Hören Sie mal zu! Hören Sie, gerade die Linke und die Grünen, beim Thema Wirtschaftspolitik zu! Nur verstärkter Neubau, preiswerter Neubau wird da helfen. Auch dafür haben wir auf unserer Fraktionsklausur unter der Überschrift „Berlin 2030 – Visionen für eine starke Wirtschaftsmetropole“ Vorschläge gemacht, übrigens sicherlich Vorschläge, wo die Immobilienwirtschaft die Ohren zusammenkneifen wird, weil wir gesagt haben: Bei großen Bauvorhaben müssen 20 Prozent preiswerter – preiswerter! – Gewerberaum neu entstehen. Da wird in der Tat nur bauen, bauen, bauen beim Thema preiswerte Gewerbeflächen helfen. Das jedenfalls ist keine Antwort für kleinere und mittlere Unternehmen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich bei einem meiner regelmäßigen Rundgänge durch die Geschäftsstraßen meines Wahlkreises die Gewerbetreibenden frage, womit die Politik sie unterstützen könne, erhalten ich zwei Antworten am häufigsten. Die eine Antwort lautet: Schicken Sie uns Kunden! – eine Aufforderung, die sicherlich nur in Ausnahmefällen zu einem spürbaren Zuwachs an Kundschaft führen wird, denn schließlich sind Abgeordnete keine Werbeagenturen. Noch häufiger ist allerdings die zweite Forderung: Sorgen Sie für eine Begrenzung der Gewerbemieten! –, und hier sehe ich die Politik durchaus in der Pflicht.
Anders als im sozialen Mietrecht für Wohnungen gibt es für Gewerbemietverträge bislang praktisch keinen
Schutz. Mieterhöhungen nach Belieben und auch Kündigungen ohne Grund sind ohne Weiteres möglich, je nachdem, was der Markt hergibt. Wenn es eines Beispiels bedürfte, dass der Markt nicht alles zum Wohle der Allgemeinheit richtet, dann dieses – nicht wahr, liebe CDU, nicht wahr, liebe FDP?
Natürlich gehört es für eine attraktive Stadt wie Berlin dazu, eine gesunde Gewerbestruktur in den Kiezen zu haben. Das dient nicht nur den Gewerbetreibenden selbst, sondern auch den vielen Menschen, die hier leben und nicht nur Immobilienmakler, Nagelstudios oder Bestattungsunternehmen in ihrer Umgebung brauchen. Es trifft neben den kleinen Unternehmen auch soziale Einrichtungen, die nach dem Gewerbemietrecht behandelt werden. Frau Schmidberger hat eben schon in ausführlichen Beispielen hierzu Stellung genommen. Es geht um den Erhalt der Berliner Mischung, die durch die Spreizung einer breiten Mittelschicht charakterisiert ist, die noch in der Innenstadt lebt, und diese Mittelschicht hat die beliebten und daher gut besuchten Kieze Berlins erst dazu gemacht. Berliner Mischung meint nämlich gerade die Nutzungsmischung, die im dichten Nebeneinander von Wohnen, Gewerbe und Produktion besteht.
Die Berliner SPD hat daher schon vor 15 Jahren eine Bundesratsinitiative angestoßen, um ein soziales Gewerbemietrecht einzuführen. Damals scheiterte die Initiative leider noch, weil offenbar der Druck auf die Gewerbeimmobilien in anderen Bundesländern noch nicht so spürbar war. Die Situation hat sich inzwischen aber deutlich gewandelt, und im vergangenen Herbst formulierte der Bundesrat – wiederum auf Berliner Initiative, diesmal mit Unterstützung anderer Länder – die Besorgnis, dass sich in innerstädtischen Lagen in den letzten Jahren vor
dem Hintergrund erheblicher Steigerungen der Gewerbemieten ein Strukturwandel abzeichnet, der auch von einer Verdrängung kleiner inhabergeführter Gewerbe und sozialer Einrichtungen wie z. B. Kitas und Jugendeinrichtungen geprägt ist, und er fordert die Bundesregierung vor diesem Hintergrund auf, Maßnahmen zu ergreifen.
Inzwischen liegt immerhin auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vor, der zwar die Nichtanwendbarkeit des sozialen Mietrechts auf Gewerbemietverträge feststellt, aber auch Wege aufzeigt, wie in bestimmten Fällen das Eigentumsrecht des Immobilienbesitzers gegenüber dem Gemeinwohl abzuwägen wäre. Die rot-rot-grüne Koalition legt daher den Antrag „Vielfältige Gewerbestrukturen schützen II“ vor, der eine weitere Bundesratsinitiative mit konkreten Forderungen mit auf den Weg bringt und keine populistische Initiative ist – Herr Gräff!
