Protokoll der Sitzung vom 16.02.2017

Aber auch in anderen Bereichen werden die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt von ihren Stadtwerken profitieren. Nehmen wir das Beispiel Mieterstrom. Eines ist klar: Berlins Potenzial im Bereich der erneuerbaren Energien liegt auf den Tausenden von Dächern und in den Kellern. Damit aber die Energiewende auch bei den hier zur Miete lebenden Menschen ein Erfolgsprojekt wird, werden wir Berlin zur Mieterhauptstadt machen. Schon jetzt engagieren sich die Berliner Stadtwerke auf diesem Gebiet. Zusammen mit den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gehen sie weiter voran. Wir werden eine Mieterstromplattform gründen, die Informationen bündelt und weitere Impulse setzen wird.

Ebenfalls werden sich die Berliner Stadtwerke dem Thema Energiearmut stellen. Leider gibt es immer mehr Menschen in dieser Stadt, die von diesem Thema betroffen sind. Etwa 15 000 Haushalte werden jährlich vom Strom abgeklemmt.

[Georg Pazderski (AfD): Weil Sie die Leute arm machen! – Ronald Gläser (AfD): Ökostrom!]

Diese Haushalte stehen dann ohne Licht, ohne funktionierenden Kühlschrank und Waschmaschine da. Die Gründe für Stromsperren sind vielfältig; dennoch können wir als politisch Verantwortliche das nicht einfach so hinnehmen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Deswegen stellen sich die Berliner Stadtwerke diesem großen Problem. Mit im Detail noch zu erarbeitenden ganz berlinspezifischen Modellen, wie sie in anderen Stadtwerken schon praktiziert werden, werden wir dafür sorgen, dass eine sozialverträgliche Teilhabe aller Berlinerinnen und Berliner an einer ökologischen Energieversorgung möglich ist.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Darüber hinaus weisen wir den Berliner Stadtwerken noch eine ganze Reihe von anderen Aufgaben zu, um sie zu einem echten und kraftvollen Energiedienstleister zu machen. Die energetische Modernisierung des öffentlichen Sektors ist dabei ein wichtiger Baustein. Aber auch Contracting- und Intracting-Konzepte, eine Flexibilisierung von Energienachfrage und -angebot sowie energetische Quartiersprojekte sind im Rahmen einer erfolgreichen Energiewende einfach umzusetzen. Natürlich müssen auch die Berliner Stadtwerke die Entwicklungen der Zukunft im Auge haben. Wir wissen, der Energiemarkt verändert sich stark: veränderte Erzeugungsstrukturen, Anpassung der Netzstruktur, neues Strommarktdesign, Digitalisierung, Big Data, intelligente Technologien sind einige der Stichworte, die gerade im Bereich Stadtwerk 2.0 diskutiert werden.

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Sie erfordern ein Feinjustieren, ein Umdenken weg von den traditionellen Geschäftsfeldern hin zu einer Neuaufstellung. Ich bin mir sicher: Die Berliner Stadtwerke werden dies im Auge behalten. Wir als Parlament werden darauf achten.

[Stefan Evers (CDU): Sie sind ein Wunderwerk!]

Mit den entfesselten Berliner Stadtwerken hat das Land Berlin nun wirklich ein wirkungsvolles und starkes Instrument in der Hand, die Energiewende hier in Berlin aktiv und nach Gemeinwohlinteressen zu gestalten. So können endlich auch Projekte realisiert werden, die für Private einfach nicht die nötige Rendite abwerfen, aber dennoch wirtschaftlich sind und für den Weg zur Klimaneutralität einen wichtigen Beitrag leisten werden. Mit den Berliner Stadtwerken bereichern wir aber auch die Akteurslandschaft hier in Berlin. Sie werden zusammen mit den landeseigenen Betrieben und Unternehmen genauso gut zusammenarbeiten und kooperieren wie mit Privaten, solange das Ziel stimmt, und das heißt: Wir wollen so schnell wie möglich eine erneuerbare Versorgung von Berlin erreichen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Dass dieser skizzierte Weg für die Berliner Stadtwerke genau der richtige ist, hat zum Beispiel auch die Expertenanhörung am Montag im Wirtschaftsausschuss gezeigt. Alle Experten waren sich einig, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen so, wie sie jetzt existieren, nicht haltbar sind und dringend reformiert werden müssen.

Die Enquete-Kommission hat sich ebenfalls unter Einbeziehung vieler Sachverständiger für eine Aufgabenerweiterung ausgesprochen, und zwar einstimmig. Auch im Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm gibt es an ganz vielen Stellen bei Maßnahmen den eindeutigen Hinweis: Hier ist ein starkes Berliner landeseigenes Stadtwerk vonnöten.

