Protokoll der Sitzung vom 06.06.2019

Herr Kollege! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Christian Buchholz von der AfD zulassen?

(Jürn Jakob Schultze-Berndt)

Ich lasse grundsätzlich alle Zwischenfragen zu – also bitte, Herr Buchholz!

Herr Stroedter! Können Sie diese 200-Euro-Grenze etwas näher erläutern, wie Sie darauf gekommen sind, dass erst bei Rückständen von 200 Euro Strom und Gas gesperrt werden sollen, wenn in der Ihrem Antrag zugrundeliegenden Anfrage geantwortet wurde, dass erst bei Stromrückständen von 385 Euro und bei Gaszahlungsrückständen von 800 Euro gesperrt wird? Das würde ja eine Verschlechterung bedeuten.

[Dr. Stefan Taschner (GRÜNE): Das ist der Durchschnitt!]

Das ist der Durchschnitt, die 200 Euro. Es geht uns darum, dass nicht sofort Sperrungen eintreten, insofern ist die Frage an sich schon direkt beantwortet.

Wir wollen, dass auf Strom- und Gassperrungen verzichtet wird, wenn schutzbedürftige Personen wie zum Beispiel Kinder, Senioren und Schwerkranke davon betroffen sind. Vor Wochenenden und Feiertagen sollen die Strom- und Gasnetzbetreiber grundsätzlich gar keine Sperrungen mehr durchführen, und bei Wegfall des Sperrgrundes muss in den Wohnungen eine unverzügliche – und tatsächlich unverzügliche – Wiederfreischaltung der Energie erfolgen.

Und weil wir über Sozialpolitik reden: Wir wollen einkommensschwache Haushalte bei der Anschaffung energiesparender Haushaltsgeräte unterstützen. Auch so können der Verbrauch und die Stromkosten gesenkt werden. Das vermeidet hohe Rechnungen und schlussendlich auch eine drohende Zahlungsunfähigkeit.

Das Vorgehen gegen Strom- und Gassperrungen erfordert ein koordiniertes und gemeinsames Handeln. Dafür richten wir – auch das hat der Kollege Efler schon angesprochen – einen Runden Tisch unter Beteiligung vieler Beteiligter ein – Senatsverwaltung für Soziales, Wirtschaft, Energie und Verbraucherschutz, Grundversorger für Strom und Gas, der Betreiber des Strom- und Gasnetzes, die Jobcenter, die Sozialämter, Schuldnerberatungen der Verbraucherzentrale, Mieterorganisationen und andere relevante Akteure.

Und wir wollen auch von anderen Städten lernen. Wir hatten übrigens gestern eine Anhörung zu einem anderen Thema; da war auch Hannover mit dabei. Da sage ich mal: Von Hannover kann man in der Frage lernen; die sind sehr erfolgreich mit ihrem Notfallfonds enercityHärtefonds, den sie dafür eingerichtet haben. Wir werden

in Berlin prüfen, ob wir ein ähnliches Modell realisieren können.

Aus unserer Sicht ist die Versorgung mit Energie ein grundlegendes Element der Daseinsvorsorge. Mit dem vorliegenden Antrag helfen wir Berlinerinnen und Berlinern, leichter durch schwierige Lebensphasen zu kommen. Deshalb werben wir dafür, und wir werben auch dafür, dass alle Parteien diesem Antrag zustimmen. Ich glaube, es macht Sinn, unabhängig von unseren energiepolitischen Vorstellungen, für die Schwachen in unserer Gesellschaft etwas zu tun. Wer ohnehin schon viele Probleme und dann darüber hinaus keinen Strom mehr hat, der hat ein echtes Problem. Deshalb: Helfen Sie mit! Sorgen Sie dafür, dass das in Zukunft weitgehend vermieden werden kann! – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort Herr Dr. Taschner!

[Dr. Michael Efler (LINKE): Die AfD gibt es auch noch!]

Entschuldigung! Ich hatte wegen der Zwischenfrage bei Ihnen, Herr Buchholz, bereits ein Häkchen drangemacht. Das war kein böser Wille. – Die AfD hat das Wort. – Herr Buchholz, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Liebe Gäste! Die Regierungskoalition möchte mit dem vorliegenden Antrag ein Problem lösen, das sie selbst verursacht hat; es war nämlich niemand anderes als die Antragsteller selbst. Die roten und grünen Ökosozialisten auf allen Ebenen machen den Strom teurer. Sie verursachen Armut, nicht nur Energiearmut, sondern umfassende Armut, auch geistige Armut.

[Beifall bei der AfD]

Sie suchen dann einen Sündenbock, und sie bieten Lösungen an, die den Erhalt des Problems auf Jahrzehnte sichern.

Der Strom ist in Deutschland europaweit am teuersten. Die Kilowattstunde kostet in Deutschland bereits 30 Cent. Zum Vergleich: In Norwegen kostet eine Kilowattstunde 10 Cent. Nominal ist der Strom in Deutschland bereits dreimal so teuer wie in Norwegen. Aber das ist noch nicht alles. Norwegen hat ein doppelt so hohes Pro-Kopf-Einkommen wie Deutschland. Der teurere Strom in Deutschland trifft hier auf ein wesentlich niedrigeres Einkommen. Real ist der Strom in Deutschland also noch teurer. Real ist der Strom in Deutschland damit

sechsmal so teuer wie in Norwegen. Das sind die wahren Verhältnisse, und das müssen die Bürgerinnen und Bürger wissen!

