Protokoll der Sitzung vom 06.06.2019

Die AfD muss schon die Verteidigung für die CDU machen. So weit ist es gekommen. – Am Dienstag beim Hoffest hatte ich ein kleines Gespräch mit dem neuen Landesvorsitzenden Kai Wegner. Vielleicht fragen Sie den erst mal. Der möchte übrigens Tegel schließen, genauso wie der stellvertretende Landesvorsitzende Frank Balzer. Das ist jetzt die Position der CDU, die ist aber bei der CDU-Fraktion hier noch nicht angekommen. Da habt ihr noch ein bisschen Umstellungsprobleme.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Jetzt mal zum Inhalt: Kollege Moritz hat das hier schon hervorragend dargestellt. Natürlich wollen wir hier etwas machen, weil wir die ganze Debatte um den Flughafen etwas anders führen wollen, als es Teile der Opposition machen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das wird aber nicht gelingen!]

(Oliver Friederici)

Wir wollen nämlich, dass der Bahnverkehr innerhalb von Deutschland ausgebaut wird. Wir wollen den CO2-Killer Nr. 1 – Flugzeuge – zurückdrängen.

[Zuruf von Georg Pazderski (AfD)]

Es liegt nicht in unserem Interesse, dass wir an der Stelle die falschen Signale setzen. Ich will Ihnen mal ein typisches Beispiel geben, Herr Pazderski, damit Sie lernen, wie man sich mit dem Thema ernsthaft beschäftigen muss: Wir haben eine hervorragende Strecke der Bahn, Berlin–München. Die hat in einem Jahr anderthalb Millionen mehr Passagiere.

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Bisher wurde die Strecke von der Lufthansa beflogen, exklusiv, und bisher nicht von ihren Tochtergesellschaften. Das Ergebnis war: Die Lufthansa gerät unter Druck. Was macht sie? – Sie bietet jetzt über Germanwings und Eurowings 28 Flugverbindungen pro Woche an, um sozusagen den Dumpingkurs zu machen und die Bahn zu bekämpfen. Das ist die Politik, die hier gemacht wird und die diese Koalition nicht machen will. Die ist nämlich falsch. Wir setzen auf die Bahn, und Sie können sich in unserem Nachbarland Frankreich mal ansehen, wie erfolgreich man das machen kann.

[Georg Pazderski (AfD): Vor allem, wie man billig Strom produziert!]

Uns sind die Leute wichtig, und wir wollen nicht die Lobbyisten bestimmter Fluglinien wie Ryanair und Easyjet sein, die dann auch noch Wahlkampagnen, Herr Czaja, entsprechend unterstützen. Das ist nicht die Position dieser Koalition.

Kommen wir mal zu der Situation in Tegel. Auch die ist mir persönlich wichtig. Allein im Jahr 2014 hat der Flugverkehr in Tegel 1 Million Tonnen CO2 zusätzlich produziert. Die realen Belastungen sind enorm. 40 Prozent der Emissionen des Verkehrssektors in Berlin werden durch den Flugverkehr ausgelöst. Die Anzahl der Flüge steigt rasant, und die Belastung durch Lärm kommt noch hinzu. Wenn man die Klimaziele nicht nur auf das Papier schreiben will, wenn man also wirklich ein klimaneutrales Berlin 2050 erreichen will, dann hat man keine Zeit mehr zu verlieren.

[Georg Pazderski (AfD): Ihr könnt den Grünen noch so sehr hinterher laufen, ihr werdet abstürzen!]

Deshalb wollen wir die negativen Auswirkungen, die durch den Verkehr verursacht werden, eindämmen und verringern und aktiven Klimaschutz betreiben. Wir haben einen erheblichen Handlungsbedarf, und wir wollen das, was beim BEK und in der Enquete-Kommission „Neue Energie“ – ich werde Ihnen dann doch noch mal die 300 Seiten zur Verfügung stellen, damit Sie sich damit beschäftigen können – erarbeitet wurde, entsprechend umsetzen.

Dazu gehört eben auch – der Kollege Moritz hat das schon hervorragend erklärt –, dass wir die Entgeltsätze an die tatsächlich entstandenen Aufwendungen für den Flugbetrieb der Flughafengesellschaft regelmäßig anpassen, denn wir wollen ein emissionsabhängiges Entgelt als Ergänzung zum bestehenden Landeentgelt. Wir wollen ein Lärmschutzentgelt als Anreiz zur Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen an den Berliner Flughäfen, und wir wollen, dass die Verspätungen am Abend und in den Nachtzeiten, die gerade in Tegel ja automatisch eingeplant sind und permanent stattfinden – – Sie müssen sich dort mal mit den Leuten unterhalten, die das aushalten müssen. Nacht für Nacht nimmt das zu, dass sie sich diesen Belästigungen aussetzen müssen.

[Frank Scheermesser (AfD): Lärmschutz ist doch schon lange auf der Tagesordnung!]

Es gibt ja auch Wahlkreisabgeordnete, die Fraktionsvorsitzende bei der CDU sind. Der müsste sich eigentlich dafür interessieren, aber er ist mal wieder nicht anwesend. Das ist sein Problem. Aber Herr Czaja sitzt ja schon im Wartestand. Insofern ist ja die CDU vertreten.

[Lachen bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Also der Zustand dort in Tegel in der Nacht ist in der Form nicht mehr auszuhalten, und deshalb wollen wir, solange Tegel noch offen bleibt, dort etwas machen. Außerhalb der regulären Betriebszeiten für genehmigte verspätete Starts und Landungen soll ein Aufschlag von bis zu 700 Prozent auf das lärmbezogene Start- und Landeentgelt eingeführt werden. Das ist eine gute und eine richtige Maßnahme.

Wir wollen, dass für Ausnahmegenehmigungen für verspätete Starts und Landungen in den Rand- und Nachtzeiten eine Gebühr erhoben wird. Verkehrsfördernde Konditionen, wie es immer so schön bei der Flughafengesellschaft heißt, soll es künftig nur noch für Langstreckenverbindungen geben, und sie sollen gegenüber heute deutlich in ihrem Umfang reduziert werden. Ich bin übrigens sicher, dass Brandenburg entgegen dem, was Sie gesagt haben, Kollege Friederici, auch eindeutig dafür ist, dass der Lärmschutz deutlich verstärkt wird.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Da muss die SPD erst mal über 10 Prozent kommen! – Oliver Friederici (CDU): Die haben im September Wahlen, danach ist ihnen das egal!]

Wovon träumen Sie eigentlich?

[Frank-Christian Hansel (AfD): Wenn Sie den Grünen hinterherlaufen, bleiben Sie bei 10 Prozent!]

Ich habe mir gerade die aktuelle Forsa-Umfrage in Berlin angesehen. So schlimm das manchmal für die eigene Partei ist, Sie liegen immer noch dahinter!

[Frank-Christian Hansel (AfD): Wir haben Gleichstand heute – 13 Prozent!]

Und Sie liegen auch dahinter! Kehren Sie mal vor Ihrer eigenen Tür!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Kommen wir mal zum Thema zurück: Mit den Entgeltordnungen sollen die Aufwendungen des Flughafens für den Flugverkehr ausgeglichen werden. Wir wollen durch die Einführung von emissionsabhängigen Entgeltanteilen den Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger und den Klimaschutz in den Fokus der Entgelte nehmen und neue Anreize zu Luftverschmutzung und Lärm setzen. Wir wollen künftig leise und emissionsärmere Flugzeuge und an der Stelle etwas für den Umweltschutz tun.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Trefzer?

Ja, gerne!

Bitte, Herr Trefzer!

Vielen Dank! – Herr Stroedter! Weil Sie gerade von Parteipolitik gesprochen hatten, warum glauben Sie eigentlich als Sozialdemokrat, dass der nächste Berliner Senat von den Grünen angeführt werden sollte?

Ich kann mich nicht erinnern, dass ich das glaube. Ich glaube aber mit Sicherheit, dass die jetzige Opposition nicht im nächsten Senat sitzen wird. Da bin ich mir ganz sicher. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Hansel. – Bitte!

Danke, Frau Präsidentin! – Liebe Berliner! Greta lässt grüßen, der grüne Hype erfasst jetzt auch die Berliner Luft, Luft, Luft.

[Zuruf von Sabine Bangert (GRÜNE)]

Das CO2 wird jetzt auch in der Flughafenpolitik des Senats das Maß aller Dinge. Unfassbare 1 Million Tonnen CO2 sind jetzt der politische Treiber in der völlig verfehlten Berliner Flughafenpolitik. Diese 1 Million sollen

skandalisiert werden gegen die 6 Milliarden Euro, die die SPD-Senate der letzten Jahre und Jahrzehnte in diesem Politikfeld verbrannt haben.

[Beifall bei der AfD]

Greta lässt grüßen, und die Ökologie hält jetzt für ein gigantisches Ablenkungsmanöver her, bei dem eine dunkle Feinstaub- und CO2-Wolke das völlige Versagen des Senats beim BER vernebeln und wegemotionalisieren sollen, ein Ablenkungsmanöver, das vor allem auch die Tatsache aus dem öffentlichen Bewusstsein tilgen soll, dass dieser Senat die Stimme des Volkes in der Frage Tegel missachtet hat, obwohl längst klar ist, Herr Stroedter, und das wissen Sie auch, dass Tegel weiter gebraucht wird. Nein, Kollegen der ökologischen Linksfront, die AfD-Fraktion macht ökologisches Denken keineswegs verächtlich. Natur und Umwelt sind Teil der Heimat und verdienen es, geschützt zu werden – gar keine Frage!

