Nach meiner Einschätzung sind insbesondere vier Faktoren für die positive Entwicklung maßgeblich: Erstens profitieren wir immens von der Diversifizierung der Berliner Wirtschaft, sodass verschiedene Standbeine Berlin resistenter gegenüber Krisen einzelner Branchen und Sektoren machen, was sich insbesondere bei der globalen Wirtschaftskrise vor zehn Jahren zeigte. Die Industrie beispielsweise macht in Berlin mit knapp 9 Prozent der Bruttowertschöpfung einen verhältnismäßig geringen Anteil aus. Diese Tatsache unterscheidet uns von zahlreichen anderen Regionen in Deutschland, worüber wir nicht immer froh sind, was aber die Abhängigkeit vom industriellen Sektor geringer macht, unter der andere Regionen leiden und von dessen derzeitigem Rückgang diese betroffen sind. Man denke nur an die süddeutschen Bundesländer, deren Wachstum maßgeblich mit der Automobilindustrie verbunden ist und daher gegenwärtig unter deren selbstverschuldeter Strukturkrise leidet.
Allerdings habe ich auch hier gute Nachrichten über eine erfreuliche Berliner Entwicklung in der Industrie entgegen dem Bundestrend: Die Umsätze der Berliner Industrie sind bis Juli im Vergleich zum Vorjahr um fast 5 Prozent gestiegen, und auch die Ausgangslage ist weiterhin hervorragend. Die industrielle Basis Berlins ist schmaler, aber sie ist nicht auf bestimmte Branchen fixiert. Immerhin ein knappes Drittel der Berliner Wertschöpfung erfolgt im Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen, der wiederum in Information und Kommunikation sowie freiberufliche, wissenschaftliche, technische und sonstige Dienstleistungen aufgeteilt werden kann. Auch hier stieg der Umsatz bis Juli im Vorjahresvergleich um knapp 5 Prozent, was mit einem Beschäftigungswachstum von immerhin fast 4 Prozent einherging.
Auch die Bauwirtschaft befindet sich weiterhin in Hochkonjunktur und kann sich vor Aufträgen kaum retten. Ebenso positive Nachrichten erreichen uns sowohl vom Gastgewerbe als auch von den Finanz- und Versicherungsdienstleistungen.
Berlin ist also breit aufgestellt und profitiert dabei natürlich auch – das ist mein zweiter Punkt – von einer konsequent zukunftsorientierten Wirtschaftspolitik. Als Startup-Standort Nummer 1 in Deutschland hat es Berlin geschafft, immer mehr Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer anzulocken. Viele der innovativen Geschäftsmodelle sind nachhaltig erfolgreich, was beispielsweise das starke Wachstum von 7,5 Prozent im Bereich des Onlinehandels veranschaulicht. Schätzungen zufolge wurden im ersten Halbjahr 2019 2,8 Milliarden Euro in deutsche Start-ups investiert, wovon beeindruckende drei Viertel, also 2,1 Milliarden, an Berliner Start-ups geflossen sind.
Digitalisierung ist ein Megatrend, von dem Berlin profitiert. Wir hatten gerade erst vor drei Tagen eine Anhörung im Wirtschaftsausschuss hierzu.
Drittens profitieren wir auch – das möchte ich gar nicht leugnen – vom generellen Urbanisierungstrend, der mit zahlreichen Chancen für eine Stadt wie Berlin einhergeht. Es ist tatsächlich leichter für Unternehmen wie Tesla, Siemens, Bayer und andere, qualifizierte Leute an den Standort Berlin zu holen als anderswohin. Eine steigende Einwohnerzahl – darauf möchte ich nicht nur die Kolleginnen und Kollegen von der AfD, sondern auch Herrn Gräff hinweisen mit seiner rückwärtsgewandten Zuzugssperre –, auch Zuwanderungen sind unabdingbare Voraussetzungen, um auf den stärker werdenden Fachkräftemangel zu reagieren.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Wenn sie gesteuert sind, ja! Aber nicht ungesteuert! – Zuruf von der AfD: Unsinn!]
Ein vielfältiges kulturelles Angebot wiederum trägt zum Tourismusboom bei und kommt somit dem Hotel- und Gastgewerbe zugute.
Letztlich profitiert Berlin auch, davon bin ich überzeugt, von einer starken Sozialpolitik, die den Standort für viele Menschen attraktiver macht. Berlin steht im Wettbewerb um Arbeits- und Fachkräfte zu vielen anderen Städten, nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern. Themen wie bezahlbarer Wohnraum sind in einer globalisierten Welt mit vielen Menschen ein ausschlaggebendes Kriterium.
Herr Kollege, ich darf Sie noch mal fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Scholtysek von der AfDFraktion zulassen.
Nein! – Themen wie bezahlbarer Wohnraum, wollte ich gerade ausführen, sind in einer globalisierten Welt für viele Menschen ein ausschlaggebendes Kriterium, wenn es darum geht, ihren Lebensmittelpunkt zu wählen. Und nur wenn wir in sozialen Bereichen weiterhin vorangehen, wird Berlin als Standort auch gleichermaßen attraktiv bleiben. Dies sei auch den Expertinnen und Experten aus Unternehmensverbänden sowie der IHK gesagt. Es mag ja sein, dass der Geschäftsklimaindex, der die Stimmungen und Erwartungen der Berliner Unternehmen widerspiegelt, um 24 Punkte hinter dem des Vorjahres zurückbleibt. Doch ist es ein voreiliger Schluss, hierfür – wie es bei der IHK heißt – „berlininterne Risikofaktoren“, insbesondere Eingriffe in das Privateigentum oder den Mietendeckel, verantwortlich zu machen. So was hat der Herr Gräff ja auch gerade probiert. Ich glaube, Berliner Unternehmerinnen und Unternehmer denken weitaus weniger ideologisch als ihre Verbandsfunktionäre, denen bestimmte Maßnahmen der Berliner Politik zur Mietenbegrenzung aus Prinzip nicht passen und die deshalb den gesunkenen Geschäftsklimaindex in ihrem Sinne politisch zu instrumentalisieren versuchen.