Folgerichtig finden sich all diese Anregungen in der vorliegenden Änderung des Betriebe-Gesetzes. Mit dieser Gesetzesänderung kommen wir auch dem Wunsch der Berlinerinnen und Berliner nach. Vor über drei Jahren haben sich 600 000 von ihnen genauso ein Stadtwerk gewünscht, wie wir es heute auf den Weg bringen und nicht so ein Bonsai-Stadtwerk, wie es derzeit existiert. Schon damals waren die Berlinerinnen und Berliner deutlich weiter als Teile der damaligen Regierungskoalition.

[Beifall von Silke Gebel (GRÜNE) und Antje Kapek (GRÜNE) ]

Aber erst unter Rot-Rot-Grün konnte die Blockade der CDU durchbrochen werden, und ich bin froh, dass wir endlich eine Wirtschaftssenatorin haben, die die Energiewende vorantreibt und nicht behindert.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Natürlich wird mit der Entfesselung der Berliner Stadtwerke nicht alles von heute auf morgen grün, nicht alles sofort besser. Es wird Zeit brauchen, und diese Zeit werden wir ihnen auch geben. Die Entfesselung der Berliner Stadtwerke ist ein erster Schritt; weitere werden folgen müssen, nicht nur beim Stadtwerk, sondern auch in vielen anderen Feldern. Wenn wir es mit der Klimaneutralität ernst meinen, führt daran kein Weg vorbei. Ich lade deswegen alle ein, auch die Opposition hier im Haus, die Berliner Initiative, die Stadtgesellschaft, sich an diesem Weg zu beteiligen und mit uns zu kooperieren, denn eines ist wichtig: Wir brauchen endlich im Energiewendeland Deutschland eine Energiewendehauptstadt Berlin. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Dr. Taschner! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Schultze-Berndt das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! CDU und SPD haben in der letzten Legislaturperiode gemeinsam das Stadtwerk gegründet. Heute soll gemäß Vorschlag von Rot-Rot-Grün dieses Stadtwerk in seinen Aufgaben erheblich erweitert werden. Gleichzeitig soll in dieses Stadtwerk ein Betrag von 100 Millionen Euro als zu

(Dr. Stefan Taschner)

sätzliches Eigenkapital eingelegt werden. Die CDUFraktion bewertet diese Aufgabenerweiterung und auch die Einlage von 100 Millionen Euro als sehr kritisch. Mit diesem neuen Stadtwerk treten wir in direkte Konkurrenz zu heutigen Marktteilnehmern. Somit besteht die Gefahr, dass wir heutige Unternehmen, heutige Arbeitnehmer mit ihren Familien, heutige Auszubildende, heutige Existenzgründer ihres Arbeitsplatzes und ihres Einkommens berauben.

Das Stadtwerk wird Strom produzieren. Es gibt mittlerweile mehrere Tausend Stromproduzenten in Deutschland. Jede Photovoltaikanlage auf einem Mehrfamilienhaus ist ein Stromproduzent. Warum sollten wir hier in Berlin dafür Steuergelder verwenden? Das neue Stadtwerk soll Strom, Gas und Fernwärme verkaufen, damit handeln. Es gibt in Berlin laut dpa-Meldung von gestern insgesamt 534 Stromanbieter, von denen 196 Ökostrom anbieten und eine Vielzahl von ihnen preiswerter als das heutige Stadtwerk. Warum sollten wir ebenfalls zusätzlich den Handel aufnehmen, Steuergelder dafür einsetzen und in Konkurrenz zu denjenigen treten, die mit Stromhandel ihr Geld verdienen?

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Es gibt in Berlin mehrere Hundert kompetente Anbieter von innovativen Lösungen für die energetische Sanierung von Gebäuden, für die Errichtung von Anlagen – KraftWärme-Kopplung, Heizungssteuerung, LED, Nutzung von Sonnenstrahlung. Warum sollten wir ebenfalls eine eigene, steuerzahlersubventionierte Installationsabteilung aufbauen und in Konkurrenz mit etablierten Unternehmen oder Handwerkern treten und hierfür Steuergelder verwenden? Gleichzeitig wird das Stadtwerk ein unternehmerisches Risiko eingehen. Die CDU versteht nicht, warum man mit Steuergeldern derartig leichtfertig umgeht.

