Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon bezeichnend, dass man ein Problem, das man selbst vor Jahren verursacht hat, indem man nicht ausreichend reagiert hat, nun durch eine Gesetzesverschärfung heilen will. Genau das ist hier der Punkt.
Ich darf darauf verweisen, dass mein Kollege Luthe vor ziemlich genau zwei Jahren, fast auf den Tag genau vor zwei Jahren, zu diesem Thema – Wohnungsaufsichtsgesetz und die Zuständigkeit der Bezirke sowie die personelle Ausstattung der Bezirke – eine umfangreiche Anfrage gestellt hat – mit dem erschütternden Ergebnis, dass einige Bezirke praktisch gar nicht mehr handlungsfähig waren: In Friedrichhain-Kreuzberg waren zwei Personen, in Steglitz Zehlendorf war eine Person dafür zuständig. Dass man dann mit dem bestehenden Personal den gesetzlichen Rahmen nicht kontrollieren kann, das leuchtet mir vollkommen ein. Aber auch dann muss ich doch erst einmal sagen, dass wir kein Rechtsdefizit, sondern ein Vollzugsdefizit haben. Das sagt die Koalition auch bei vielen Dingen.
Das kommt an der Stelle gar nicht zum Tragen. Dann will ich auch einmal ganz klar sagen, dass es in bezirklicher Eigenverantwortung liegt, im Rahmen des Bezirkshaushaltes, Schwerpunkte bei der Stellenbesetzung zu schaffen. Dann muss ich eben entsprechend abwägen, ob ich 50 Stellen ins Jugendamt gebe oder zehn Stellen in die Stadtplanung, 20 Stellen in die Wohnungsaufsicht oder wohin auch immer. Das sind Schwerpunksetzungen, die die Bezirke selbst durchführen können, je nachdem, wie groß ihre Problemlagen vor Ort sind. Nun mag das Problem mit Schrottimmobilien in Steglitz-Zehlendorf mutmaßlich geringer sein als vielleicht im Norden von Neukölln. Ich kenne jedenfalls in Grunewald oder in Dahlem wenig verfallene Häuser, um das einmal ganz klar zu sagen. Im Norden von Neukölln würden mir einige anfallen, ja. Aber dann ist es auch die Zuständigkeit der jeweiligen Bezirksämter, hier aktiv zu werden, ausreichend Personal bereitzustellen und effektiv zu kontrollieren.
Gerade deshalb – man könnte die Anfrage auch noch einmal wiederholen, das wird Kollege Luthe sicher machen, wie ich ihn kenne – wird auch die neue Anfrage ergeben, dass die personelle Ausstattung auch jetzt in den
Bezirken sehr unterschiedlich und in den meisten Bezirken immer noch unbefriedigend sein wird. Das heißt doch eben auch erst einmal, dass die Bezirke hier ihre Hausaufgaben machen müssen, die zuständigen Bezirksstadträte, die Bezirksbürgermeister, die auch die Tagesordnung der Kollegiumssitzung entsprechend gestalten. Dann soll doch erst einmal probiert werden, mit mehr Personal dem Problem Herr zu werden. Wir kennen Einzelfälle, wo dies so ist, dass Häuser nicht entsprechend instand gehalten werden und auch zu unattraktiven physischen Bedingungen vermietet werden. Es ist vollkommen klar. Aber das sind, gemessen an dem Gesamtimmobilienbestand in der Stadt, immer noch Einzelfälle, die nicht rechtfertigen, das Kind mit dem Bade auszuschütten, erst einmal das Gesetz zu verschärfen, was am Ende wiederum keiner kontrolliert. Aber man stellt sich hin: Wir sind die Macher. Wir haben das Gesetz verschärft, Problem gelöst. – Nein, das Problem wird durch Kontrolle gelöst, und die Kontrolle müssen die Bezirke durchführen. Das wäre der richtige Weg. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Empfohlen wird die Überweisung der Gesetzesvorlage an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen sowie an den Hauptausschuss. – Widerspruch hierzu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Ich eröffne die erste Lesung der Gesetzesvorlage. In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion und hier der Abgeordnete Gläser. – Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe WDR-Redakteure! Liebe Senioren! Liebe Zwangsbeitragszahler! Es gab neulich eine Reichweitenmessung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Am 12. November wurde genau geschaut, wie viele Leute genau ARD und ZDF einschalten. Sie hatten an diesem Tag in der Spitze einen Marktanteil von gerade einmal 23 Prozent. Anders gesagt: Gerade einmal in der Spitze haben 5 Millionen Personen diese Sender eingeschaltet. Das waren 5 Millionen von 38 Millionen registrierten Haushalten beim Rundfunkbeitragsservice. Das zeigt, dass wir eine große Differenz haben und nicht besonders viele Leute diese
Es gibt weitere Studien, die besagen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass jemand das öffentlich-rechtliche Fernsehen einschaltet, dann größer ist, wenn er sich selbst als links und nicht als rechts einordnet oder wenn er alt ist. Mit anderen Worten, diejenigen, die sich als rechts einordnen und jung sind, schauen das gar nicht mehr. Da liegt einiges im Argen. Darüber müssen wir reden.
