Protokoll der Sitzung vom 20.08.2020

Das Wort war unparlamentarisch, Herr Trefzer.

Ich entschuldige mich für diesen Ausdruck, Frau Präsidentin. – Es war kompletter Unsinn, was Sie hier erzählt haben.

Es wird durch Wiederholung nicht besser, verehrter Abgeordneter. Unterlassen Sie das bitte!

[Beifall bei der LINKEN]

(Frank Jahnke)

Herr Jahnke! Sie werden mit dieser Legendenbildung nicht durchkommen. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass dieses Parlament umgangen werden sollte, dass durch die Hintertür Druck auf die BVG ausgeübt wurde, um eine undemokratische Entscheidung zu erzwingen. Das waren nicht wir. Wir haben das hier zur Debatte gestellt.

Vielleicht noch etwas zum Thema Geschichtsklitterung, zu dem, was Sie uns hier alles vorgeworfen haben: Haben Sie sich eigentlich mal die Literatur zu diesem Thema angeschaut? Haben Sie mal bei Ulrich van der Heyden hineingeschaut? Haben Sie sich mal die Forschung angeschaut? – Was Sie hier gesagt haben, ist wirklich bar jeder Kenntnis. Schauen Sie mal, was Ulrich van der Heyden beispielsweise dazu im Deutschlandfunk im Juli dieses Jahres gesagt hat! Sie können nicht einfach hingehen und sagen: Es sind ein paar Betroffene da, die sich so oder so fühlen. – Sie müssen schon auch die sozialwissenschaftliche Forschung zu diesem Thema zur Kenntnis nehmen. Und wenn Herr Ulrich von der Heyden Ihnen sagt, dass er von seinen afrikanischen Studenten, von seinen Gästen aus Afrika, von allen Afrikanern, mit denen er wissenschaftlich zusammengearbeitet hat, noch nie gesagt bekommen hat, dieser Begriff sei rassistisch, dann sollten Sie diese wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Kenntnis nehmen und rezipieren, anstatt auf irgendein Gefühl zu verweisen. Sie machen hier gefühlsgeladene Politik bar jeder wissenschaftlichen Grundlage. So kann das nicht laufen. Wir brauchen hier eine sachbezogene Grundlage. Sie können hier nicht einfach irgendetwas in den Raum stellen, was nicht nachvollziehbar ist. Sie müssen von dem ausgehen, was der wissenschaftliche Erkenntnisstand ist. Mohr ist ein veralteter Begriff, gar keine Frage, aber es ist kein rassistisch konnotierter Begriff. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!

[Beifall bei der AfD]

Selbstverständlich haben Sie gleich die Möglichkeit der Erwiderung, Herr Jahnke. – Bitte schön!

Das ist wirklich eine eigenartige Umkehrung – das muss ich auch sagen. Hier steht doch auf der Tafel der apodiktische Satz: Der Name Mohrenstraße muss bleiben. – Dies ist doch nicht die Einladung zu einem Dialog mit der Stadtgesellschaft, um darüber zu diskutieren, wie dieser Name vielleicht konnotiert ist, wie vielleicht ein anderer Name lauten könnte, sondern dies ist eine klare Voraussetzung, von der Sie ausgehen, und zwar, weil Ihr Weltbild nach wie vor danach gestaltet ist, dass der Begriff Mohr ein rassistischer Begriff ist. Nun zitieren Sie immer Ihren Professor van der Heyden. Der wird ja oft in

der Antragsbegründung genannt, und das ist für Sie dann Stand der Wissenschaft.

[Georg Pazderski (AfD): Den kennen Sie gar nicht!]

Schon, wenn man als Kind – in meiner Generation hat man das wahrscheinlich noch, bei den Jüngeren vielleicht auch noch – im Struwwelpeter gelesen hat, dass der „arme Mohr“ bedauert wird, dass er ein Mohr ist – – Es ist doch praktisch so, dass dieser Begriff immer in irgendeiner Weise rassistisch motiviert ist.

[Georg Pazderski (AfD): Lesen Sie mal den Struwwelpeter durch! Das haben Sie wohl gar nicht! Da geht es um was ganz anderes!]

Er pöbelt dauernd dazwischen.

Herr Pazderski! Ein bisschen Mäßigung wäre angebracht.

Dort steht aber tatsächlich drin, dass der Mohr wegen seiner Hautfarbe arm ist. Dies ist ein Begriff, der mindestens paternalistisches Denken beinhaltet.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Georg Pazderski (AfD): Sowas von wissensbefreit!]

