Protokoll der Sitzung vom 14.11.2019

[Christian Goiny (CDU): Um 19 Uhr!]

Wir möchten Sie ja ungern unterbrechen. – Jetzt hat Frau Meister das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

[Zuruf von der LINKEN: Frau Meister erklärt uns jetzt den Kapitalismus!]

Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erkläre Ihnen sehr gerne, wie wir das sehen.

[Beifall bei der FDP]

Grundsätzlich macht es eben keinen Sinn, mehr Geld auszugeben als man hat.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Oh! von Steffen Zillich (LINKE)]

Herr Zillich! Der von Ihnen immer wieder bemühte Vergleich mit einem Unternehmen hinkt an einer ganz entscheidenden Stelle: Wenn sich ein Unternehmen vergaloppiert und seine Kredite nicht mehr zurückzahlen kann, geht dieses Unternehmen pleite, was für alle Betroffenen ein ausgesprochen schmerzhafter Prozess ist, wie Sie sich vielleicht vorstellen mögen.

[Zuruf von Tobias Schulze (LINKE)]

Genau diese Möglichkeit führt dazu, dass im Normalfall ein verantwortungsvoll arbeitendes Unternehmen sehr

(Daniel Wesener)

diszipliniert mit Kreditaufnahmen umgeht. Ein Staat geht aber aus guten Gründen nicht insolvent.

[Steffen Zillich (LINKE): Deswegen gehen wir aus guten Gründen nicht diszipliniert mit Kreditaufnahmen um?]

Das heißt, wir vererben unsere Schulden an die nächste Generation, weil wir unsere Schulden weitergeben, und das engt die Handlungsfähigkeit der nächsten Generation deutlich ein.

[Beifall bei der FDP – Steffen Zillich (LINKE): Wie vieles andere auch!]

Deswegen sind wir sehr wohl für eine Schuldenbremse. Natürlich kann man an dieser Stelle diskutieren, ob man sie in der Verfassung verankert, wie es viele Bundesländer gemacht haben. Das ist gewissermaßen ein symbolträchtiger Akt. Daraus folgt ein Klagerecht für die einzelnen Fraktionen. Hier hätte man aber natürlich auch eine gesetzliche Regelung in den einzelnen Ausführungen gestalten müssen. Ich muss ganz ehrlich sagen, so wie sich die Schuldenbremse im Moment darstellt, bin ich froh darum, dass sie nicht in der Verfassung ist.

[Beifall bei der FDP]

Denn der Spielraum, sozusagen Erfahrungen damit zu sammeln, und mögen sie auch noch bitter sein, ist damit natürlich gegeben, sodass eine Änderung leichter möglich ist. Ich würde befürchten, dass wir eine Änderung brauchen, denn die Schuldenbremse, die Sie verabschiedet haben, ist keine Schuldenbremse, sondern ein Schuldenaufbaumechanismus,

[Beifall bei der FDP]

weil sie einen entscheidenden Mechanismus außer Kraft setzen: das Einbeziehen der Schulden aus den Extrahaushalten.

[Torsten Schneider (SPD): Macht der Bund auch nicht!]

Was heißt das dann? Was verbirgt sich hinter der Einbeziehung der Extrahaushalte? Das Schalenkonzept nach EU-Vorgabe besagt, dass all die Landesunternehmen, die ihre Erlöse nicht am Markt erwirtschaften, in diese Verschuldung miteinbezogen werden sollen. Stellen wir uns das einmal vor! Das macht es vielleicht leichter und verständlicher. Ich will Ihnen ja etwas erklären, etwas mit auf den Weg geben. Das heißt, wir nehmen eine Velo GmbH, die ihre Erlöse nicht zu 50 Prozent am Markt erwirtschaftet – sollte die Velo GmbH auf die Idee kommen, Kredite aufzunehmen, würde das mit hineinzählen. Wir haben natürlich auch Landesunternehmen, die ihre Erlöse sehr stark am Markt erzielen, und natürlich nehmen diese auch Kredite auf und können auch Kredite aufnehmen, solange sich diese in dem Fünfzig-ProzentRahmen bewegen. Das sind Wohnungsunternehmen, das sind so große Unternehmen wie die BVG und die BSR. Genau das tun sie auch, und wir können nur hoffen, dass sie es möglichst verantwortungsvoll tun. Wir können nur hoffen, dass die GEWOBAG, wenn sie für 900 Millionen Euro Schuldscheindarlehen ausgibt, dafür etwas Vernünf

tiges gekauft hat, denn sonst hat die GEWOBAG ein Problem und am Ende des Tages auch wir, wenn es sich eben für diese Unternehmen nicht mehr rechnet. Aufgrund der Größe sagt man aber, dort werden viele Erlöse erzielt, also soll das möglich sein.

Jetzt nehmen Sie diese Extrahaushalte, also diese kleinen Unternehmen, heraus. Komischerweise ist auch die noch im ersten Entwurf beschriebene Grundstückbesitzgesellschaft aus dem Antrag verschwunden.

[Torsten Schneider (SPD): Das stimmt! Die ist verschwunden!]

Offensichtlich trauen Sie sich nicht mehr, das mit hineinzuschreiben, denn genau darum geht es und genau das ist die große Gefahr: dass wieder jemand auf die Idee kommt, endlos viele Wohnungen aufzukaufen mit extrem vielen Schulden. Dann kommen eben keine Erlöse dabei heraus.

