar mehr, die Genossenschaften hinbekommen. Die sollen dafür Grundstücke bekommen. Da haben wir eine Gemeinsamkeit. Lassen Sie uns da gerne an einem Strang ziehen. Aber bitte bekennen Sie sich zur sozialen Marktwirtschaft. Tun Sie etwas gegen massiv steigende Wohnkosten. Hören Sie auf, immer der parlamentarische Arm der Immobilienwirtschaft zu sein. So werden Sie nicht gewählt, lieber Herr Gräff.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen sowie an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.6: