Protokoll der Sitzung vom 06.06.2019

Ersteres erschien ihm, Prof. Heintzen, verfassungspolitisch konsistent, und er empfahl, die Schuldenbremse in der Landesverfassung zu regeln. Im Wesentlichen war diese Auffassung auch Bestandteil unseres ersten Antrags. Die weiteren Vorträge brachten allen Beteiligten neue Erkenntnisse und führten unter anderem zu dem vorliegenden zweiten, deutlich ausführlicheren Antrag von uns.

[Beifall bei der AfD]

Wir haben uns bei der Schuldenbremse für folgende Regelungen entschieden – erstens: Konjunktur- und Notfallausnahmen ja, aber nur mit Zweidrittelmehrheit des Parlamentes. Zweitens: klar definierte Schuldentilgungsregeln. Drittens: keine Kreditermächtigungen für Sondervermögen. Viertens: Finanzielle Transaktionen und Extrahaushalte werden einbezogen. Fünftens: Bildung einer Konjunkturrücklage bzw. ausreichende Bestückung des Nachhaltigkeitsfonds; zu diesem Zweck natürlich die Wahl der zulässigen Nettokreditaufnahme als Steuerungsgröße. Sechstens: Verwendung des Produktionslückenverfahrens zur Bestimmung der Konjunkturkomponente. Damit wäre die Berliner Schuldenbremse konsistent zur Schuldenbremse des Bundes sowie zum sogenannten EU-Fiskalpakt. Liebe EU-Retter von Rot-RotGrün! Bitte bedenken Sie das! Die Bundesbank, der Stabilitätsrat und die Rechnungshöfe sind hier im Übrigen auf Linie der AfD.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Frank-Christian Hansel (AfD): Bravo! – Lachen von Torsten Schneider (SPD)]

Es lohnt sich, über den Berliner Tellerrand zu schauen. Der bisher rot-grün regierte und hochüberschuldete Stadtstaat Bremen hat seine Landesschuldenbremse im letzten Jahr ebenfalls konform zur Bundes- und EU-Regelung gestaltet, also: Produktionslückenverfahren, Einbeziehung der Extrahaushalte, finanzielle Transaktionen usw. Und, man höre und staune: Das rot-rot regierte Nachbarbundesland Brandenburg hat ebenso gehandelt, wohlgemerkt auf Drängen des linken Finanzministers Görke. Grundsätzlich haben wir uns für eine starke Verankerung in der Landesverfassung entschieden, weil nur dann die Einhaltung der konkreten Regeln vor dem Landesverfassungsgericht justiziabel ist.

[Beifall bei der AfD – Frank Scheermesser (AfD): Genau!]

Berlin hat eine Schuldenhistorie, die allen Fraktionen zu denken geben sollte. Ich erinnere nur an den unsäglichen

Berliner Bankenskandal mit dem ursprünglichen Haushaltsrisiko von 21 Milliarden Euro.

[Zuruf von der AfD: Unglaublich!]

Eine starke Schuldenbremse wäre auch ein starkes Zeichen, dass es der Senat ernst meint mit einer gewissenhaften und seriösen Haushalts- und Finanzpolitik.

Weiterhin wollen wir in der Verfassung verankern, dass – siebtens – der Schuldenstand auf ein langfristig tragfähiges Volumen von mindestens 29 Prozent des Berliner BIP abzusenken und das Konjunkturbereinigungsverfahren alle fünf Jahre zu evaluieren ist. Damit würde den Maastricht-Kriterien Rechnung getragen und die Möglichkeit gewahrt, sich auf ändernde finanzwissenschaftliche Erkenntnisse und aktuelle Entwicklungen einzustellen.

Liebe Kollegen! Liebe Zuschauer! Liebe Journalisten! Falls Ihnen vor lauter Fachbegriffen schwindelig geworden sein sollte: Nehmen Sie sich bitte die Zeit, und lesen Sie sich die Begründung unseres 28-seitigen Antrags in Ruhe durch! Wir haben es unseres Erachtens relativ leicht verständlich aufbereitet.

