Protokoll der Sitzung vom 03.09.2020

[Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Ich meine damit Fußgängerinnen und Fußgänger, und beide Versionen sind übrigens offiziell zugelassen. Da sollten Sie einmal in die neueste Fassung hineinschauen – die Leute, die zu Fuß gehen. Schade, dass Sie da nicht auf

der Höhe der Zeit sind, aber das ist ja nicht das einzige Thema, bei dem Sie von der AfD das nicht sind.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Anne Helm (LINKE)]

Ich habe eben das Thema Verkehrssicherheit angesprochen. Mir ist es sehr wichtig, angesichts der fürchterlichen Unfälle – Raserunfälle, die in den letzten Tagen auf Berliner Straßen passiert sind – noch kurz darauf einzugehen. Dafür dass einzelne hochkriminelle Menschen ihr Auto, das mit 400, 500 PS ausgestattet ist, eigentlich nur dazu benutzen wollen, in der Stadt, wo viele Menschen leben, Rennen abzuhalten, zu rasen und wirklich vorsätzlich das Leben anderer Menschen zu gefährden, indem sie Rennen in der Stadt veranstalten, habe ich nun gar kein Verständnis. Es gibt drei wichtige Maßnahmen, wie wir dagegen vorgehen müssen. Erstens: deutlich mehr und verstärkte Kontrollen durch die Polizei. Zweitens: Es müssen mehr stationäre Blitzeranlagen installiert und vor allem auch die neuen mobilen Blitzeranlagen eingesetzt werden. Wir haben einen Parlamentsantrag dazu verfasst. Es kann nicht sein, dass ein Drittel dieser Blitzer in Berlin nicht funktioniert. Da müssen wir besser werden. Es gilt auch, die Strafverfolgung zu verbessern. Ich weiß, dass die Amtsanwaltschaft in Berlin dort sehr aktiv ist. Darin hat sie auch die volle Unterstützung. Wenn Sie mich fragen, hat jemand, der vorsätzlich ein Auto als Waffe benutzt, und zwar als lebensgefährliche Waffe, um Unschuldige nicht nur zu gefährden, sondern an den Rande des Todes zu bringen, kein Verständnis verdient, sondern dem gehört der Führerschein abgenommen, und zwar für immer.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Anne Helm (LINKE)]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Buchholz?

Des anderen Buchholz. – Bitte!

Ja, das wäre anders schlecht möglich.

[Heiterkeit bei der LINKEN]

Das wäre eine neue Variante, dass ich mir selbst mal eine Zwischenfrage stelle. Aber das ist leider nicht erlaubt.

Herr Christian Buchholz hat jetzt das Wort.

Das würde meine Redezeit aber verlängern. – Herr Kollege, bitte!

Meinen Sie, dass das die richtigen Maßnahmen sind, noch mehr Blitzer und dass alle Blitzer funktionieren? Trifft das nicht überwiegend normale Bürger, und sind nicht diejenigen, die mit 500-PS-Autos unterwegs sind, die meistens von irgendeinem Bruder oder Cousin ausgeliehen sind, eine ganz andere Gruppe von Tätern, wo eigentlich spezielle Maßnahmen getroffen werden müssten, auch bis hin zum Profiling? Müssten nicht auch diejenigen, die diesen jungen Fahrern die Autos zur Verfügung stellen, mit rangenommen werden?

[Anne Helm (LINKE): Profiling? Nach ethnischer Zugehörigkeit soll entschieden werden?]

Ich habe das Stichwort leider nicht verstanden, was Sie vorschlagen, um gegen die 500-PS-Idioten vorzugehen, aber ich kann Ihnen zwei Dinge dazu sagen: Erstens, dabei bleibe ich, es kann eigentlich nicht sein, dass jemand mit einem 500-PS-Auto durch die Innenstadt fährt oder gar rast. Ich glaube, darin sind wir zumindest einer Meinung. Ich habe Ihren konkreten Vorschlag dagegen nicht verstanden, ob Sie mit Drohnen darüber fliegen wollen oder andere Dinge tun wollen.