[Beifall bei der AfD und Bravo! – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Der Strompreis, den die Verbraucher zahlen müssen, wird am meisten durch die Steuern und Abgaben in die Höhe getrieben. Allein die Stromsteuer, Umsatzsteuer und EEG-Umlage machen zusammen die Hälfte des Strompreises aus. Ein weiteres Viertel des Strompreises machen die Netzentgelte aus, und erst das letzte Viertel des Preises kommt durch Beschaffung und Vertrieb des Stromes. Die Netzentgelte sind inzwischen sehr hoch, weil es aufwändiger geworden ist, die Netze stabil zu halten. Die Einspeisung von Strom aus Wind und Sonne ist eben schwerer planbar, und das macht die Netze teurer. Der Preis für den elektrischen Strom kostet die meisten Berliner inzwischen eine dreizehnte Monatsmiete – wegen der misslungenen und weiter misslingenden Energiewende.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Bezeichnenderweise kommt das Wort „Preis“, also die Hauptursache für Energiearmut, nicht einmal in dem Antrag vor – da liegt nämlich der Hase im Pfeffer. Dr. Efler hat in seiner Rede richtigerweise auch einmal das Wort „Preis“ erwähnt. Da habe ich genau zugehört und gehofft, dass da noch etwas mehr kommt, Dr. Efler. Aber dann kam zum Thema Preis nichts weiter. Dazu hätte ich gerne noch etwas von Ihnen gehört!

[Dr. Michael Efler (LINKE): Ich habe den Antrag vorgestellt!]

Hinzu kommt, dass die Menschen in keiner Weise darauf vorbereitet werden, mit den steigenden Preisen für unverzichtbare Güter umzugehen. Ganz dramatisch konnten wir es in den letzten Wochen auch vor der Europawahl bei einigen Podiumsdiskussionen in Schulen erleben. So waren wir auch im Carl-von-Ossietzky-Gymnasium in Pankow. Man muss dazu sagen: Es gibt in Berlin immer noch eine ganze Reihe von Schulen mit hervorragenden, kompetenten Schulleitungen. Das Carl-von-OssietzkyGymnasium gehört leider nicht dazu.

In der Podiumsdiskussion durfte auch ein blasser Hinterbänkler der Linkspartei aus diesem Hause auftreten. Der blasse Hinterbänkler der Linkspartei nuschelte dann etwas von Enteignungen, und es gab frenetischen Beifall einer Reihe von Schülerinnen und Schülern dieser Schule. Sie beklatschten das Stichwort „Enteignungen“. Auf den Klatscheinsatz beim Stichwort „Enteignungen“ waren sie wochenlang im angrenzenden linksextremistischen Jugendzentrum trainiert worden.

[Lachen bei der LINKEN – Oh! von Georg Kössler (GRÜNE)]

Genau diese Enteignungsklatscher werden die Ersten sein, die ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen können, weil ihnen die wirtschaftlichen Zusammenhänge falsch vermittelt werden.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kohlmeier von der SPD-Fraktion?

Nein, im Moment nicht! –

[Oh! von den GRÜNEN]

Für die Bekämpfung von Energiearmut bedarf es, außer der im Falle Alter und Kranker richtigen Subjektförderung – Stichwort: Notfallfonds oder optisch erkennbare Anforderung –, noch ganz anderer Maßnahmen: Die Koalition sollte sich dafür einsetzen, dass der gescheiterte gleichzeitige Ausstieg aus der Stromerzeugung durch Kernenergie und Kohle gestoppt wird

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

und die Energiepreise auf normales Niveau zurückkommen.

[Beifall bei der AfD – Gunnar Lindemann (AfD): Bravo!]

Sie sollte sich auch eindeutig hinter Nord Stream 2 stellen, damit das Gas in Zukunft nicht teurer wird,

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

sondern durch marktwirtschaftlichen Wettbewerb zwischen russischem und amerikanischem Gas für uns bezahlbar bleibt.

[Zuruf von der AfD: Richtig!]

Sie sollte auch für eine fundierte finanzielle und ökonomische Bildung der nachwachsenden Generationen sorgen. Eine frühe finanzielle Bildung ist die beste Schuldnerberatung – sie ist nämlich vorbeugend.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos) – Zuruf von Sven Kohlmeier (SPD)]

Da dieser Antrag nicht der Bekämpfung der Ursachen der Energiearmut dient, sondern diese unter Schaffung neuer

Planstellen und Runder Tische verwalten will, lehnen wir ihn ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Für eine Zwischenbemerkung hat jetzt noch einmal Herr Kollege Dr. Efler das Wort. – Bitte schön!

Herr Kollege! Das war wirklich eine Karnevalsrede! Ich will mich jetzt gar nicht großartig mit Ihnen über die Gründe für Energiearmut streiten; das ist eigenes Thema. Es ist auch etwas, was wir auf Bundesebene besprechen müssten. Dazu habe ich ein wenig gesagt. Eines möchte ich aber hier noch einmal verdeutlichen und dechiffrieren: Offensichtlich ist Ihnen das Schicksal von Menschen, die in Berlin von Energiearmut betroffen sind, völlig egal.

[Georg Pazderski (AfD): Nein, Ihnen ist das egal! Sie erhöhen doch die Preise!]

Sie haben keinen einzigen Vorschlag gebracht, wie Sie Menschen mit den Mitteln des Landesrechts, auf der Landesebene hier in einer konkreten Notsituation helfen können. Sie haben keinen einzigen Vorschlag gebracht.