Protokoll der Sitzung vom 20.08.2020

Das muss auch zur Beseitigung diskriminierender und rassistischer Bezeichnungen von Straßen, Plätzen und eben auch Bahnhöfen führen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mohr?

[Heiterkeit]

Nein. – Worum es im Antrag geht, wird in der Begründung übrigens ganz klar. Mich wundert es nicht, dass sich die AfD gerade auf van der Heyden bezieht – ich weiß übrigens sehr wohl, wer der Mann ist –, der in einer seiner Publikationen behauptet, Afrikaner hätten zur Kolonialzeit mehr oder minder freiwillig den Weg nach Europa gefunden. Weil derselbe Historiker an anderem Ort zu dem Schluss kommt, dass die Straßenbezeichnung „Mohrenstraße“ zur Zeit der Entstehung überhaupt nicht rassistisch gemeint sei, sondern allenfalls exotisch, ist es

nach Meinung der AfD jetzt eben auch so. Und sie pseudophilosophiert da weiter, ich zitiere:

Die Bedeutung eines Wortes ergibt sich nicht aus vorgeblichen Gefühlen Einzelner, sondern aus dem Sprachgebrauch in der Gesellschaft.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vallendar?

Nein, danke! Von der AfD möchte ich keine Zwischenfragen.

„Vorgebliche Gefühle Einzelner“: Wen meinen Sie denn da? Das würde mich mal interessieren. Ich nehme an, Sie meinen schwarze Menschen. Und die sollen sich gefälligst nicht so haben, es ist halt der Sprachgebrauch der Gesellschaft. Da setze ich jetzt mal ein Zitat dagegen, weil mein Kollege Friederici schon Hannah Arendt anführte, die mit dem Autor des kommenden Zitats sehr verbunden war:

Was jemand willentlich verbergen will, sei es nur vor anderen, sei es vor sich selber, auch was er unbewusst in sich trägt: Die Sprache bringt es an den Tag.

Victor Klemperer, LTI – die Sprache des Dritten Reiches. Wenn ich sehe, wie einige hier im Haus herumfuchteln, fühle ich mich durchaus daran erinnert.

[Georg Pazderski (AfD): Haben Sie es denn gelesen, oder haben Sie es nur mitgekriegt?]

Selbstverständlich! – Wer diese Bücher liest und auch die Tagebücher von Klemperer – die empfehle ich Ihnen auch noch mal –,

[Georg Pazderski (AfD): Ich habe das alles gelesen!]

der wird Sprache neu überprüfen, auch die, die wir als Kinder vielleicht bedenkenlos oder arglos übernahmen.

[Georg Pazderski (AfD): Haben Sie auch Parallelen zur DDR gefunden?]

In ihnen wird klar, welche Auswirkungen der Sprachgebrauch auf das menschliche Denken und in der Folge auch auf das Handeln hat. Die Verwendung des Wortes „Mohr“ setzt schwarze Menschen herab, und diese empfinden das auch so. Sie fühlen sich in ihrer Würde verletzt.

[Georg Pazderski (AfD): Wir Weißen sagen jetzt, wie die Schwarzen fühlen! Das ist Rassismus, was Sie da sagen!]

Das allein reicht mir und reicht uns, um Artikel 1 des Grundgesetzes in Anwendung zu bringen und zu handeln. Ihr ganzes Geschwafel, auch Ihres, Herr Pazderski, über vorgebliche Gefühle Einzelner, ist so durchschaubar.

(Oliver Friederici)

Schwarze Sichtweisen werden als subjektiv, emotional oder irrational abgewertet, weiße hingegen, nämlich Ihre weißen, als nüchtern, objektiv und wissenschaftlich angesehen. Das ist Rassismus, was Sie hier betreiben.

[Georg Pazderski (AfD): Nein, was Sie machen, ist Rassismus!]

Das ist die Auswirkung von Kolonialamnesie.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Die Linksfraktion begrüßt im Gegensatz zur AfD die Initiative der BVG zur Umbenennung der U

Bahnhaltestelle. Die wird auch kommen, Herr Friederici. Da können Sie ganz sicher sein. Übrigens, weil Sie mit Ihrer Partei so gegen Umbenennungen sind – da lachen jetzt wirklich die Hühner –, erinnere ich mal an 1989 und die folgenden Jahre.

[Georg Pazderski (AfD): Mit Umbenennungen kennt sich Die Linke aus!]

Dieser U-Bahnhof hieß übrigens mal „Otto-GrotewohlStraße“. Den haben Sie umbenannt, bloß mal so zur Erinnerung.

[Martin Trefzer (AfD): Wollen Sie den zurück, Frau Kittler?]

Was für einen Namen ich möchte, sage ich Ihnen noch. – Wir begrüßen übrigens auch, dass in der BVV Mitte nach 16 Jahren Debatte endlich bei der Straßenumbenennung gehandelt werden soll, und dort findet die Debatte statt – übrigens auch mit der schwarzen Community und mit den Bürgerinnen und Bürgern.

