Protokoll der Sitzung vom 14.05.2020

Ziel ist es, in der Summe Aufkommensneutralität zu sichern. Das ist eine Art der Quadratur des steuerpolitischen Kreises, bei dem einerseits die Steuereinnahmen konstant bleiben sollen, um die kommunale Infrastruktur auszufinanzieren, damit etwa auch Grundstücke vernünftig genutzt oder vermietet werden können, und andererseits darf keine sozialunverträgliche Mehrbelastung oder gar Verdrängung entstehen. Somit wird auch das Reformmodell nach der bewährten dreistufigen Formel Wert mal Messzahl mal Hebesatz berechnet. Die Messzahl und die Anpassung des Hebesatzes sind variabel anzusetzende Stellschrauben der Städte und Kommunen. Sie bedingen systemische Verschiebungen, die von höchstrichterlicher Instanz angemahnt wurden und jetzt neu zu regeln sind, damit es gerechter zugeht.

Ich rate hier nicht zur Panikmache und erwarte auch keine bösen Überraschungen, zumal die Möglichkeit besteht, etwa die Messzahlen für Wohngrundstücke und Nicht-Wohngrundstücke durch ein Gesetz zu differenzieren. Das wäre dann die Aufgabe des Parlaments.

Im Hinblick auf die Summe der Messbeträge kann die Anpassung des Hebesatzes – aktuell beträgt er 810 Prozent – auf das für 2025 geplante Steueraufkommen erfolgen, sodass am Ende alle Ziele gut miteinander

harmonieren könnten. Auch darauf werden wir als Parlament ein Auge haben.

Belastungsverschiebungen sind zwingend notwendig, damit die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes erfüllt werden können. Das heißt, die Lage, Baujahre und Flächen müssen in Relation zu den neuen Werten nachvollziehbar sein und der Realität entsprechen. Das neue Grundsteuerrecht gewährleistet diese Vorgaben und sieht eine unbürokratische, bürgernahe Lösung vor, bei der vergleichsweise wenig Daten zu erklären sein werden.

Künftig entsteht stadtweit keine allgemein höhere Belastung bestimmter Grundstücke. Verschiebungen nach oben oder unten könnten sich durch bisher fehlerhaft festgestellte zu niedrige Einheitswerte ergeben. Um nur ein Beispiel zu nennen: Sie soll maximal im mittleren zweistelligen Bereich liegen. – Daran wird gearbeitet, und auch das begleiten wir als Parlament. – Jetzt ist meine Redezeit zu Ende. Dann werde ich hier etwas kürzen. Das ist nicht weiter erstaunlich.

Unabhängig von allen inhaltlichen Argumenten ist die verfassungskonforme Erhebung der Grundsteuer ab 2025 nur mit dem Bundesmodell gesichert. Wir stimmen Ihrem Antrag, dem Antrag der CDU, nicht zu, werden ihn wohl aber noch mal im Hauptausschuss beraten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Dann hat der Kollege Gräff für eine Zwischenbemerkung das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Becker! Ich möchte auf einen Punkt eingehen, der mich besonders bewegt, weil Sie das als Sozialdemokraten oft zu dahinsagen: diejenigen Grundstücke, die möglicherweise falsch bewertet worden sind. – „Falsch bewertet worden“ gibt es in dem Zusammenhang nicht, sondern das Bundesverfassungsgericht hat insgesamt nur gesagt, dass sich die Bewertung insgesamt angeschaut werden müsste. Ich weiß nicht – ich sage das erst mal ganz neutral –, ob Sie möglicherweise die Präsentation, die der Finanzsenator dazu gemacht hat, und die Ausführungen kennen. Wie ein Grundstück und ein Haus, beispielsweise im ehemaligen Ostteil der Stadt entstanden ist, müssten Ihnen auch Kolleginnen und Kollegen aus Ihrer eigenen Fraktion sagen können. Es ist nicht so, dass jemand gekommen ist, eine Hausbaufirma bestellt hat und ein Haus hingestellt hat, sondern es ist oft aus Einzelteilen zusammengetauft worden, wie Grundstücke und Häuser dort entstanden sind, und möglicherweise hat dieses Haus auf der Berliner Scholle einen

(Franziska Becker)

anderen Wert, als es 1960 oder 1970 der Fall gewesen ist. Selbstverständlich!