[Beifall bei der AfD – Zuruf von Regina Kittler (LINKE)]

Ja, auch und vor allem: Lärm ist selbstverständlich eine Belastung für die Anwohner, und Instrumente, die dazu dienen, Lärmbelästigung zu reduzieren, können und sollen auch beim Luftverkehr zum Einsatz kommen – auch hier gar keine Frage! Ja, auch monetäre Anreize gehören zu einem solchen Instrumentarium. Der Einsatz differenzierter und ökologisch gestalteter Elemente in Entgeltordnungen ist allerdings nichts Neues und nichts Außergewöhnliches.

In Sachen Fluglärm müssen wir die Wirkungsweisen verschiedener Effekte und die wesentlichen fünf Einflussfaktoren anschauen, Sie haben sie teilweise genannt: Art der Flugbewegung, Start oder Landung, Zeitpunkt der Flugbewegung, Tag, Abend, Nacht, also die Randzeiten, Flugzeugtyp in Kombination mit Triebwerktyp, Startmasse, besonders bei schweren Flugzeugen, und die Flugrouten, auch da kann man viel mit Lärmreduzierungen machen. Tatsächlich können diese Einflussfaktoren, wenn sie intelligent mit der Steuerung durch monetäre Bestrafung oder Belohnung – Herr Friederici hat es schon gesagt – kombiniert werden, zur Lärmreduzierung führen. Das ist völlig in Ordnung. Dazu gibt es Studien, und deutsche und europäische Flughäfen machen das in unterschiedlichen Intensitäten.

Jetzt komme ich zum Störfaktor: Art und Zeitpunkt des Lancierens dieses Antrags, auch darüber hat Kollege Friederici gesprochen, und die dahinter stehende Politik dieses Senats. Sie hat mit der Gesamtsituation der verkorksten Berliner Flughafenpolitik zu tun, und es handelt sich hier um eine vom eigentlichen Skandal ablenkende Vernebelungsaktion. Ich wiederhole es, bis es in dieser Stadt jeder mindestens dreimal gehört und irgendwann auch mal verinnerlicht hat: Der Skandal des BER ist nicht, dass er zu teuer und zu spät kommt. Der Skandal ist, dass er von Anfang an zu klein ist.

(Jörg Stroedter)

[Beifall bei der AfD]

Und wir landen hier wieder bei der leidigen Kapazitätsfrage, der Sie auch nicht entkommen, Herr Stroedter, also dieser verantwortungslosen Märchenstunde, dass der BER den Berlin-Flugverkehr allein abwickeln kann – kann er nicht! Wir lesen jeden Tag, wie der Flugverkehr wächst, gerade auch in Tegel. Das Fluggastaufkommen nach Berlin steigt überdurchschnittlich um 4 bis 5 Prozent jährlich. Bei diesem Wachstum haben wir 2024 bereits 48 Millionen Passagiere, aber beim BER ohne Tegel nur Kapazitäten für 33 Millionen, denn der Flughafen Schönefeld-alt steht ab 2024 gemäß der 27. Änderung des Planfeststellungsbeschlusses – Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld – vom 23. Mai 2017, wonach nur eine temporäre Weiternutzung des bestehenden Terminals Schönefeld-Nord zur Passagierabfertigung bis zum Jahr 2023 kompensiert werden soll, nicht mehr für den Verkehrsflug zur Verfügung. Da kommt dann noch weiter begrenzend der neue Regierungsterminal ins Spiel.

Genau in diesem Kontext steht Ihre angestrebte Änderung der Entgeltordnung. Sie soll die Nachfrage zurückdrängen und kleinhalten. Sie wollen Wachstum im Luftverkehr bestrafen, denn wir hätten, wenn wir ein entsprechend angebotsorientiertes und modernes Berliner Luftverkehrsangebot hätten, eine noch wesentlich größere Nachfrage von Flugreiseverkehr nach Berlin, vor allem auch interkontinental. Und das ist das, was wir brauchen. Weil Sie aber wissen, dass die Kapazitäten bei der Eröffnung nicht ausreichen und Sie dann Tegel offenhalten müssen, wollen Sie mit diesen Regelungen die Nachfrage nach Berlin verknappen, indem Sie den Flugverkehr für die Fluglinien verteuern, die diese Mehrkosten natürlich an die Reisenden weitergeben.

Das heißt, Greta und die Ökologie kommen Ihnen hier gerade recht, um zu versuchen, das zu erwartende Mehr an Flugreisen nach Berlin zu bändigen, denn eigentlich halten Sie – und das ist ja wieder bei der ideologischen Komponente bei Ihnen deutlich geworden, die wir ganz klar ablehnen – Flugreisen für Teufelszeug, genau wie Autos, ob Diesel oder Benziner, das ganze Zeug muss eigentlich weg. Hier schließt sich der Kreis: Berlin bekommt jetzt auch in der Berliner Luft, Luft, Luft eine Art Immobilitätsgesetz. Nein, danke! – Aber nein, ich bin noch nicht ganz fertig