Doch nicht nur auf Bundesebene kann die Politik etwas zum Erhalt von funktionierenden Gewerbestrukturen tun. Der Antrag „Vielfältige Gewerbestrukturen schützen I – Berliner Mischung erhalten!“, der heute hier zur Abstimmung steht, formuliert einen Rahmen der landespolitischen Möglichkeiten. Ein bezirkliches Gewerbeflächenmanagement muss eingerichtet werden. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sind als Vermieterinnen von Gewerbeimmobilien allerdings in der Pflicht, und auch die Gründung eines städtischen Unternehmens zur Vermietung von Gewerberäumen kann eine Option sein. Ich hielt den Verkauf der GSW seinerzeit schon für keine gute Idee, aber das muss nicht heißen, dass das Land Berlin auch in Zukunft Gewerbeimmobilien nicht als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge sehen darf. Längst wird eine neue Liegenschaftspolitik im Land Berlin praktiziert. – Ich bitte daher um Zustimmung zu beiden Anträgen und danke für die Aufmerksamkeit!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Anträge spiegeln Ihre typische Klientelpolitik wider: Versteckt hinter dem Begriff der von Ihnen bevorzugten sogenannten sozialen Träger, der sich wie ein roter Faden durch Ihre Anträge zieht, sind dann alle möglichen linken bis sogar linksradikalen Vereine. Benachteiligt werden die vielen Start-ups, Handwerker und Kleinbetriebe, die die Wirtschaftsstruktur Berlins prägen und die das Geld für ihre sozialen Wohltaten erwirtschaften.
Flächen für Kitas, Schulen und öffentliche Einrichtungen sind sowieso Bestandteil des Wirtschafts- und Stadtentwicklungsplans. Im Bereich der Gewerbevermietung gehen Sie dann gleich entschlossen zur Planwirtschaft über, die ausschließlich von landeseigenen Wohnungsunternehmen betrieben werden soll. – Wo bleiben denn hier die Wohnungsgenossenschaften, liebe Genossen?
Nun zu den Bundesratsinitiativen: Natürlich klingt ein moderater Schutz vor willkürlichen Kündigungen erst einmal begrüßenswert. Wo aber bitte schön fangen Ihre schützenswerten kleinteiligen Einzelhandelsstrukturen an? Und selbst wenn es festgelegt wäre, hindert es möglicherweise zu expandieren. Der Gewerbetreibende würde dann seinen guten Schutz verlieren. Mit einer längeren Kündigungsfrist wird eine schnelle Neuvermietung an weitere Kleinunternehmer für das öffentliche Wohl verhindert.
Den Vogel schießen Sie jedoch mit den Änderungswünschen hinsichtlich des Bürgerlichen Gesetzbuches ab. Sie fordern jahrelange Mietobergrenzen, Mietpreisbremsen und die Gestaltung eines kommunalen Gewerbemietspiegels. – Das ist die Abschaffung der freien Marktwirtschaft von Ludwig Erhard,
die der Bundesrepublik einst zu ihrem Wohlstand verhalf. – Ich frage mich ernsthaft, Herr Gräff, wieso die CDU einem dieser Anträge überhaupt zugestimmt hat. Wohin solche Experimente führen, hat uns doch die Geschichte gezeigt. Haben Sie das alle vergessen? – Diese Zustände möchte doch wirklich niemand mehr haben. Die AfD lehnt diese Anträge deshalb ab. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den inneren Stadtvierteln verschwindet zunehmend das alte Gewerbe, das die Wohnbevölkerung mit den Mitteln des alltäglichen Bedarfs versorgt. Die Stadt der kurzen Wege erleichtert den Alltag, spart Zeit, vermeidet Verkehr und macht den Stadtteil so angenehm. Diese auf unseren Bedarf ausgerichtete Kiezstruktur, zu der auch soziale und kulturelle Einrichtungen gehören, wird bald verschwunden sein, wenn wir nicht eingreifen.
Gewerbemieter genießen keinen Schutz. Die Laufzeiten der Mietverträge werden immer kürzer, die Mieten immer höher. Das bricht vielen – gerade kleinen – Gewerbetreibenden das Genick. Sie müssen oft großen Ketten weichen. Viele Straßen verkommen zu eintönigen Fressmeilen für den Tourismus.
Nehmen wir zum Beispiel den Kottbusser Damm in Kreuzberg und Neukölln: Er ist wahrlich kein Kleinod, aber ist gibt immer noch Geschäfte für den Alltagsbedarf. Doch die Fluktuation dort ist bedrohlich. Im letzten Monat musste zum Beispiel „Kamil Mode“ aufgeben, ein alteingesessener Familienbetrieb. Der Vermieter ist kein hungriger Konzern, sondern nur eine Einzelperson, die Lunte gerochen hat: Hier ist noch mehr Geld zu machen. – Er verlangte so viel mehr an Miete, dass es das Aus für das Geschäft bedeutete. Alle öffentlichen Proteste halfen diesmal nichts. Bis vor Kurzem wusste niemand, dass die milliardenschweren Gebrüder Pears zu den Top Ten am Berliner Immobilienmarkt gehören. Sie sind scheu wie ein Reh und verstecken sich in zig Steueroasen. Aufgestöbert hat sie das Kollektiv der netten Kiezkneipe „Syndikat“ im Schillerkiez. Der alten Traditionskneipe war nach 33 Jahren gekündigt worden. – Warum? – Einfach so, weil Pears es kann.
