Protokoll der Sitzung vom 03.09.2020

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gebe Herrn Fresdorf recht: Fast nichts Schlimmeres ist in diesem Land im Jugendbereich passiert, als Kindern, die unter staatlicher Obhut stehen, in die Hände bekannter Straftäter zu geben, die sie dann jahrelang weiterhin missbrauchen und misshandeln. Etwas Schlimmeres haben wir noch nicht erlebt. Und es ist immer das Schlimmste, was Kindern passiert, wenn sie entweder in ihrem Nahbereich oder in Einrichtungen misshandelt und missbraucht werden. Das ist ein Thema, das uns weiter beschäftigen muss.

Wir stehen in der Pflicht, den Betroffenen – wir sprechen nicht von Opfern, sondern von Betroffenen, weil diese es selbst wollen, dass man sie nicht Opfer, sondern Betroffene nennt – zu helfen, und ja, auch mit einer erheblichen Summe, mit der wir als Land in der Schuld stehen.

[Beifall von Antje Kapek (GRÜNE)]

Da bin ich Frau Scheeres dankbar, dass sie genau das aufnimmt und auch die Verantwortung für das Land in der Öffentlichkeit übernommen hat. Wir alle bemühen uns, den Betroffenen zu helfen. Was wir nicht machen, ist, deren Leid politisch zu missbrauchen, um dann das eigene Süppchen zu kochen. Das finde ich widerlich. Da muss ich der AfD sagen: Das geht gar nicht – hören Sie auf damit!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Zu Herrn Simon von der CDU kann ich meiner Kollegin nur zustimmen und zum Jugendfördergesetz will ich da nichts hinzugeben. Aber Sie haben unter anderem, auch was die Berliner Polizei angeht, gesagt, dass sie ihren Job nicht richtig macht. Das ist völlig falsch, weil das LKA Berlin seit Jahrzehnten schon eine Vorreiterinnenrolle hat, Kindesmisshandlung und Kindesmissbrauch aufzudecken.

Wenn Sie im Internet mal zwei Minuten gegoogelt hätten, dann hätten Sie auf der Internetseite des LKA gefunden, dass die Abteilung 131 genau für das Thema Kinderpornographie zuständig ist. Dort wird auch beschrieben, wie man sich an sie wenden kann. Selbstverständlich sind sie auch mit den anderen ermittelnden Behörden entsprechend vernetzt.

Finde ich schade, dass Sie sich da die Mühe nicht gemacht haben und unsere Ermittlungskräfte noch mal in ein falsches Licht rücken.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von den GRÜNEN: Sehr gut!]

Ich möchte noch mal darauf hinweisen – darauf haben auch schon Kolleginnen hingewiesen –, dass hier zwei Dinge miteinander vermengt werden. Ich gehe noch einmal auf den Zehnpunkteplan ein:

Die ersten Punkte, das sind die Einzelfallgeschichten, wo wir alle Aufklärung und entsprechende Entschädigungen wollen.

Dann fordern Sie eine weitere Beforschung der Arbeit. Das ist in Arbeit. Auch Frau Scheeres hat öffentlich dargelegt, dass die Netzwerke viel größer sind, als sie berlinweit gewesen sind, und dass da sehr viel mehr, auch bundesweit, Forschung notwendig ist. Da sind wir dran.

In Punkt 5 wollen Sie ein Kinderschutzkonzept. Seit 2005 haben wir eine Regelung, den § 8a im SGB VIII. Ich weiß nicht, was Sie in den letzten 15 Jahren gemacht haben, nämlich jede Einrichtung der Jugendhilfe hat ein Kinderschutzkonzept. Das ist geltendes Recht seit 15 Jahren, und dort werden auch entsprechende Fachkräfte fortgebildet.

Wir haben das Netzwerk Kinderschutz in Berlin, das ist Vorreiter dafür in ganz Deutschland.

Wo wir noch nacharbeiten müssen, ist der Schulbereich, aber auch da haben wir im Haushalt Geld eingestellt. Da vermisse ich die Anträge, auch vonseiten der AfD, insbesondere in dem Bereich, Gelder in den Haushalt einzustellen. Wir machen das. Und: Ja, wir müssen im Schulgesetz da entsprechend nacharbeiten. Da finde ich den Antrag der CDU richtig, und da müssen wir in dieser Legislaturperiode noch was regeln.

Fortbildungsangebote für Richterinnen und Richter: Haben Sie mal bei der Justiz nachgefragt, was es an Fortbildungskonzepten und Angeboten gibt? – Die gibt es nämlich im Kinderschutz.