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Ja!]

Ja, das ist richtig, aber mit Verlaub: Es hat eine ganz andere Historie und ist anders zustande gekommen. Insofern ist dies eine einfache, pauschale Behauptung. Wir reden nicht von den großen Fonds – ich bin dankbar für Ihre Differenzierung –, wir reden nicht von großen Gewerbegrundstücken. Da bin ich auf Differenzierung bei Ihnen gespannt. Wer ein Stück Berliner Scholle hat: Ja, das ist heute möglicherweise mehr wert, als es 1960 oder 1970 der Fall war, aber es gibt auch eine völlig andere Historie. Die versuchen Sie wegzudiskutieren, geradezu zu verniedlichen. In den Überlegungen der Finanzverwaltung ist es gerade nicht so, dass die Kleinstbesitzer berücksichtigt sind, sondern das sind die, die zur Kasse gebeten werden sollen, und das machen wir nicht mit. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Dann hat die Kollegin Becker Gelegenheit zur Erwiderung.

Lieber Herr Gräff! Ich muss zurückweisen, was Sie gesagt haben. Ihr Antrag verfehlt das Ziel, rechtssicher zu sein. Die heutige Steuerbelastung für jedes Grundstück, insbesondere für Eigenheimer und Wohnungseigentümer – Sie adressieren sogar noch eine spezielle Zielgruppe – soll auf der Basis der Einheitswerte von 1935 bzw. 1964 bleiben. Dieser Zustand ist verfassungswidrig und darf ab 2025 nicht fortgeführt werden.

Im Ost- wie im Westteil Berlins hat sich der Immobilienmarkt in Abhängigkeit von Lage und Grundstücksart seit 1935 bzw. 1964 unterschiedlich entwickelt. Die Gleichbehandlung aller nach den jeweiligen Hauptfeststellungsstichtagen errichteten Gebäude darf zu keiner erheblichen Ungerechtigkeit führen. Künftig, das müssen Sie anerkennen, muss die Bemessungsgrundlage die massiven Veränderungen im Gebäudebestandteil seit diesen beiden Feststellungzeitpunkten und ebenso die auf dem Immobilienmarkt berücksichtigen.

Sie sehen doch selbst: Gerade in Berlin wird uns diese Situation täglich krass vor Augen geführt, indem es Straßenseiten gibt, auf denen eine andere Bemessungsgrundlage gilt als auf der gegenüberliegenden.

[Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat die Abgeordnete Frau Dr. Brinker das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist richtig, dass die beschlossene Neuregelung der Grundsteuer weder zu Steuererhöhungen führen darf noch dazu, dass bestimmte Gruppen von Immobiliennutzern unverhältnismäßig belastet werden. Das würde dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen.

Zum Thema Grundsteuer sind aber noch weitere Aspekte zu berücksichtigen, die in dem vorliegenden Antrag aus unserer Sicht fehlen. Der Bund der Steuerzahler hat vor wenigen Tagen einen Wohnnebenkostenvergleich veröffentlicht, also einen Vergleich der sogenannten zweiten Miete. Deutschlandweiter Spitzenreiter ist Westberlin. Das heißt, Mieter im Westteil der Stadt zahlen die höchsten Nebenkosten in ganz Deutschland. Sie sind im Vergleich zur günstigsten Stadt Mainz um sage und schreibe mehr als 60 Prozent höher.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Hört, hört!]

