Protokoll der Sitzung vom 09.03.2017

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es wird die Überweisung des Gesetzesantrags an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, Digitale Verwaltung, Datenschutz, Informationsfreiheit und zur Umsetzung von Artikel 13 Abs. 6 GG sowie § 25 Abs. 10 ASOG empfohlen. – Ich höre keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.

Ich komme nun zur

lfd. Nr. 7:

Gesetz zum Zwanzigsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/0177

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. – Es wird die Überweisung der Gesetzesvorlage an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien und an den Hauptausschuss empfohlen. – Ich höre keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.

Tagesordnungspunkt 8 war die Priorität der AfD-Fraktion unter der lfd. Nr. 3.1.

Ich komme zur

lfd. Nr. 9:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges bei der Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Landes Berlin (UZwG Bln)

Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/0179

Ich eröffne die erste Lesung. In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion. – Bitte, Herr Vallendar, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute wieder ein Thema aus dem Bereich der inneren Sicherheit. Wie bereits bei der Ablehnung der Videoüberwachung zeigt die rot-rot-grüne Koalition mal wieder, dass sie bereit ist, nichts Halbes und nichts Ganzes zu machen. Sicherheitspolitik aktiv gestalten – Fehlanzeige! Lieber abwarten und alles so lassen, wie es ist! Laissez-faire anstatt Law-and-Order-Politik lautet die Maxime. Der Berliner wird sich bei weiter dahinsiechendem Sicherheitsgefühl herzlich dafür bedanken.

Die flächendeckende Einführung des sogenannten Distanz-Elektroimpulsgerätes – im Volksmund auch Taser genannt – schleppt sich weiter dahin. Auf meine parlamentarische Anfrage vom 13. Dezember 2016, wann der Senat die Einführung der Taser als Einsatzmittel für die Berliner Polizei im allgemeinen Streifendienst durchführen werde und wie der Zeitplan diesbezüglich aussehe, fiel die Antwort ernüchternd aus: Ein zunächst auf drei Jahre angelegter Probelauf solle stattfinden, in zwei Polizeiabschnitten für jeweils zehn Beamte.

Zu der Frage, ob man eine Änderung des § 2 Abs. 4 UZwG Berlin plane, welche die Distanz-Elektroimpulsgeräte behandle, und wenn nein, warum nicht, fiel die Antwort ebenfalls unbefriedigend aus. Nein, man plane es nicht. Der Taser werde weiterhin als Schusswaffe qualifiziert.

Kritik daran kommt von der Gewerkschaft der Polizei. Ihr Sprecher Benjamin Jendro sagte dem RBB im Februar 2017:

Das Problem ist, dass der Taser der Schusswaffe gleichgestellt ist, und dann kann er keine Alternative darstellen. Wir brauchen ihn als zusätzliches Hilfsmittel, damit er langfristig die Lücke zwischen Pfefferspray und Schusswaffe schließen kann.

[Beifall bei der AfD]

Hamburg verabschiedete im Juni 2005 ein neues Polizeigesetz, das unter anderem auch die Einführung von Taser-Waffen vorsieht. Nach der Novellierung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes vom 14. Dezember 2005 sind nach Artikel 61 neben Schlagstock, Pistole, Revolver, Gewehr, Maschinenpistole, Handgranate auch Elektroimpulsgeräte und vergleichbare Waffen als Waffen der bayerischen Polizei zulässig.

Wir schreiben mittlerweile das Jahr 2017, und in Berlin ist man immer noch dabei, sich zu überlegen, umfangreiche Tests eines längst in anderen Bundesländern getesteten und bewährten Einsatzmittels durchzuführen.

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

(Benedikt Lux)

Und einer gesetzgeberischen Pflicht zur Novellierung der polizeilichen Vorschriften will der Senat anscheinend auch nicht nachkommen – und das, obwohl in jüngerer Vergangenheit schon mehrfach tödliche Schüsse von Berliner Polizeibeamten auf Menschen für Schlagzeilen gesorgt haben. Durch den Einsatz von polizeilichen Schusswaffen sind im Jahr 2016 zwei Personen verstorben. Im März letzten Jahres wurde bei einem Polizeieinsatz gegen eine Einbrecherbande ein verdächtiger Mann erschossen. Im September letzten Jahres wurde bei einer Auseinandersetzung in einer Asylbewerberunterkunft in Berlin-Moabit ebenfalls ein Asylbewerber erschossen, weil er einen mutmaßlichen Vergewaltiger seiner Tochter mit einem Messer angreifen wollte.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schlüsselburg?

