Protokoll der Sitzung vom 14.11.2019

[Beifall von Stefan Förster (FDP) und – Henner Schmidt (FDP)]

Das sind natürlich Referenzen, die ein neues Unternehmen mit innovativen Modellen und vielleicht auch Erfindungen nicht nachweisen kann. Diesen Unternehmen sollte man den Zutritt gewähren. Das Bundesvergaberecht gibt das auch her, mit der sogenannten Innovationsklausel. Insofern wäre das zum Beispiel ein Weg, um innovativen Unternehmen – und das stünde auch Berlin ganz besonders gut an – eine Chance zu geben.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Zum Schluss ein Zitat, wenn Sie es mir erlauben – Montesquieu wird es zugeschrieben:

Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.

Das trifft für das Vergaberecht in Berlin besonders zu. Lassen Sie es uns abschaffen! Es geht danach schneller und besser. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Jürn Jakob Schultze-Berndt (CDU) und Christian Buchholz (AfD)]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Jahnke das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir Anfang des Jahres hier schon einen Antrag der CDU zur Reform des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes beraten durften, der unübersehbar den Zweck verfolgte, das Gesetz seiner wesentlichen Inhalte zu berauben und es damit im Grunde überflüssig zu machen, legt die FDP nun gleich einen Gesetzentwurf vor, der die Aufhebung des BerlAVG zum Gegenstand hat.

[Henner Schmidt (FDP): Wir sind konsequent!]

Das ist aus der wirtschaftsliberalen FDP-Sicht, die allein dem Markt die Kompetenz zuschreibt, alle sozialen Probleme automatisch mit zu lösen, vielleicht konsequent,

aber natürlich wirtschafts- und sozialpolitisch an Ignoranz nicht zu überbieten.

[Beifall von Frank Zimmermann (SPD), Daniel Buchholz (SPD) und Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Ich möchte kurz in Erinnerung rufen, um welche vier Ziele es beim Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz eigentlich geht. Erstens: Das Land Berlin, die Bezirke und die Unternehmen mit Landesbeteiligungen vergeben Aufträge nicht als Selbstzweck, sondern um Güter und Dienstleistungen zu erlangen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben im öffentlichen Interesse benötigen.

Herr Kollege! Ich darf Sie fragen – –

Nein, danke! Ich brauche keine Fragen.

Grundsätzlich keine?

Nein, keine! – Zweitens: Hierbei generiert die öffentliche Hand ein Beschaffungsvolumen in der Größenordnung von 5 Milliarden Euro jährlich, das einen durchaus bedeutsamen Wirtschaftsfaktor für die Region darstellt. Drittens: Es liegt im Interesse unserer Wirtschaftspolitik, dass insbesondere mittelständische Unternehmen in Berlin, die für die Zahl der Arbeits- und Ausbildungsplätze in unserer Stadt eine entscheidende Rolle spielen, auch von diesem Beschaffungsvolumen profitieren können. Und viertens: Die öffentliche Hand hat bei der Auftragsvergabe allerdings auch eine Vorbildfunktion und kann ihr Gewicht in die Waagschale werfen, um soziale, ökologische und andere Gemeinwohlinteressen im Zuge der Leistungserbringung sicherzustellen.

Gerade die beiden letztgenannten Punkte stehen natürlich in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander. Um die Hürden für ein mittelständisches Unternehmen, sich an öffentlichen Ausschreibungen zu beteiligen, nicht zu hoch werden zu lassen, brauchen wir ein möglichst einfaches Vergaberecht. Zur Gewährleistung sozialer und ökologischer Mindeststandards und eines transparenten Verfahrens bei ihrer Anwendung sind jedoch einige Regularien erforderlich.

Im Ausschreibungs- und Vergabegesetz aus dem Jahr 2010 haben wir diese Gratwanderung, meine ich, ganz gut bewerkstelligt, was natürlich nicht heißt, dass dieses Gesetz ein für alle Mal in Stein gemeißelt ist und keiner Anpassung bedürfte. Bei der Höhe des Mindestlohns hat es zum Beispiel bereits einige Anpassungen an veränderte

(Florian Swyter)

wirtschaftliche und soziale Gegebenheiten gegeben, und eine weitere Erhöhung ist aufgrund einer insgesamt positiven Lohnentwicklung über alle Branchen hinweg in Vorbereitung. Die Anzahl der Vergabestellen muss deutlich reduziert werden, und es wird auch eine Novelle des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes geben, die die weitere Vereinfachung der Auftragsvergabe zum Ziel hat, ohne jedoch Abstriche bei den politischen Zielen des Gesetzes zu machen. Wer beispielsweise gegen Leistungserbringung durch Kinderarbeit etwas tun will, darf nicht großzügiger bei der Auslegung des Begriffs Kinderarbeit werden, sondern muss geeignete Standards zur Zielerreichung festlegen, ohne hierdurch kleine und mittelständische Unternehmen weiter zu belasten.

