Protokoll der Sitzung vom 04.06.2020

Was Berlin zuvorderst rettet, ist das starke Vorgehen der Bundesregierung. Einige Maßnahmen seien hier beispielhaft genannt: Das Kurzarbeitergeld, ohnehin ein Segen, wurde deutlich verbessert. Die Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes wurde verlängert. Der Zugang zur sozialen Grundsicherung wurde erleichtert, ebenso der zu weiteren existenzsichernden Leistungen. Der Zugang zum Kinderzuschlag wurde vereinfacht. Es gibt Zuschüsse für soziale Dienste. Es gibt deutliche Verbesserungen bei den Zuverdienstmöglichkeiten in der Kurzarbeit und hinsichtlich des Steuerfreibetrags für Rentnerinnen und Rentner. In der vergangenen Nacht hat sich die große Koalition – darauf dürfen wir auch mal gemeinsam stolz sein, dies in Richtung der Berliner SPD gesagt – auf 57 weitere Punkte im Umfang von 130 Milliarden Euroverständigt. Dies sind konjunkturbelebende Maßnahmen, die uns sicherlich deutlich weiterhelfen werden.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Vergabegesetz abschaffen!]

Da ich das segensreiche Kurzarbeitergeld angesprochen habe: Herzlichen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsagenturen, die mit viel Engagement die Umsetzung und Zahlungen ermöglichen! Und wenn ich bei Danksagungen bin: Dies gilt ebenso für alle Beschäftigten in der Eingliederungshilfe, in der Jugendhilfe, in der Pflege und in den Krankenhäusern. Auch hier kann ich Ihnen von Rot-Rot-Grün eine unangenehme Frage nicht ersparen: Warum machen Sie bei der sogenannten Heldenprämie oder Pflegeprämie einen Unterschied zwischen den Landesbediensteten und den Beschäftigten in der freien Wohlfahrtspflege? Die gemeinnützigen Träger arbeiten nicht gewinnorientiert. Unterstützen Sie deshalb bitte alle Beschäftigten gleichermaßen!

[Beifall bei der CDU]

(Katina Schubert)

Ein weiteres Thema, für das ich keinerlei Verständnis habe, ist der Umgang mit Karstadt und den Beschäftigten, gerade in der jetzigen Lage. Der grüne Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg ist für den Investor seit Wochen nicht zu sprechen. Die Wirtschaftssenatorin scheint hier abgetaucht – sie ist auch gerade wieder mit ihrem Handy beschäftigt –, obwohl ein sozial ausgewogener Zukunftsplan mit einem Volumen von 450 Millionen Euro auf dem Tisch liegt, der so auf dem Spiel steht. – Herr Regierender Bürgermeister! Machen Sie das zur Chefsache! Die Beschäftigten werden es Ihnen danken, auch die CDU-Fraktion. Mit Blick auf Ihre Koalitionspartner ist das schon viel wert.

Neben dem Thema Karstadt habe ich ein weiteres dringendes Anliegen aus dem Bereich der Eingliederungshilfe. Die Werkstätten für Menschen mit Behinderung hatten zugesagt, die Entgelte in voller Höhe weiterzuzahlen. Voraussetzung bzw. Teil der Vereinbarung war: Das Land Berlin finanziert für drei Monate den Grundbetrag gegen. Ziel war: Die beschäftigten Menschen mit Behinderung müssen nicht zur Grundsicherung. Nunmehr möchte das Land Berlin die rd. 2,4 Millionen Euro, die dafür notwendig sind, nicht einmal zu einem Drittel zur Verfügung stellen und das auch nur, wenn die Werkstätten belegen, vollkommen mittellos zu sein. – Frau Sozialsenatorin! Herr Finanzsenator! Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Ich fordere Sie auf, dass jetzt hier und heute im Interesse der Einrichtungen und der Beschäftigten klarzustellen.