Die eigentliche Wirksamkeit der Schuldenbremse zeigt sich erst in schlechten Zeiten. Geht es der Wirtschaft schlecht, sinken die Steuereinnahmen und steigen die Transferausgaben. Dies stabilisiert die Wirtschaft bis zu einem gewissen Grad. Damit diese konjunkturelle Stabilisierung nicht zu dauerhaft steigenden Staatsschulden führt, müssen in konjunkturellen Hochphasen Überschüsse erzielt werden, um in Notzeiten aufgebaute Schulden wieder abzubauen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Ein Verstoß gegen diese Prinzipien führt zu Finanznotständen wie in Berlin in der Ära Wowereit oder, auf europäischer Ebene, in Griechenland. In diesem Sinne weist auch der Rechnungshof in seinem aktuellen Jahresbericht 2019 zu Recht darauf hin, dass, ich zitiere, Berlin mit seinem hohen Schuldenstand noch keine Normalsituation erreicht habe und es deshalb unerlässlich sei, den Landeshaushalt weiter zu konsolidieren und den Schuldenberg abzubauen.

Es muss Schluss sein mit dem Verscherbeln öffentlichen Eigentums in Notzeiten und dem teuren Rückkauf in konjunkturellen Hochphasen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Die strategische Vision der AfD ist nach wie vor: Berlin soll von der Hauptstadt der Armut zur Wohlstandshauptstadt werden. Hören Sie also auf die Stimmen der Vernunft, und stimmen Sie für unseren Antrag, damit auch zukünftig Schuldentilgung und notwendige Investitionen möglich bleiben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Bravo! von Frank-Christian Hansel (AfD) und Gunnar Lindemann (AfD)]

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort Herr Abgeordneter Heinemann.

[Frank Scheermesser (AfD): Heinemann, geh du voran! Herr Schneider hat keine Lust mehr!]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem 1. Januar 2020 beginnt für die Länder in der Haushalts- und Finanzpolitik eine neue Ära. Dann tritt für sie und damit auch für Berlin die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse in Kraft. Ob diese Schuldenbremse, so, wie sie im Grundgesetz steht, gut oder schlecht, richtig oder falsch ist, will ich heute nicht diskutieren; das ist an anderer Stelle in den vergangenen Jahren in großer Ausführlichkeit und mit durchaus unterschiedlichen Ergebnissen gemacht worden. Fakt ist: Die Schuldenbremse gilt, und sie bindet auch Berlin. Deshalb wird der Senat die Ausgestaltung der Schuldenbremse fristgerecht bis zum 1. Januar 2020 regeln. Das liegt schon deshalb im Interesse des Landes, weil es ansonsten unmittelbar dem absoluten Kreditaufnahmeverbot des Grundgesetzes unterworfen wäre.

Dank unserer Finanzpolitik kommt Berlin seit sieben Jahren ununterbrochen ohne neue Schulden aus. Zudem hat es Altschulden in einer Größenordnung von 5 Milliarden Euro getilgt. Wie heute bereits in der Aktuellen Stunde dargestellt, nutzen wir unsere finanziellen Spielräume gezielt für Investitionen und für die Stärkung unserer Verwaltung im Land und in den Bezirken. Angesichts der Herausforderungen in der Stadt hoffe ich, diese erfolgreiche Phase hält noch lange an.

Wir müssen aber auch auf Situationen vorbereitet sein, in denen eine Kreditaufnahme sinnvoll oder sogar unvermeidbar ist. Das kann in konjunkturell schlechten Zeiten oder in außergewöhnlichen Notsituationen der Fall sein. Nur mit einer landesrechtlichen Regelung der Schuldenbremse kann das Land Berlin im Fall der Fälle von den im Grundgesetz ausdrücklich eröffneten Ausnahmen Gebrauch machen.

[Karsten Woldeit (AfD): Stand auch in unserem Antrag!]

Bei der landesrechtlichen Ausgestaltung der Schuldenbremse haben wir es mit einer echten Zäsur zu tun. Solche grundlegenden Entscheidungen trifft man nicht vorschnell oder gar leichtfertig.

[Dr. Kristin Brinker (AfD): Genau! Deswegen! – Frank Scheermesser (AfD): So ist es!]

