Protokoll der Sitzung vom 01.10.2020

Kommen wir einmal zu den Tatsachen zurück. Übrigens, die ganze Thematik ist nicht neu, die besteht schon seit 2015. Erstens: Wenn wirklich eine akute Gefahr für Leib und Leben bestehen würde, warum hat die Polizei die Fotos, die schon vom 11. Juli stammen und wohl Mängel dokumentieren, erst am 21. September an das Bezirksamt übermittelt?

[Burkard Dregger (CDU): Was soll das denn heißen?]

Warum konnte man sich zwei Monate lang Zeit lassen, wenn sofortiges Handeln angeblich doch notwendig ist? – Ich sage Ihnen, warum: Weil wohl keine akute Gefährdung für Leib und Leben vorliegt. Das sieht anscheinend die Polizei auch so, und falls dies doch anders bewertet wird, dann ist dringend zu untersuchen, warum die Polizei diese Gefährdung nicht umgehend mitteilte.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Katalin Gennburg (LINKE)]

Aber seien Sie beruhigt. Es gab gestern bereits einen Termin, bei dem der neue Sachstand bewertet wurde,

[Burkard Dregger (CDU): Oh! Immerhin!]

und dieser Termin wurde bereits vereinbart, bevor es zu der Berichterstattung der letzten Tage kam.

Zweitens: Die Pflicht zur Überprüfung von Mängeln liegt bei Wohnhäusern beim Eigentümer und nicht beim Bezirk, wie Sie alle übrigens wissen sollten.

[Stefan Evers (CDU): Das hat doch mit Ersatzvornahme nichts zu tun!]

Der Eigentümer muss den ordnungsgemäßen Zustand seines Hauses sicherstellen. Aber, wie Sie auch wissen sollten und dieses entscheidende Detail auch immer wieder verschweigen, sind die Eigentumsverhältnisse der Rigaer 94 eben nicht geklärt. Die Vertretungsberechtigten haben deshalb bereits mehrere Prozesse verloren. Die Eigentümerstruktur weist darauf hin, dass es sich um einen Londoner Fonds handelt, aber selbst dem Senat ist der Eigentümer unbekannt. Leider kann man hier im Haus feststellen, dass je lauter hier kritisiert und geschrien wird, desto mehr verteidigen Ihre Fraktionen im Bundestag, Herr Dregger, genau diese Rechtslage der Eigentumsverschleierung. Recht hat der Innensenator, wenn er nicht mit jemandem verhandeln will, von dem er nicht weiß, wer das ist.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Frau Schmidberger! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit von der AfD zulassen.

Nein, der hatte seine Redezeit heute. – Recht hat der Innensenator.

Genau, ich habe noch eine schöne Geschichte für Sie. 2018 hat sich ein Mann aus der Ukraine als Eigentümer bei der Rigaer ausgegeben, wohl aus dem Milieu der organisierten Kriminalität, wollte dann selber aber nicht mit der Polizei sprechen, um das final zu klären.

[Ronald Gläser (AfD): Haben Sie was gegen Ukrainer? – Georg Pazderski (AfD): Rassismus!]

Warum wohl nicht? Wer kommt hier seiner rechtsstaatlichen Pflicht also nicht nach und warum?

[Zuruf von der AfD: So wie bei der DIESE eG!]

(Paul Fresdorf)

Gibt es da mafiöse Strukturen, die hinter der Immobilie stecken, oder weshalb will oder kann man die Eigentumsberechtigung nicht nachweisen?

[Burkard Dregger (CDU): Welches Märchen erzählen Sie da? – Zuruf von der AfD: Sie stecken da drin!]

Fordern Sie ernsthaft, Herr Dregger, dass das Bezirksamt dazu missbraucht wird, den angeblichen Eigentümern und Vertretern ihre Pflicht des Eigentumnachweises zu ersparen?

[Zuruf von Holger Krestel (FDP)]

Wenn Sie also in Ihrer Begründung von Gesetzlosigkeit, Ohnmacht des Rechtsstaates in der Causa Rigaer Straße 94 schreiben, dann muss ich feststellen, dass die Seite, die rechtlich nicht sauber ist, es aber schnell klären könnte, und bei der die eigentliche Verantwortung liegt, die Eigentümerseite ist. Auf die berufen Sie sich hier. Wie seriös von Ihnen!