[Heiko Melzer (CDU): Das war ja auch eine Frage, kein Vorschlag! – Anne Helm (LINKE): Racial Profiling war die Frage!]

Sie haben den Begriff „normale Bürger“ verwandt. Die Frau, die vor wenigen Tagen fast zu Tode gefahren wurde, und ihre Tochter, haben wirklich mein Mitgefühl. Ganz normale Bürger werden durch andere gefährdet, die völlig unverantwortlich durch diese Stadt rasen, durch unser schönes Berlin. Dafür habe ich null Verständnis, und an dieser Stelle werde ich ausnahmsweise einmal zum Law-and-Order-Politiker und sage Ihnen: Gegen diese kriminellen Machenschaften müssen wir vorgehen. An dieser einen Stelle würde ich mir einmal Unterstützung von der AfD wünschen,

[Beifall bei der AfD]

die sonst immer für Law and Order ist, hier aber komischerweise nicht.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt das Wort Herr Abgeordneter Scholtysek.

(Daniel Buchholz)

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Buchholz! Für alle Maßnahmen, die Sie genannt haben, ist doch ausdrücklich Ihr Innensenator zuständig. Warum passiert denn da nichts? Das verstehe ich jetzt nicht, aber das ist eine andere Sache.

[Beifall bei der AfD]

Meine Damen und Herren! Völlige Bürgerferne, pathologischer Autohass und ideologische Umerziehung, das sind die drei Hauptkomponenten in der Handlungsweise der Berliner Senatorin, die immer noch zu Unrecht den Titel Verkehrssenatorin trägt. Genau in dieses Bild passt dieser Antrag wieder einmal hervorragend, die Priorität der Grünen: Hier das Auto, der ausgemachte Unheilsbringer für die Berliner Bevölkerung – ganz Berlin steht ja nach Ansicht der Grünen vor dem kollektiven Gifttod durch Feinstaub und Stickoxide –, und da der ÖPNV als strahlender Retter – vermeintlich emissionsfrei, wenn auch nur lokal. Denn der Auspuff eines Elektrobusses und auch der U-Bahn steht bekanntlich in der Lausitz, wo die Kohle abgebaut und der Strom hergestellt wird, der in Berlin dann lokal emissionsfrei verfahren wird.

[Daniel Buchholz (SPD): 100 Prozent Ökostrom, Kollege!]

Lokal emissionsfrei – dazu heißt es übrigens im Berliner Energie- und Klimakonzept 2030 sinngemäß: Diese lokalen CO2-Emissionen sind gemäß der statistischen Methodik und nach dem Territorialprinzip dann ausschließlich dem Land Brandenburg zuzurechnen. – Hervorragend! Hurra! – Nach dem Motto: Vor unserer Tür ist es sauber. Wie es woanders ist, ist uns scheißegal. Das ist Berlins grüne verlogene Politik.

[Beifall bei der AfD]

Trotz des Autoverkehrs ist die Berliner Luft übrigens so sauber wie noch nie seit 1989. Der Gehalt an Stickstoffoxid – NOx – ist seit 1989 um zwei Drittel zurückgegangen, und die zugehörigen Zahlen finden sich auch alle öffentlich, wenn auch versteckt, zugänglich im Berliner Umweltatlas. Diese Entwicklung geht weiter, allein durch immer effizientere Motoren und immer strengere Abgasvorschriften.

Nun aber soll sich Berlin am europaweiten autofreien Tag beteiligen, jedes Jahr am 22. September. Ich habe mal in den Kalender geschaut und festgestellt, das ist in diesem Jahr ein Dienstag und bis 2023 dementsprechend auch jeweils ein normaler Werktag. Das heißt, die Menschen müssen zur Arbeit und auch wieder zurück. Sie sollen dann den ÖPNV nutzen, und es sollen ihnen, wie es im Antrag heißt, „die Stärken des Umweltverbundes und die damit verbundenen Vorteile“ aufgezeigt werden. Die Stärken und Vorteile des Berliner ÖPNV, was soll denn das sein? Pünktlichkeit? – Wohl kaum. Zuverlässigkeit? – Da fällt mir spontan der Begriff Schienenersatzverkehr oder Ersatzverkehr für den Schienenersatzverkehr ein.