Die Koalition hält bei der Umsetzung der Schuldenbremse an den Grundprinzipien fest, die schon in den vergangenen Jahren die Haushalts- und Finanzpolitik geprägt haben. Zum einen ist das jene Solidarität, wie wir sie Jahr um Jahr – und jedes Mal aufs Neue bestätigt durch den Stabilitätsrat – bei der Umsetzung der Konsolidierungshilfevereinbarung an den Tag gelegt haben. Zum anderen ist es eine zielgerichtete Investitionspolitik, mit der wir Berlin für die Herausforderungen der Zukunft fit machen – für die Stärkung der Verwaltung, für die Verkehrswende, für den Klimaschutz, für die Versorgung mit Wohnraum und sozialer Infrastruktur.

Der Zweiklang aus Konsolidieren und Investieren hat sich in der Vergangenheit bewährt. Mit der Umsetzung der Schuldenbremse im Landesrecht wird diese Koalition den richtigen und angemessenen Rahmen setzen, damit Berlin auch künftig finanziell handlungsfähig ist und solide wirtschaften kann.

Strukturkonservative Ratschläge in finanzpolitischen Fragen brauchen wir von der AfD nicht,

[Gunnar Lindemann (AfD): Doch! – Zuruf von Torsten Schneider (SPD) – Lachen von Dr. Kristin Brinker (AfD)]

genauso wenig wie Europa eine Partei braucht, die den Euro und unsere Wertegemeinschaft ablehnt.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von der AfD]

Ich möchte die verbleibende Zeit meiner Rede nutzen – wenn ich richtig in den Plenarablauf geguckt habe, ist das die letzte Rederunde von unserer Kollegin Schillha- neck –, um mich an dieser Stelle im Namen der SPDFraktion für ihr Wirken als Vizepräsidentin dieses Hauses zu bedanken, ebenso für ihre Akzente in der Wissenschaftspolitik und Sportpolitik. Lassen Sie mich diese persönliche Bemerkung sagen: Als ich neu im Parlament war, hat es mir immer sehr imponiert, wie sehr Sie sich für Wissenschaft und Sport in dieser Stadt eingesetzt haben. Bleiben Sie so klar und selbstbewusst! Mein Respekt für Ihre Entscheidung! Das gelingt nur wenigen Politikern, auch in der SPD – ausgenommen hier im Saal natürlich allen.

[Heiterkeit]

In diesem Sinne: Machen Sie es gut! Ich bin mir sicher: Sie werden ein politischer Mensch bleiben und sicher in anderer Funktion zurückkehren. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Abgeordnete Goiny. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich gleich dem Dank meines Vorredners und seinen besten Wünschen an Sie, Frau Kollegin Schillhaneck, anschließen. Es war immer spannend und interessant, sich mit Ihnen zu unterhalten. Ich wünsche Ihnen persönlich und im Namen unserer Fraktion alles Gute für Ihr weiteres Engagement, egal, wo es stattfinden wird! Ich persönlich muss sagen, ich finde es ein bisschen bedauerlich, weil mir jetzt keiner mehr die Wissenschaftspolitik erklären kann, wenn Sie nicht mehr da sind. Das werde ich mit Sicherheit besonders vermissen. Aber jedenfalls auch von unserer Seite noch einmal alles, alles Gute!

Wir haben über viele Jahre in Deutschland, aber auch in Europa eine Vorstellung gehabt, dass Schuldenmachen nichts kostet und irgendwie unproblematisch ist. Das hat am Ende zu verschiedenen Problemen und schweren Finanzkrisen geführt, und von daher war es richtig, dass wir uns zum System und zur Einführung einer Schuldenbremse in Deutschland bekannt haben. Dazu steht die CDU-Fraktion nach wie vor. Wir finden es auch richtig, dass wir das in Berlin machen, dass wir in Berlin eine Schuldenbremse in die Landesverfassung schreiben und damit klarmachen, wo wir uns selber limitieren.

Denn Finanz- und Haushaltspolitik ist immer die Kunst des Möglichen, und zu meinen, man müsse alles finanzieren und alle Bedarfe decken, ist schon in Zeiten guter finanzieller Konjunktur schwierig, aber in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten noch schwieriger. Insofern gehört es zur Selbstdisziplin und zum Augenmaß von verantwortlicher Haushalts- und Finanzpolitik, in solchen Zeiten nicht uferlos auf Kosten der nächsten Generation auf den Märkten seine Wünsche zu finanzieren.