Zweitens: Sie haben die BVG bezichtigt, selbstherrlich eine Entscheidung zu treffen, und jetzt hier nachgeliefert, dass dies auf Druck aus dem Senat, dem Aufsichtsrat, von der Senatorin erfolgt sei. Das ist auch völliger Unsinn. Die BVG ist ein Unternehmen, das sich in die Stadtgesellschaft, in die Diskussion einbringt. Das tut sie mit teilweise witzigen Plakaten. Das tut sie in den sozialen Medien. Das tut sie in vielfacher Hinsicht. Da hat sie eben überlegt: Wie kann sie angesichts eines solchen Vorfalls, wie wir ihn mit George Floyd hatten, in Berlin ein Zeichen setzen? Der Vorschlag der BVG wurde auch in der Öffentlichkeit kritisiert, und es ist völlig richtig, wenn sie nun sagt: Ja bitte, dann muss die ganze Breite der Stadtgesellschaft jetzt über den neuen Namen diskutieren. – Das ist aber nichts, was das Parlament abschließend entscheiden kann – der Name Mohrenstraße muss bleiben, wie Sie fordern.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für die Fraktion der CDU hat der Abgeordnete Friederici das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank auch an dieser Stelle nicht nur der Präsidentin, sondern – ich glaube, das hat bisher noch keiner getan

auch dafür, dass der Ordnungsdienst hier ständig das Podium sauber macht. Vielleicht können wir das als verbindendes Element einer Parlamentssitzung festhalten. Recht herzlichen Dank dafür. Das muss mal erwähnt werden.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Bei so viel gespielter Empörung der beiden Vorredner Trefzer und Jahnke – Sie kennen mich; ich bin ja für meine ausgewogenen Reden bekannt –

[Allgemeine Heiterkeit]

wissen Sie, dass ich mich ein bisschen wundern muss, dass für Sie dieses Thema so wichtig ist, dass Sie es zur Priorität erheben. Unsere Stadt hat weiß Gott mehr Probleme und Sorgen. Ich sage es Ihnen mal ganz deutlich: Wir sind ja auch gegen die Umbenennung der Mohrenstraße, aber ob man das zu einer Priorität in einer Parlamentssitzung erheben muss, daran habe ich doch große Zweifel. Dieses Thema taugt nun wirklich nicht für den politischen Parteienstreit, weil die Messen da längst gesungen sind. Es wird nicht zu einer Umbenennung kommen. Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Je mehr Sie bei diesem Thema insistieren, je mehr Ihre politische Richtung dafür instrumentalisieren, desto eher kommt die Umbenennung. Ich würde das Thema doch einfach mal lassen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Die Themen sind doch geklärt. Die BVG ist vorgeprescht. Die Wirtschaftssenatorin auch. Sie ist als Bettvorleger gelandet. Es ändert sich gar nichts. Der Name Mohrenstraße wird nicht geändert, auch der des U-Bahnhofs nicht. Und das ist auch gut so, denn zu Berlins Geschichte gehören Niederlage, Siege, Erinnerungen, Vergangenheit, Verbrechen, aber auch schöne Ereignisse. Berlin ist Bundeshauptstadt, Regierungssitz, war geteilt, war Bundeshauptstadt im Wartestand, Ostberlin wollte Hauptstadt der DDR sein, Berlin war Reichshauptstadt, Königsresistenz, Kurfürstenstadt und sogar Hansestadt. Irgendwann war es auch mal eine ganz kleine Stadt oder eine Doppelstadt aus Berlin und Cölln. Diese vielen Ereignisse bilden die Vergangenheit Berlins ab, Vor- und Nachteile.

Jetzt komme ich mal ein bisschen zur Geschichte, weil Mohrenstraße heute immer als Kampfbegriff benutzt wird. Diese Straße wurde 1707 benannt, und wenn Sie das allgemeine Nachschlagewerk Wikipedia aufschlagen, dann finden Sie dort vier Erklärungen, warum diese Straße Mohrenstraße heißt. Kein Mensch weiß, warum diese Straße so heißt. Es gibt sie aber nun einmal. Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Es gab in der Vergangenheit gute und böse Dinge. An die Fraktionen der Linken und der Grünen – bei der SPD habe ich immer noch ein bisschen Hoffnung –: Selbst Karl Marx wohnte zwei Jahre in der Mohrenstraße.

[Sven Rissmann (CDU): Auweia!]