Tom Buhrow ist wahrscheinlich der einzige, der die Sprengkraft des „Unsere Oma ist eine UmweltsauVideos“ des WDR durchschaut und deswegen die einzig richtige Reaktion darauf gezeigt hat. Er hat sich nämlich deutlich dafür entschuldigt und hat sich nicht einfach mit einer 08/15-Pressemittteilung entschuldigt, sondern bei der Livesendung vom WDR angerufen und gesagt,
er säße neben seinem 92-jährigen Vater, den er über Weihnachten ins Krankenhaus habe bringen müssen. Der habe sich immer ordentlich benommen und er sei bestimmt keine Umweltsau. Deswegen sei das Video ein Fehler. Deswegen sei das zurückgezogen worden. – Es war richtig, dass er das so gemacht hat.
Aber jetzt brennt beim WDR die Hütte. 40 Mitarbeiter haben schon seine Demission als Senderchef gefordert, weil er vor dem rechtsextremen Twitter-Mob kuscht oder irgendeinen anderen Blödsinn. Das ist hochgradig absurd. Er hat genau das Richtige macht. Er hat erkannt, dass es eine große Sprengkraft hat. Wenn ich einen öffentlichrechtlichen Sender betreibe, der nur noch von alten Leuten eingeschaltet wird und ich fange an, die Hauptzielgruppe so pauschal zu diffamieren, dann kann das nicht richtig sein. Dann kann das nicht funktionieren. Darüber müssen wir sprechen.
[Paul Fresdorf (FDP): Machen wir es jetzt! – Anne Helm (LINKE): Sie hätten jetzt Gelegenheit, zur Sache zu sprechen]
Der Vorgang beim WDR zeigt, dass wir mit kosmetischen Veränderungen nicht weiterkommen, dass wir es mit unglaublich bornierten, unbelehrbaren, linken Hardcore-Ideologen in den Redaktionsstuben des WDR und auch bei anderen Sendern zu tun haben
Jetzt, angesichts der kosmetischen Veränderungen, bin ich beim Rundfunkänderungsstaatsvertrag, Frau Helm. Wir reden jetzt hier über kleinere Veränderungen, die vorgenommen werden, die auf den ersten Blick positiv sein könnten. Es wird jetzt nämlich der Rundfunkbeitrag für die Zweitwohnung abgeschafft. Das ist völlig richtig. Das Peinliche daran ist, dass erst das Bundesverfassungsgericht kommen und es der Politik vorschreiben musste. Jahrelang wurde es so praktiziert. Es ist unglaublich skandalös und spricht für all die Geldgier der Rundfunkchefs und der Ministerpräsidenten, die jahrelang zugelassen haben, dass Leute für zwei Wohnungen gleichzeitig bezahlen mussten. Man kann nur einmal den öffentlichrechtlichen Rundfunk schauen. Wieso muss man zweimal zahlen, wenn man zwei Wohnungen hat? Es ist nur logisch, dass dies abgeschafft werden musste. Das war richtig.
