Protokoll der Sitzung vom 12.12.2019

Beginnen wir mit dem Ausbau des Rechtsstaats. Nur ein paar Beispiele: In den kommenden beiden Jahren werden

über 280 neue Stellen in der Justiz geschaffen. Herr Juhnke, das müssen Sie konzedieren. Über 160 Stellen entfallen auf die Gerichte und die Strafverfolgungsbehörden, über 80 Stellen auf den Justizvollzug und die sozialen Dienste der Justiz. Das alles haben Sie hier unterschlagen, und das schätzen Sie nicht wert.

[Holger Krestel (FDP): Unterschlagen?]

Einen besonderen Schwerpunkt setzt die Koalition im Bereich der Bekämpfung der Geldwäsche auf dem Immobiliensektor und bei der Vermögensabschöpfung. Allein 23 neue Dezernentenstellen werden wir hier schaffen, um den Machenschaften der Kriminalität entgegenzutreten. Wir haben jetzt auch eine Taskforce für die Verbesserung der Notaraufsicht eingerichtet, auch das ist wichtig, denn hier passiert in Punkto GeldwäscheVerdachtsmeldungen viel zu wenig. Beim Verwaltungsgericht haben wir – das nehmen Sie bitte auch zur Kenntnis – allein eine weitere Kammer bereits mit diesem Haushaltsplan eingerichtet.

[Holger Krestel (FDP): Ist die Stelle auch besetzt?]

Wir haben darüber hinaus Vorsorge getroffen für weitere Kammern, mit Blick auf den kommenden Mietendeckel.

Lassen Sie mich noch ein kleines, aber sehr wichtiges, Projekt hervorheben: Wir werden ein Programm auflegen, mit dem Richterinnen und Richtern an Schulen die Möglichkeit bekommen, den Schülerinnen und Schülern die Grundrechte unseres Grundgesetzes näherzubringen. Das ist leider gerade jetzt in der Zeit, in der wir leben, in der alte und neue Faschisten, außerhalb wie innerhalb der Parlamente, unseren demokratischen Rechtsstaat zerstören wollen, wichtiger denn je.

[Zurufe von Cornelia Seibeld (CDU), Franz Kerker (AfD) und Jeannette Auricht (AfD)]

Deswegen ist es auch wichtig, dass wir darüber hinaus die Antirassismus- und Demokratie-Projekte wie z. B. das „Berliner Register“ oder die Amadeu-AntonioStiftung stärken, für deren tägliche Arbeit ich mich im Namen der ganzen Koalition herzlich bedanken möchte.

[Georg Pazderski (AfD): Am besten Gulag einrichten, davon haben Sie doch Ahnung! – Tobias Schulze (LINKE): Warum fühlen Sie sich angesprochen? – Holger Krestel (FDP): Und die Stasi-Vergangenheit der Amadeu-Antonio-Stiftung?]

Kommen wir zur Stärkung des Opferschutzes. Das ist auch ein Beispiel: Rot-Rot-Grün stärkt den Opferschutz, allein in diesem Einzelplan mit mehr als 400 000 Euro, darüber hinaus auch im Einzelplan 05. Ich möchte an dieser Stelle vor allem ein Projekt hervorheben, das wir zusammen mit den Innenpolitikern und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband auf den Weg bringen: Wir richten eine Servicestelle „Opferkontakt“ und eine Servicestelle „Täterkontakt“ ein. Das ist erforderlich, weil leider viel zu wenige Betroffene in unseren Hilfesystemen landen.

(Dr. Robbin Juhnke)

[Georg Pazderski (AfD): Sollen Stasi-Kontakte einrichten! Ausgerechnet die Mauer-Mörder-Partei!]

In den Niederlanden ist die Quote deutlich höher, daran wollen wir uns orientieren und in Zukunft – natürlich unter Beachtung des Datenschutzes – Opfern von Straftaten die Möglichkeit geben, direkt bei der Anzeige ihre Kontaktdaten an die Servicestelle weiterzuleiten, damit sie die Hilfe bekommen, die sie dringend brauchen.

Jetzt noch zum Verbraucherschutz: Die Verbraucherzentrale erhält zusätzliche Mittel von 775 000 Euro, vor allen Dingen für den Umzug und größere Räume. Das war im Senatsentwurf noch nicht vorgesehen, vor allen Dingen auch, um die Energieschuldnerberatung personell zu stärken, das ist leider bitternötig.

[Zuruf von Marcel Luthe (FDP)]

Im vergangenen Jahr wurden fast 20 000 Haushalten zeitweise der Strom und das Gas abgedreht, das ist nicht hinnehmbar. Die Energieschuldnerberatung ist extrem erfolgreich, Kollege Efler hat das ausgeführt in der letzten Sitzung, 90 Prozent der Hilfesuchenden konnte geholfen und die Sperre abgewendet werden.

