Protokoll der Sitzung vom 14.11.2019

Darauf warten wir bei diesem Senat und dieser Koalition.

Aber natürlich haben wir auch andere Branchen und Schwerpunkte, die wir fördern wollen und werden. Eine starke Wirtschaft ist Grundvoraussetzung dafür, dass Berlin auch im Jahr 2030 eine lebenswerte und vielfältige Stadt ist. Wir müssen heute damit beginnen, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entlang der Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft so zu gestalten, dass sich Unternehmen möglichst frei entfalten können, um Innovationen zu entwickeln. Unsere wichtigsten Maximen dabei sind unternehmensfreundliche Wirtschaftspolitik und gute Stadtentwicklungspolitik. Privatwirtschaftliche Initiative hat grundsätzlich Vorrang vor staatlichen Maßnahmen. Das muss in Berlin gelernt werden.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Wir brauchen ein innovationsfreundliches Klima, eine ideologiefreie Verwaltung, eindeutig festgelegte Ansprechpartner, kurze Bearbeitungszeiten. Das Land hat sich als Partner der Unternehmen zu verstehen, derer, die hier sind und derer, die hierher kommen wollen. Lassen Sie uns endlich auch mutige Projekte in der Stadtentwicklung nach Berlin holen – wir haben hier so oft darüber gesprochen –,

[Beifall von Stefan Evers (CDU)]

Architekten, Hochhausprojekte, neue Ideengeber nach Berlin einladen, alles das, was Sie auf der linken Seite des Hauses nicht wollen.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Der Senat hat im In- und Ausland für Investitionen zu werben und, das will ich ausdrücklich sagen, da hat er richtige Schritte gemacht, die wir ausdrücklich begrüßen.

[Daniel Buchholz (SPD): Oh!]

Keine Zwischenfragen, Herr Präsident, vielen herzlichen Dank! – Das Wichtigste aus unserer Sicht in dieser wachsenden Stadt, ist auch eine moderne Gewerbeimmobilienpolitik. Wir wollen , dass unser Konzept mitzudenken ist, Gewerbeflächen für KMUs in Berlin umsetzen, bei denen bei Bauvorhaben ab einer Grundstücksgröße von 20 000 Quadratmetern oder 50 000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche eine bestimmte Flächenquote von 10 Prozent für kleine und mittlere Unternehmen vorzusehen ist, bei jedem Wohnungsbauvorhaben, auch Gewerbe mitzudenken. Gleichzeitig könnte das Konzept eine quotale Aufteilung für berlintypische Branchen enthalten: Handwerk, Kreativwirtschaft, Einzelhandel, Dienst

leistungsunternehmen. Wir brauchen eine Antwort auf knapper werdende Gewerbeflächen auch in Berlin.

Natürlich haben wir auch Nachholbedarf bei der Infrastruktur. Marode Brücken und Straßen müssen mithilfe eines wirtschaftsfreundlichen Baumanagements instandgesetzt und modernisiert werden. Das gilt für Berlin genauso wie für den engeren Verflechtungsraum.

Wir brauchen ein klares Bekenntnis zum Masterplan Messe und den damit verbundenen Ausbau und der Erweiterung der Messe. Es ist überhaupt kein Naturgesetz, dass ein Konzeptverfahren für das ICC drei oder vier Jahre dauern soll. Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass es in sechs Monaten Klarheit dafür gibt und bringen Sie das auf den Weg. Wir brauchen das ICC als Kongressstandort für Berlin.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Franz Kerker (AfD)]

Natürlich gehören zu besseren Rahmenbedingungen ausgezeichnete Ausbildungen, Schule, Hochschulen – das ist wichtig –, eine effiziente, digital vernetzte Verwaltung. Berlin muss eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung von kreativen Verwaltungsreformen und einer bürgernahen, wirtschaftsfördernden Verwaltungsdigitalisierung sein. Davon sind wir weit entfernt. Wir wollen Branchen fördern. Wir wollen Start-ups fördern, selbstverständlich. Wir fordern eine Gründerschutzzone, die bürokratische und steuerliche Erleichterungen in den ersten drei Jahren umfassen soll. Wir wollen in allen zwölf Bezirken die Wirtschaftsförderung ausbauen und zu einem WellcomeOffice führen.

Wir haben spannende Branchen für Berlin identifiziert, Künstliche Intelligenz, 3D-Druck, die Zukunft als Industriestandort, jedenfalls Industrien der Zukunft. Da sind wir in der Tat, Frau Ludwig, mit Ihnen einig. Wir wollen europäische Gesundheitshauptstadt werden. Auch da können wir einen Zahn zulegen, die bessere Transformation und Verzahnung zwischen Forschung und Wissenschaft.

Selbstständig wollen wir auch für die Unternehmen in Berlin etwas tun. Wir wollen die bezirklichen Wirtschaftsförderungen stärken. Wir wollen, dass Gewerbetreibende bei Baumaßnahmen entschädigt werden, weil gerade die kleinen und mittleren Unternehmen beispielsweise im Einzelhandel darunter leiden. All das haben wir in den Haushaltsberatungen für den kommenden Doppelhaushalt deutlich gemacht und auch beantragt.