Drittens: Sie suggerieren in Ihrem Antrag, es hätte rechtswidrige Anordnungen durch das Bezirksamt gegeben. Das ist schlicht falsch. Die in der Presse erwähnte Anweisung an die Bauaufsicht war, dass sich die Verwaltungsspitze vorbehält, jeweils im Einzelfall eine Abwägungsentscheidung zu treffen. Es ist ganz normal, dass es hier einen Ermessensspielraum gibt. Dieser Weg ist rechtlich ausdrücklich vorgesehen. Zudem ist bei der Rigaer Straße der schnellste Weg zur Beseitigung der Brandmängel eben leider nicht der Eigentümer, sondern es sind die Bewohner, denn die Aufforderung des Bezirksamts an einen Vertreter, den sogar die Gerichte nicht anerkennen, würde einfach ins Leere laufen. Die Bewohner haben die entsprechenden Aufforderungen auch befolgt, und deren Anwalt hat sie belegt. Dieses Vorgehen des Stadtrats wurde auch vom Rechtsamt des Bezirks bestätigt und wird vom Bezirk übrigens seit über fünf Jahren so gehandhabt. Guten Morgen, Herr Dregger! Das wusste damals übrigens auch schon Herr Henkel. Im Übrigen sehen wir der Prüfung durch die Bezirksaufsicht positiv entgegen. Sie wird zur rationalen Aufklärung beitragen.

Viertens: Sie behaupten, es wären 2017 brandschutzgefährdende Mängel festgestellt worden,

[Karsten Woldeit (AfD): 2016!]

die durch Einflussnahme des Bezirksamts ignoriert worden seien. – Die Aktenlage, auf die Sie sich ja selbst berufen, gibt das aber so nicht her. Denn natürlich war zum Beispiel der Schornsteinfeger im Haus.

[Burkard Dregger (CDU): Das hat gar nichts zu sagen!]

Dieser gab auch einen Bericht an die Bauaufsicht ab, die laut Ihrer Behauptung ja nicht tätig werden durfte, der im Ergebnis keine die Brandsicherheit beeinträchtigende Mängel feststellte.

[Burkard Dregger (CDU): Das sind Grimms Märchen, die Sie erzählen!]

Auch ist es so, dass zwar 2017 ein Mitarbeiter des Bezirksamtes remonstrierte – und zwar nur ein Mal und nicht dauerhaft, wie Sie es immer darstellen –, nachdem es aber 2018 eine Vor-Ort-Besichtigung durch den selben Mitarbeiter der Bauaufsicht gab, erfolgte kein Remonstrieren mehr,

[Stefan Evers (CDU): Gibt es den Mitarbeiter noch?]

was in den Medienberichten, die ich bisher gelesen habe, leider nicht erwähnt wurde.

Noch etwas Grundsätzliches, was aber mit dem Brandschutz und dieser Debatte hier eigentlich nichts zu tun hat, zum Thema Gewalt. Gerade als Linke ärgert es mich,

[Karsten Woldeit (AfD): Ich dachte, Sie sind eine Grüne!]

wenn Leute berechtigte linke Forderungen durch Gewalt diffamieren. Wir Grünen lassen uns nicht unterstellen, dass wir rechtswidriges oder undemokratisches Verhalten dulden

[Stefan Evers (CDU): Nein!]

oder gar gutheißen.

[Zuruf von der FDP: Nee!]

Wir verurteilen, dass Menschen andere Menschen angreifen und dafür sorgen, dass nicht alle friedlich und in Ruhe zusammenleben können. Die Gewalttaten beziehungsweise Straftaten sind nicht hinnehmbar und müssen rechtsstaatlich verfolgt werden. Das macht man aber nicht mit der Bauaufsicht, Herr Dregger, das macht man mit der Polizei.

[Ah! von der CDU]

Und das macht die Polizei auch.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Aber andererseits muss man hier feststellen, Ihnen geht es doch eigentlich auch gar nicht um den Brandschutz in der Rigaer, der ist Ihnen doch völlig schnuppe. Sie wollen nur skandalisieren,

[Zurufe von Burkard Dregger (CDU), Stefan Evers (CDU) und Paul Fresdorf (FDP)]

statt eine Problemlösung, mit der Sie, liebe CDU, ja selbst nicht weiterkamen in der letzten Legislaturperiode. Sie wollen die wahren Gründe, weshalb das so ist, also die Verschleierung von Eigentum in Deutschland und das Waschen von Mafiageld aus der ganzen Welt hier in Berlin, ja nicht angehen. Deshalb verschweigen Sie dieses Problem immer und immer wieder.

[Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Deshalb werfen Sie auch Nebelkerzen und versuchen abzulenken. Sie wollen ein Berlin mit Sperrstunde, Pickelhaube

[Lachen bei der AfD]

und dem Recht des Reichen. Aber seien Sie doch wenigstens ehrlich und sprechen Sie das auch so aus. Und übrigens, Herr Dregger, so langsam frage ich mich wirklich, über was Sie eigentlich reden würden, wenn es Florian Schmidt nicht gäbe. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von Burkard Dregger (CDU)]