Protokoll der Sitzung vom 28.11.2019

[Gabriele Gottwald (LINKE): Es bleibt einem nichts erspart!]

Nein, Sie haben völlig recht, Kollegin, Ihnen bleibt nichts erspart. Von uns nicht.

Die Enteignungsfantasien der linksgrünen Koalition sind wirtschaftsfeindlich. Sie gehen klar in Richtung Sozialismus, ein vom Ende her gesehen zutiefst menschenverachtendes, auf Unrecht gegründetes System, das wir gerade in Deutschland und Berlin mit gutem Recht für überwunden glaubten,

[Beifall bei der AfD – Gabriele Gottwald (LINKE): Wissen Sie, wie man Verfassung schreibt, Herr Hansel?]

und das gilt auch 30 Jahre nach seinem wohlverdienten Zusammenbruch, auch wenn viele in diesem Parlament ein kurzes Gedächtnis haben. Dass der Regierende Bürgermeister dazu heute Morgen klare Worte gefunden hat, nehmen wir zur Kenntnis, und wir werden ihn daran erinnern, wenn es sein muss.

Die Baubranche hat sich wiederholt über die Behinderung der Bautätigkeit durch Rot-Rot-Grün beklagt und angekündigt, dass immer mehr Unternehmen ihre Tätigkeit von Berlin ins Umland nach Brandenburg verlagern. Als Enteignungs- und Nichtbaufraktionen haben Sie zuletzt alle Pläne gestoppt, am Westkreuz in Charlottenburg ein neues Wohnquartier zu errichten. Die Koalition aus SPD, Linken und Grünen stimmte für eine Änderung des Berliner Flächennutzungsplans, der jetzt rund um den SBahnhof eine Grünfläche vorschreibt. Es geht in dem Antrag zwar formal um das Phänomen der Enteignung, also die Abschaffung des Privateigentums, ganz so weit sind wir aber noch nicht, auch wenn die Linkspartei das sicher gerne hätte. Der Mietendeckel ist aber ein Schritt in diese Richtung, er schafft einen zentralen Bestandteil des Eigentums ab:

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Jetzt wissen wir ja, wo die AfD steht! Nicht für den kleinen Mann, sondern für die Reichen!]

dass man nämlich selbst als Eigentümer über das entscheiden kann, was man als Preis verlangt, und dass man als Nachfrager selbst entscheiden kann, was man zu zahlen gewillt ist. Beide werden entmündigt.

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Nicht der arme Mann, der reiche!]

Wir wissen doch, Erwartungen hinsichtlich des Eintritts von Ereignissen spielen immer eine entscheidende Rolle für entsprechende Entscheidungen. Das heißt, Psycho

logie, also was für Signale man aussendet, spielt eine Rolle, gerade in der Wirtschaft. Insofern ist das alles wirtschaftsfeindlich, und Sie werden damit auf die Nase fallen.

[Beifall bei der AfD]

Der Mietendeckel stellt eine neue Qualität der Abschreckung von Investoren dar. Wenn diese Büchse der Pandora einmal geöffnet wurde, kann sich kein Immobilien- oder Wohnungseigentümer seines Eigentums mehr sicher sein, und keiner wird noch auf Investitionen für und in Wohnungen setzen, die sich, wie bei der Einsparung von Energie und bei Modernisierungen, wenn überhaupt, erst mittel- und langfristig rechnen. Denn wo nicht mehr gebaut und modernisiert wird, sinkt die Qualität des Wohnens. Das haben wir im Osten gesehen, das sehen wir in Havanna, das sehen wir in der ganzen sozialistischen Welt.

[Christian Gräff (CDU): In Havanna! – Katrin Schmidberger (GRÜNE): In der Schweiz und in New York! Ja, voll sozialistisch!]

