Protokoll der Sitzung vom 12.09.2019

Frau Kollegin Brychcy, Sie können gerne erwidern.

Ich glaube, da haben wir uns einfach missverstanden, denn wir wollten die bundeseinheitliche Lösung, das heißt, die große Lösung über die Bundesratsinitiative, die ja bereits angestrebt ist, und nicht eine Insellösung allein für Berlin, wo wir sagen: Och, na ja, einen Meisterinnenbonus für den Abschluss, die Abschlussgebühr von 1 000 Euro, da schießen wir euch ein bisschen was zu. – Wir wollen die große Lösung und schließen uns da der Bundesratsinitiative an und kämpfen gemeinsam, und zwar im Bundestag, denn da wird es entschieden.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Sebastian Czaja (FDP): Also Sie wollen nichts machen? – Henner Schmidt (FDP): Berlin ist dann aus der Verantwortung!]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Tabor das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Verehrte Berliner! Hidden Champions, wohin man schaut! Der German Mittelstand, wie der Inder zu sagen pflegt, ist weltbekannt. Deutschland, das Land der Dichter und Denker! Doch Deutschland war und ist auch ein Land der Meister, der Handwerksmeister. Damit es so bleibt, muss endlich wieder etwas getan werden. Ich denke, da sind wir uns alle einig. Das hat selbst der völlig talentfreie und unserer Meinung nach Merkel-Handlanger Peter Altmaier, alias Bundesminister für Wirtschaft und Energie, erkannt. So will er in zahlreichen Branchen die Meisterpflicht wieder einführen. Gut so!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Mehr Meister statt Master! Das ist seit Langem auch die Forderung der AfD. Die AfD will das Handwerk und den Meisterbrief stärken. Das ist nachzulesen u. a. im Bundestagswahlprogramm der AfD.

[Beifall bei der AfD]

Wir sehen dieses Thema ganz klar auf der bundespolitischen Ebene verankert, und dort ist die AfD letztendlich

auch schon mit einem Antrag aktiv geworden. Laut Konjunkturbericht des Zentralverbands des Deutschen Handwerks dauert es im Durchschnitt fast zehn Wochen, bis ein Handwerker für den Auftraggeber Zeit hat. Die rotgrüne Bundesregierung hat für 53 der 94 Gewerke die Meisterpflicht abgeschafft. Der damalige Wirtschaftsminister war übrigens Wolfgang Clement, also ein SPD-ler. Da hätte man rein theoretisch auch schon 2004 erahnen können, dass dabei nichts Gutes herauskommen würde. Die Hoffnungen der Links-Grünen auf mehr Fachkräfte mit der Handwerksnovelle von 2004 haben sich nämlich nicht erfüllt. Stattdessen hat sich die Qualität der Arbeit verschlechtert, und es wird zu wenig Nachwuchs ausgebildet. So sehen die Fakten aus. All das passiert seit Langem in vielen Bereichen in der Bundesrepublik, letztendlich auch in Berlin. Das ist linke Politik.

[Beifall bei der AfD]

Diese Einzelunternehmer, sogenannte Solo-Selbst

ständige, die zu Niedrigpreisen oft unterhalb der Gewährleistungsfrist von fünf Jahren wieder vom Markt verschwinden, dabei zum Teil schlechte Arbeit und Qualität abliefern, sind eine Preiskonkurrenz, die dem soliden Ausbildungsmeisterbetrieb zu schaffen macht, und das muss endlich wieder verhindert werden. Wir brauchen dringend mehr Handwerker. Doch viele Ausbildungsstellen bleiben unbesetzt. Stattdessen produzieren wir Massen von Studienabbrechern. Hier gilt es umzusteuern. Um es mit den Worten von meinem geschätzten Kollegen Dr. Götz Frömming aus dem Bundestag zu sagen: Wir brauchen mehr fertige Meister und weniger gescheiterte Master.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Die AfD fordert seit Langem die gesellschaftliche Aufwertung von Lehrberufen gegenüber akademischen Abschlüssen. Das ideologisch getriebene Streben nach immer höheren Abiturienten- und Akademikerquoten gefährdet die Nachwuchsgewinnung in den Ausbildungsberufen. Es wäre falsch, bei der Zukunftsplanung vorwiegend auf Akademiker zu setzen und die klassischen Lehrberufe mit ihrem enormen Potenzial weiterhin stiefmütterlich zu behandeln, wie es Rot-Rot-Grün tut. Aber wir hören ja, dass es auch da Besserungen geben soll.

Den Fachkräftemangel können wir, und davon sind wir sehr fest überzeugt, nur meistern, wenn der rot-rot-grünen Koalition endlich das Handwerk gelegt wird.

