Dabei gibt es Argumente dafür, zum Beispiel, dass wir auch eine klare Zuordnung der Verantwortung haben – das haben Sie in Ihrer Rede angesprochen –, dass wir eine homogenere Bezirkspolitik als bisher organisieren könnten und dass das Prinzip der politischen Koalition durchaus in der Zählgemeinschaft angelegt ist. Man kann also durchaus argumentieren, dass wir das in den Neunzigerjahren angelegte Prinzip des Zusammengehens von Fraktionen zur Besetzung des Bürgermeisterpostens durchaus auf das gesamte Bezirksamt ausweiten könnten, wenn wir die anderen vorgelagerten Fragen tatsächlich beantwortet haben, die Sie noch nicht beantwortet haben und die auch in der Diskussion noch nicht abschließend bewertet worden sind. Deswegen kann man das so schnell, wie Sie das hier vortragen, wohl nicht machen.
Eines muss klar sein: Wir sollten der Versuchung widerstehen, es hier von Parlamentsseite qua Verfassungsänderung allen zu oktroyieren, ohne diese Frage in einem Prozess geklärt zu haben. Ohne eine Beteiligung der Akteure und Betroffenen in den Bezirken sollten wir auf keinen Fall eine solche Entscheidung treffen. Ich plädiere dafür, dies in einer lang und breit angelegten Diskussion zu machen, wenn man es denn will, und nicht vorher zu entscheiden. – Danke schön!
Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Meine Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Swyter! Ich danke für Ihren Impuls, so haben Sie es ja auch bezeichnet. Sie haben natürlich recht, zu einer funktionierenden Stadt gehören auch funktionierende Bezirke. Auch die heute von Ihnen aufgeworfene Frage ist ja nicht unberechtigt, denn die Diskussionen in den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass diese Diskussion immer wieder aufgerufen wird und geführt worden ist. Sie haben den geschichtlichen Ablauf kurz skizziert.
Ich habe Ihre Argumente gehört und bin mir sicher, man findet Argumente pro und contra für beide Seiten. Es ist nichts zwingend. Aber ich frage mich auch, ob die Diskussion, wie die funktionierende Stadt zu organisieren ist, ausschließlich davon abhängt, ob wir ein politisches Bezirksamt wählen.
Ich glaube, das ist ein kleiner Teilaspekt, es ist nicht die Kernfrage. Die Kernfrage wäre sicherlich, wie wir die Bezirke stärken, ausstatten, und die große im Hintergrund stehende Diskussion: Sollen Bezirke mehr oder weniger Kompetenzen im Vergleich zur Landesverwaltung haben? – Ich glaube, wir können die Diskussionen nicht voneinander lösen, das gehört zusammen.
Ich persönlich habe vielleicht einen viel weniger intensiven Einblick in die bezirklichen Arbeiten als viele Kolleginnen und Kollegen hier. Nun habe ich das Privileg, aus einem Bezirk zu kommen, nämlich Reinickendorf, in dem es sowohl nach Proporz als auch nach politischen Mehrheitsverhältnissen klare Verhältnisse gibt. Wir verfügen also auch beim Proporzbezirksamt über drei von fünf Mitgliedern des Bezirksamts. Ich kann eigentlich nur sagen, die Erfahrungen, die ich dort gemacht habe, sind exzellent, hervorragend, Reinickendorf ist der bestregierte Bezirk in Berlin.
[Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Das wissen wir alle! – Lachen und Zuruf von Benedikt Lux (GRÜNE)]
Ich glaube, einen vertiefenden Gedanken anstellen zu wollen. Ich möchte Ihnen das sagen, weil ich einen Wahlkreis vertrete, den ich auch direkt gewinnen und wieder gewinnen konnte. Wenn Sie Lokalpolitik machen und nah an den Menschen sind, dann stellen Sie fest, dass parteipolitische Unterscheidungen weniger wichtig sind als hier auf der Landes- oder der Bundesebene.
Ich persönlich habe eine sehr angenehme Erfahrung gemacht, nämlich dass die Zusammenarbeit auf lokaler Ebene über die Parteigrenzen hinweg funktioniert und auch wichtig ist, weil sie sicherstellt, dass die unterschiedlichen Sichtweisen in die lokale Politik einfließen. So handhabe ich es jedenfalls in meinem Wahlkreis, bei den lokalen Themen, die dort zu bewegen sind, und dort ist die Zusammenarbeit keineswegs auf Parteigrenzen beschränkt, sondern geht weit darüber hinaus. Das ist eine sehr effiziente Struktur und eine gute Erfahrung. Deswegen will ich Ihnen anheimstellen, dieses Modell noch einmal in Erwägung zu ziehen.
Ich möchte es eigentlich dabei belassen. Ich bin absolut bereit, in die vertiefte Diskussion in den Ausschüssen einzutreten, um Ihre weiteren Argumente zu hören, aber Sie sehen, meine Neigung zu einem politischen Bezirksamt ist noch nicht gegeben. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Frau Dr. Schmidt das Wort. – Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, vor allem der FDP! Vielen Dank für diesen Antrag! Vielen Dank vor allem auch für den letzten Satz in Ihrem Antrag, wo Sie schreiben, dass dieses als Auftakt verstanden werden soll, weitere Maßnahmen zur Verbesserung der politischen Bezirksämter zu prüfen und zu diskutieren. In diesen Diskussionsprozess folgen wir Ihnen gern.
