Es ist eine Frage, die mit den Bürgern diskutiert werden muss, und die endlich auch hier an dieser Stelle diskutiert werden muss, wo sie hingehört, nämlich in das Abgeordnetenhaus von Berlin.
Da machen wir Ihnen, liebe Kollegen, mit unserem Antrag einen Vorschlag, der nicht neu ist, der aber sinnvoll ist und unterschiedliche Interessen abdeckt. Der Vorschlag lautet: Der U-Bahnhof behält seinen Namen, es sollen aber Informationstafeln aufgestellt werden, auf denen die Straßenbenennung erläutert wird und auf denen auch Raum gegeben werden soll für die Darstellung der Geschichte der afrikanischen Diaspora in Berlin von den ersten, damals Mohren genannten Schwarzen in Berlin, bis heute.
So könnte gerade das Fortbestehen des Namens Mohrenstraße zu einem kritischen Bewusstsein und einer Auseinandersetzung mit der Stadtgeschichte anregen, denn die Berliner wollen sich mit ihrer Geschichte auseinandersetzen, sie wollen sie aber nicht entsorgen.
Was für uns daher überhaupt nicht in Betracht kommt, um das hier klar zu sagen, ist eine Umbenennung von UBahnhof oder Straße. Die Mohrenstraße gehört zu Berlin wie der Kudamm oder die Friedrichstraße. Sie hat sich seit Anfang des 18. Jahrhunderts tief im kulturellen Gedächtnis der Berliner eingeprägt. Wer die Mohrenstraße
tilgen will, versündigt sich nicht nur an einer der ältesten und schönsten Straßen in Berlins Mitte, sondern versündigt sich auch an der kulturellen Identität unserer Stadt.
Bevor Sie hier in Wallung geraten, liebe Kollegen von der Linkskoalition, dass der Name Mohr nicht rassistisch konnotiert ist, wissen Sie selbst gut genug. Das können Sie selbst in unserem Antrag oder in den Arbeiten von Professor Ulrich van der Heyden noch einmal nachlesen. Das kann ich aus Zeitmangel nicht wiederholen. Sie betreiben gezielte historische Falschmünzerei, wenn Sie etwas anderes behaupten.
Um was es Ihnen in Wahrheit geht, ist das Ausradieren und Tilgen von Geschichte, um in einem symbolisch entleerten Raum Ihr politisches Narrativ durchsetzen zu können. Aber damit werden Sie bei den Berlinern nicht durchkommen. Das verspreche ich Ihnen!
Auch mit Ihrer Nanny-Nummer, in der Sie sich gönnerhaft zum Fürsprecher schwarzer Menschen in Deutschland aufschwingen, sind Sie wenig glaubhaft. Sie merken scheinbar gar nicht, wie Sie in Ihrem weißen Paternalismus die Dauerviktimisierung von Schwarzen in Deutschland immer weiter vorantreiben und so schwarze Deutsche zu unmündigen Bütteln Ihrer Politik degradieren.
Genau an der Stelle wäre ein bisschen mehr Critical Whiteness tatsächlich angezeigt. Wenn Sie wirklich an einer Ehrung von Anton Wilhelm Amo interessiert wären, würde sich dafür an anderer Stelle sicherlich rasch Einigkeit erzielen lassen. Aber niemand täte Amos Andenken einen Gefallen, wenn ausgerechnet die Mohrenstraße für eine Ehrung desjenigen Philosophen weichen sollte, der sich selbst als einer der ersten in Deutschland als Mohr bezeichnete.
Deshalb lassen Sie uns alle auch in diesem politisch erhitzten Sommer einen kühlen Kopf bewahren, denn dann kann auch die Mohrenstraße die Mohrenstraße bleiben. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als die Nachricht vom offenbar rassistisch motivierten Mord an George Floyd im Mai dieses Jahres um die
Welt ging, reagierten nicht nur US-Amerikaner, sondern auch Berlinerinnen und Berliner. Am Eingangsschild des U-Bahnhofs Mohrenstraße war der Namensteil „Mohren“ überklebt worden mit „George Floyd“. Diese kurzfristige Verwandlung von Mohrenstraße in George-Floyd-Straße war Ausdruck des globalen Protests gegen Rassismus. Die Gesellschaften werden empfindlicher, und die Stimmen dagegen gewinnen an Gewicht.
Die Umbenennung bzw. Tilgung des Wortteils „Mohren“ formuliert gleichzeitig den Wunsch nach einer Tilgung des Rassismus, den die Plakatkleber offenbar in dem Wort „Mohr“ wahrnehmen. Damit sind sie nicht allein, und so können wir seit einiger Zeit eine breit geführte gesellschaftliche mediale Debatte verfolgen, die das Thema Rassismus über die Forderung nach Umbenennung problematischer Straßennamen widerspiegelt wie beispielsweise im afrikanischen Viertel in Berlin.
Die BVG sieht sich nicht erst seit dem Plakat an einem ihrer U-Bahnhöfe als Teil der gesellschaftlichen Debatte, sondern nimmt insbesondere über die Social-MediaKanäle rege daran teil.
