Protocol of the Session on June 6, 2019

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Dann halten wir die Zeit an, die auch schon abgelaufen ist.

Sehr geehrter Kollege! Nachdem wir uns jetzt fast zehn Minuten Ihre Litanei anhören mussten, dass ja irgendwie gar nichts in Berlin funktionieren soll, –

Sie haben völlig recht, Sie regieren.

habe ich eine Frage: Warum sind Sie noch nicht ausgewandert?

[Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Das kann ich Ihnen sagen: Weil ich davon überzeugt bin, in dieser Stadt Veränderungen herbeiführen zu können, um dieses Wachstum mit Leben zu füllen und nicht Klientelpolitik zu machen! Da ich diesem Glauben weiterhin anhänge wie fast alle in der Opposition und wir eben keine linke Klientelpolitik machen für Ihre Wähler, bin ich davon überzeugt, dass diese Stadt genau die richtige Stadt ist, um Politik zu machen.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos), Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Ich habe Ihnen aufgezeigt, was mit Mut, Tatkraft und wesentlichen Entscheidungen für Berlin möglich wäre, eben keine linke Ideologie für wenige linke, aggressive Aktivisten, sondern Politik für alle Menschen – so, wie wir, die bürgerliche Opposition in Berlin, das machen würden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP –

Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos),

Kay Nerstheimer (fraktionslos) und

Andreas Wild (fraktionslos) –

Lachen bei der SPD, der LINKEN und

den GRÜNEN –

Ich lache mich tot! –

Weitere Zurufe]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Kollege Harald Wolf das Wort.

[Unruhe]

So! Ich darf jetzt um Aufmerksamkeit bitten. – Herr Wolf, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Friederici! Das war ja wieder eine Rede aus dem Paralleluniversum.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Es ist schon erstaunlich, denn die Verirrung bei den Berlinerinnen und Berlinern muss ja maßlos sein, wenn diese Koalition, die angeblich nichts anderes macht als Ka

(Oliver Friederici)

tastrophen und Klientelpolitik, in allen Umfragen permanent zulegt

[Frank-Christian Hansel (AfD): Abgerechnet wird am Wahltag!]

und die Partei, die angeblich die Gesamtinteressen Berlins und die Zukunft Berlins vertritt, bei 15 Prozent vegetiert. Ich glaube, das ist ein klares Votum, und deshalb sollten wir uns den eigentlichen Problemen zuwenden.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das eigentliche Problem war ja von der FDP durchaus als ernsthaftes Thema angemeldet, nämlich die Infrastrukturentwicklung in dieser Stadt. Das ist in der Tat ein zentrales Zukunftsthema, denn wir müssen die Infrastruktur in dieser Stadt sanieren, wir müssen sie zukunftsfähig aufstellen, und das ist nicht nur ein Berliner Problem, sondern das ist gegenwärtig ein bundesweites Problem. Das Kommunalpanel der KfW, wo immer wieder der Investitionsrückstand der Kommunen erfasst wird, benennt für das Jahr 2018 einen Investitionsrückstand von 159 Milliarden Euro, davon allein 30 Prozent in Schulen und Kitas und 24 Prozent, also ein Viertel, in der Verkehrsinfrastruktur, und das sind im Wesentlichen unterlassene Instandhaltungen. Das ist ein Resultat jahrelanger Politik der Kürzungen, der Ideologie der schwarzen Null.

[Christian Gräff (CDU): Von Rot-Rot!]

Rot-Rot hat nach meiner Kenntnis nicht im Bund regiert. Ich rede gerade über bundesweite Zahlen. Ich glaube, die CDU hat da regiert über lange Zeit, gemeinsam mit den Sozialdemokraten.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Und es ist auch kein Zufall, dass der nicht uns sehr nahe stehende, sondern eher FDP und CDU nahestehende Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft mittlerweile sagt, dass die Politik der Schuldenbremse und der schwarzen Null eine Investitionsbremse ist und man das modifizieren muss, weil es nicht mehr zeitgemäß ist. Deshalb müssen wir, wenn wir über Investitionen, Investitionsrückstand und Investitionsstau reden, auch über Finanz- und über Wirtschaftspolitik reden.

[Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Christian Gräff (CDU)]

Es geht nicht nur um Instandhaltung und Sanierung, d. h. das Aufholen von unterlassener Instandhaltung, sondern wir haben einen gestiegenen Bedarf, und zwar zum einen aufgrund der Bevölkerungsentwicklung in den großen Städten, namentlich in Berlin, und zum anderen haben wir einen gestiegenen Bedarf, weil wir unsere Infrastrukturen umbauen müssen. Wir müssen unsere Energieinfrastruktur im Rahmen der Energiewende umbauen, das heißt, die Produktionsanlagen für Energie müssen sich ändern. Die Netzinfrastruktur muss umgebaut werden. Das sind riesige Investitionen, die getätigt werden müssen, und riesige Herausforderungen, und deshalb ist es

gut, dass dieser Senat mit Vattenfall über ein Konzept für den Kohleausstieg und die Umstellung der Infrastruktur auf erneuerbare Energien verhandelt und dass dieser Senat auch nach wie vor darum kämpft, dass die Netzinfrastrukturen in die öffentliche Hand kommen, damit die Kontrolle gegeben ist und auch die Rendite aus diesen Infrastrukturen für die öffentlichen Aufgaben verwendet werden kann.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Der zweite wesentliche Punkt: Wir brauchen dringend eine Verkehrswende, und Verkehrswende heißt Umbau der Infrastrukturen, Neuverteilung des Straßenraums, aber auch Investitionen in neue Strecken, in neue Straßenbahnlinien, in neue S-Bahn-Strecken, in neue Regionalverkehrsverbindung, wie sie mit i2030 auf den Weg gebracht worden sind.

Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind riesig, aber wir stehen gleichzeitig vor dem Problem, dass nicht nur die öffentliche Infrastruktur im Sinne von materieller Infrastruktur in der Vergangenheit vernachlässigt worden ist, sondern auch die öffentliche Verwaltung unter diesen langen Jahren der Kürzungen und der Konsolidierung erheblich gelitten hat. Wir wissen das alles. Die öffentliche Verwaltung ist gegenwärtig nicht gewappnet für diese Herausforderung und für die Bewältigung all dieser Aufgaben. Deshalb ist es zentral, dass wir die öffentliche Verwaltung ertüchtigen durch neues Personal, durch die Umorganisierung von Verwaltungsabläufen, die Vereinfachung von Verwaltungsabläufen. Dazu gab es ja jetzt auch die Vereinbarung über einen Zukunftspakt für die öffentliche Verwaltung, Zielvereinbarungen mit den Bezirken etc. – all diese Themen. Das ist richtig und notwendig.

Wir brauchen auch gleichzeitig eine langfristige Investitionsplanung, denn wir stoßen nicht nur an die Grenzen der öffentlichen Verwaltung, wir stoßen auch an die Grenzen der Kapazitäten der sogenannten freien Wirtschaft. Die Kapazitäten der Bauwirtschaft sind ausgelastet, und deshalb müssen wir einen verlässlichen Pfad der Investitionen für die nächsten zehn Jahre aufzeigen, damit die Unternehmen auch wissen, dass sie verlässlich mit Investitionen rechnen und entsprechend Kapazitäten aufbauen können und dass Politik nicht nach Kassenlage gemacht wird, sondern jetzt stetig investiert wird.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Dieser Senat hat hier die wesentlichen Entscheidungen getroffen und in die Wege geleitet. Wir haben die Schulbauoffensive begonnen – mit einem Investitionsvolumen bis 2026 in Höhe von 5,5 Milliarden Euro, davon allein 2,8 Milliarden Euro für die Sanierung der Schulen und den Bau 60 neuer Schulen. Wir haben obendrein die Möglichkeiten der Kreditfinanzierung geschaffen, damit es wirklich ausfinanziert werden kann und wir nicht

wieder bei einem Rückgang der Konjunktur nicht mehr in der Lage sein werden, diese notwendige Infrastrukturaufgabe zu erfüllen. Wir finanzieren und investieren in diesem Zusammenhang in Bildung, nicht nur in die Schulinfrastruktur, sondern wir haben auch mit der Neuverhandlung der Hochschulverträge hier andere Grundlagen zur Stärkung der Wissenschaft und Forschung in Berlin geschaffen. Das ist ein wichtiger Punkt.

Dann kommen wir zum Thema der Verkehrsmengen. Da sind wir auch dabei, riesige Investitionen zu tätigen wie den systematischen Ausbau der Straßenbahn bis 2030. Dafür werden wir 2,9 Milliarden Euro in die Hand nehmen, um die Sanierung von Straßenbahnstrecken voranzubringen und den Bau neuer Strecken in die Wege zu leiten, und 1,2 Milliarden Euro für neue Fahrzeuge. Und es ist völlig richtig: Wir brauchen auch das Personal für diese Fahrzeuge. Deshalb müssen wir attraktive Bedingungen schaffen, und deshalb ist es gut, dass bei der BVG ein Tarifvertrag abgeschlossen worden ist, der die Arbeit dort wieder attraktiver macht, und wir nicht im Wettbewerb um die Fahrer zwischen den öffentlichen Unternehmen konkurrieren, sondern dass dort vernünftige Bedingungen existieren.

Und wenn vonseiten der Opposition gesagt wird, das war ja ein wichtiger Hinweis, dass man den Verkehr unter die Erde legen muss, dann sage ich: Nein, ich will nicht die Leute unter die Erde verdammen, damit da mehr Autos fahren, sondern ich will, dass wir eine Verkehrswende schaffen, in der der Umweltverbund den Vorrang hat, der öffentliche Personennahverkehr, Radverkehr und – –

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Marcel Luthe (FDP): Kutschen!]

Deshalb sage ich: Ich baue lieber 100 Kilometer Straßenbahn als zehn Kilometer U-Bahn. Das sind nämlich die Relationen, über die wir hier reden, wenn wir über zukunftsfähige Infrastruktur diskutieren.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Aber wir tun auch weiterhin was für die U-Bahn, denn wir werden Milliarden in die Instandsetzung der U-Bahninfrastruktur, die Tunnelsanierung, den barrierefreien Ausbau etc. investieren. Das sind gigantische Investitionen, die wir tätigen. Deshalb sage ich: Das sind wesentliche Investitionen in die Verkehrswende einschließlich Umbau und Ausbau der Radinfrastruktur, damit es endlich sichere Radwege gibt, damit es Radschnellverbindungen gibt und damit es vernünftige Abstellanlagen gibt.

Und wir bereiten gegenwärtig die S-Bahnausschreibung mit der Anschaffung neuer Fahrzeuge vor, die dann auch im Landeseigentum sind. Das ist öffentliche Infrastruktur, die ausgebaut wird.

Zu dem wirtschaftlichen Elendsszenario, das Herr Friederici hier angesprochen hat, sage ich: Siemens-Campus ist eine gigantische Investition, die wir auch noch durch Infrastrukturinvestitionen unterstützen werden. Wir werden Tegel nach der Eröffnung des BER