Das Strafrecht zu verändern: Auch da springen Sie auf einen fahrenden Zug, weil es auf Bundesebene längst diskutiert wird.

Worauf Sie überhaupt nicht eingegangen sind, sind die Bereiche Prävention, Beratung und Unterstützung für die Betroffenen. Auch da ist das Land Berlin Vorreiterin. Das hat uns der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung in der letzten Anhörung im Ausschuss für Jugend auch klar vorgelegt. Dafür hat diese Koalition in jedem Haushalt die Mittel erhöht.

Vielleicht passt Ihnen ja nicht, woher sozusagen die Träger, die hier engagiert sind, kommen. Die arbeiten nämlich seit über 30 Jahren in dem Bereich und kommen aus

einem progressiven Bereich. Das sind Feministinnen, die sich da engagiert haben, die sich schon vor 30, 40 Jahren mit dem Thema auseinandergesetzt haben, und die auch nicht für voll genommen wurden.

[Lachen von Franz Kerker (AfD)]

Das ist, wenn man zum Beispiel die Berliner Jungs anguckt, auch der queere Bereich, der da engagiert ist.

Vielleicht machen Sie sich mal ein bisschen schlauer und kommen demnächst mit entsprechenden Anträgen, damit wir da noch weiterkommen. Zum Beispiel im Bereich der Traumatherapien brauchen wir durchaus noch viel mehr Angebote sowie Therapeutinnen und Therapeuten.

Die Liste ist noch länger, aber machen Sie Ihre Hausaufgaben! In unserer Landesverfassung steht das Recht von Kindern ganz oben drin, das haben wir hier rein verhandelt, da waren Sie nicht dabei. Für uns gilt die UNKinderrechtskonvention, und selbstverständlich ist der Kinderschutz eins der wichtigsten Anliegen, die diese Koalition in diesem Land hat. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Dann hat der Abgeordnete Weiß die Gelegenheit zu einer Zwischenbemerkung.

Frau Kollegin! Auf einige Sachen muss man ja fast eingehen, weil die einfach nicht so stehenbleiben können.

Wir lassen uns ja viel gefallen, und jeder von uns hat sich im Laufe der Jahre wirklich ein sehr dickes Fell zugelegt, hinsichtlich der ganzen Vorwürfe, Anfeindungen, Diffamierungen, was man sich sonst alles in diesem Hause gefallen lassen muss. Aber wenn Sie ernsthaft uns als Familienväter, Mütter, Großväter die Empathie absprechen, ein ernsthaftes Interesse an der Aufklärung dieser Verbrechen zu haben und uns vorwerfen, wir würden das lediglich aus Instrumentalisierungsgründen tun, dann muss ich sagen: Dann tun Sie mir wirklich leid, denn ich weiß nicht, was in Ihrem Kopf vorgeht.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos), Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Dann möchte ich gerne auf Ihren Vorwurf eingehen, Sie hätten sich von uns Anträge gewünscht. Vielleicht ist mir irgendetwas entgangen, aber ich habe in Erinnerung, dass jeder Antrag in diesem Hause seit 2016, der sich mit diesem Thema beschäftigt, von der AfD-Fraktion kam. Ich kann mich nicht entsinnen, dass Sie oder Ihre Koalitionskollegen zu diesem Thema einen Antrag eingereicht

hätten. Vielleicht weisen Sie mich gerne noch einmal darauf hin.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos), Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos) – Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE): Im Haushalt, ja! – Zuruf von Sabine Bangert (GRÜNE)]

Da hätte ich mir dann von Ihrer Seite vielleicht mehr Initiative gewünscht. Da hätten Sie gerne vorgehen können. Wir hätten uns dann selbstverständlich angeschlossen.

Sie haben jetzt diesen Zehn-Punkte-Plan, den wir in unserem Antrag übernommen haben, zerpflückt. Herr Simon war offensichtlich der Einzige, der erkannt hat, dass das der Zehn-Punkte-Plan der Opfer war – denn uns gegenüber sagen die Betroffenen sehr wohl, dass sie Opfer genannt werden dürfen –, der übrigens per E-Mail an das Ausschussbüro gegangen ist und den sie per Twitter veröffentlicht haben. Dafür, dass Sie angeblich mit diesen Leuten in Kontakt stehen, bin ich überrascht, wie schlecht Sie informiert sind.