Ja, ich gestatte eine Zwischenfrage.

Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Kollege! – Sie haben jetzt verschiedene Bundesländer aufgezählt, die aus Ihrer Sicht da schon weiter sind als das Land Berlin. Stimmen Sie mir zu, dass es sich beim Tasereinsatz um einen nicht unerheblichen Grundrechtseingriff handelt und es deswegen Gebot vernünftiger und sorgfältiger Politik ist, nicht irgendwelche Schnellschüsse vorzunehmen, sondern sich in Ruhe und gegebenenfalls auch mit Pilotphasen genau zu überlegen, ob man diese Praxis dauerhaft einführen möchte oder nicht?

Ein schwerwiegender Grundrechtseingriff ist auch der Griff zur Schusswaffe. Das muss man mal klarstellen. Wenn der Polizist dann ein milderes Mittel zur Verfügung hätte – und das ist der Taser halt, wenn man nicht gerade herzkrank ist, was natürlich ein Risiko darstellt –, ist doch vollkommen klar, dass der Taser, bevor man eine Projektilwaffe verwendet, dafür die ideale Wahl ist. Deswegen ist es auch richtig, ihn einzuführen. Außerdem haben die Spezialkräfte ihn ja schon ausprobiert.

Wir haben auch ein Beispiel hier in Berlin gehabt: Im Juni 2013 wurde ein bewaffneter und geistig verwirrter Mann am Neptunbrunnen auf dem Alexanderplatz von der Polizei erschossen. Im Gegensatz dazu gelang es im September 2016 am Alexanderplatz der Polizei, einen offenbar lebensmüden Ägypter zu überwältigen, indem

sie ihn mit einem Taser ruhigstellte. Demnach besteht auch dringender Handlungsbedarf für die Berliner Politik. Die flächendeckende Einführung des Tasers auch im Streifenvollzugsdienst muss unverzüglich geschehen, und die gesetzlichen Normen müssen dementsprechend angepasst werden, damit der Taser auch eine Alternative zur Schusswaffe darstellt.

[Beifall bei der AfD]

Da sich die Alternative für Deutschland immer für Alternativen einsetzt, bitten wir um Unterstützung unseres Gesetzesantrages im Ausschuss für Inneres. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Für die SPD-Fraktion jetzt der Kollege Zimmermann!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Vallendar! Sie verlangen hier eine flächendeckende Einführung des Tasers im Land Berlin.

[Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Diese Forderung von Ihnen habe ich bisher noch von niemand anderem gehört, auch nicht aus der Polizei und auch nicht von sonstigen Innenpolitikern. Das ist wirklich ein Alleinstellungsmerkmal, das Sie hier haben. Das werden wir sicherlich nicht tun.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Ihre Logik, dass Sie sagen, dass es hier bedauerlicherweise mehrere Todesfälle aufgrund polizeilichen Schusswaffengebrauchs gegeben hat und dass deswegen für diese Fälle der Taser geeignet ist und in jedem Fall hätte vorliegen und anwendbar sein müssen, ist eine äußerst begrenzte Logik, um es vorsichtig zu sagen. Denn es steht sehr infrage, ob in all diesen Fällen der Taser tatsächlich das geeignete Instrument gewesen wäre. Sie behaupten das so schlankweg, aber auch das – Entschuldigung! – ist keine Begründung für Ihren Antrag.

Wir werden prüfen, ob nach der Einführung und nach der Anwendung des Tasers beim SEK, wo er seit längerer Zeit schon vorhanden ist, auch eine Anwendung im täglichen Dienst Sinn machen kann. Deswegen werden wir eine Erprobungsphase starten. Sie ist gestartet, und es wird in drei Jahren getestet, ob sich das in zwei Abschnitten bewährt oder nicht. Das machen wir auch ohne Ihren Antrag. Das ist bereits beschlossen, das ist vorbereitet, und das wird dann hier im Hause erneut aufgerufen werden, um es zu überprüfen. Auch insofern braucht es Ihren Antrag nicht, um in dem Punkt voranzukommen.

