Protokoll der Sitzung vom 28.11.2019

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Es geht auch nicht um Zivilrecht!]

Sie hebeln also hier das Rechtsstaatsprinzip, wonach es für den gleichen Sachverhalt keine unterschiedlichen Regelungen geben darf, komplett aus.

[Beifall bei der AfD]

Auch das Bundesinnenministerium ist der Meinung, dass dieses Gesetz gegen das Grundgesetz verstößt – ist Ihnen aber gänzlich egal.

Dieses Gesetz, das nun im Eilverfahren durch die Ausschüsse und das Plenum getrieben werden soll, wirft sehr viele Fragen auf, und ich frage daher den Senat: Ist dieses Gesetz überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar? Die Öffentlichkeit hat ein Anrecht auf unmissverständliche Aussagen. Ich frage den Senat: Wie wurde die Verfassungsmäßigkeit geprüft? Wer hat sie geprüft? Gab es bei der Prüfung Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit, und wo sind die Ergebnisse einsehbar?

[Sebastian Walter (GRÜNE): Fragestunde ist später! Können Sie sich später eindrücken!]

Und ich frage den Senat: Warum legen Sie ein Artikelgesetz vor und kein Einzelgesetz? Hält der Senat selbst eventuell Teile des Gesetzes für verfassungsrechtlich besonders bedenklich? Wollen Sie damit verhindern, dass es in der Normenkontrolle komplett gekippt wird? Oder was sind ansonsten die Gründe für die Ausgestaltung als Artikelgesetz? Das sind nur die dringendsten Fragen. – Herr Regierender Bürgermeister! Sie werden uns sicher gleich die Antworten darauf geben.

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Lesen Sie mal das Handbuch der Rechtsförmlichkeit! Ist das peinlich!]

Ihr Mietendeckel schafft völlige Rechtsunsicherheit, ist schwerwiegend investitionsfeindlich, ist unsozial zum Ersten, da er besonders die fairen, kleinen und genossenschaftlichen Vermieter trifft, ist unsozial zum Zweiten, da er das Angebot für Wohnungssuchende mit kleinen und mittleren Einkommen zerstört. Es ist unsozial zum Dritten, da er Mieter in Altbeständen einem massiven Verdrängungsdruck in zunehmend heruntergewirtschafteten Beständen aussetzen wird.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Richtig!]

Und der Mietendeckel ist unsozial zum Vierten, da er die Bildung von grauen und schwarzen Märkten,

Schmiergeldforderungen und den Schwarzhandel mit Altmietverträgen fördern wird.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Rot-Rot-Grün betreibt eine absolut unsoziale, rechtlich angreifbare Politik, die noch dazu purer sozialer Sprengstoff ist und die die Stadtgesellschaft zunehmend spalten wird. Sie schaffen damit keine einzige neue Wohnung, aber sehr viele neue Probleme. Die Wohnungsknappheit wird sich durch Wegbrechen des Mietwohnungsangebots verschärfen, der Umwandlungsdruck bei attraktiven Lagen steigt, Eigentümer werden verstärkt versuchen, Mieter loszuwerden. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wird steigen, da es immer schwieriger werden wird, überhaupt noch einen Mietvertrag abzuschließen. Und wir werden die Konzentration von Mietwohnungsbeständen bei immer weniger und immer größeren Eigentümern sehen – internationale Großanleger, die ihre Bestände steueroptimieren und den privaten Vermietern, die aufgeben müssen, ihre Bestände abkaufen.

Dieser Mietendeckel, dieser Einstieg in die DDR 2.0, hat nur einen würdigen Platz: Er gehört auf den Müllhaufen der Geschichte!

[Beifall und Bravo! von der AfD]

Dieser Deckel ist der Sargdeckel für Berlin. Und eines, Frau Spranger, muss ich Ihnen auch schon sagen, er ist auch der Sargnagel für die SPD, und das wissen Sie ganz genau. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Bettina Domer (SPD): Schämen Sie sich!]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Schmidberger das Wort.

Wenn man als Partei nur in der Vergangenheit lebt, kann man die Probleme von heute nicht lösen. Aber wenn Sie schon nur auf die Vergangenheit starren, sollten Sie wenigstens daraus lernen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Wir haben Zukunft, Sie nicht mehr!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Der Mietendeckel hat Berlin in Aufregung versetzt. Bei manchen sind die Gemüter ganz schön erhitzt, manche kochen geradezu über – bei den kleinen Genossenschaften, ja, auch bei manchen sozialen und fairen Vermietern ein bisschen zu Recht. Aber zum größten Teil sind doch gerade die aufgeregt, die um ihre überhöhten Renditen fürchten – und das ist auch gut so!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Jörg Stroedter (SPD)]

Sollen sie doch schreien! Die Koalition lässt sich nicht beirren. Wir gehen mutig voran und legen uns mit denen an, die unser Gemeinwohl in Gefahr bringen und das Primat der Politik angreifen. Diesen sogenannten Investoren oder Entwicklern, die den Menschen den Kampf angesagt haben, schieben wir jetzt mit dem Mietendeckel einen Riegel vor; denen geht es nämlich nur um ihren Renditeschutz. Uns, Rot-Rot-Grün, geht es dagegen um den Mieterschutz und vor allem um den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Mit dem Mietendeckel sorgen wir dafür, dass Mieten nicht mehr exorbitant steigen, nur weil jemand auszieht. Wir sorgen dafür, dass Menschen wieder umziehen können, weil zum Beispiel die Familie größer wird oder die Kinder ausziehen. Die kleinere Wohnung ist dann eben nicht mehr doppelt so teuer wie die große mit dem alten Mietvertrag.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Eben nicht! Das klappt doch nicht!]

