Protokoll der Sitzung vom 09.06.2022

Wahl der oder des Bürger- und Polizeibeauftragten

Wahl Drucksache 19/0364

Die Koalitionsfraktionen schlagen Herrn Dr. Alexander Oerke zur Wahl vor. Er sitzt auf der Tribüne, und ich darf ihn sehr herzlich begrüßen.

[Allgemeiner Beifall]

Die Fraktionen haben sich auf eine Wahl mittels einfacher Abstimmung durch Handaufheben verständigt. Wer Herrn Dr. Oerke zu wählen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die FDP-Fraktion und die AfD-Fraktion. Gegenstimmen? – Gegenstimmen der CDU-Fraktion! Damit ist Herr Dr. Oerke zum Bürger- und Polizeibeauftragten gewählt. Herzlichen Glückwunsch!

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der LINKEN, der AfD und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich rufe auf

lfd. Nr. 19

Wahl der/des stellvertretenden Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses zur Untersuchung des Ermittlungsvorgehens im Zusammenhang mit der Aufklärung der im Zeitraum von 2009 bis 2021 erfolgten rechtsextremistischen Straftatenserie in Neukölln

Wahl Drucksache 19/0279

Die AfD-Fraktion schlägt Herrn Abgeordneten Antonin Brousek zum stellvertretenden Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses vor. Vorgesehen ist eine Wahl mittels einfacher Abstimmung durch Handaufheben. Wer Herrn Abgeordneten Brousek zum stellvertretenden Vorsitzenden zu wählen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die AfD-Fraktion. Gegenstimmen? – Gegenstimmen der Koalitionsfraktionen und der FDPFraktion! Enthaltungen? – Enthaltungen der CDUFraktion! Damit ist Herr Abgeordneter Brousek nicht zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.

Tagesordnungspunkt 20 steht auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 21:

Weiterbau der A 100 nicht länger blockieren!

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Mobilität vom 27. April 2022 Drucksache 19/0334

zum Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 19/0287

Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, diesen Vorgang zu vertagen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Die Tagesordnungspunkte 22 bis 24 stehen auf der Konsensliste.

(Vizepräsidentin Cornelia Seibeld)

Ich rufe auf

lfd. Nr. 25:

Strafvollzug in Berlin auf die Höhe der Zeit heben – Baumaßnahmen in JVA Tegel wieder aufnehmen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Antidiskriminierung vom 18. Mai 2022 Drucksache 19/0368

zum Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 19/0175

In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP und hier der Kollege Krestel. – Bitte schön!

[Unruhe]

Meine Damen und Herren! Bevor der Kollege Krestel das Wort bekommt, könnte hier wieder ein bisschen Ruhe einkehren. – Danke schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte anwesende Damen und Herren! Wir legen heute diesen Antrag zur Abstimmung vor, weil wir uns um die Qualität und weniger auch um die Quantität der Unterbringung rechtskräftig verurteilter Menschen im Land Berlin Sorgen machen. Aber auch der Gedanke an unser bauhistorisches Erbe spielt hier eine Rolle. Die Justizvollzugsanstalt Tegel ist so ziemlich die bekannteste und historisch wertvollste Vollzugsanstalt in Deutschland. Hier droht historisches Erbe durch Unterlassung verloren zu gehen.

Wenden wir uns aber dem Hauptproblem zu: In der 17. Wahlperiode wurde die Teilanstalt 1 in Tegel abgerissen und der Neubau vorbereitet beziehungsweise durch das Gießen einer Bodenplatte sogar schon begonnen. Dieses Vorhaben wurde zu Beginn der 18. Wahlperiode durch den Senator Herrn Dr. Behrendt kassiert, und es folgte eine Wahlperiode Stillstand in dieser Angelegenheit. Nun, nachdem wir diesen vorliegenden Antrag eingebracht hatten, versicherte uns die jetzige Justizsenatorin Frau Prof. Dr. Kreck, dass in der vorigen Wahlperiode zwar keine Neuschaffung von Haftkapazitäten Bestandteil der Koalitionsvereinbarung war; es wäre jedoch schon in der vergangenen 18. Wahlperiode nicht um die Neuschaffung von Kapazitäten gegangen, sondern um den Ersatz von Haftkapazitäten, die uns durch Verfall und weil zahlreiche Hafträume nicht mehr den letztlich menschenrechtlichen Standards entsprachen verloren zu gehen drohten. Dies hat Berlin nicht nur mindestens 4 Millionen Euro gekostet, sondern dieser Stillstand hat auch den weiteren Verfall der alten Teilanstalten 2 und 3 begünstigt.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit?

Bitte, gerne!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Vielen Dank, Herr Kollege Krestel! Sie haben ja gerade von dem Teilabriss gesprochen, und wenn ich mich richtig erinnere, durfte dieser Abriss aus denkmalschutzrechtlichen Gründen nur erfolgen, wenn ein in Art und Form gleicher neuer Bau entstehen konnte. Finden Sie es genau wie ich sehr befremdlich, dass der grüne Justizsenator gegen diese Bauaufsichts- und Denkmalschutzauflagen in fünf Jahren komplett verstoßen hat?