Sie fordern in Ihrem Antrag völlig richtig, dass der Senat aufgefordert werden soll – das geht jetzt in Richtung CDU –, klar und deutlich Position gegen aktuelle Forderungen nach der Verstaatlichung eines ganzen Wirtschaftszweigs zu beziehen und als Aufruf zum Verfassungsbruch abzulehnen. – Liebe Kollegen von CDU! Nur, ist das glaubwürdig, wenn Sie das tun? Was haben die Berliner von einer Partei, die doch am liebsten am schnellsten mit den Mietendeckelfans ins Koalitionsbett wollen?

[Christian Gräff (CDU): Das sagt der Richtige!]

Nein, liebe Berliner CDU, Sie müssen sich entscheiden: Wollen Sie einen grundlegenden Politikwechsel hin zu Freiheit, Eigentum und Eigenverantwortung? Das heißt, wollen Sie bürgerliche Politik, die auf den elementaren Grundprinzipien von Eigentum und Recht und Freiheit beruhen?

[Zuruf von der CDU: Bürgerlich, ja!]

Oder wollen Sie das rot-rot-grüne Projekt nur hier und da ein bisschen kritisieren, etwas weniger gespenstisch machen, ansonsten aber auf einen künftigen grünen Koalitionspartner hoffen, ausgerechnet auf diese Grünen in Berlin? – Herr Gräff hat ja heute Morgen schon sein Fett doppelt abbekommen. Wir können Ihnen nur empfehlen: Akzeptieren Sie, dass bürgerliche Politik nur gemeinsam mit der AfD als Partei des politischen Realismus aus der Mitte der Gesellschaft gestaltet werden kann und nicht gegen sie.

[Beifall bei der AfD]

Die Bürger Berlins werden rechtschaffene bürgerliche Politik nur, und wirklich nur dann wählen, wenn sie auch die realistische Chance erkennen, dass der oppositionelle Bürgerblock gegen Rot-Rot-Grün steht. Ich wiederhole: Die Bürger Berlins werden rechtschaffene bürgerliche

Politik nur, und wirklich nur dann wählen, wenn sie auch die realistische Chance erkennen, Herr Dregger, dass der oppositionelle Bürgerblock gegen Rot-Rot-Grün steht. Kenia ist da nicht hilfreich, weder in Brandenburg noch sonst wo. Je schneller Sie sich also diesem politischen Realismus öffnen, desto größer sind die Chancen, dass die verfehlte Politik von links beendet werden kann. Dann muss man solche Anträge auch gar nicht mehr stellen.

[Beifall bei der AfD]

Wir als AfD-Fraktion stehen auf der richtigen Seite.

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Auf der rechten, nicht auf der richtigen!]

Wir verteidigen die Verfassung. Sie müssen sich entscheiden, ob Sie auch in der politischen Praxis, liebe CDU und die Kollegen von der FDP – das ist ja auch manchmal ambivalent –, künftig zu dem stehen wollen, was Sie hier fordern; vor allem, ob Sie das auch politisch wirkmächtig umsetzen wollen, denn das geht nur noch mit uns, und, liebe Freunde, das weiß auch der Wähler.

[Beifall bei der AfD – Katrin Schmidberger (GRÜNE): Und die Wählerin? – Kurt Wansner (CDU): Halten Sie die Rede so auch auf Ihrem Bundesparteitag? Genau so? – Stefan Förster (FDP): Findet der überhaupt statt?]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Dr. Nelken das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute ist ja der Tag der Bekenntnisse, und da wird viel über Verfassung geredet. Bekenntnisse, das sagt mir meine Lebenserfahrung, zeugen stets, wenn sie mit Eifer vorgebracht und Eifer abverlangt werden, von großer Verunsicherung.

[Paul Fresdorf (FDP): Warum reden Sie dann?]

Es ist so ein bisschen das Pfeifen im Wald: Wenn die Zuversicht schwindet, verlangt man immer Bekenntnisse ab, davon habe ich schon sehr viel in meinem Leben erfahren.

[Paul Fresdorf (FDP): Legen Sie Bekenntnis ab!]