Einer der größten Kostentreiber dieser zweiten Miete ist hier in Berlin die Grundsteuer. Wir haben in der zurückliegenden Bundestagsdebatte zur Reform der Grundsteuer immer deutlich gemacht, dass wir eine vollständige Abschaffung der Grundsteuer präferieren, und haben dies auch gefordert.

[Beifall bei der AfD]

Wir haben in der damaligen Debatte ebenso einen Gegenfinanzierungsvorschlag unterbreitet. Wenn wir uns nun aber über die aktuelle Umsetzung des beschlossenen Bundesgesetzes auf Landesebene unterhalten, sollte klar sein, dass sich der Finanzsenator an seinen Worten wird messen lassen müssen. In den zurückliegenden Debatten zur Grundsteuer wurde von ihm immer deutlich gesagt, dass er an einem aufkommensneutralen Modell arbeite, das heißt, keine in Summe höheren Steuereinnahmen aus der Grundsteuer für Berlin als bisher. Wir gehen davon aus, dass auch die Koalition hier im Haus diesen Gedanken mitträgt und nicht auf die fatale Idee kommt, die aktuellen coronabedingten Steuerausfälle mit abenteuerlichen Grundsteuerrechenmodellen kompensieren zu wollen.

Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU! Wenn Sie im vorliegenden Antrag ausführen, dass eine gesetzliche Regelung her muss, die einseitige Belastungsverschiebungen verhindern soll, dann frage ich mich: Wo ist denn der konkrete Vorschlag der CDU zu genau diesem Gesetz? Warum finden wir hier keine durchdachte und nachvollziehbare Ausführung? Alles in allem, mit Verlaub, ein Schaufensterantrag der CDU.

[Beifall bei der AfD]

(Christian Gräff)

Natürlich ist die Intention des Antrags richtig, Eigentümer von selbstgenutztem Wohneigentum zu schützen bzw. gegenüber Mietern auch nicht zu benachteiligen. Selbstgenutztes Wohneigentum ist nicht nur eine direkte Art der Altersvorsorge, sondern dient auch dem individuellen persönlichen Vermögensaufbau. Die extrem geringe Eigentumsquote in Berlin ist beredtes Beispiel dafür, dass es hier auf keinen Fall zu exorbitanten Steigerungen und Ungleichbehandlungen kommen darf.

[Beifall bei der AfD]

Allerdings gibt es in Berlin die Besonderheit des teilungsbedingten Ost-West-Gefälles bei der Berechnung der Grundsteuer. Das führt dazu, dass im Ostteil der Stadt bisher eine deutlich geringere Grundsteuer zu zahlen ist als im Westteil. Wenn also Mehrbelastungen für Steuerzahler vermieden werden sollen, dann wäre das nur über ein Grundsteuerbemessungssystem möglich, welches das Westniveau auf das Ostniveau senken würde. Dazu ließe sich die wertunabhängige Einfachgrundsteuer, die nur die Gebäude- und Grundstücksfläche einbezieht, verwenden. Das wiederum hätte erhebliche Steuermindereinnahmen zur Folge, die insbesondere auch vor dem Hintergrund der Coronakrise gegenfinanziert werden müssten. Wir sehen, alles in allem ein Antrag, der gut gemeint, aber viel zu wenig durchdacht ist. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat der Kollege Zillich das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Grundsteuer macht in Berlin etwas über 800 Millionen Euro pro Jahr an Einnahmen für die Stadt aus. Ich denke, das ist eine Summe, von der die meisten hier im Haus der Auffassung sein sollten, dass wir auf die nicht so einfach verzichten können. Wir halten es im Übrigen auch für gerechtfertigt, dass man gerade in einer Stadt den Flächenverbrauch besteuert und damit an diesen Ressourcenverbrauch einen Beitrag zur öffentlichen Finanzierung knüpft. Wir brauchen diese Einnahmen, und wir sind in der Situation, das ist hier angeführt worden, dass die Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt wurde, weil unterschiedliche Wertermittlungskriterien in Ost und West zu einer Ungleichbehandlung geführt haben.