Leider ist das nicht alles. Zunächst ist es so, dass wir von der AfD sagen, dass uns das noch nicht reicht. Warum muss überhaupt jemand bezahlen, wenn er nicht möchte? Warum kann man es nicht so regeln wie früher? Bis zum Jahr 2013 musste niemand zahlen, der nicht geschaut hat. Da kam der GEZ-Kontrolletti zu Ihnen nach Hause und hat geschaut, ob da ein Fernseher steht. Stand dort kein Fernseher, musste auch keiner bezahlen. Im 21. Jahrhundert ließe sich das ganz einfach realisieren. Das Programm wird verschlüsselt ausgestrahlt.
Jeder bekommt einen kleinen Chip, der wird in den Fernseher hineingeschoben. Und nur derjenige, der die 17,50 Euro oder demnächst 18,36 Euro bezahlt, kann das auch schauen. Die anderen werden abgeschaltet. Das wäre einfach. Das wäre fair. Es ist eine der wichtigsten Forderungen der AfD-Medienpolitik.
Der zweite Aspekt in diesem uns vorliegenden Rundfunkstaatsvertrag ist der Datenabgleich. Dazu muss ich sagen, dass es mich schon wieder so wütend macht, diese Wasser-predigen-und-Wein-trinken-Mentalität, die Sie hier auch diesmal wieder pflegen. Jeder kleine Handwerksmeister, jede kleine Friseuse muss sich an Datenschutzregeln, die DSGVO und all diese Dinge halten, muss das alles akribisch einhalten, aber die Rundfunkbonzen bekommen einfach mal vom Staat oder bekommen jetzt von den Landeseinwohnerämter nicht mehr sporadisch, sondern in regelmäßigen Abständen die Daten sämtlicher Einwohnerämter rübergeschoben. Das ist unglaublich skandalös. Das darf so nicht sein. Unsere Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk hat sich gestern
in einem Brief dazu geäußert. Ein vernichtenderes Urteil könnte man gar nicht fällen. Lassen Sie mich bitte daraus kurz zitieren – mit Ihrer geschätzten Erlaubnis, Frau Präsidentin, Frau Smoltczyk schreibt: Dieses Vorhaben, die Datenübertragung,
stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung dar und steht im Konflikt mit den Grundsätzen der Datenminimierung und der Erforderlichkeit der DatenschutzGrundverordnung.
Vernichtender könnte das Urteil nicht sein. Schon deswegen können wir diesem Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht zustimmen.
Lassen Sie mich bitte noch einige grundsätzliche Bemerkungen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk machen. Wir haben die politische Schlagseite. Wir haben die mangelnde Relevanz. Darüber hatte ich eben schon etwas gesagt. Es gibt noch andere Dinge zum Beispiel die mangelnde Staatsferne. Unabhängig von der Einordnung in rechts, links oder Mitte ist es einfach so, dass die öffentlich-rechtlichen Sender zu nahe mit dem Staat, staatsnahen Organisationen und den Parteien verwoben sind. Das war schon immer so. Im aktuellen „Cicero“ ist ein interessanter Artikel, in dem steht, wie schon bei der Gründung der Bundesrepublik und der neuen öffentlichrechtlichen Sender in den Vierzigerjahren die staatstragenden Parteien, damals namentlich CDU und SPD, ihren Einfluss genutzt haben, um die Macht in den Rundfunkräten zu kapern. – Daran hat sich in all den Jahren nichts geändert. Auch das ZDF-Urteil von 2014 hat daran nichts geändert. Da bin ich wieder bei den kosmetischen Veränderungen.
Wenn wir uns beispielsweise den RBB-Rundfunkrat von heute anschauen, der 30 Mitglieder hat, können wir diese Liste durchgehen und ungefähr 20 davon als Parteisoldaten identifizieren. Möglicherweise sind das nicht alles zahlende Mitglieder, aber sie sind klar zuzuordnen. Sie werden über irgendwelche Tarnorganisationen wie den Rat der Bürgermeister oder den Landesportbund geschickt. Das sind real existierende Organisationen. Aber natürlich werden da Parteisoldaten mit einem Parteiauftrag hingeschickt, sodass die Mehrzahl der Leute in den Kontrollgremien zu Parteien gehört. Wie soll ein regierungskritischer Redakteur beim WDR oder beim RBB oder beim NDR oder sonstwo ein regierungskritisches Programm machen, wenn die Leute, die ihn kontrollieren, alle von ihm erwarten, dass er auf Parteilinie sendet?