Oh, Entschuldigung! Der Ordnung halber wiederhole ich die Abstimmung, damit alle korrekt abstimmen können.
[Antje Kapek (GRÜNE): Vielen Dank, liebe FDP! – Frank-Christian Hansel (AfD): Das war eine Anbiederungsnummer!]
Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? – Das sind die AfD-Fraktion sowie die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die FDP- und die CDU-Fraktion. Damit ist der Antrag angenommen.
Im Interesse der Lüftung dieses Raumes werden wir jetzt die Sitzung für eine halbe Stunde unterbrechen. Wir setzen fort um 16.35 Uhr.
Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Annahme einer Entschließung Drucksache 18/3012
Der Dringlichkeit haben Sie bereits eingangs zugestimmt. In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Frau Jarasch! Sie haben das Wort.
Es ist doch keiner da. Gut, zumindest meine beiden wichtigsten Senatorinnen sind anwesend. – Soll ich beginnen, Herr Präsident?
Ja, sonst kommen die Kolleginnen und Kollegen sowieso nicht herein. Ich finde das, ehrlich gesagt, auch dem Thema gegenüber unangemessen.
[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Burkard Dregger (CDU)]
Das ist eine Priorität der Koalition. Da würde ich zumindest erwarten, dass auf dieser Seite des Hauses einige Leute mehr da sind.
Diejenigen, die da sind, brauchen sich jetzt nicht angesprochen zu fühlen. – Frau Jarasch! Wir machen Folgendes: Ich läute jetzt noch einmal den Gong, aber dann ist auch gut.
Sehr geehrter Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über ein Thema, das uns in den letzten Tagen sehr nahegerückt ist, obwohl es sich an den Außengrenzen der EU abspielt, auf der griechischen Insel Lesbos. Ich habe gestern noch mit einem Berliner Freiwilligen telefoniert, der sich dort um Geflüchtete kümmert, die das Lager Moria nach den Bränden verlassen haben und mit ihren letzten Habseligkeiten auf der Insel herumirren. 100 Beamte der griechischen Riot Police hindern die Menschen daran, sich der Hauptstadt der Insel zu nähern,
Essen und Medizin gibt es nur im neuen Lager an der Küste. Die Zelte sind hinter hohen Stacheldrahtzäunen zu sehen, und sie sind leer, obwohl die Regierung Asylpa
piere für alle verspricht, die sich in das neue Camp begeben. Denn nichts fürchten die Menschen offenbar so sehr wie ein zweites Moria.
Moria ist eine Katastrophe mit Ansage. Im Namen von Kontrolle und Grenzsicherung wurden inhumane Zustände so lange hingenommen und immer weiter verschärft, bis die Situation komplett außer Kontrolle geraten ist. Das ist ein Offenbarungseid für die bisherige europäische Asylpolitik und für europäische Solidarität. Statt Geflüchtete aus den griechischen Lagern zu holen und auf die anderen Mitgliedstaaten zu verteilen, hat die EU die Situation in Moria bewusst hingenommen, um allen in der Türkei gestrandeten Geflüchteten zu demonstrieren: Macht euch nicht auf den Weg. Wer hier landet, kommt nicht mehr weiter.
Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin produziert in Berlin derzeit einige, darunter auch einige unnötige, Konflikte. Wir wissen aber um unsere Verantwortung für das, was sich gerade an Europas Grenzen abspielt. Ich bin stolz darauf, dass sich Berlin an die Spitze der deutschen Länder und Kommunen gesetzt hat, die Geflüchtete aus Moria aufnehmen wollen,
Es ist eine ständig wachsende Bewegung, und sie hat eine breite zivilgesellschaftliche Unterstützung.
Im Übrigen handelt es sich auch nicht um einen deutschen Sonderweg. Palermo und Amsterdam, Neapel, Ljubljana, Zürich, Barcelona, Kommunen überall in Europa sind bereit aufzunehmen. Wir erwarten deshalb von der deutschen Ratspräsidentschaft, dass sie diese Signale endlich ernst nimmt und ein solidarisches, europäisches Asylsystem mit menschenrechtlichen Standards auf den Weg bringt.
Mit dem Antrag, den wir heute beschließen wollen, fordern wir Bundesinnenminister Seehofer auf, mehr Menschen aus den griechischen Lagern zu holen. Angesichts der deutlich höheren Aufnahmebereitschaft der Bundesländer, sind auch die 1 500 Menschen noch halbherzig, auf die sich Kanzlerin Merkel und Seehofer endlich verständigt haben.
Wie ernst unsere eigene Aufnahmebereitschaft in Berlin gemeint ist, hat vor wenigen Tagen Innensenator Andreas Geisel mit seiner Reise nach Griechenland gezeigt. Wir wollen die Berliner Landesaufnahmeanordnung
erneut dem BMI vorlegen, zusätzlich begründet durch die verschärfte humanitäre Lage nach dem Brand. Wir wollen weitere Spielräume in geltendem Recht nutzen, die eine Aufnahme ohne Zustimmung des Innenministers vorsehen.
[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Christian Buchholz (AfD): Wie viele nehmen Sie denn in Ihrer persönlichen Wohnung auf?]
Bundesinnenminister Seehofer hat sich in den letzten Monaten immer nur durch den Druck von Ländern, Kommunen und Zivilgesellschaft bewegen lassen. Lange wollte er gar nicht aufnehmen, dann 48, dann 928, jetzt 1 500 Menschen aus Moria. Gleichzeitig versucht er alles, um diesen Druck loszuwerden, denn die Bereitschaft von Ländern, aus humanitären Gründen aufzunehmen, versteht er als Angriff auf die bundespolitische Hoheit in der Migrationspolitik, dabei ist sie im Bundesaufenthaltsgesetz ausdrücklich vorgesehen. Wenn wir als Land Berlin daher gegen die Ablehnung unseres Landesaufnahmeprogramms klagen, und ich hoffe das wir das tun, geht es auch um die Verfasstheit unseres föderalen demokratischen Systems.
Denn das föderale System gibt den Ländern eine hohe Eigenverantwortung. Manche Prozesse sind sicher dadurch komplexer zu steuern als in einem Staat, der zentralistisch durchregieren kann. Aber durch die föderalen Rechte der Länder gibt es in Deutschland auch ein System von Checks und Balances. Wie nötig das ist, zeigt sich gerade dieser Tage im Umgang mit den Geflüchteten aus Moria. – Ich danke Ihnen!