Dass selbst die FDP ein Erfordernis für landesgesetzliche Regelungen neben dem Bundesvergaberecht sieht, zeigt ihr zweiter Antrag, der hier zur Beratung vorliegt. Die FDP fordert, sozusagen als Nachklapp zu der von ihr gewünschten Aufhebung des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes, den Senat zu einer Überarbeitung der Verwaltungsvorschrift „Beschaffung und Umwelt“ auf. Die darin von der FDP genannten Ziele finden sich zum Teil bereits im geltenden Ausschreibungs- und Vergabegesetz oder können dort rechtlich viel sauberer verankert werden als in einer Verwaltungsvorschrift. Aber da das BerlAVG gar nicht abgeschafft wird, sondern reformiert werden soll, können Änderungsvorschläge auch vonseiten der FDP wunderbar ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Schultze-Berndt das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Vielen Dank, Herr Swyter, für Ihre Darstellung der Probleme, die wir in Berlin haben! Die FDP bringt hier einen Antrag ein, das in Berlin derzeit gültige Vergabegesetz ersatzlos abzuschaffen. Das ist wirklich eine hervorragende Idee – ganz ernst –,

[Beifall bei der FDP – Beifall von Christian Buchholz (AfD)]

denn wir haben sie in der CDU-Fraktion ebenfalls diskutiert. Wir sind dann aber nach reiflicher Diskussion zu einer noch viel besseren, noch ausgezeichneter Idee gekommen und haben stattdessen ein eigenes prägnantes Vergabegesetz eingebracht.

[Beifall von Christian Gräff (CDU)]

Aber es zeigt ganz klar, dass man sich damit beschäftigt, und zwar auf der Oppositionsbank, wie Wirtschaftspolitik funktioniert. Und die Wirtschaftskompetenz liegt eindeu

tig bei der Opposition, bei CDU und FDP. Bürgerliche Politik ist eben gut für die Metropole Berlin.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wie hieß die Wirtschaftssenatorin?]

Und wie bürgerliche Politik funktioniert, sieht man auch dann, wenn man die Diskussion von heute Vormittag verfolgt. Da haben sich bestimmte Leute bei der morgendlichen Drogenverteilung zweimal angestellt, um hier über Wirtschaftspolitik und Ergebnisse und Erfolge zu sprechen, die in der Stadt ja unter Garantie nicht darauf zurückzuführen sind, dass hier was passiert.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Stephan Standfuß (CDU) und Kay Nerstheimer (fraktionslos)]

Die SPD weiß, wovon ich rede. Wir hatten Koalitionsverhandlungen, da ging es um die Verbeamtung von Lehrern. Da hieß es, wir brauchen sie in Berlin nicht zu verbeamten, die Stadt Berlin ist so attraktiv, die Lehrer kommen ganz von alleine nach Berlin. Jetzt haben wir 47 Prozent Quereinsteigerquote. Wir brauchen natürlich den Mietendeckel nicht zu fürchten. Wir können auch die Vergabegesetzgebung noch verkomplizieren. Die Stadt Berlin ist so attraktiv, natürlich kommen die Aufträge ganz von alleine, und die Wirtschaft boomt von alleine. Denkste, Puppe!

[Heiterkeit bei Kurt Wansner (CDU)]

Keine wirtschaftliche Prosperität ist auf die Wirtschaftssenatspolitik zurückzuführen. Die Arbeitslosenzahlen sind vor drei Wochen ein Alarmzeichen gewesen. Die Arbeitslosenquote ist in Berlin gestiegen. Da mögen die sich noch so besoffen reden wegen der Tesla-Ansiedlung. Das hat nichts mit guter Senatspolitik zu tun.

In der Plenarsitzung am 24. Januar 2019 begründete unser wirtschaftspolitischer Sprecher Christian Gräff die Einbringung eines eigenen Vergabegesetzes mit den Worten:

Wir sind der Auffassung, dass gerade dieses Gesetz, die bisherige Verordnung des Landes Berlin, Auftragnehmerinnen und -nehmer, Handwerker und viele kleine und mittlere Unternehmen davon abhält, überhaupt noch an Ausschreibungen des Landes Berlin teilzunehmen. Es ist ein aufgeblähtes und mit völlig vergabefremden Kriterien überlastetes Gesetz.