Die Coronapandemie ermöglicht plötzlich Hunderte Wohnheimplätze für Obdachlose, die sonst tagsüber diese Einrichtungen verlassen mussten. Hier schließt sich die dringende Bitte an, diese Angebote dauerhaft zu etablieren. Sie dürfen keine Eintagsfliege sein. Hier braucht es einen Ausbau und eine Verstetigung, Das gilt übrigens auch für Housing First, Wohnraum und die weitere Begleitung der Menschen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal deutlich machen: Sozial ist, was Arbeitsplätze schafft und sichert. Wer unterhalb entsprechender Einkommenshöhen lebt, aktuell durch Corona in Schieflage gerät, hat die Solidarität aller verdient. Bewahren wir Menschen bestmöglich vor Arbeitslosigkeit, sichern wir Ausbildungsplätze und investieren wir so in die Zukunft. Das ist unser Auftrag für Berlin. Konzepte vorzulegen, das ist Aufgabe des Senats.

Ich wünsche mir, dass die zuständigen Senatsverwaltungen besser zusammenarbeiten und auch mal über den einen oder anderen parteipolitischen Schatten springen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU]

Die CDU-Fraktion hat die Redezeit aufgeteilt. Der Kollege Gräff hat jetzt das Wort – bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! In der Tat, Menschen in Ausbildung und Arbeit zu bringen, das ist das Gebot der Stunde, der nächsten Monate, wahrscheinlich der nächsten Jahre. Wir haben dazu als CDU-Fraktion in Berlin sehr umfangreiche Vorschläge gemacht, beispielsweise für eine Investitionsoffensive, die wir dringend für die Berliner Wirtschaft, aber auch den Berliner Haushalt brauchen. Nur ein Wort an die Rednerin davor: Ihre Haushaltspolitik und Ihre Investitionspolitik sind deswegen zutiefst unsolidarisch, weil sie den nächsten Generationen Schulden aufbürdet, die sie abzahlen müssen. Das ist keine solidarische Politik, das sei an die Adresse der Linken gerichtet!

[Beifall bei der CDU – Zurufe von der LINKEN]

Wir haben im Berlinpakt viele Dinge vorgeschlagen: Digitalisierungsoffensive, eine Genehmigungsfiktion für die Bauwirtschaft, gerade jetzt. Das ist etwas, worauf wir stolz sein können: In den letzten Jahren hat die Bauwirtschaft wesentlich zur Beschäftigung in Berlin beigetragen. Da hören wir bisher nichts von Ihnen.

[Steffen Zillich (LINKE): Was?]

Start-up-Unternehmen zu unterstützen, ganz speziell, in der Tat, auch auf die kann Berlin stolz sein, weil sie in den letzten Jahren viele Arbeitsplätze in Berlin geschaffen haben, für Steuereinnahmen gesorgt haben: nichts bisher.

[Steffen Zillich (LINKE): Das ist doch totaler Quatsch!]

Wir mussten Sie da zum Jagen tragen.

[Ülker Radziwill (SPD): Unglaublich!]

Für den Messe- und Kongressstandort Berlin etwas zu tun – 250 000 Jobs in Berlin hängen direkt vom Messe- und Kongressgeschäft ab – bisher null Aktivitäten. Sie haben wenig umgesetzt. Wir haben als CDU-Fraktion viel vorgeschlagen. Wir werden es auch in den nächsten Monaten noch tun.

[Beifall bei der CDU]

Herr Kollege! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Czaja von der FDP-Fraktion zulassen.

Nein, vielen Dank!

[Heiterkeit bei der FDP]

(Maik Penn)

Ich weiß, ich komme gleich zu Tegel.

Liebe Frau Senatorin Günther! Ich sage auch an dieser Stelle: Pop-up-Radwege mögen sexy sein, aber mir wäre es ehrlich gesagt lieber, Sie kauften bei Berliner Start-upUnternehmen innovative Lösungen für den Ausbau des ÖPNV ein, und möglicherweise nicht in Stuttgart. Das wäre mal etwas, um einen Beitrag für die Berliner Wirtschaft zu leisten, Frau Senatorin.