Somit hat sie auch im Nachklang der George-FloydDebatte versucht, ein Zeichen zu setzen und die Umbenennung des fraglichen U-Bahnhofs bekanntgegeben. Dieser Vorstoß, wie Sie Anfang Juli der Presse entnehmen konnten, ist nach Intervention des Senats vorerst vom Tisch, und der Ausgang ist wieder offen, denn in die Entscheidung werden die Berlinerinnen und Berliner, vor allem die Anrainerrinnen und Anrainer, einbezogen. Dies ist gelebte Demokratie und nicht etwa das, was die AfDFraktion mit ihrem Antrag fordert, nämlich über die Köpfe aller Beteiligten hinweg zu entscheiden.
Ich zitiere: „Der U-Bahnhof Mohrenstraße muss seinen Namen behalten“, so der Titel des Antrags. Muss! Zunächst einmal kann ich keinen zwingenden Grund erkennen, warum ausgerechnet diese Bezeichnung des vielfach umbenannten Bahnhofs „die Berliner Geschichte achten“ soll. Bis 1950 hieß er Kaiserhof, bis 1986 dann Thälmannplatz und dann bis 1991 Otto-Grotewohl-Straße. Somit gibt es hier also auch nichts zu müssen. Vielmehr klingt das nach einem autoritären Machtwort, dass die AfD zu sprechen wünscht und daraus wiederum, wie aus der Antragsbegründung selbst, spricht gerade jenes
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Wenn einem die Argumente ausgehen, muss man so argumentieren! – Weitere Zurufe von der AfD]
Der Antrag kommt in einem verbrämten Herrschaftsgestus daher, der einen wahren Demokraten das Gruseln lehrt. Der Name Mohrenstraße müsse bleiben, um die Erinnerung an die Minderheiten zu wahren, heißt es. Hier werden sprachlich nicht nur Minderheiten als solche hergestellt, sondern auch noch eine Erinnerung an sie beschworen, als seien diese längst Geschichte. Da kann es einem doch in Erinnerung an finstere Zeiten wirklich kalt den Rücken herunterlaufen.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Hören Sie sich eigentlich zu, oder lesen Sie nur ab?]
Der krude und sehr eigene Umgang mit deutscher Geschichte ist aber für die AfD charakteristisch. Wieder einmal bestätigt sich die AfD als eine Art quasi historische Kommission oder ein Philologengremium in dem Versuch, den Antrag zu begründen. Man will feststellen, dass es keine historisch begründeten Argumente für eine rassistische Konnotation der Straßenbezeichnung gebe. Das ist doch blanker Unsinn. Ob ein Wort, ein Begriff, eine solche Konnotation hat, hängt nicht von der Geschichtsschreibung ab,
sondern von der Sprache bzw. von denen, die sie sprechen. Der Wortschatz einer Sprache mit allen ihren Denotationen und Konnotationen hat ihren Ort nicht in irgendwelchen Wörterbüchern oder gar Geschichtsbüchern, sondern in den Köpfen der Sprachgemeinschaft. Darum wandelt sich Sprache auch beständig. Neue Wörter werden gebildet. Bedeutungen verändern sich und das nicht zuletzt, weil Konnotationen hinzukommen oder sogar zur eigentlichen Bedeutung werden. Sprache ist kein Geschichtsbuch.
Wenn das veraltete Wort „Mohr“ für viele Menschen eine rassistische Konnotation hat, dann ist das so. Zum Glück sind wir so freiheitlich-demokratisch, dass diese Wahrnehmung auch öffentlich artikuliert werden kann und ein gesellschaftlicher Diskurs entsteht.
Es kann nicht Sache des Parlaments sein, in diesem Diskurs die Deutungshoheit übernehmen zu wollen, indem
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Jahnke! Was Sie hier gerade gesagt haben, kann ich beim besten Willen nicht stehen lassen, diesen Versuch einer Legendenbildung, die Art und Weise, wie Ihre Koalition versucht hat, diese Namensumbenennung durchzusetzen. Wir haben diesen Antrag gestellt, um die Frage Mohrenstraße hier im Plenum zu diskutieren. Sie haben versucht, durch die Hintertür, durch die kalte Küche, über den Aufsichtsrat Druck auf die BVG auszuüben, um an diesem Parlament vorbei, entgegen den demokratischen Gepflogenheiten in dieser Stadt den Berlinern diese Entscheidung auf undemokratische Art und Weise aufs Auge zu drücken. Es ist genau umgekehrt, wie Sie das hier dargestellt haben. Was Sie hier gemacht haben, ist eine Unverschämtheit.
Wir als AfD sind unserer Aufgabe als Opposition gerecht geworden und haben dieses wichtige Thema hier zur Debatte gestellt und als Antrag hier eingebracht. Die Unterstellung, wir hätten hier autoritär versucht, etwas zu regeln, ist vollkommener Bullshit, ist vollkommener Blödsinn. Es ist genau umgekehrt. Sie wollten es doch so machen.