Man muss dieser Willkür am Gewerbemietenmarkt Einhalt gebieten. Wir fordern Schutz für Gewerbemieter und wollen daher im Bundesrat erneut aktiv werden.
So, wie die besondere Bedeutung des privaten Wohnraums das Mietrecht begründet, so soll auch die besondere Rolle der Existenzsicherung für Gewerbetreibende in einem Mietrecht für Gewerbe Niederschlag finden. Dazu gehört zuallererst ein vernünftiger Kündigungsschutz; dazu gehört auch die Einführung eines Mietspiegels für Gewerbe, der analog, wie beim Wohnen, Obergrenzen festlegt. Ferner wollen wir im Baugesetzbuch den Milieuschutz auch auf Gewerbe ausweiten. Das Verschwinden von wohnortnahem Gewerbe, sozialer und kultureller Infrastruktur hat ebenfalls Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung, die es zu schützen gilt. Gibt es keine Änderung in der Bundespolitik – und es sieht wirklich finster aus, Herr Gräff –, dann gibt es keine Lösung des Problems. Das sollte uns allen klar sein. Das, was wir vorhaben, ist kein Teufelswerk, sondern es muss eine Regulierung am Markt stattfinden.
Noch ein Wort an die CDU und an die FDP: Sie betrachten dieses Thema als Ihre Hochburg. Leider sind Sie ein Totalausfall, wie wir gerade gesehen haben. So gab es keinen einzigen Vorschlag von der CDU, was gemacht werden soll,
weil Ihre ideologischen Barrieren Sie daran hindern, die erdrückende Last der Mietenwillkür von den Gewerbe
treibenden zu nehmen. Der Markt regelt es eben nicht, sondern treibt Ihr angebliches Klientel in den Ruin. Bewegen Sie sich und stimmen Sie unseren Anträgen zu!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich von der Linkspartei höre, dass wir ideologisch drauf sind, dann ist meine versöhnliche Stimmung von vorhin vorbei.
Denn wohin Ihre Ideologie geführt hat, hat man vor 30 Jahren gesehen: Da gab es kein Gewerbe und auch mangelhaften Wohnraum. Insofern müssen Sie mir Ihre Rezepte hier bitte nicht auftischen – das brauchen wir nicht.
[Beifall bei der FDP – Zuruf von Katalin Gennburg (LINKE) – Paul Fresdorf (FDP): Jetzt hast du sogar Herrn Albers geweckt! – Unruhe]
Gute Gewerbestruktur ist eine komplizierte Daueraufgabe. Wenn wir von der „Berliner Mischung“ sprechen, dann hat jeder ein anderes Bild davon. Nicht jede Änderung bei Gewerbeflächen hängt mit der Miete zusammen. Eine solche Änderung hängt auch mit geänderten Bedürfnissen, etwa von Verbrauchern, oder mit anderen Produktionsprozessen zusammen. Machen Sie es sich selbst nicht so einfach!
Herr Kollege! Weil Sie gerade von der „Berliner Mischung“ sprachen – würden Sie uns einmal erläutern, was Sie darunter verstehen?
Ja! – Darauf wäre ich sowieso zu sprechen gekommen. Unter „Berliner Mischung“ ist letztlich eine ausgewogene Gewerbestruktur zu verstehen, die den Bedürfnissen der Bewohner, aber auch der Besucher gerecht wird, und die einseitige Gewerbe vermeidet. Das wird aber nicht in jeder Hinsicht komplett durchzuhalten sein; das muss man ganz ehrlich sagen. Nicht in jeder Gegend wird das durchzuhalten sein.
Einen richtigen Befund haben wir heute besprochen: die steigenden Gewerbemieten. Das ist in der Tat ein strukturelles Problem. Von den Vorrednern wurde bereits angesprochen, dass wir dann, wenn man Wohnraum und Gewerbeflächen gleichzeitig verknappt, ein Problem mit steigenden Preisen haben. Es wurde so häufig gesagt, dass es einen Zusammenhang zwischen Angebot und Nachfrage gibt. Das ist nun einmal der Preis, der sich darin ausdrückt. Das versteht man eigentlich auch, wenn man es so oft gehört hat – es sei denn, man wurde so wie Herr Nelken in marxistischen Theorien promoviert.