In diesem Sinne: Mit diesem Haushalt stärken wir unseren Rechtsstaat und die zivile Gesellschaft, ich bitte um Zustimmung.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Weil das klasse war! Haben Sie prima gemacht, Herr Schlüsselburg! Auftrag ausgeführt! – Lachen bei der AfD]

Für die Fraktion der AFD hat das Wort der Abgeordnete Vallendar.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Einzelplan 06 Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung übersteigt erstmals in der Geschichte des Landes Berlins die Milliardengrenze bei den Ausgaben im Haushalt. Man könnte jetzt annehmen, das klingt doch wunderbar, endlich erkennt die Regierung die Bedeutung eines funktionsfähigen Justizwesens für das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat und unsere Demokratie. Aber freuen wir uns nicht zu früh. Wenn man bedenkt, dass das Gesamtvolumen des Berliner Haushaltes für 2020/2021 bei 31 Milliarden bzw. 32 Milliarden Euro liegt, kann man festhalten, dass gerade einmal 3 Prozent in den Einzelplan 06 einfließen, und das trotz Rekordeinnahmen durch die fleißigen Steuerzahler dieser Stadt.

[Beifall bei der AfD]

Diesen Anteil muss sich die Justiz auch noch mit der sogenannten Antidiskriminierung, dem Verbraucherschutz und dem Tierschutz teilen. Vor allem Ersteres bekommt nicht nur ein völlig fehlgeplantes – wie wir es nennen: Landesbeamtendiskriminierungsgesetz –, sondern einen gigantischen und völlig unverhältnismäßigen Personalzuwachs in den verschiedensten Bereichen: Diversity-Training für unsere Beamten und Verwaltungsangestellten. Der Nutzen bleibt fraglich, sowie die damit einhergehende bodenlose Unterstellung, unsere Verwaltung arbeite derzeit mit – Zitat – struktureller Diskriminierung. Einen Nachweis für diese diskriminierende Behauptung bleiben Sie aber schuldig.

[Beifall bei der AfD]

Damit nicht genug. Auch diverse Programme Ihrer sogenannten Demokratieförderung erhalten Millionenbeträge, teilweise noch einmal verstärkt durch Ihre Änderungsanträge im Rechts- und Hauptausschuss. Die Vorstellung, dass private Vereine und Verbände, welche mittlerweile zu 100 Prozent von der Regierung und ihren Zuwendungen in den Haushaltsplänen abhängig sind, einen Beitrag zur Förderung der Demokratie in diesem Land leisten könnten, grenzt schon an Realitätsverweigerung.

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Das grenzt an Realitätsverlust!]

Bei diesen Gruppen ist natürlich das Who-is-who der bunten Umerziehungsrepublik versammelt. Sei es ganz vorne vorweg Ihr Flaggschiff die „Amadeu-AntonioStiftung“ mit ihrer Vorsitzenden und Ex-Stasi-IM „Victoria“ Kahane oder diverse Register wie das „Charlottenburger Register“, das durch die sozialistische JugendFalken e.V. erstellt wird. Es fehlt nur noch, dass Sie anfangen, das Zentrum für Politische Schönheit zu fördern, welches derzeit mit der Asche von ermordeten Juden Profit und Publicity generiert.

[Zuruf von der AfD: Pfui!]

Die Bürger dieser Stadt brauchen wahrlich keine Nachhilfe in Demokratie. Und Sie vergessen dabei, dass diejenigen, welche von Verfassung wegen Demokratie und Meinungsbildung in diesem Land fördern sollten, nämlich die Parteien, Sie selbst sind. Diese Aufgabe ist nicht einfach mit Regierungsgeldern outzusourcen.

Eines sei noch vorweggeschickt: Das größte Demokratieförderungsprogramm seit Bestehen der Bundesrepublik ist nämlich meine Partei, die Alternative für Deutschland.

[Beifall bei der AfD – Lachen von Torsten Schneider (SPD)]

Die steigende Wahlbeteiligung und die Beschäftigung mit der Politik in unserem Land wurde von uns eingeleitet – ganz ohne die Hilfe ihrer Demokratieförderprogramme.

[Tobias Schulze (LINKE): Das ist satirereif! Wir sind nicht bei der „heute-show“!]

(Sebastian Schlüsselburg)

Wenn Sie das Vertrauen in die staatlichen Institutionen wirklich stärken wollten, sollten Sie vor allen Dingen eines fördern: das Vertrauen der Berliner Bürger in unseren Rechtsstaat –, womit ich wieder den Bogen zu dem Justizhaushalt schlage. Da hilft es dann wenig, dass nach jahrzehntelanger Nichteinstellung, Vernachlässigung der Richter- und Staatsanwaltsstellen und Justizvollzugsbeamtinnen, hier Verstärkungen vorgenommen werden. Denn mit diesen Stellen müssen auch weitere Punkte wachsen, bei den Gerichten vor allen Dingen die Stellen der Auszubildenden und Rechtspfleger und die Zeit für die Ausbildung eben dieser. Ein Satz ist mir in diesem Zusammenhang besonders im Ohr geblieben: Wir brauchen nicht nur neue Häuptlinge, sondern auch Indianer.