Ende des Zitats. – Für die CDU ist klar, die öffentliche Auftragsvergabe dient in erster Linie dem Erhalt und der Schaffung öffentlicher Infrastruktur, der Investition in Neues und natürlich der Versorgung der Bevölkerung mit einer performanten Infrastruktur und qualitativ hochwertigen Dienstleistungen. Was die öffentliche Auftragsvergabe nicht sein darf, ist die Umerziehung von Handwerkern und Gewerbetreibenden im Sinne von: Ich oben und du unten, und du bist Bittsteller. Rot-Rot-Grün lamentiert bei der öffentlichen Auftragsvergabe über Ausbildungspflicht für Unternehmen, Langzeitarbeitslo

senquote bei öffentlichen Aufträgen, Flüchtlingsquote, Frauenquote und jede Menge Zusatz- und Berichtsnachweispflichten. Per se unterstellt Rot-Rot-Grün jedem potenziellen Auftragnehmer Bösartigkeit und den intrinsischen Wunsch, die öffentliche Hand zu betrügen und finanziell zu schröpfen. Für die CDU sind die Auftragnehmer der öffentlichen Vergabe Partner auf Augenhöhe mit einer auf Langfristigkeit angelegten vertrauensvollen Zusammenarbeit.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Florian Swyter (FDP)]

Wir freuen uns über jeden, der mit der öffentlichen Hand zusammenarbeiten kann. Wir reichen einem jeden die Hand. Wir brauchen sie dringend. Der öffentliche Auftraggeber hat seinen Verpflichtungen selbstverständlich gewissenhaft nachzukommen, und zu diesen Verpflichtungen des Auftraggebers, also uns, gehört auch so etwas Triviales wie z. B. das pünktliche Bezahlen der Rechnungen.

Die CDU hat vor knapp einem Jahr, am 18. November 2018 ein eigenes Gesetz zur öffentlichen Auftragsvergabe eingebracht. Schon der Titel zeigt, worum es uns als CDU geht, denn das Gesetz heißt: Berliner Mittelstandsförderungs- und Vergabegesetz. So heißt es gleich am Anfang des Gesetzes:

Die öffentlichen Auftraggeber sind verpflichtet, kleine und mittlere Unternehmen bei beschränkten Ausschreibungen und freihändigen Vergaben in angemessenem Umfang zur Angebotsabgabe aufzufordern.

… das Vergabeverfahren, soweit es nach Art und Umfang der anzubietenden Leistung möglich ist, so zu wählen und die Vergabeunterlagen so zu gestalten, dass kleine und mittlere Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen und beim Zuschlag berücksichtigt werden können.

Uns geht es darum, kleinen und mittelständischen Unternehmen eine wirtschaftliche Stabilität durch Verlässlichkeit auf der Auftraggeberseite zu ermöglichen.

Heute gelten für die Handwerker in Berlin unterschiedliche Richtlinien. Je nachdem, ob ein Handwerker sich für Aufträge der Stadt Berlin, des Landes Brandenburg, der Bundesrepublik Deutschland oder Aufträge der EU bewirbt, er muss sich jeweils mit unterschiedlichen Regelungen, mit unterschiedlichen Formularen, mit unterschiedlichen Anforderungen beschäftigen. Dafür ist gegebenenfalls auch noch unterschiedliche Software notwendig. Wir wollen das alles nicht. Wir wollen das gerne alles abschaffen. Wir wollen das vereinheitlichen. Wir wollen, dass es bei all diesem einen gemeinsamen Standard für Formulare und Anforderungen gibt. Natürlich wollen wir eine zentrale Vergabeplattform und Ausschreibungen ausschließlich in digitaler Form. Natürlich

wollen wir Standardleistungsverzeichnisse einführen. Natürlich wollen wir, dass wir endlich einmal zu Vereinfachungen kommen im Land Berlin. Wenn ein Handwerker sich in Steglitz und in Kreuzberg und in Reinickendorf bewirbt, dann wird dreimal dieser Lieferant im Lieferantenverzeichnis angelegt. Wenn er eine neue Kontoverbindung hat, muss er sie bei jedem Bezirksamt einzeln anmelden, und jeder Bezirk muss es einzeln eintragen, weil wir nicht einmal ein einheitliches Lieferantenstammdatenverzeichnis haben. Nicht einmal das schaffen wir. Wir haben vieles zu bewegen. Wir wollen gerne auch ein Unternehmer- und Lieferantenverzeichnis mit dem Korruptionsregister automatisiert abfragen und koordinieren. Die ILO Kernarbeitsnormen und der Umweltschutz sind ausreichend innerhalb der bundesgesetzlichen Regelung vorgesehen.