Wir sorgen mit dem atmenden Deckel von unten aber auch dafür, dass gemeinwohlorientierte Vermieter nicht bestraft werden, weil sie die Mieten in den letzten Jahren nicht oder nur kaum erhöht haben. Und letztlich soll und wird die Härtefallregelung auch durchaus sicherstellen, dass verantwortungsvolle Bestandhalterinnen und Bestandhalter den nötigen Spielraum bekommen; denn der Mietendeckel soll ja die richtigen treffen. Wir sorgen dafür, dass überhöhte Mieten bzw. Wuchermieten endlich abgesenkt werden, denn es gibt kein grundgesetzlich verankertes Recht auf Wuchermieten und unendliche Renditen. Der Mietendeckel ist quasi ein Renditedeckel, und der ist angesichts der hohen Kauf- und Bodenpreise auch dringend notwendig.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Jörg Stroedter (SPD)]

Werte Kolleginnen und Kollegen! Rund ein Viertel der Berliner Haushalte verfügt über ein Nettoeinkommen von unter 1 300 Euro. Jeder zehnte Haushalt kommt nicht über 900 Euro netto. Rund 60 Prozent der Berliner Haushalte liegen mit ihrem Nettoeinkommen unter 2 000 Euro im Monat.

[Zuruf von Sibylle Meister (FDP)]

Erwähnen will ich noch, dass wir über 600 000 Haushalte haben, die von Transferleistungen leben müssen. Diese Menschen sind von der Mietenentwicklung der letzten Jahre am stärksten betroffen, und immer mehr davon müssen über 40 Prozent ihres Nettoeinkommens für das Wohnen aufbringen.

(Frank Scholtysek)

[Henner Schmidt (FDP): Das sind die Auswirkungen der Berliner Wirtschaftspolitik!]

Diese Menschen brauchen unsere Unterstützung, und diesen Menschen soll der Mietendeckel eine fünfjährige Atempause verschaffen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Unruhe]

Frau Kollegin! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Scholtysek zulassen?

Heute mal nicht – danke schön!

Ansonsten würde ich bitten, dass es ein bisschen leiser wird. Es ist schwer zu verstehen.

Früher wurden Häuser gebaut bzw. gekauft, damit Menschen darin wohnen können. Heute verkommen sie mehr und mehr zum Spielball internationaler Fonds und Investoren. Inzwischen zahlen die Käufer in zentralen Lagen das Fünfundvierzigfache der aktuellen Jahresmiete. Es geht nicht mehr darum, mit den Mieten ein Haus auskömmlich zu bewirtschaften, nicht darum, langfristig gute und sozial durchmischte Hausgemeinschaften oder Kieze zu schaffen. Nein, es geht um die höchstmögliche Gewinnmaximierung. Es geht darum, Umsatz- und Grunderwerbsteuern zu umgehen. Der Berliner Wohnungsmarkt darf nicht zum Monopoly-Spielbrett werden, nur weil weltweit die Leitzinsen im Keller sind.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Stiglitz sagt, dass eine spekulative Blase dadurch gekennzeichnet ist, dass Investoren nur noch auf den Wiederverkaufswert achten und sich der Preis zunehmend von fundamentalen Faktoren entfernt. Daher: Die überhöhten Mieten und Kaufpreise sind Spekulationen, schwächen den Wirtschaftsstandort Berlin und nehmen den Menschen die oft ohnehin geringe Kaufkraft weg. Dass das alles legal ist – geschützt bzw. gefördert von der Bundesregierung –, das ist der eigentliche Skandal in unserem Land!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Frau Kollegin! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Evers zulassen?

Nein, vielen Dank! Heute mal keine Zwischenfragen! –

[Zuruf von Markus Klaer (CDU)]

Daher, Herr Gräff, nehmen Sie zur Kenntnis: Ursache und Wirkung nicht verwechseln! Die Bundesregierung pennt seit so vielen Jahren. Das ist unterlassene Hilfeleistung! Wir können nicht mehr warten. Wir deckeln jetzt, Herr Gräff!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Wenn die Wirtschaftsverbände schreien, es gäbe keine Investitionen mehr, dann sollten wir auch zuhören. Ja, aber zuhören heißt doch nicht gleich, aufgeregt mitschreien. Man muss sich schon die Zahlen genau anschauen. Nicht jedes Investment ist per se gut für unsere Stadt. Wenn Unternehmen überteuert eigentlich voll funktionsfähige Wohnungen kaputt schlagen oder jahrelang verfallen lassen, um sie dann umfassend sanieren zu können, dann tun sie das nicht, um zu investieren. Wenn sogenannte Entwickler Häuser kaufen mit dem Ziel, sie in Einzeleigentum aufzuteilen, sie dann vorher noch überteuert modernisieren, oft mit fraglichem Nutzen für das Klima, und dann als Anlageobjekt zum dreifachen Preis weiterverkaufen, dann sind das keine Investitionen. Das ist Wucher.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Das Statistische Landesamt hat ermittelt, dass gerade einmal 20 Prozent der Mieterträge in die Regionalwirtschaft zurückfließen. Der übergroße Teil transferiert in externe Vermögenskonten, landet also auf den Bahamas, Zypern oder sonst irgendeiner Steueroase, aber leider eben nicht in der Region Berlin-Brandenburg. Investoren, die Geld aus Berlin abziehen, Investoren, die den Menschen ihr Zuhause nehmen, Investoren, denen es nur um ihr Bankkonto geht, auf die verzichten wir gern, denn sie schaden Berlin und den Menschen dieser Stadt.