Protokoll der Sitzung vom 26.09.2019

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn dieser Senat in dieser Stadt überhaupt noch etwas baut, dann ist das Mist.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Das ist jetzt nicht aus der Luft gegriffen, sondern so oder ähnlich steht es auf großflächigen Plakaten direkt hier in der Niederkirchnerstraße auf dem Weg ins Abgeordnetenhaus zu lesen. Absender der Botschaft sind nicht etwa vermeintliche finstere Immobilienhaie, halbkriminelle Lobbyisten, verabscheuungswürdige Spekulanten oder wen auch immer Sie sich gerade zum Lieblingsfeindbild erkoren haben, sondern es ist die von Ihnen so gern und oft auch hochgelobte gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft, die mit diesen und noch ganzen Worten gegen die Wohnungspolitik von Rot-Rot-Grün in Berlin aufschreit.

Es spricht nicht nur Protest gegen die Enteignungspropaganda der linken Parteien und der Protest gegen den Mietendeckelirrsinn der vereinigten Linkskoalition aus diesen Plakaten – im Grunde ziehen die Genossenschaften damit Bilanz nach drei Jahren rot-rot-grüner Wohnungspolitik. Mit Erlaubnis der Präsidentin würde ich noch die Berliner Genossenschaften noch ein bisschen weiter zitieren: „In Berlin regiert der Wahnsinn.“ – „So wird aus gemeinsam ganz schnell einsam.“ – „Jetzt reicht’s, Genossen!“ – „Rot-Rot-Grün – nur ein großer Irrtum?“ – „Die Generationengerechtigkeit wird baden gehen.“ – „Berlin zerstört sein soziales Gefüge.“ – „Statt Klimaschutz gibt’s weiter Schmutz.“ – „Mietendeckel macht unsere Stadt kaputt.“ Wenn Genossenschaften sich gezwungen sehen, gegen die Genossen in Ihrer Koalition mit so dramatischen Ansagen auf die Straße zu gehen, dann hört ganz

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

Deutschland auf diese Alarmsignale, und nur bei Ihnen kommt die Botschaft nicht an.

[Beifall bei der CDU]

Falls es Ihnen noch keiner gesagt hat: Berlin gilt inzwischen weit über Deutschlands Grenzen hinaus als abschreckendes Beispiel dafür, wie man die Herausforderungen einer wachsenden Metropole ganz sicher nicht bewältigen wird. In der „Neuen Züricher Zeitung“ war just an diesem Wochenende der Bericht aus Berlin überschrieben mit „Nachrichten aus Absurdistan“. Berlins Wohnungspolitik gilt Vernünftigen aus allen politischen Lagern als Warnung davor, was passiert, wenn die Ideologen und Populisten regieren, die sich von Sachzwängen und Verfassungsrecht nicht stören lassen.

[Beifall bei der CDU]

Wenn der Wahnsinn regiert – damit zitiere ich noch einmal die Berliner Genossenschaften – dann wird die gemeinschaftliche Anstrengung unmöglich, auf die unsere Stadt so dringend wartet, auf die wir alle angewiesen sind.

Sie werden trotzdem heute, wie schon in den Fachausschüssen, unsere Initiative für ein Bündnis für Wohnen und Neubau mit allen Partnern ablehnen. Das ist verständlich, denn Ihre Politik ist damit unvereinbar. Aber es ist und bleibt bedauerlich und ein fataler Fehler für unsere Stadt. Andrej Holm und Katrin Lompscher haben das Bündnis für Wohnen in Trümmer gelegt – ein Bündnis, das wir dringend brauchten. Sie sagen „njet“ zu den Prinzipien sozialer Marktwirtschaft. Sie setzen auf Zwangswirtschaft, auf Erdrosselung privater Initiative. Das Ergebnis ist in allen Statistiken ablesbar: Monat für Monat weniger Baugenehmigungen. Sie sind und bleiben blind dafür, dass sich die Angebotsmieten in Berlin erst dann deutlich entspannen werden, wenn es ein ausreichendes Angebot an neuen Wohnungen gibt. Sie schaffen mit Ihrer Politik aber nicht die Wohnungen, sondern die Ruinen von morgen. Echten Fortschritt beim Wohnungsbau wird es erst dann geben, wenn wir zu einem breiten Bündnis zwischen einem neuen Senat, der Berliner Verwaltung, der Wohnungswirtschaft, dem Bauhandwerk und den Berliner Mietern kommen. Wir brauchen feste und verbindliche Verabredungen gemeinsamer Ziele. Wir müssen zerstörtes Vertrauen wiederherstellen. Das wird eine große Aufgabe.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Stefan Förster (FDP)]