[Franz Kerker (AfD): Fragen Sie mal die Anwohner, auch afrikanische Bürger, die haben da keinen Bock drauf!]

Wir, die Linksfraktion, schließen uns der Forderung von Zusammenschlüssen wie dem Afrikarat Berlin

Brandenburg, Berlin Postkolonial und der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland nach Umbenennung der Mohrenstraße und des gleichnamigen U-Bahnhofs an.

[Georg Pazderski (AfD): Scheinheilig!]

Ich unterstütze auch den Vorschlag, eine Benennung nach einer Persönlichkeit wie dem Gelehrten Anton Wilhelm Amo vorzunehmen, der im 18. Jahrhundert als Kind aus Ghana nach Preußen verschleppt wurde und sich für die Abschaffung der Sklaverei einsetzte. Und den Antrag der AfD werden wir selbstverständlich ablehnen, da können Sie hier schäumen, Herr Pazderski. Sie sind nicht die Mehrheit, Gott sei Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Georg Pazderski (AfD): Noch nicht!]

Bevor ich Herrn Förster von der Fraktion der FDP das Wort gebe, bitte ich, doch mal daran zu denken, dass wir hier mit entsprechendem Abstand sitzen und alle Zwischengeräusche hier sehr laut auch am Podium stören. Also wenn Sie Zwischengespräche haben, machen Sie es bitte draußen, hier drinnen bitte ich, es zu unterlassen. – Herr Förster, Sie haben jetzt das Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, da bin ich beim Kollegen Friederici: Die Debatte hätte heute hier nicht als Priorität sein müssen, zumal unsere Zuständigkeit ja wirklich nur am Rande zu erwähnen und sehr beschränkt ist. Insofern gäbe es wichtigere Themen, die in dieser Stadt zu diskutieren wären – jenseits der Tatsache, ob man dafür oder dagegen ist. Das würde ich gern vorwegnehmen.

[Beifall bei der FDP]

Und in der Tat – Frau Kittler hat die BVV mit angesprochen, die ist zuständig für die Straße, und die soll es dann von mir aus auch entscheiden. Allerdings ist es dann auch merkwürdig – wenn Sie hier entsprechend konkrete Namensvorschläge als Empfehlung geben, Sie sagen, die BVV Mitte sei zuständig, dann lassen Sie die doch auch entscheiden. Also es ist merkwürdig, zu sagen: Die sollen es machen, und wir geben aber Namen vor. – Das passt dann auch nicht zueinander, das will ich an der Stelle anmerken.

[Beifall bei der FDP]

Wir sind aber jetzt auch nicht bei der Diskussion: Was kann die BVG machen, was kann sie nicht? – Natürlich kann sie als Unternehmen ihre Haltestellen benennen, wie sie will, muss sich dabei aber auch an ihre eigenen Kriterien halten, und wenn die BVG dann eben die Kriterien so auslegt, dass sie hingebogen werden, geht das dann auch nicht.

Ich habe übrigens keinen Beleg dafür, um es auch ganz klar zu sagen, dass die Senatorin den BVG-Chef angerufen und gesagt hätte, er soll das tun. Der BVG-Chef ist nur leider eben Kaufmann und kein Historiker, er hat sich auch mit der Sache nicht beschäftigt. Seine Aufgabe ist es, U-Bahnen von Bussen zu unterscheiden, das macht er hoffentlich auch leidlich gut, aber er soll sich nicht in historische Debatten einmischen, das will ich auch ganz klar sagen. Und wenn er das macht, vorprescht und auf die Nase fällt, muss er dafür die Verantwortung übernehmen und kein anderer. Das will ich auch an der Stelle sagen, das ist dann nicht Aufgabe der Senatorin.

[Beifall bei der FDP]

(Regina Kittler)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mohr?

[Heiterkeit]

Bitte! Alles andere wäre ja diskriminierend.

Herr Mohr, Sie haben das Wort. – Bitte schön!

Endlich! Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie so tolerant sind und die Zwischenfrage zulassen. Was machen Sie denn – was sind Ihre Empfehlungen – mit den 300 Familien, die allein in Berlin den Namen Mohr tragen? Was empfehlen Sie denen? Sollen die sich auch alle umbenennen?

Ich habe ja nicht die Umbenennung der Mohrenstraße gefordert, auch nicht für meine Fraktion. Ich habe darauf hingewiesen, dass die Debatte heute hier entbehrlich ist. Selbstverständlich gäbe es dann eine ganze Reihe von anderen Namen, die man auch zur Diskussion stellen müsste, aber ich hoffe doch, dass Namen unter das Persönlichkeitsrecht fallen. Wenn sich jemand diskriminiert fühlt, kann er sich ja nach dem geltenden Personenstandsrecht auch umbenennen lassen, und wenn jemand das nicht möchte, darf er auch seinen Namen weiter tragen. Ich glaube, das muss man nicht staatlich regeln.