Das ist ein guter Grund, gegen Ihren Antrag zu sein.

Zweitens: Soll ich mir Sorgen machen um die Verfassungstreue der CDU, Herr Evers? – Das habe ich Sie schon in der ersten Lesung gefragt, denn Sie haben hier einen Antrag ins Parlament eingebracht, mit dem Sie eindeutig verlangen, dass dieses Parlament beschließt, dass eine Volksinitiative nicht auf dem Boden der

(Frank-Christian Hansel)

Verfassung ist. Das kommt dem Parlament nicht zu, das wäre ein Verfassungsbruch, Herr Evers!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Torsten Schneider (SPD) und Jörg Stroedter (SPD)]

Drittens: Liebe Kollegen von der CDU! Die CDU insistiert schon seit geraumer Zeit, dass dieser Artikel 15 irgendwie ein Betriebsunfall war. Heute haben Sie noch nachgelegt, Herr Evers, Sie haben gesagt: Na ja, das hat man gemacht, um diese merkwürdige SPD sozusagen auf einen Grundkonsens zu bringen. – Ich sage: Nein, dieser Artikel ist ein wichtiger Eckpfeiler des Grundgesetzkonsenses. Wer sich mit der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes befasst – wie Sie es offensichtlich versucht haben –, sollte das eigentlich wissen. Das Verständnis vom Gewordensein des Grundgesetzes hilft auch, das Grundgesetz richtig zu verstehen, Herr Evers. Weil dem so ist, erlaube ich mir einmal, mit Genehmigung des Präsidenten, aus einer Schrift von Herrn Otto Heinrich von der Gablentz, die er 1946 in Berlin im Wedding-Verlag veröffentlicht hat, zu zitieren. Ich habe das Buch auch mitgebracht, falls Sie es nachlesen wollen. Ich zitiere einmal, was der Kollege geschrieben hat. „Gemeineigentum und seine Grenzen“, heißt die Überschrift. „Brauchen wir, um die öffentliche Wirtschaftslenkung zu sichern, eine Sozialisierung der Produktionsmittel?“, fragt Herr von der Gablentz.

Das ist für uns nicht eine Frage des Grundsatzes, sondern des Maßes. Auf der einen Seite sehen wir im Privateigentum ein Naturrecht des Menschen.

Ein Stück weiter:

Auf der anderen Seite lässt sich keineswegs alles Privateigentum an Produktionsmitteln mit jener Freiheitssphäre rechtfertigen. Eigentum an Monopolgütern, das andere ausschließt, Eigentum in solchem Ausmaß, dass es Macht über Menschen verleiht, die politische Bedeutung gewinnt und damit Staat im Staate schafft, widerspricht dem naturrechtlichen Grundsatz.

[Marcel Luthe (FDP): Wissen Sie, was ein Monopolgut ist? – Georg Pazderski (AfD): Hat er noch nicht gelernt!]

Der Kollege Otto Heinrich von der Gablentz war Mitbegründer der Berliner CDU. Er war Professor hier an der Universität. Otto Heinrich von der Gablentz hatte viele Funktionen, und er hat über das Gemeineigentum gesagt, dass es eben in der sozialen Marktwirtschaft das Gegenstück zum Privateigentum ist.

[Marcel Luthe (FDP): Monopolgüter!]

Die Garantie des Privateigentums hat notwendigerweise auch die Sozialisierung als Gegenstück. Das sind zwei Säulen dieser Verfassung, und das haben Sie offensichtlich nicht verstanden.

[Gabriele Gottwald (LINKE): Das ist ja Dialektik, davon verstehen die nichts!]

Otto Heinrich von der Gablentz hat dann Mitte der Sechzigerjahre, so hört man, die CDU verlassen,

[Gabriele Gottwald (LINKE): Das ist verständlich!]

weil die CDU seiner Meinung nach nicht reformfähig war. Das war ein sehr weitsichtiger Mann.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]