Trotzdem kann ich nur noch einmal sagen: Vielleicht hören Sie endlich die Signale und entschließen sich doch zu einer Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion der SPD hat Frau Abgeordnete Spranger das Wort. – Bitte schön!

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen, verehrte Herren! Das war wieder ein Paradebeispiel für das, was Sie tatsächlich tun und nicht lassen können. Dort, wo Sie Verantwortung haben in den Bezirken, da stehen Sie zum Bespiel in Reinickendorf, was die Bebauungspläne betrifft, an allerletzter Stelle. Und dann stellen Sie sich hier ernsthaft hin und behaupten, dass, wenn Sie an der Regierung wären, neu gebaut würde.

[Stefan Evers (CDU): Richtig!]

Dann machen Sie es doch erst einmal dort, wo Sie schon in Verantwortung stehen! Oder wie sieht es denn aus mit dem mit Neubau in Pankow oder in Tegel? – Alles abgelehnt durch die CDU. Deshalb lassen Sie hier die Scheinreden! Denn die Mieterinnen und Mieter brauchen eine Atempause. Deshalb ist es richtig, dass der Staat eingreift. So gesehen haben Sie hier eine Scheindebatte geführt, Herr Evers. Das, was Sie eigentlich im Antrag zu stehen haben, nämlich mit den Leuten in der Stadtgesellschaft ins Gespräch zu kommen – das ist ja richtig –, verbinden Sie immer gleich mit Verboten. Deshalb ist es Schein, dass Sie sagen, Sie sind für Neubau. Machen Sie es erst einmal da, wo Sie es tatsächlich machen können! Denn dort stellen Sie sich hin und machen es nicht.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Dann will ich Ihnen eines sagen; wir gucken uns einmal an, was Sie geschrieben haben und was Sie eigentlich meinen.

[Zuruf von Mario Czaja (CDU)]

Denn für den sozial gerechten Wohnungsbau und die sozial gerechte Wohnungspolitik in einer wachsenden Stadt wie Berlin – genau auf diesen beiden Säulen – brauchen wir nicht unbedingt einen CDU-Antrag, um uns dessen sicher zu sein. Schauen wir uns also an, was Sie umsetzen wollen; das betrifft immer einen Antrag: Sie fordern ein Bündnis für Wohnen und Neubau mit allen Partnern und verweisen auf Hamburg. Was bedeutet das? – In Hamburg vereinen sich unter diesem Namen, was Sie sagen, wichtige, übrigens sozialdemokratische Bausteine für eine soziale Wohnungspolitik.

[Zuruf von der CDU: Da sehen Sie mal!]

Das Bündnis für das Wohnen in Hamburg hat das Ziel, 30 Prozent für Neubau als geförderten Mietwohnungsbau mit Mietpreis- und Belegungsbindung zu realisieren.

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Haben wir schon!]

Genau das haben wir schon – also fehlgeschlagen. Hamburg stockt die Mittel für Neubauförderung auf, um mehr preiswerten Wohnraum zu bauen. Genau das tun wir auch.

(Stefan Evers)

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Richtig!]

Hamburg unterstützt Menschen mit besonderem Wohnbedarf und weiteren Angeboten, barrierefreies Bauen zum Beispiel. Genau das tun wir mit unseren Kooperationsvereinbarungen „Leistbare Mieten, Wohnungsneubau und soziale Wohnraumversorgung“ auch.