(Marc Vallendar)

Es geht jetzt aber hier auch gar nicht so sehr um die Frage, ob wir den testen oder nicht, sondern auf welcher Grundlage und ob es dazu einer Änderung des ASOG oder des UZwG bedarf oder nicht. Da muss man erst mal festhalten, dass der Taser im rechtlichen Sinne natürlich kein Hilfsmittel der körperlichen Gewalt ist. Das ist schon mal klar, sondern er ist entweder eine Schusswaffe oder eine Waffe. Darüber sind wir uns einig. Also Waffe oder Schusswaffe? Der Taser ist ein Distanz-Elektroimpulsgerät, das mittels Druckgas oder Treibladung an Drähten geführte Elektroden verschießt. Verschießt! Das heißt, man kann sehr wohl – und da gibt es auch eine gefestigte Meinung – unter der Anwendung des geltenden Rechts, wo Schusswaffen geregelt sind – im UZwG –, dieses Gerät als Schusswaffe einstufen. So tut es auch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift in diesem Fall, die übrigens von Herrn Henkel aktuell im letzten Jahr noch mal erneuert wurde, sodass genau diese DistanzElektroimpulsgerät als Schusswaffen anzusehen sind, solange deren Gebrauch nicht speziell im Gesetz geregelt ist. Es ist also bisher schon – auch bei der Anwendung durch ein SEK – und auch künftig bei der Erprobung im täglichen Dienst auf der Grundlage des geltenden Rechts möglich, dieses Gerät als Schusswaffe rechtlich einzustufen und damit eine gesicherte Rechtsgrundlage für die handelnden Polizeibeamten zu haben. Deswegen werden wir auf dieser Rechtsgrundlage und nicht auf einer geänderten Rechtsgrundlage diesen Probelauf starten.

Ich will aber noch mal auf den entscheidenden Punkt hinweisen, den auch Herr Jendro angesprochen hat und den auch Sie angesprochen haben, nämlich die Frage, ob es nicht von Nachteil für die handelnden Polizisten ist, dass der Taser die gleichen rechtlichen Bedingungen hat wie die Schusswaffe – wie eine Pistole.

Kollege Zimmermann! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Wild und von Herrn Kollegen Woldeit von der AfD?

Ich würde gern diesen entscheidenden Gedanken im Zusammenhang darstellen. Deswegen passt es jetzt leider nicht. Entschuldigung! Das können wir später machen.

Es geht uns darum, dass der Gebrauch der Schusswaffe, der Pistole, der Dienstwaffe, nicht dadurch erschwert werden darf, dass dem Polizisten am Ende der Vorwurf gemacht wird: Warum hast du nicht vorher den Taser genommen? Es war doch das mildere Mittel. Warum hast du schon die Schusswaffe genommen? – Das darf nicht passieren, und deshalb ist es eher von Vorteil, dass es nicht vorher rechtlich eine Extra-Kategorie Taser gibt – andere Voraussetzung, geringere Voraussetzungen, bevor du die Schusswaffe nimmst. Deswegen macht es sehr viel

Sinn, von den gleichen rechtlichen Voraussetzungen auszugehen.

Der Taser ist ein milderes Mittel zur Schusswaffe. Die Schusswaffe muss angewendet werden können. Es muss dem Polizisten beides möglich sein. In einer besonderen Situation – verwirrter junger Mann, aggressiv, gewaltbereit, vielleicht auch noch besoffen, fuchtelt mit einem großen Messer herum – darf er notfalls schießen. Da kann es aber auch sinnvoll sein, den Taser als milderes Mittel zu nehmen – unter den Bedingungen, unter denen sonst auch ein Schusswaffengebrauch möglich wäre. Das ist die Erwägung, warum wir sagen: Es ist für die Handelnden wahrscheinlich besser, die gleichen rechtlichen Bedingungen zu haben und nicht eine Extra-Kategorie, wie Sie sie wollen. – Deswegen vermute ich, dass Ihr Vorschlag nicht zielführend ist. Wir werden das aber im Einzelnen beraten. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]