[Beifall und Heiterkeit bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Die Berliner AfD-Fraktion unterstützt die Idee der Handwerkskammer Berlin, eine sogenannte Meisterprämie bzw. einen Meisterbonus nach erfolgreich bestandener Meisterprüfung auszuzahlen. Die Betonung liegt auf „danach“, um nicht nur für den Besuch der Meisterschule zu werben, sondern für höchstmögliche Leistungen. Es einfach mal zu versuchen, weil es ja jetzt alles umsonst

(Dr. Maren Jasper-Winter)

ist, das sehen wir eher kritisch und scheinbar auch die Handwerkskammer Berlin.

Nicht viel kann man von dem Bundesland, dem Stadtstaat Bremen abschauen, wahrlich nicht. Mit dem Bundesland Niedersachsen zusammen und einer Auslobung von 4 000 Euro allerdings sind diese in diesem Bereich spitze, wenn eine Meisterprüfung erfolgreich bestanden wurde. Zwölf von 16 Bundesländern zahlen eine Meisterprämie. Berlin zahlt über das Aufstiegs-BAföG hinaus momentan nichts. Die Forderung, die die FDP hier und heute stellt, ist aktuell auf bundespolitischer Ebene Gegenstand von Beratungen. Meine Vorrednerin hat es schon erwähnt. Die niedersächsische Landesregierung hat am 24. April 2018 eine Initiative in den Bundesrat eingebracht. Dieser Initiative zufolge sollen die Gebühren für die Meisterprüfung und die Kosten für sämtliche Aufstiegsfortbildungen vollständig übernommen werden. Deswegen sehen wir es in diesem Fall auch eher so: Warten wir mal ab, was der Bund entscheidet! – Diesem Antrag ist nämlich das Land Berlin beigetreten. Wir halten es für schwierig, für Berlin eine Lösung zu konzipieren, während noch auf die Entscheidung aus dem Bund gewartet wird. Die AfD kämpft dafür, an der dualen Ausbildung und am Meisterbrief festzuhalten. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf den Rahmen der EU. Wir dürfen im Kopenhagen-Prozess nicht die Fehler des Bologna-Prozesses wiederholen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Wir wollen an deutschen Qualitätsstandards festhalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Kollegin Remlinger das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Dr. Jasper-Winter! Ich weiß gar nicht, warum Sie mit so schlechter Laune gesprochen haben, denn ich hatte mir durchaus vorgenommen, Ihren Antrag zu loben. Ich finde ihn durchaus gelungen.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Und ich will trotzdem die positive Rede halten, die ich mir vorgenommen habe, vielleicht noch mit dem einen Hinweis, lieber Herr Schultze-Berndt: Sie halten jetzt jedes Mal hier eine Rede mit einer großen Generalabrechnung über die Bildungskatastrophe in Berlin, verbunden mit der Forderung, dass deshalb jetzt die CDU in Berlin regieren müsse und sie dafür bereitstehe.

[Burkard Dregger (CDU): Er hat doch recht!]

Das können Sie noch so oft machen, aber das ist gerade dieses Antrags nicht würdig, der sich etwas traut, was nicht oft geschieht, dass man sich nämlich einen ganz spezifischen Punkt heraussucht, den man verbessern könnte. Wenn natürlich ein solcher Punkt geritten wird, bringt das immer die Gefahr mit sich, dass er auch an Erwartungen, was er bringen soll, überfrachtet wird.

Sie habe auch formuliert, dass es darum geht, die Gebühren zu übernehmen, aber nur dann, wenn die Prüfung erfolgreich bestanden ist. Wir reden als über das, was sonst bundesweit als Meisterprämie oder Meisterbonus verstanden wird. Die meisten Bundesländer zahlen ein bisschen mehr als die Prüfungsgebühren, damit es auch ein bisschen eine Belohnung ist. Darüber kann man durchaus reden. Ob man damit die Fachkräfteproblematik im Handwerk behebt, ist eine Diskussion, die wichtig und ernst ist und die – auch das wurde gesagt – seit 2004 geführt wird. Ja, die Handwerksnovelle! Die ist aber, lieber Herr Schultze-Berndt, in der Frage, was sie gebracht hat oder nicht gebracht hat, nicht eindeutig zu bewerten. Alle Forschungsinstitute sagen, dass die Ergebnisse uneinheitlich sind. Sie haben weder die Befürchtungen noch die Hoffnungen in Gänze bestätigt. Die Diskussion über die Rückkehr zur Meisterpflicht in einzelnen Berufen finde ich interessant. Ob man da eine Eindeutigkeit herstellen kann – also Ihre Kollegen im Bund –, dass es ausgerechnet in den Berufen wieder zu mehr Unternehmungsgründungen führt und zu mehr Teilnehmern und Teilnehmerinnen an Meisterprüfungen und – das hat die Kollegin König gesagt – zu mehr Ausbildungswilligen, wo man das macht, das müssen wir dahingestellt sein lassen.