[Beifall bei der CDU]

Rot-Rot-Grün möchte, dass das Stadtwerk Schulden macht und die Finanzierung von Energiesparmaßnahmen bei öffentlichen Gebäuden übernimmt. Hier sehen wir die Gefahr der Entstehung eines Schattenhaushaltes, in dem das Land Berlin den echten Schuldenstand zulasten kommender Generationen verschleiern möchte. Das neue Stadtwerk soll gleichzeitig die Privathaushalte und Unternehmen neutral und umfassend beraten, aber gleichzeitig die eigenen Produkte verkaufen. Wir sehen hier die Gefahr einer unzureichenden neutralen Beratung. Das neue Stadtwerk wird voraussichtlich der alleinige Anbieter von gewissen Dienstleistungen für die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften und die öffentlichen Gebäude in Berlin, so, wie das auch die Stadtwerke in Hamburg machen. Technologie, die das neue Stadtwerk nicht kennt oder beherrscht, wird deshalb nicht verwendet werden können. Die CDU sieht hier die Gefahr, dass künftig technische Innovationen und experimentelle Ansätze in ihrer Umsetzung behindert werden.

Die CDU sagt Ja zu einer Kommunalisierung von Dienstleistungen, wenn sie entweder die für die Bevölkerung billiger oder besser erbringen, wenn die Bevölkerung unmittelbar davon profitiert, Beispiel Wasserbetriebe: Die CDU hat es durchgesetzt. Die Wasserbetriebe sind zurückgekauft und die Wasserpreise gesenkt worden.

[Beifall bei der CDU – Oh! bei der LINKEN – Zuruf von Iris Spranger (SPD)]

Bei dem neuen Stadtwerk sollen Leistungen quasi subventioniert werden, die aber nicht der ganzen Gesellschaft zugutekommen. Warum sollen die Steuerzahler in Neukölln die Errichtung einer LED-Lichtanlagensteuerung in einem Unternehmen in Pankow subventionieren?

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Warum haben Sie das Stadtwerk überhaupt verkauft?]

Das heutige Stadtwerk ist sehr dynamisch,

[Daniel Buchholz (SPD): Im Gegensatz zur CDU!]

reaktionsschnell, flexibel, innovativ und seriös geführt. In das neue Stadtwerk soll nach Ansicht von Rot-Rot-Grün integriert werden: Produktion von Strom, von Gas, von Fernwärme, die Durchleitung soll integriert werden, die Beratungsleistung, es sollen Infrastrukturleistungen mit hinein kommen. Das Energienetz soll reinkommen, das Stromnetz und auch noch das Fernwärmenetz sollen mit hineinkommen. Die Wasserbetriebe sollen auch noch hineinkommen. Aus diesem kleinen, technisch innovativen Konstrukt machen wir durch milliardenschwere Rückkäufe und Administration an einer Stelle einen schwerfälligen Kraken,

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schlüsselburg von der Linksfraktion?

Nein! – Wir sehen als CDU hier die Gefahr, dass die für den Energiewandel in der Stadt Berlin notwendige Flexibilität wegfällt.

Stadtwerke Berlin, worüber reden wir? Im Jahr 2011 haben wir in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD die Gründung eines Stadtwerkes beschlossen. Rot-Rot hatte es seinerzeit nicht mehr geschafft, und wir haben im Rahmen der Verhandlungen eine Vielzahl von Zielen für den Energiewandel in Berlin festgelegt und uns auch auf die Gründung des Stadtwerks geeinigt. In diesem Stadtwerk sollte der auf den Berliner Stadtgütern in Brandenburg sowie der in Berlin in den landeseigenen Gebäuden und auf den landeseigenen Grundstücken erzeugte Strom an die Berliner verkauft werden. Also alles, was man selbst nicht braucht, soll auf den Markt gebracht werden.

[Steffen Zillich (LINKE): Ja!]

Irgendwann gab es dann einen Streit zwischen SPD und CDU.

[Steffen Zillich (LINKE): Das ist bekannt!]

Die SPD wollte unbedingt auch Strom von Externen einkaufen und quasi als Handelsware an die Berlinerinnen und Berliner abgeben.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Die CDU hatte eine andere Position, wonach es eigentlich genug Stromhändler auf dem Markt gibt und wir deswegen nicht eine solche Handelsware beziehen müssen. Wir wollen uns auf die Veräußerung des selbst erzeugten Stroms beschränken.

Ich will ein Beispiel nennen, wie das geht: Wir nehmen den fiktiven Fall, das Land Berlin hat Stadtgüter und darauf bauen wir Biogemüse an. CDU und SPD einigen sich darauf, auf einem großen Marktplatz im Stadtzentrum einen Marktstand zu errichten und das selbst angebaute Gemüse zu verkaufen. Über dem Marktstand stellen wir ein riesiges Schild

[Steffen Zillich (LINKE): Habt ihr aber nicht gemacht!]

auf mit dem Text „Stadtbiohof Berlin – Alles aus regionalem Anbau“.

[Daniel Buchholz (SPD): Super!]

Wenn das frisch geerntete Gemüse komplett verkauft ist, freut man sich, das Tagewerk ist vollbracht und der Stand ist leer.