Neue Gerichtsgebäude, Arbeitsplätze usw.: Ja, es gibt Pläne wie die Sanierung des Kathreiner-Hauses für das Verwaltungsgericht – Planungsbeginn und Gesamtkosten des Projekts stehen aber noch aus, obwohl wir schon seit Beginn der Legislaturperiode darüber gesprochen haben.

[Sebastian Walter (GRÜNE): Sie haben nicht darüber gesprochen – wir haben darüber gesprochen!]

Ein neues Gefängnis oder zumindest der fertig in der Schublade liegende Plan des Neubaus der Teilanstalt I in der JVA Tegel, das wären große Projekte für eine zukunftsfähige Stadtjustiz. Statt für geschätzte 21 Millionen Euro sofort mit dem Bau zu beginnen, werden nun nur Bauvorbereitungsmittel für die Grundsanierung der Teilanstalten II und III eingestellt – Baubeginn erst 2022 oder 2023, für dann gesamt schlappe 90 Millionen Euro. Und dann ein völlig unverhältnismäßig überteuertes Projekt für den offenen Vollzug für drei sicherungsverwahrte Sexualstraftäter, die die Anwohner in Angst und Schrecken versetzen.

Nein, dieser Haushaltsplan ist kein großer Wurf für eine zukunftsfähige Justiz. Die Schwerpunkte sind falsch gesetzt, und die Verbesserungen sind allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein – Verfahrenseinstellungen: auf dem Höchststand; Krankenstand bei dem JVA-Beamten: auf dem Höchststand; Gefängnisse und Gerichtsgebäude: auf dem höchsten Sanierungsstand –, zu groß, um mit ein paar Almosen gelöst zu werden. Tablets gibt es zwar für Gefangene, aber natürlich nicht für die Justizangestellten.

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Stimmt doch gar nicht! Vollzugsbeamte bekommen auch Tablets!]

Eine Klimanotlage können Sie ausrufen, Sie sind aber nicht einmal mutig genug, um den Begriff Klimanotstand zu verwenden, weil er, nicht ganz von ungefähr, an die Nationalsozialisten erinnern könnte. Dabei haben wir ganz andere Notlagen oder Notstände in dieser Stadt, und ein Bereich davon ist das Justizwesen. Dieser Justizhaushalt setzt die falschen Schwerpunkte und kann daher von uns nicht unterstützt werden. Deswegen werden wir ihn ablehnen. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der AfD – Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Zurück ins Glied!]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort Frau Dr. Vandrey.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal freue ich mich sehr, heute das erste Mal in meinem noch recht frischen Amt als rechtspolitische Sprecherin der Grünen hier sprechen zu können.

[Allgemeiner Beifall]

Mir als Rechtspolitikerin, aber auch als Rechtsanwältin liegt eine moderne, funktionierende Justiz sehr am Herzen. Die Justiz ist das Rückgrat des Rechtsstaates. Die Gerichte müssen so ausgestattet sein, dass sie vernünftig arbeiten können.

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE), Holger Krestel (FDP) und Paul Fresdorf (FDP)]

Die wichtigsten Bausteine hierfür: Personal und Räume. Mit diesem Doppelhaushalt legen wir das größte Paket für die Justiz vor, das wir in Berlin jemals hatten. Viel Geld wird – und das ist positiv – in das Personal bei den Gerichten fließen, aber auch in den Strafvollzug. Bei den Gerichten werden wir nicht nur weitere Richterstellen schaffen, sondern auch weitere Gelder für die Staatsanwaltschaft und die Servicebereiche der Justiz bereitstellen, denn zu einer funktionierenden Justiz gehören selbstverständlich auch Protokollführerrinnen und das Personal in den Geschäftsstellen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Diese Stellen bestehen keineswegs nur auf dem Papier, liebe Herren von der Opposition. Ich hatte gerade letzte Woche die Gelegenheit, erstmalig am Richterwahlausschuss teilzunehmen, und kann nur sagen, es ist wirklich sehr beeindruckend, wie viele junge, sehr qualifizierte Juristinnen und Juristen sich um ein Richteramt in Berlin bewerben und auch eingestellt werden, weil wir neue Richterstellen haben.

Einen weiteren Schwerpunkt im Justizhaushalt legen wir auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität; vor allem die sehr effektive Vermögensabschöpfung wird weiter gestärkt. Wir stellen Mittel für den Ausbau einer sicheren und effektiven IT an den Gerichten bereit – gerade nach dem aktuellen Angriff auf die IT des Kammergerichts dringend notwendig. Außerdem wollen wir als Koalition die Justiz vielfältiger machen. Wir haben Mittel zur Evaluierung des Pilotprojektes am Amtsgericht Neukölln zur Erhöhung des Anteils von Migrantinnen