Sauberkeit? – Ein völliges Fremdwort. Sicherheit? – Da muss sogar der Senat auf eine Anfrage des Kollegen Lindemann zugeben, dass die Körperverletzungen, Nötigungen und Sexualdelikte allein von 2018 auf 2019 im ÖPNV um 12 Prozent angestiegen sind. Das sind also in Ihren Augen die Stärken und Vorteile des Berliner ÖPNV? Das ist eine Bankrotterklärung.

[Beifall bei der AfD]

Sie sind nicht in der Lage, den Menschen die Alternativen zum Auto anzubieten, die sie sich wünschen. Sie wollen die Berliner in völlig überfüllte, unhygienische, unzuverlässige und unsichere Busse und Bahnen zwingen, und das natürlich auch noch unter dem Zwang eines Mund-Nasen-Schutzes.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Meine Damen und Herren hier im linken Block! Glauben Sie wirklich, damit erreichen Sie auch nur einen einzigen Menschen, der bislang auf sein Auto angewiesen ist? Glauben Sie ernsthaft, damit erreichen Sie auch nur einen der Zigtausenden Pendler, die täglich gern ihr Auto am Rand der Stadt abstellen würden, es aber nicht können, weil es nicht genug Park-and-Ride-Parkplätze gibt? Glauben Sie wirklich, Sie erreichen damit die Menschen in den Außenbezirken, die schon jetzt gerne den ÖPNV nutzen würden, es aber nicht tun, weil die Taktung völlig unzureichend ist? – Sie verstehen überhaupt nicht, was die Bedürfnisse der Berlinerinnen und Berliner und der täglichen Pendler aus dem Umland sind. Ihnen geht es ausschließlich um Ideologie. Ihnen geht es um Vernichtung von Parkplätzen, Verengung von Straßen, Sperrung der Friedrichstraße – Sie haben es eben noch einmal gesagt –, Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit, Androhung einer City-Maut, Zwangsabgaben aller Berliner für den ÖPNV, Verteuerung von Parkausweisen. Ich könnte die Reihe endlos fortsetzen. Ich wiederhole gerne meine Anfangsworte: völlige Bürgerferne, pathologischer Autohass und ideologische Umerziehung. Das beschreibt Ihre Arbeit und Ihren Antrieb. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Herbert Mohr (AfD): Bravo!]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Ronneburg.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das war schon ein bunter Gemischtwarenladen heute in der Debatte zu unserem rot-rot-grünen Antrag. Jeder hat jetzt einmal seine Themen eingebracht in die Diskussion, hat das heute genutzt, um wieder einmal eine Generalabrechnung mit der Verkehrspolitik zu machen. Das ist alles legitim, kann man machen hier im Plenum. Vor allem ist es – jetzt an meinen Vorredner adressiert –

sehr bequem, es immer im Plenum zu machen. In den Ausschüssen hören und schauen ja nicht so viele zu. Ich erinnere mich noch sehr gut daran: Der Antrag ist in den Wirtschaftsausschuss und in den Verkehrsausschuss überwiesen worden. Es gab bei der Opposition keinerlei Regung, über diesen Antrag debattieren zu wollen, es gab eine einfache Abstimmung. So wichtig sind Ihnen die inhaltlichen Debatten in den Ausschüssen. Wir als rotrot-grüne Koalition hätten diesen Antrag natürlich gerne bequem schon längst beschließen können. Sie wollten es in den Ausschüssen noch weiter behandelt wissen, haben dann kein Interesse daran gehabt, und versuchen hier, sozusagen Ihre alte Leier durchzuspielen, wo Sie den Stab über die rot-rot-grüne Koalition brechen können. Das ist unsachlich. Das hat nichts mit einer sachbezogenen Politik zu tun,