[Beifall bei der FDP]

Sonst macht es gar keinen Sinn, und dann haben wir eben die Verschuldung. Wenn Sie in Ihren Änderungsantrag hineinschreiben, dass das Abgeordnetenhaus über die Kreditermächtigung beschließt und Regeln der Refinanzierung festlegt, macht es das auch nicht besser. Das ist wirklich der Treppenwitz der Geschichte, in diesem Haus darüber zu reden, das Politiker wieder zu Bankern mutieren und Regeln der Refinanzierung festlegen.

[Steffen Zillich (LINKE): Quatsch! – Paul Fresdorf (FDP): Das hat schon einmal nicht geklappt!]

Das möchte ich gern einmal sehen, und ich kann Ihnen sagen, das wird spannend. Wir hatten so spannende Modelle: Cross-Border-Geschäfte, Sale-and-Lease-back.

Was Leuten einfällt, die das Geld selbst nicht zurückzahlen müssen, wie man an Geld herankommt, da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. – Dieser Fantasie hätte ich gern Grenzen gesetzt.

[Beifall bei der FDP]

Deswegen möchte ich eine Schuldenbremse, und zwar eine, die die Bezeichnung verdient.

[Steffen Zillich (LINKE): Warum haben Sie das gerade herausgestrichen aus dem Gesetz? – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Deswegen hätten wir uns gern stärker an dem Prozess beteiligt. Wir haben immer wieder versucht, ein Signal zu senden, damit wir vielleicht zu einer gemeinsamen Lösung kommen im gesamten Haus, indem wir einmal miteinander darüber diskutieren und nicht nur die Koalition alles allein bespricht. Insofern haben wir noch einmal in Form eines Änderungsantrags versucht, was wir konnten. Wenn Sie aber nicht mögen, dann wollen Sie eben nicht. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Steffen Zillich (LINKE): Das tut mir leid!]

Für eine Zwischenbemerkung – Herr Kollege Schneider!

[Christian Goiny (CDU): Jetzt haben wir ihn überzeugt!]

Meine Damen und Herren! Das war zum Schluss schon ein starkes Stück. Sie sind ja bereits darauf hingewiesen worden, dass Sie von der FDP mit Ihrem Änderungsantrag PPP-Geschäfte, Schulden zulasten der Länder und zugunsten von Unternehmen, die wir hier in die Relevanz bringen, herausdrücken wollen. Da sind Schulden gute Schulden, und alle anderen Schulden des Landes wollen Sie verteufeln.

Warum ich jetzt aber aufgesprungen bin, ist, weil Sie uns irgendetwas von Cross-Border, Leasing und sonst etwas erzählen. Das ist ja wohl ein Treppenwitz.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Georg Kössler (GRÜNE) – Zuruf von der FDP]

Es gibt nur ein Bundesland, das das von Gesetzes wegen ausgeschlossen hat: Das ist Berlin, und Sie haben es nur nicht verstanden – seit über zehn Jahren in § 6 des Haushaltsgesetzes, werte Frau Kollegin.

[Zuruf von Henner Schmidt (FDP)]

Ich habe aber auch etwas von Bilanzierung gehört. Das sind Fake-News. Wenn wir bilanzieren würden wie ein Wirtschaftsunternehmen, hätten wir 50 Milliarden Euro minus. Das müssen Sie also gern einmal ausrechnen, das kann so nicht stehen bleiben. Ich räume aber ein, das kam gar nicht von der FDP.

[Karsten Woldeit (AfD): Das waren unsere Anträge!]

Trotzdem: Dass Sie hier sagen, Staatsverschuldung lasse sich nicht mit Unternehmensverschuldung vergleichen, ist doch auch falsch. Nennen Sie mir ein Unternehmen im DAX oder irgendein börsennotiertes Unternehmen in Europa oder weltweit mit einem Jahresumsatz von 30 Milliarden Euro, das ohne Kreditfinanzierung funktioniert – in Ihrer kapitalistischen Welt! Sie werden kein einziges finden.

[Zurufe von der AfD und der FDP]

Ja, ist ja schön! – Und jetzt will ich Ihnen was Grundsätzliches sagen, warum ich die Schuldenbremse richtig schlimm finde, das ist eine Privatmeinung, das habe ich im Hauptausschuss auch schon gesagt. Greifen wir mit irgendwelchen Zwangsveranschlagungen in die Bezirkshaushalte ein, dann ist aber was los, über alle Farben, das hat das Abgeordnetenhaus zu unterlassen, es gebe ein System der Globalsumme. Da sind sie sich alle einig, aber die Bezirke sind nicht mal Kommunen, sie sind Teile der Verwaltung. Was hat hier der Bund gemacht? – Er hat mit dem Grundgesetz in die Staatsfunktion der Länder eingegriffen und im Grundgesetz die Finanzsäule,

die dritte Säule der Staatsfunktion der Länder obstruktiv beeinflusst. Danach kräht kein Hahn, aber wehe, wir fassen die Bezirke an. Es ist volkswirtschaftlicher Unsinn. Es ist die Selbstbeschränkung politischer Gestaltungsfreiheit. Sie räumen mit ihrer Haltung ein, dass Sie nicht die Kraft haben, verantwortungsvolle Politik zu gestalten. Das ist die totale Kapitulation von Politik. Das müssen Sie sich mal vorstellen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Frau Meister! Sie haben die Möglichkeit zu erwidern.