Ich habe meine Meinung dazu ja auch in der letzten Wahlperiode schon verschiedentlich geäußert und möchte hier gern in die Zukunft blicken. – Ich kürze jetzt ab, weil meine Redezeit beendet ist: Wir sind inzwischen, wie Frau Senatorin Kreck uns in der Sitzung des Fachausschusses versicherte, wieder daran, diesen Bau eventuell fortzusetzen, befinden uns jedoch im Stadium einer sogenannten Vorstudie, was bedeutet, wir sind jetzt wieder – wer die Verwaltungsabläufe im Land Berlin kennt – ganz an den Anfang zurückgefallen. Das können wir so nicht hinnehmen. Der Berliner Senat braucht hier eine klare Wegweisung des Parlaments. Deswegen bitten wir um die Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die SPD-Fraktion hat Kollege Dörstelmann jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag adressiert einige wichtige Punkte, das will ich gar nicht bestreiten und direkt voranstellen. Mit der wichtigste ist der, dass wir für eine menschenwürdige Unterbringung der Strafgefangenen im geschlossenen Vollzug sorgen wollen und müssen.

[Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Das ist uns eine echte menschliche Verpflichtung, es ist uns aber auch vorgeschrieben. Dafür werden wir sicherlich in der JVA Tegel einiges verändern müssen: Massiv muss investiert werden in eine Neuausrichtung der Zelleneinrichtung, und es müssen noch viele andere Schritte gegangen werden.

(Vizepräsidentin Cornelia Seibeld)

An der Stelle muss ich aber eines sagen: Der Verlauf der Belegungsstatistiken – Sie kennen die von gestern – gebietet eigentlich einen solchen Neubau aktuell nicht mehr. Wir haben in Berlin nach der Statistik vom 8. Juni 2022 knapp 400 freie Plätze im geschlossenen Vollzug. Ich glaube auch, wenn man sich umguckt, wenn Sie Brandenburg, die Haftanstalt Neuruppin-Wulkow kennen, wenn Sie Heidering kennen, dann führt der Weg in eine andere Richtung. Dass man Gebäudebestand erhalten muss, ist sicher richtig, aber wenn man jetzt eine Teilanstalt 1 eins zu eins wieder aufbaut, so wie Sie es ein bisschen haben anklingen lassen, dann werden wir die Bedarfe nicht treffen.

[Holger Krestel (FDP): Nicht eins zu eins!]

Offen ist – das will ich an der Stelle auch mal sagen –, ob möglicherweise die Encrochat-Verfahren wieder zu einer Zunahme des Haftbedarfs führen werden. Das kann ich mir durchaus vorstellen. Da sind Haftstrafen zu erwarten, es sind viele Verfahren, aber ich glaube, das sollten wir abwarten, bis es soweit ist und bis wir das erkennen können. Es wird etwa mit Anklageerhebung der Fall sein, dass man da bestimmte Rückschlüsse ziehen kann. Bis dahin sollten wir allerdings daran arbeiten, die vorhandenen Teilanstalten in Tegel zu ertüchtigen und auf einen Standard zu bringen, der neben dem Vollzug der Strafe vor allem auch eines ermöglicht: eine vernünftige Resozialisierung.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Denn das muss unser Ziel sein. Das ist bei einem so alten Gebäude wie der Haftanstalt in Tegel nicht einfach, das weiß ich. Da sind, glaube ich, 1898 diese Gebäude zum ersten Mal in Betrieb genommen worden. Trotzdem ist die Resozialisierung nur mit modernsten Mitteln möglich, und in diese sollten wir an der Stelle investieren. Das bedeutet nicht unbedingt weitere Hafträume in einer Teilanstalt 1. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die CDU-Fraktion hat Kollege Herrmann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir brauchen moderne Vollzugsanstalten mit guten und sicheren Arbeitsbedingungen für die Justizvollzugsbeamten und für die Bediensteten im Justizvollzug, aber auch mit rechtskonformen Unterbringungsmöglichkeiten für die Gefangenen; das ist eben angeklungen. Das sollte Konsens sein.

Wenn ich mir dann den Sanierungsbedarf in den Justizvollzugsanstalten anschaue

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

ich habe nur 3 Minuten! –, liegen wir bei 657,8 Millionen Euro, Tendenz steigend. Als Bauunterhaltung stehen derzeit jährlich Mittel von 20,9 Millionen Euro zur Verfügung. Wenn also der Sanierungsstau stehen bleiben würde, brauchen wir 33 Jahre und haben ihn dann abgebaut. Der wächst aber weiter. Auch das ist ja eben schon angeklungen. Entsprechend dringend ist also neben der Sanierung auch der Neubau von Gebäuden, damit wir in der Zeit der Sanierung der Haftanstalten, der Teilanstalten 2 und 3, eben die Gefangenen auch vor Ort unterbringen können. Da widerspreche ich dem Kollegen Dörstelmann ausdrücklich. Hier steht der zu Beginn der 18. Wahlperiode eingestellte Neubau der Teilanstalt 1 in der Justizvollzugsanstalt Tegel ganz oben auf dem Programm. Wir unterstützen daher den Antrag der FDP ausdrücklich,