Voraussetzung für diesen Diskussionsprozess, an dessen Ende die Entscheidung über das politische Bezirksamt steht, sind vor allem starke Bezirke. Mein Kollege Zimmermann hat es schon gesagt. Es braucht die finanziellen und personellen Voraussetzungen, um die Bezirke in ihren Entscheidungs- und Handlungskompetenzen zu stärken. Hier will die Koalition die richtigen Weichen stellen. Unser Ziel ist eine Finanzausstattung der Bezirke, die wieder mehr Handlungsspielräume für eigene politische Entscheidungen und Schwerpunktsetzungen lässt
Schon im Nachtragshaushalt – heute haben wir darüber gesprochen – wollen wir deshalb den Bezirken zusätzlich 50 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Wir werden die Zielvereinbarungen zum weiteren Personalabbau in den Bezirken aufheben. Künftig wird es nämlich Personalleitwerte geben, die über eine gemeinsame Arbeitsgruppe Ressourcensteuerung zwischen dem Senat und den Bezirken regelmäßig an die sich ändernden Bedarfe angepasst werden. Die Steuerung des Personalbedarfs obliegt den Bezirken im Rahmen der Globalsummen grundsätzlich selbst.
Gleichzeitig – und das hat der Kollege Zimmermann schon angesprochen – wollen wir eine neue Kultur der Zusammenarbeit und des Vertrauens zwischen Land und Bezirken entwickeln. Dazu gehört es eben auch, dass der Senat gemeinsam mit den Bezirken für die gesamtstädtische Steuerung ein ergänzendes Verfahren zur Entwicklung von politischen Zielvereinbarungen etabliert.
Und wir werden uns auch der Aufgabe stellen, Doppelzuständigkeiten zwischen Bezirken und Hauptverwaltungen aufzuheben und Zuständigkeiten und Schnittstellen klar zu definieren. Nicht nur, dass Berlin eine Verwaltung mit klaren Strukturen und eine funktionierende Arbeitsteilung braucht, vor allem sind es die Bürgerinnen und Bürger auch leid, wenn immer die jeweils anderen daran schuld sind, dass etwas nicht funktioniert.
Jeder Berliner Bezirk für sich ist eine Großstadt. Und die Bezirke haben für die Einwohnerinnen und Einwohner die Funktion einer Kommune. Sie sind ihre Stadt, ihr Kiez, ihr Wohn- und Freizeitort. Sie sind das Umfeld, das das Leben und wesentlich auch ihre Identität als Berlinerinnen und Berliner ausmacht. Die Verwaltung der Bezirke ist dabei Ansprechpartnerin für die täglichen Anliegen. Die Bezirksverordnetenversammlungen und Bezirksämter bestimmen die politischen Ziele und die Schwerpunkte in ihren Bezirken. Sei es bei der Entwicklung von Kiezen, von Gemeinwesenarbeit, bei kommunaler Kultur oder bei der Jugendarbeit, bei Projekten der bezirklichen Wirtschaftsförderung, der Ausgestaltung von Stadtteilzentren oder eben auch bei Spielplätzen und Grünflächen. In diesen dezentralen Strukturen liegt zugleich das Wissen über die sozialräumliche Entwicklung in den Kiezen, über Erfolge und Defizite.
Wir wollen bezirkliche Selbstverwaltung stärken. Dazu müssen die Bezirke politisch handlungsfähig sein und künftig noch mehr Möglichkeiten eigenständiger Entscheidungen im Rahmen eines unstrittig klar zu definierenden Zuständigkeitsrahmens erhalten. Dazu gehören für uns aber auch die Stärkung der demokratischen Formen
der Mitwirkung und Mitbestimmung ebenso wie die Bindungskraft von BVV-Beschlüssen und Bürgerentscheiden. Da kann eben nicht einfach ein Senatsbeschluss solche Entscheidungen wieder aufheben.
Erste Schritte in der Aufwertung der Bezirksverordnetenversammlungen und der Arbeit der BVV-Fraktionen sind getan. Aber in der Stärkung der Bezirke haben wir noch einen Weg vor uns. – Wenn Sie, verehrte Damen und Herren Abgeordnete der FDP, all dies in Ihren Diskussionsprozess einbeziehen wollen, wenn Sie die Bezirke mit ihren Einwohnerinnen und Einwohnern in diesen Diskussionsprozess einbinden wollen, dann werden auch wir uns konstruktiv und offen daran beteiligen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die AfDFraktion lehnt die beiden vorliegenden Anträge ab. Es ist schon ein erstaunlicher Vorgang, dass sich die Berliner FDP beim politischen Bezirksamt als Erfüllungsgehilfe von Rot-Rot-Grün andient.
Was Evrim Sommer im April, Ramona Pop im Juni, Michael Müller im September und zuletzt Raed Saleh im November 2016 öffentlich gefordert haben, die FDP bringt es Anfang 2017 als Antrag in dieses Haus ein. Das nennt man dann wohl politische Arbeitsteilung, liebe Kollegen von der FDP.
In allen diesen Fällen liegen die tieferen Beweggründe für die plötzliche Wiederentdeckung der Liebe zum politischen Bezirksamt klar auf der Hand: Es ist der Erfolg der AfD, der sie umtreibt.
Die Befürworter des politischen Bezirksamtes aus SPD, Linkspartei und Grünen geben das zumeist auch unumwunden zu. Es geht darum, die Mitwirkung der AfD in den Bezirksämtern zu verhindern.
Die Begründung der FDP kommt da schon etwas gestelzter daher. Ich zitiere aus der Antragsbegründung:
Gerade die Geschehnisse in verschiedenen Bezirken Berlins nach der letzten Wahl zu den Bezirksverordnetenversammlungen 2016 haben bestätigt,
dass auch auf Bezirksebene Personalentscheidungen zur Besetzung der Bezirksämter politisch getroffen werden.