Richtig ist aber auch, was die Kolleginnen und Kollegen gesagt haben: Man muss sich die Förderlandschaft anschauen. Berlin hat sich vor dem Hintergrund, dass im – ein super Wort, ein schönes Wort, ich habe es mir extra aufgeschrieben – Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz bestimmte Sachen schon übernommen wurden, bewusst dafür entschieden, eine Meistergründungsprämie auszureichen und zu sagen: Das ist etwas, was noch nicht gefördert wird, und wir sehen den Anreizschritt im nächsten Schritt nach der bestandenen Prüfung.

Was kann man kombinieren? – Man kann mit Fug und Recht, darauf weisen Sie ja in ihrem Antrag hin, überlegen, inwieweit es sinnvoll ist, das jetzt hier in Berlin neu zu regeln, während die Diskussion im Bund über die Novellierung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes läuft. Aber auch das könnte man diskutieren. Ich finde wiederum an Ihrem Antrag eigentlich wichtig und mit der Opposition zu diskutieren die Frage der Gleichwertigkeit. Die Gleichwertigkeit von dualer Ausbildung, dualen Studiengängen, dualem Lernen im Vergleich zum rein theoriebasierten, akademischen Lernen ist eine, die mich umtreibt und die wir als Grüne schon immer sehr stark unterstützen, den europäischen Qualifikations

(Tommy Tabor)

rahmen unterstützen, der das verankert hat. Auch ich habe hier schon in der letzten Wahlperiode vertreten, dass sich Deutschland bewegen muss, auch bei der gleichrangigen Anerkennung der dualen Ausbildung zum Abitur. Da haben sich ja die deutschen Kultusministerinnen und Kultusminister ausgesprochen schwergetan. Wenn wir über diese Fragen nachdenken, kann man über die Meisterprämie noch mal diskutieren und schauen, ob man dafür Geld findet.

Aber wir müssen weiter den Pfad gehen, dass wir nicht die akademische und die berufliche Bildung gegeneinander ausspielen, dass wir die Durchlässigkeit in beide Richtungen weiter erhöhen, dass wir in der Tat, lieber Herr Schultze-Berndt, mehr duale Studiengänge auflegen. Bis jetzt tun das nur die privaten, die großen öffentlichen Universitäten tun sich da schwer. Wir sind uns einig, dass die Bildungsberatung, die Laufbahnberatung sehr viel früher einsetzen muss, und zwar bei den Familien. Da bin ich jetzt bei Ihnen als Opposition. Es ist ein Imageproblem. Sie haben vielleicht alle den „Zeit“-Artikel im „Zeit“-Magazin letzte Woche gelesen, dass die kleinen Kinder alle Handwerksberufe ergreifen wollen, und es sind die Eltern, die sie davon abbringen. Das sind nicht nur die rot-rot-grünen Eltern, die sagen, andere Sachen haben ein höheres Image und du musst doch studieren gehen.

Der größte Fehler, den wir in dem Bereich haben, ist, dass gerade von der CDU in der Vergangenheit oft kam – ich bin sehr dankbar, dass das so nicht in dem Antrag der FDP steht –, dass wir entlang der Schultypen sagen: Wer aufs Gymnasium geht, soll studieren gehen, und wer auf den anderen Schultyp geht, der muss dann berufliche Bildung machen. – Das ist das, was die Gesellschaft an der Stelle spaltet. Wenn wir das gemeinsam überwinden können, wenn wir gemeinsam entlang der Neigungen und Talente der jungen Menschen für die duale Ausbildung werben und nicht entlang der Herkunftsmilieus, dann sind wir beieinander. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LINKEN und der FDP]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales und mitberatend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie sowie an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege von Berlin (Berliner Naturschutzgesetz – NatSchG Bln)

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz vom 8. August 2019 und Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 21. August 2019 Drucksache 18/2119

zum Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/1299

Zweite Lesung

Ich eröffne die zweite Lesung des Gesetzesantrags. Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel I und II des Gesetzesantrags und schlage vor, die Beratung der Einzelbestimmungen miteinander zu verbinden. – Widerspruch höre ich dazu nicht. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Die Ausschüsse empfehlen mehrheitlich – gegen die Stimmen der AfD-Fraktion – die Ablehnung. Wer dem Gesetzesantrag Drucksache 18/1299 dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die AfD-Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete Wild. Gegenstimmen? – FDP, CDU und die Koalitionsfraktionen! Damit es der Antrag abgelehnt. Ich frage vorsichtshalber: Gibt es Enthaltungen? – Das nicht der Fall. Der Gesetzesantrages damit abgelehnt.

Tagessordnungspunkt 6 war Priorität der Fraktion Die Linke unter Nummer 4.3.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 6 A:

Einundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz vom 5. September 2019 Drucksache 18/2167