Nun muss sich die CDU entscheiden. Ich habe Sie bisher so verstanden, dass Sie auch der Auffassung sind, wir brauchen diese Steuer. Ich habe Sie bisher so verstanden, dass Sie auch der Auffassung sind, dass das Ziel der Aufkommensneutralität auch eines ist, das Sie teilen. Wenn aber gleichzeitig gilt, dass wir unterschiedliche Wertermittlungskriterien überwinden müssen, dann kann man nicht sagen: Niemand soll mehr bezahlen, denn das

führt entweder zu Mindereinnahmen, und das Ziel der Aufkommensneutralität ist dadurch infrage gestellt. Natürlich, wenn niemand mehr bezahlen soll, kann auch niemand weniger bezahlen, wenn die Aufkommensneutralität insgesamt zielführend sein soll. Das bedeutet aber, dass alle das Gleiche bezahlen, und das bedeutet am Ende, dass wir den Zustand haben, der gerade für verfassungswidrig erklärt worden ist.

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Richtig!]

Genau den müssen wir überwinden, um weiter die Einnahmen aus der Grundsteuer gewinnen zu können. Wir wollen sie weiter gewinnen.

[Marc Vallendar (AfD): Das kann ich mir vorstellen!]

Insofern muss man sich an dieser Stelle entscheiden. Sie vermeiden eine solche Entscheidung, und das ist inkonsequent.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Nun ist es so, das jetzt nur als allgemeine Anmerkung, dass Sie sich offensichtlich dieses Widerspruchs bewusst sind, denn Sie fügen an die Aussage „niemand soll mehr bezahlen“ ein „insbesondere“ an, was normalerweise nicht nötig wäre, wenn niemand mehr bezahlen soll. Aber Sie sagen ja, niemand soll mehr bezahlen, insbesondere Haus- und Wohnungseigentümer. Die politische Schwerpunktsetzung ist nicht direkt unsere, zumal in dieser Differenzierung, also differenzierungslos.

[Heiterkeit bei Torsten Schneider (SPD)]

Haus- und Grundeigentümer sind in sehr unterschiedlichen Situationen, und wenn man soziale Kriterien anlegen will, würde das als Kriterium alleine nicht ausreichen, wenn nicht unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten. Aber allein, so wie Sie es anführen, ist das nicht unsere Schwerpunktsetzung und geht dann so einfach auch systematisch nicht. Deswegen werden Sie sich entscheiden müssen, was Sie an dieser Stelle eigentlich wollen, und werden nicht mit so einem Antrag durchkommen: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. – Was wir aber brauchen, ist, dass wir langsam ein bisschen mehr Transparenz darüber herstellen, wie denn die Auswirkungen für die einzelnen Bereiche tatsächlich sind. Wir werden uns, und das wird möglicherweise aber auch ein Prozess sein, der länger dauert, natürlich auch angucken müssen, ob es notwendig ist, an der einen oder anderen Stelle nachzusteuern. Wenn es bisher Fehleingruppierungen gab,

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

dann ermöglichen die möglicherweise Nutzungen, die eine richtige Eingruppierung nicht mehr ermöglichen, und dann ist es ein politischer Fakt, mit dem man umgehen muss. Man kann nicht einfach sagen: Das war vorher falsch eingruppiert, Pech gehabt, sondern dann ist es ein politischer Fakt, mit dem man umgehen muss. Das wollen wir auch, und das wollen wir auch tun. Erst einmal

(Dr. Kristin Brinker)

müssen wir aber diese aufkommensneutrale Reform ermöglichen, um überhaupt eine Sicherheit zu haben in der Erhebung. Danach sind wir dann auch in der Lage, uns genauer zu überlegen, wie man an dieser Stelle steuernde Elemente einfügen kann. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Franziska Becker (SPD): Wollen Sie den Hebesatz? – Torsten Schneider (SPD): Steuern weg und Industrie weg!]