Er hat nichts daran gefunden, dass die Straße einen solchen Namen hatte. Und jetzt zu den Linken, und ich spanne den Bogen zu Karl Marx: Karl Marx war auch in seinem Leben, in seiner Vergangenheit nicht frei von Schuld. Sie mögen das verdrängen, aber in der gleichen Art und Weise, wie Sie möchten, dass die Mohrenstraße umbenannt wird, rufe ich Hannah Arendt in Erinnerung, die in ihrem großen Werk „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ bereits 1955 feststellte – und Hannah Arendt dürfte über alle Zweifel erhaben sein –, dass die Auslassungen von Karl Marx in seiner Schrift „Die Judenfrage“ ein klassisches Beispiel des linken Antisemitismus sind.

Und jetzt komme ich zu Ihrer Empörung auf der linken Seite. Herr Jahnke hat das ja schon ganz vorsichtig dargestellt. Das kam schon sehr staatstragend herüber, wobei ich es nun wieder schade finde, dass Tino Schopf nicht reden durfte. Aber das ist offenbar heute nicht nur ein Thema der Verkehrspolitiker, wie ich mit Blick auf die Rednerreihenfolge feststelle. Jetzt müssten Sie als Linke, wo Sie sich doch so geläutert fühlen seit der deutschen Einheit, genauso für die Umbenennung aller Karl-MarxStraßen und -Alleen in Berlin streiten.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Das tun sie aber nicht. Und da sage ich der Linken: Auch das macht deutlich, warum Sie diesen Streit auch noch aufwerten, zum Teil durch gespielte Empörung und auch durch Claqueure, die immer wieder etwas überkleben, aus „Mohrenstraße“ „Möhrenstraße“ machen und sich dagegen auftun. Genau diese Vergangenheit, die wir in unserer Stadt haben, fast 800 Jahre, rechtfertigt es auch, dass wir die schlimmen und die tragischen Ereignisse unserer Stadt abbilden. Deshalb halten wir als CDU-Fraktion von dieser Umbenenneritis gar nichts.

[Zuruf von Regina Kittler (LINKE)]

Die CDU-Fraktion bleibt dabei, wir werden weiter für den Namen „Mohrenstraße“ eintreten. Wie wir uns im Ausschuss verhalten werden, weiß ich nicht. Ich vermute, wir werden uns zu dem Antrag enthalten. Aber die parlamentarische Beratung in den Ausschüssen findet ja noch statt – zu meinem Bedauern, das ist mir gerade aufgefallen, gar nicht im Verkehrsausschuss.

[Heiterkeit]

Aber wie auch immer, seien Sie sicher, die Union wird weiter an der Seite der Mehrheit der Menschen übrigens auch in der Mohrenstraße stehen, die sagen: Lasst das doch bitte so sein mit der Mohrenstraße. – Denken Sie immer, wenn Sie gegen die Mohrenstraße antreten, an Karl Marx – das gerade an die Linke und Teile der SPD gerufen. Wenn Sie dann auch das fordern, dann wissen Sie, wie ernst und wie ehrlich Ihnen diese Umbenennungsfantasien, die Sie bei der Mohrenstraße haben,

wirklich sind. Werten Sie die AfD nicht damit auf, lassen Sie es einfach so, wie es ist! Es ist ein guter Name für diesen Fall. Und denken Sie 314 Jahre zurück! Nein, 304 Jahre, nein, doch 314 Jahre.

[Georg Pazderski (AfD): Die Grundrechenarten!]

Ich habe ein einfaches West-Berliner Abitur. Da müssen Sie mir viel nachsehen. –

[Heiterkeit]

314 Jahre sind es. Tradition und Geschichte gehören zu Berlin, und deswegen auch die Mohrenstraße. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Kittler. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Schon der Titel des Antrags zeigt ja die verschobene Wahrnehmung der AfD. Bei der Debatte um die Mohrenstraße geht es nicht um eine apolitische, diffuse Achtung der Berliner Geschichte, sondern um die Würde vieler Völker Afrikas und die Achtung ihrer Geschichte.

[Beifall bei der LINKEN]

Es geht nicht um ein Erinnern an Minderheiten, sondern ein Erinnern an die Verschleppung und Versklavung afrikanischer Menschen.

[Georg Pazderski (AfD): Durch Afrikaner!]

Das muss auch zur Beseitigung diskriminierender und rassistischer Bezeichnungen von Straßen, Plätzen und eben auch Bahnhöfen führen.