[Zuruf von Kurt Wansner (CDU)]

Sie konstruieren hier also einen Gegensatz, der überhaupt nicht existiert, verehrte Damen und Herren der CDU – oder besser Herren! Berlin und Hamburg verfolgen die gleichen sozialen Ziele in der Wohnungspolitik. Ihr Antrag ist also ein reines Ablenkungsmanöver. Warum Sie das vornehmen, habe ich am Anfang gesagt: weil Sie selbst alles verhindern, was Sie nur verhindern können in den Bezirken, in denen Sie in der Verantwortung stehen. Bringen Sie es dort erst einmal zurecht und stellen Sie Reinickendorf bei den Bebauungsplänen nicht an die letzte Stelle, sondern bringen es nach vorne! Dann sind wir auch ein Stück weiter. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Anne Helm (LINKE)]

Für die Fraktion der AfD hat jetzt der Abgeordnete Laatsch das Wort. – Bitte schön!

Es ist sicher lehrreich und interessant, über Hamburg zu reden, aber wir sind ja hier in Berlin, und deswegen sollten wir einmal wieder auf die Berliner Verhältnisse zurückkommen. – Vor einiger Zeit fuhr ich an der Freien Universität in Dahlem vorbei. Dort hing draußen am Gebäude ein Banner, auf dem geschrieben stand: „Reiche Eltern für alle!“

[Lachen von Mario Czaja (CDU) und Heiko Melzer (CDU)]

An diesen frommen Wunsch fühlte ich mich erinnert, als ich Ihren Antrag las. Natürlich macht es Sinn und ist in einer funktionierenden Stadt selbstverständlich, dass alle Akteure im lebenswichtigen Bereich Wohnen, also das Dach über dem Kopf betreffend, sich zusammensetzen und gemeinsam alle Herausforderungen an- und aufnehmen – aber doch nicht mit diesem Senat.

[Lachen von Mario Czaja (CDU)]

Ich bitte Sie! Wenn Sie das wollten, würden Sie es tun, mit oder ohne Ihre oder unsere Aufforderung. – Herr Evers! Die wollten nicht, die wollen nicht und die werden niemals wollen. Das sage ich Ihnen seit Einzug in dieses Parlament. Sie leben gut mit dem Geschäftsmodell Wohnraumverknappung. Ein nennenswerter Teil der Bürger nimmt Ihnen diesen Fingerzeig auf die bösen

Vermieter unkritisch ab und glaubt, die linken Parteien mit ihren Heilsversprechen seien die Lösung.

[Zuruf von Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Dabei sind sie das Problem,

[Beifall bei der AfD]

indem sie die Wohnungsknappheit mit ihrer gewollten Nichtbaupolitik verursachen. Sie wissen das, und ich weiß das. Es wird Zeit, dass auch die Berliner verstehen, dass man Mieten von Wohnungen, die man nie gebaut hat, nicht deckeln kann,

[Beifall und Heiterkeit bei der AfD – Katrin Schmidberger (GRÜNE): Doch, das hat man auch schon mehrfach in der Bundesrepublik gemacht! Schauen Sie mal in die Geschichtsbücher!]

und dass eine nichtgebaute Wohnung den Wert und damit die Miete jeder gebauten Wohnung nach oben treibt. Besitzer von Eigentumswohnungen müssten den Linken eigentlich die Füße küssen; der Wert ihrer Immobilien steigt mit jeder Wohnung, die sie nicht bauen. Denn das wusste man schon im Kommunismus: Eine Ware, die knapp ist, hat ihren Preis. Der wurde dann eben unter der Theke ausgehandelt.

Als verantwortungsvoller Politiker kann ich nur mit dem Kopf schütteln und die Bürger warnen vor diesen Problemverursachern. Es bleibt bei den Wählern zu entscheiden, ob sie diese Katastrophenpolitik weiter mitmachen wollen. – Ihr frommer Wunsch, Herr Evers, wird allerdings nicht in Erfüllung gehen. Eher gibt es reiche Eltern für alle. – Danke schön!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Abgeordnete Dr. Nelken das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Evers! Sie haben mit Ihrem Antrag einen Antrag gestellt, über den Sie hier nicht gesprochen haben. Im Prinzip war es schon die ganze Zeit so: In der ersten Lesung wurde er nicht besprochen, im Ausschuss wurde er eigentlich auch nicht besprochen. Heute haben Sie eine Rede gehalten, die mit dem Inhalt des Antrags kaum etwas zu tun hatte.

[Zuruf von Katrin Schmidberger (GRÜNE)]

Ich glaube, das ist auch besser so, denn in dem Antrag ist nicht wirklich etwas Sinnvolles enthalten.