[Beifall bei der CDU]

In der Tat, der Kollege Penn hat es auch schon angesprochen, liebe Frau Senatorin Pop: Es ist schon schwer. Klar, wenn ich solch eine grüne Basis hätte wie in Friedrichshain-Kreuzberg, hätte ich auch Angst vor der eigenen Partei. Sie müssen sich natürlich auch mit der Stadtentwicklungssenatorin auseinandersetzen. Aber ein Unternehmen, wie übrigens alle großen deutschen Warenhauskonzerne, wie Karstadt-Kaufhof, das seinen Ursprung in Berlin hat, wissen Sie, was der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister machen würde, wenn ihm irgend so ein Dezernent dazwischen gefunkt hätte als die LTU oder Air Berlin pleitegegangen sind? – Der ist der Erste, der beim Investor ist. Wo sind Sie denn?

[Tim-Christopher Zeelen (CDU): Am Handy! Seit Wochen am Handy!]

Sie sind jedenfalls nicht beim Investor, Frau Wirtschaftssenatorin. Das ist ein Skandal für die Entwicklung dieser Stadt!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Sebastian Czaja (FDP), Hans-Joachim Berg (AfD) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Herr Regierender Bürgermeister! Ich würde mich auch freuen, wenn aus Ihrem Etat das Städtemarketing ertüchtigt werden würde und die Mittel, die bei Ihnen in der Senatskanzlei etatisiert sind – übrigens gute Idee, bei den Partnerstädten zu werben, vielleicht möglicherweise zu erweitern –, genutzt werden würden, denn ich glaube, wir brauchen heute nichts mehr als das Städtemarketing für Berlin.

Aber all das wird nicht funktionieren, wenn Kinder nicht in Schulen und Kitas zurückkönnen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Herr Kollege Gräff! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Gennburg zulassen.

Nein, vielen Dank! – Wenn Kinder nicht in die Schulen und Kitas zurückkönnen und Eltern, übrigens gerade

alleinerziehende, gerade diejenigen, die es sozial schwerer haben, nicht an den Arbeitsplatz zurückkönnen,

[Zuruf von Antje Kapek (GRÜNE)]

das sage ich Ihnen an dieser Stelle sehr deutlich: Darauf haben Sie keine Antwort,

[Zurufe von Regina Kittler (LINKE) und Katrin Seidel (LINKE)]

nicht heute, nicht in vier oder sechs Wochen hat der Senat darauf eine Antwort. Nehmen Sie sich möglicherweise einmal ein Beispiel an Brandenburg. Die waren jedenfalls in den letzten Wochen und Monaten immer schneller. Solange Frau Scheeres im Amt ist, ist die SPD Berlin für das Desaster an den Schulen und dem fehlenden Homeschooling verantwortlich. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass viele Kinder nicht so wie es sein sollte unterrichtet werden, möglicherweise keinen guten Ausbildungsplatz und schon gar keine gute Ausbildung bekommen. Dafür tragen Sie die Verantwortung, für dieses absolute Desaster beim Thema Kita und Schule während der Coronakrise in Berlin.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD und der FDP]

Das gehört zur sozialen Verantwortung dazu. Dessen müssen Sie sich alle bewusst sein in der Koalition. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Regina Kittler (LINKE): Bloß nicht zuhören! – Antje Kapek (GRÜNE): Steht bei Ihnen auch Personalwechsel an, Herr Gräff? – Weitere Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN]

Als Nächste ist die SPD an der Reihe – und zwar mit Herrn Kollegen Düsterhöft.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Manchmal kommt es mir noch immer vor wie ein böser Traum. Ich muss doch jeden Moment aufwachen und dieser ganze Mist ist nicht passiert.

[Sebastian Czaja (FDP): Diese Koalition! – Heiterkeit bei der CDU und der FDP]

Noch vor wenigen Wochen sprachen wir über den massiven Fachkräftemangel und die Jobcenter klagten über Stellenstreichungspläne. Die Arbeitslosenzahlen waren auf einem Rekordtief. In Bezug auf den Bereich Arbeit war auch Berlin eine Insel der Glückseligen, wenigstens für die allermeisten. Dass Sie das als eine Steilvorlage sehen oder nutzen, zeigt nur, dass Sie nicht beim Thema sind. Schade!

[Beifall bei der SPD – Sebastian Czaja (FDP): Ich fühle mit Ihnen!]