Wir haben nichts anderes getan, als diesen Forderungskatalog ins Plenum zu tragen und entsprechend die Forderungen der Opfer zu thematisieren. – Danke schön!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos), Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Dann hat die Kollegin Burkhard-Eulitz die Gelegenheit zur Erwiderung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie gehört, dass ich gesagt habe, dass Sie in den Haushaltsverhandlungen der letzten Jahre in diesem Haus keinen einzigen Antrag gestellt haben, um die Mittel für Prävention und Unterstützung von Menschen, die von sexuellem Missbrauch in ihrer Kindheit betroffen sind und waren, irgendwie zu erhöhen. Genau das habe ich gesagt und nichts anderes.

[Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]

Wir brauchen auch keine Belehrungen Ihrerseits, was den Kinderschutz in dieser Stadt angeht. Wir sind da, außer im Schulgesetz, gut aufgestellt und nach Aussagen des Herrn Röhrig Vorzeigeland in der gesamten Bundesrepublik. Das können Sie annehmen und vielleicht auch mal ein bisschen was lernen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der fraktionslose Abgeordnete Wild gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung einen Redebeitrag angemeldet. Die Redezeit beträgt bis zu drei Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Nicht nur das sogenannte Kentler-Experiment ist erschreckend und verstörend. Empörend ist, dass die theoretischen Grundlagen dieses staatlich organisierten Missbrauchs weiterhin Anerkennung finden. Die Weichenstellung für diesen Missbrauchsskandal bildete die von Helmut Kentler mitbegründete sogenannte emanzipatorische Sexualpädagogik. Sie wird von Elisabeth Tuider und anderen fortgeführt.

Was angeblich als Sexualaufklärung unseren Kindern dienen soll, macht unsere Kinder in Wahrheit nur wehrloser gegen sexuelle Gewalt. Ein Grundgedanke dieses Ansatzes ist, Kinder aktiv zu bestärken, die lustvollen Seiten des Körpers, der Sinne und der Berührungen mit sich selbst und anderen zuzulassen. Vorgeblich sollen die Kinder durch die Konfrontation mit der Welt der Erwachsenen in Sexualität lernen, Nein zu sagen. Die Verantwortung für dieses Neinsagen wird damit dem Kind aufgelastet. Die Schamgrenzen der Kinder werden überschritten, ihr Schutzraum wird verletzt. Die Zerstörung der Schamgrenzen und die Übertragung der Verantwortung auf das Kind, Nein zu sagen, sind beides Formen einer Zurüstung zum Kindesmissbrauch. Es sind typische Argumentationsfiguren der Pädophilenbewegung. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung sagt:

Es ist eine bekannte Täterstrategie, Kinder in Gespräche mit sexuellen Themen zu verwickeln, ihre schützenden Widerstände mit falscher Scham abzutun. Bei Mädchen und Jungen, die Grenzüberschreitungen gewohnt und deshalb desensibilisiert sind, haben die Täter ein leichtes Spiel.

Nichts anderes betreibt Elisabeth Tuider: Tuider verlangt von Kindern – wohlgemerkt, von Kindern, nicht von Jugendlichen –, sie sollten ihre Lieblingsstellung zeigen, Puffs planen und nachdenken, wo der Penis noch stecken könnte. Im Vorwort ihres Buches bezieht sich Tuider auf Helmut Kentler. Frau Dr. Tuider lehrt als Professorin an der Uni Kassel. Neben dem Sex mit Kindern geht es dabei um Genderdiversität und Post-Colonial-Studies. Das ist schwer zu ertragen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos), Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Ursula Enders vom Verein Zartbitter äußerte zu Tuider: Eine Sexualpädagogik der Vielfalt, die mit sexuell grenzverletzenden Methoden arbeitet, sei Etikettenschwindel. – Dem Kampf gegen diese übergriffige Sexualpädagogik hat sich der Zusammenschluss „Demo für alle“ verschrieben, #KentlerGate, am 8. September, 15 Uhr vor dem Roten Rathaus. – Frau Scheeres, suchen Sie doch mal das Gespräch!

Ein Kentler-Opfer sagt:

Diese Sexualerziehung, die den Pädosexuellen das schlechte Gewissen nimmt und Kinder ausliefert, ist im Kern heute noch da. Darin ist eine Anleitung zum Missbrauch, auch wenn das heute kaum einer versteht.

Als das Jugendamt Steglitz die Macht über das Sorgerecht unbedarfter Kinder erhielt, amtlich getrennt vom Schutz durch die Verwandtschaft, schnappte für viele Kinder die Falle zu. Akten, die Aufklärung bieten, liegen allesamt im Berliner Archiv. Ich fordere die lückenlose Aufklärung dieser unsäglichen Menschenexperimente! – Danke!