Die harten wirtschaftlichen Fakten sprechen eine andere Sprache und belegen, dass trotz gewisser Verunsicherungen der Unternehmen aufgrund der schon erwähnten weltwirtschaftlichen Risiken die Zeichen weiter auf Wachstum stehen.
Das tue ich. – Zusammengefasst kann man sagen, um noch mal am Anfang meiner Rede anzuknüpfen: Berlin geht mit der Konjunktur, wenn sie sich aufwärts bewegt, hat inzwischen aber auch Spielräume, um konjunkturellen Einbrüchen zu trotzen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Liebe Gäste! Im Ältestenrat hat man sich geeinigt, nicht über die Verfehlungen des Justizsenators, sondern lieber über das Thema „Berlin wächst weiter“ zu sprechen.
Rot-Rot-Grün meint also, das sei das angenehmere Thema. Wie ich Ihnen schon einmal sagte: Als Veganer dürfte man sich nicht darüber äußern, wie ein Mettbrötchen zu schmecken hat. Sie tun es aber dennoch.
Allein das Timing Ihres Themas könnte nicht schlechter gewählt sein und es spricht Bände darüber, wie es um Ihre Wirtschaftskompetenz bestellt ist. Wissen Sie überhaupt, in welcher Phase des Konjunkturzyklus wir uns befinden? Sagen Sie uns doch, Frau Pop: In welcher Phase des Konjunkturzyklus befinden wir uns?
Wissen Sie, meine Damen und Herren von den nichtbürgerlichen Parteien, überhaupt, was ein Konjunkturzyklus ist? – Eine Aufschwungphase ist gekennzeichnet durch hohe Beschäftigung und Auslastung des Produktionspotenzials.
Sie erreicht einen oberen Wendepunkt und geht dann in einen Abschwung mit geringerer Auslastung der Unternehmen und abnehmender Beschäftigung über.
Um die erste Frage zu beantworten: Wir befinden uns in der späten Phase eines bereits sehr lang anhaltenden Aufschwungs, der 2009 begonnen hat. Nur wenige Aufschwungphasen erreichen überhaupt zehn Jahre oder dauern länger an. Nun sind wir aber bereits im elften Jahr des Aufschwungs und damit ist das Risiko des Erreichens des Wendepunktes sehr deutlich gestiegen.
Am vergangenen Montag, also vor gerade einmal drei Tagen, kamen die neuen Konjunkturzahlen des ifoInstituts heraus. Diese Zahlen, meine sehr geehrten
Damen und Herren von der Regierungskoalition, sind katastrophal. Die Einschätzungen der künftigen Entwicklung der deutschen Wirtschaft sind so schlecht wie auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Frühjahr 2009. Auch der Konjunkturbericht der Berliner Industrie- und Handelskammer und der Handwerkskammer bestätigt Ihren Optimismus nicht. Ich frage Herrn Jahnke: Lesen Sie überhaupt den Konjunkturbericht, der uns zur Verfügung gestellt wird?
Da ist er, genau. – Ich habe mir den Konjunkturbericht durchgelesen. Die IHK und die HWK haben dabei die Gesamtwirtschaft, das Geschäftsklima – keine Zwischenfragen! –, Branchen wie Industrie, Handel, Gastgewerbe und das Handwerk betrachtet. Ich nenne Ihnen nur einmal die Überschriften aus den Kapiteln des Konjunkturberichts wieder: "Geschäftsklima kühlt ab“, „Wirtschaftspolitische Risiken trüben die Erwartungen“, „Personalaufbau verliert an Schwung“, „Investitionsklima trübt sich ein“, „Handelskonflikte setzen Exporterwartungen unter Druck“, „Schatten über der Industriekonjunktur“.
Selbst die Arbeitsmarktdaten der IHK Berlin weisen erstmalig seit wir die Arbeitsmarktberichte erhalten einen Anstieg der Arbeitslosenzahl um 3 000 aus. Wir haben also im Oktober 2019 etwas über 3 000 mehr Arbeitslose in Berlin als im Oktober 2018. Genau zu diesem Zeitpunkt, zu dem führende Wirtschaftsforschungsinstitute uns auf schwierigere Zeiten einstellen wollen, genau in diesen Zeiten wollen Sie uns weismachen, die Wirtschaft Berlins wächst ungebremst weiter.
Das könnte man für einen schlechten Witz halten. Genau genommen ist es aber nur die logische Konsequenz aus der personellen Qualität, die die Koalition hier aufgefahren hat.
Ich habe mir einmal beispielhaft anhand der Grünen angeschaut, welche Lebensläufe das hier im AGH vertretene Personal hat.
Wir haben in der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, wenig überraschend, sechs Politikwissenschaftler, drei Abgeordnete, die Philosophie studiert haben, zwei Sozialwissenschaftler, eine Ägyptologin und Sudanarchäologin,
einen Kunstgeschichtsstudenten ohne Abschluss und eine Studentin, die auf Ihrer Abgeordnetenseite nicht sagen möchte, was sie studiert. Das Netz vermutet, dass auch diese Abgeordnete Philosophie studiert. Es gibt überhaupt nur eine Abgeordnete der Grünen, die eine kauf