Wir haben in der Tat – der Kollege Heinemann hat darauf hingewiesen – seit 2012 gemeinsam in der letzten Regierung eine Politik gemacht, die die Chancen genutzt hat. Ab 2012 hatte Berlin Haushaltsüberschüsse, und ich will es noch einmal sagen: Wir haben es für richtig gehalten und halten es nach wie vor für richtig zu sagen: Wir tilgen Schulden; wir investieren in die Infrastruktur. – Wir fordern nach wie vor auch, dass man versucht, Rücklagen aufzubauen, um in Zeiten konjunktureller Dellen handlungsfähig zu sein, und wir bekennen uns zu einer Schuldenbremse in der Berliner Landesverfassung und fordern sie auch. Das sehen wir in der Tat als ganz wichtige Bausteine.

Wir haben – da bin ich der Finanzverwaltung sehr dankbar – uns im letzten Jahr auf einer Veranstaltung mit

diesem Thema beschäftigt, wo uns Experten verschiedener Couleur das Thema dargelegt haben. Auch das Ergebnis dieser Veranstaltung war: Ja, der richtige Weg wäre eine Schuldenbremse in der Berliner Landesverfassung! – Denn wenn wir keine Regelung haben, gilt das Grundgesetz automatisch, und unsere Landesverfassung wäre nicht mehr aktuell. Beides ist etwas, was wir nicht machen müssen, und ich finde, unsere Landesverfassung hat zu Recht den Anspruch, dass sie auf dem aktuellen Stand ist. Deswegen erwarten wir vom Senat, dass hier eine entsprechende Initiative gestartet wird – nicht nur eine landesgesetzliche Umsetzung, sondern auch ein klares Bekenntnis dazu in der Berliner Verfassung.

Zu dem Antrag der AfD-Fraktion insgesamt gesprochen: Ich glaube, die schwierige Finanzlage Berlins rührte nicht aus dem Bankenskandal von 2001, sondern sie rührte insbesondere daher, dass kurz nach der Wiedervereinigung die Zuschüsse, die Berlin bekommen hat, ganz drastisch innerhalb weniger Jahre abgebaut worden sind und überhaupt keine wirtschaftliche Innovation zu der damaligen Zeit stattgefunden hat. Insofern kann man das immer alles miteinander vermischen; das hilft aber an der Stelle nicht weiter. Aber jetzt so einen Antrag zur eigenen politischen Rechtfertigung einzubringen, springt natürlich auch wieder zu kurz. Das ist bei verschiedenen Themen so ein bisschen die Art, wie Sie hier Politik machen: Schaufensteranträge in den Raum zu stellen, um sich dann hinzustellen und zu sagen: Wir haben so tolle Ideen; aber leider sind sie nicht mehrheitsfähig gewesen!

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Ich glaube: Gerade wenn man an das Thema Verfassungsänderung herangehen will, brauchen wir einen breiten Konsens in diesem Haus. Dafür werben wir. Wir glauben, dass es richtig ist, das in die Landesverfassung zu schreiben, und wir appellieren auch an die Koalitionsfraktionen, sich dem nicht in den Weg zu stellen.

Es ist übrigens nichts Schlimmes, wenn das Parlament selbstbewusst ist und in dem unwahrscheinlichen Fall eines verfassungswidrigen Haushalts ein Klagerecht vor dem Verfassungsgericht hat. Ich höre immer wieder, dass das so schlimm ist und dass möglicherweise die Opposition klagen könnte. Klagen kann man bei uns, selbstverständlich; wenn man Recht bekommt, hat jemand etwas falsch gemacht. Wenn die Koalition oder der Senat Angst davor haben, es könnte ein Klagerecht geben, dann können Sie ja nur Angst davor haben, dass so eine Klage gegen einen verfassungswidrigen Haushalt Erfolg hat vor dem Verfassungsgericht, was aber am Ende heißt, dass Sie verfassungswidrige Haushalte machen.

Das möchte ich Ihnen an dieser Stelle gar nicht unterstellten. Deswegen: Seien Sie mit uns mutig! Lassen Sie uns so einen Weg gehen, die Schuldenbremse in die Landesverfassung zu schreiben, um unseren Ansprüchen gerecht zu werden und einen weiteren Baustein für eine solide

und nachhaltige Finanzpolitik in diesem Land zu legen! – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]