Jetzt darf ich die Frage stellen, was eigentlich Ihre Vorstellungen als Koalition und Landesregierung sind. Ich finde es völlig richtig, und Neiddebatten sind aus meiner Sicht überhaupt nicht angebracht, wenn der Regierende Bürgermeister in wachsenden Ländern und Metropolen unterwegs ist und sich umschaut, was dort besser oder anders gemacht wird. Aber dann kommt der Regierende

Bürgermeister zurück und verhandelt den größten Investitionsstopp in der Geschichte dieser Stadt für private Unternehmen und öffentliche Unternehmen, den sogenannten Mietendeckel. Das ist volkswirtschaftliches Harakiri. Harakiri!

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Die Wirtschaftssenatorin sagt dazu kein Wort. Sie müsste unabhängig von Parteizugehörigkeit getreu dem von ihr geschworenen Eid das ordnungspolitische Gewissen Berlins sein. Kein Wort sagt die Wirtschaftssenatorin dazu. Am Anfang der Legislaturperiode wurde bei einem wirtschaftspolitischen Frühstück der IHK Berlin gesagt, Berlin hätte wahrscheinlich die am besten vorbereitete Wirtschaftssenatorin bekommen, die man haben könnte. Was ist davon übrig geblieben? – Übrig geblieben ist Verzagtheit, Mutlosigkeit, aber mit großen Ambitionen auf das Amt des Regierenden Bürgermeisters ausgestattet, Berlins erste Wirtschaftssenatorin, die doppelt so viele Termine absagt wie sie zugesagt hat.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von Tobias Schulze (LINKE) und Regina Kittler (LINKE)]

Bei Ihrer Arbeit, Frau Senatorin, ist kein einziger Schwerpunkt, keine Leidenschaft, kein Branchenschwerpunkt erkennbar. Die größte Errungenschaft sind sechs Aufsichtsratsmitgliedschaften bei öffentlichen Betrieben und ein Stadtwerk, das gerade grandios gescheitert ist, obwohl auch hier Aufbruch mit einer Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen möglich wäre.

[Daniel Buchholz (SPD): Sie haben einfach keine Ahnung! Peinlich ist das!]

Fangen Sie an zu gestalten und setzen Sie sich gegen Ihre grünen Fundis vor allem in Friedrichhain-Kreuzberg durch. Sie werden uns dabei immer an Ihrer Seite wissen, Frau Senatorin Pop, immer!

[Beifall bei der CDU]

Die Unternehmen und die Berlinerinnen und Berliner können gute Rahmenbedingungen und verlässliche Politik erwarten.

[Zuruf von Silke Gebel (GRÜNE)]

Ich weiß gar nicht, was Sie hier so schreien. Es regt Sie offensichtlich tierisch auf. – Der IHK-Konjunkturbericht spricht eine andere Sprache. Der Erwartungsindex stürzt ab um ganze 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Ich bin mir ganz sicher, dass auch alle anderen Parteien im Haus hier gute Vorschläge für die wirtschaftliche Entwicklung dieser Stadt haben. Wir sind gespannt, sie zu hören. Unsere Ideen jedenfalls möchten wir gemeinsam auch in Diskussionen mit Ihnen umsetzen. Unsere Stadt, die Berlinerinnen und Berliner, haben es verdient. Dazu braucht man aber Mut und Leidenschaft. Die

können wir bisher bei Ihnen jedenfalls noch nicht erkennen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Jahnke das Wort.

[Sibylle Meister (FDP): Jetzt kommt wirtschaftlicher Sachverstand!]

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Geh’n Sie mit der Konjunktur!“, so sang das HazyOsterwald-Sextett optimistisch vor mehr als einem halben Jahrhundert, in einer Zeit des Wiederaufbaus nach dem Krieg, als die Konjunktur in Deutschland nur eine Richtung zu kennen schien: aufwärts. Von dieser historisch kurzen, atypischen Phase einmal abgesehen, haben wir aber in den zurückliegenden Jahrzehnten Konjunkturzyklen und die Krisenanfälligkeit unseres globalen Wirtschaftssystems in jedweder Form erlebt. Auch derzeit bleibt die deutsche Konjunktur nicht unberührt vom sich eintrübenden internationalen Klima. Die Spannungen in den transatlantischen Beziehungen, die Politik eines unberechenbaren US-Präsidenten, der wohl bevorstehende Brexit, die Krise der WTO und einige weitere Faktoren haben zu einer weitgehenden Verunsicherung vieler Wirtschaftsakteure, zu erschwerten Bedingungen im Exportsektor und zu einer weltweiten Investitionsflaute geführt.

[Marc Vallendar (AfD): Harakiri!]

Führende Wirtschaftsforschungsinstitute haben die Konjunkturprognosen für Deutschland kürzlich nochmals nach unten korrigiert und rechnen inzwischen nur noch mit einem diesjährigen Wachstum von 0,5 Prozent.