[Frank Scholtysek (AfD): Das müssen Sie gerade sagen!]

und das, was Sie hier gerade vorgebracht haben, weise ich auf jeden Fall zurück, Herr Scholtysek.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Sie nehmen auch gar nicht unsere Debatten im Verkehrsausschuss über den Nahverkehrsplan zur Kenntnis, über den neuen Verkehrsvertrag mit der BVG über die Beschaffung von neuen Zügen für die Straßenbahn, für die U-Bahn, die zukünftigen Weichenstellungen für die SBahn. Das wischen Sie hier einfach so weg und versuchen, den Leuten etwas vorzumachen. Das ist ganz schnell demaskiert, Herr Scholtysek! Da brauchen Sie sich gar keine Sorgen machen.

An Herrn Friederici möchte ich die Adresse loswerden: Sie haben davon gesprochen, wir würden mit unserer Förderung des Radverkehrs Politik gegen die Mehrheit in dieser Stadt machen. Herr Friederici! Da bitte ich Sie wirklich darum, gerade als Vorsitzender unseres Ausschusses, einmal sachlich die Fakten zur Kenntnis zu nehmen und dabei auch zur Kenntnis zu nehmen, dass die wissenschaftlichen Befragungen zur Entwicklung des Modal Split ergeben haben, dass wir sehr wohl beim Radverkehr einen enormen Zuwachs haben: Der Anteil am Modal Split lag 2013 bei 13 Prozent, 2018 bei 18 Prozent. Im Vergleich dazu ist der MIV um 4 Prozent zurückgegangen von 30 auf 26 Prozent. Das heißt doch: Das sind reale Entwicklungen in dieser Stadt. Wir tun auch als rot-rot-grüne Koalition etwas dafür, dass diese Entwicklungen befördert werden, weil es eine Sackgasse ist, weiterhin auf den automobilen Individualverkehr zu setzen. Wir müssen viel stärker den Fuß-, den Radverkehr und den ÖPNV stärken. Von diesem Weg werden Sie uns auch nicht abbringen.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Daniel Buchholz (SPD) und Sabine Bangert (GÜRNE)]

Denn nur so können wir unsere Stadt zukunftsfähig gestalten.

Ich möchte noch einmal zu zwei ausgewählten Aspekten aus diesem Antrag etwas sagen. Es wird hier aus der autofreien Friedrichstraße wieder ein Politikum gemacht. Es ist völlig natürlich in solch einem Prozess, dass nicht alle einstimmig, alle Gewerbetreibenden, alle davon betroffenen Anrainer zustimmen, weil es eine politische und kulturelle Debatte ist, wie wir mit dem Auto umgehen und ob es der sichere Weg ist, für die Friedrichstraße solche Konzepte zu verfolgen, gerade in diesen unsicheren Zeiten. Wir sind mehrheitlich der Meinung, wir müssen diese Projekte auch als Chance nutzen. Wir werden uns als rot-rot-grüne Koalition sicherlich auch im Verkehrsausschuss – daran werden Sie sicherlich auch ein Interesse haben, gerichtet an die CDU – diese Zwischenergebnisse zu Gemüte führen und ganz klar daran ablesen können, ob dieser Versuch etwas für die Friedrichstraße bringt.

Dazu kann ich für meine Fraktion sagen: Wir bedanken uns sehr bei den Ideengebern, bei Herrn Lehmkühler und weiteren Unterstützern aus der Stadtgesellschaft, für ihr hartnäckiges Engagement und: Wir sind der Meinung, es ist wichtig, das auszuprobieren. Wir müssen Chancen ergreifen und nicht den Kopf in den Sand stecken.

[Beifall bei der LINKEN]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Scholtysek?