In diesem Kontext scheint es umso beachtlicher, dass sich die Berliner Wirtschaft unabhängig von diesen schlechten Zahlen weiterhin äußerst positiv entwickelt. Bereits im ersten Halbjahr dieses Jahres wurde das bundesdeutsche Wachstum um fast das Fünffache übertroffen und war deutlich stärker als in allen anderen Bundesländern.

Während die vermeintlichen Wirtschaftsexperten einer schwarz-gelben Landesregierung in Nordrhein-Westfalen beispielsweise ihren Wählerinnen und Wählern gegenüber in Erklärungsnot geraten dürften, weshalb die dortige Wirtschaft im ersten Halbjahr 2019 mit einem mickrigen Wachstum von 0,1 Prozent nur noch haarscharf an einer Rezession vorbeischrammte, können wir in Berlin mit gewissem Stolz sagen, dass wir einen Anteil daran haben, die bundesdeutschen Zahlen nicht noch schlechter ausfallen zu lassen.

Im Bericht der Deutschen Bundesbank zur Wirtschaftslage in Berlin heißt es nun, dass sich Berlins Wirtschaft – ich zitiere: auch im zweiten Halbjahr 2019 von der gesamtdeutschen Wachstumsschwäche weitgehend abkoppeln dürfte. Lassen Sie uns also einen Blick darauf werfen, welches die Gründe für diese hervorragenden Zahlen und die weiterhin optimistische Prognose sind.

Als Klaus Wowereit im Jahr 2001 das Amt des Regierenden Bürgermeisters von Eberhard Diepgen übernahm, steckte die Berliner Wirtschaft in einer manifesten Krise. Nullwachstum, manchmal auch negative Wachstumsraten waren die Regel, und die Arbeitslosenquote steuerte auf die 20 Prozent zu. Berlin stand im bundesdeutschen Vergleich so schlecht wie kaum ein anderes Bundesland da, blieb von der ökonomisch positiven Entwicklung, insbesondere in den alten Bundesländern, weitgehend abgekoppelt. Dies hat sich entscheidend geändert. In den letzten 18 Jahren konnte die Berliner SPD ganz maßgeblich eine zukunftsgerichtete, aber vor allem auch soziale Wirtschaftspolitik mitgestalten, die dazu geführt hat, dass der Wirtschaftsstandort Berlin heute attraktiver denn je ist und die Wachstumsraten in Berlin seit 2005 meist über dem Bundesdurchschnitt lagen.

Herr Kollege, ich darf Sie fragen, ob Sie Zwischenfragen, einmal vom Kollegen Krestel, FDP, und eine andere vom Kollegen Klaer, CDU, zulassen.

Jetzt im Moment nicht, vielleicht später.

[Karsten Woldeit (AfD): Dann sagen Sie mir Bescheid!]

Ja, ja. – Also, ich lasse jetzt erst mal keine Frage zu. – Ich wollte gerade sagen, dass die Wachstumsraten seit 2005 meist über dem Bundesdurchschnitt lagen. In diesem Zeitraum gab es konjunkturell sehr unterschiedliche Phasen, zwischen 2008 und 2010 eine weltweite Wirtschaftskrise, doch Berlin setzte seinen langfristigen Wachstumskurs ungeachtet kurzfristiger Schwankungen fort.

Die unter der Regierung Klaus Wowereit richtig gestellten Weichen und die seinerzeit geschaffenen Instrumente wie der Runde Tisch Tourismus oder der Steuerungskreis Industriepolitik beim Regierenden Bürgermeister wurden in beiden Senaten von Michael Müller konsequent fortgesetzt. Am 4. September 2018 hat der Senat für Berlin den neuen Masterplan Industriestadt Berlin 2018-21 beschlossen. Der Masterplan Industrie stellt den strategischen Rahmen, um die Akteure gezielt zusammenzubringen, Innovationsräume zu qualifizieren und Berlins Profil als digitale Werkbank weiter zu schärfen. Die Fortschreibung des Masterplans nimmt Flächenbedarfe in den Blick – ja, Herr Gräff, das ist so – und sorgt mit gezielten Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen für die öffent

(Christian Gräff)

liche Wahrnehmung der Industriestadt. Im Januar 2019 haben die Länder Berlin und Brandenburg die gemeinsame Innovationsstrategie der Länder Berlin und Brandenburg beschlossen. Die Hauptstadtregion bietet beste Voraussetzungen, eine hohe Dichte an exzellenten Hochschulen und Forschungseinrichtungen und eine enge Verknüpfung von Wirtschaft und Wissenschaft. Großes Entwicklungspotenzial haben insbesondere die Cluster.

Daher ist es auch kein Zufall, dass sich Berlin im vergangenen Jahr als Standort des Siemens-Innovationscampus im globalen Wettbewerb durchgesetzt hat, sondern eine Folge erfolgreicher Wirtschaftspolitik. Und die gerade erst in dieser Woche bekannt gewordene Entscheidung von Tesla, im Umland Berlins ein großes Produktionswerk mit Berlin als zugehörigem Entwicklungsstandort einzurichten, ist ebenfalls Ergebnis dieser konsequenten Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zurufe von rechts]