Protokoll der Sitzung vom 21.03.2024

[Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Linksfraktion hat die Kollegin Eralp das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Ich bin sehr froh darüber, dass wir heute am Internationalen Tag gegen Rassismus eine Aktuelle Stunde dazu haben, denn wir müssen dringend reden und handeln. Hintergrund ist, dass am 21. März 1960 von der Polizei auf gegen das Apartheidregime in Südafrika Demonstrierende geschossen wurde und 69 schwarze Menschen getötet und etliche verletzt wurden, weswegen die UN diesen Tag zum Tag gegen Rassismus erklärten. Dieser Tag mahnt uns, dass wir wachsam sein müssen und uns der Einteilung von Menschen in mehr und weniger wert, ob aufgrund von Hautfarbe, vermeintlicher Herkunft, Religion, aber auch Staatsbürgerschaft und Aufenthaltsstatus, immer entgegenstellen müssen, und zwar nicht nur heute, sondern an jedem Tag.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Rassismus ist auch heute und auch in Deutschland tödlich. Erinnert sei an den NSU-Komplex, wo die Täter jahrelang mordend durch Deutschland zogen, ohne belangt zu werden, im Gegenteil, in rassistischer Weise fokussierten sich die Ermittlungen gegen die Opferfamilien, und der sogenannte Verfassungsschutz finanzierte die rechte Szene mit, war sogar an einem der Tatorte anwesend und schredderte später wichtige Akten.

Erinnert sei auch an den antisemitischen und rassistischen Terroranschlag von Halle und an den rassistischen Terroranschlag von Hanau, wo die Polizei anschließend Gefährderansprachen bei Opferangehörigen durchführte – diese sollten sich nicht beim Vater des Täters rächen –, weil sie offensichtlich meinte, dass das in migrantischen Milieus üblich sei.

Erinnert sei auch an den Neukölln-Komplex, bei dem unser Kollege Ferat Koçak und seine Familie nur durch Glück überlebten, und an die unaufgeklärten Verwicklungen dort von Berliner Polizeibeamten mit der rechten Szene. Einer von ihnen verprügelte gar einen afghanischen Geflüchteten und ist immer noch nicht aus dem Dienst entfernt.

In Deutschland zählten zivilgesellschaftliche Organisationen seit 1990 219 Todesopfer rechter Gewalt. Laut dem Verband der Beratungsstellen kam es 2022 bundesweit zu über 1 000 rassistischen Gewaltvorfällen. Auch in Berlin wurden 300 rechte Gewalttaten erfasst.

Daher sei an dieser Stelle allen Organisationen für ihr unermüdliches Engagement und die Unterstützung von Opfern von Rassismus gedankt.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

(Raed Saleh)

Die genannten Zahlen sind auch im Hinblick auf die deutsche Geschichte erschütternd. Jedes Menschenleben, das aufgrund von Rassismus vernichtet wurde, ist eines zu viel. Jeder Gewaltvorfall ist einer zu viel, aber auch jeder Tag, an dem Menschen aus rassistischen Gründen der Alltag erschwert wird und an dem sie erniedrigt werden, ist einer zu viel. Sei es, dass hidschabtragende Frauen mit Kopftuch auf der Straße bespuckt werden oder schwarze Menschen bei der Wohnungssuche diskriminiert werden.

Rassismus ist weit verbreitet und zwar nicht nur bei der extremen Rechten, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft, nicht nur in Form von individuellem Rassismus, sondern auch in Form von institutionellem und strukturellem Rassismus, den die CDU hier eben wieder mal geleugnet hat.

Er schlägt sich in diskriminierenden Gesetzen und Behördenpraktiken nieder, ob durch das Aufenthaltsgesetz, das Arbeitsverbote und Abschiebungen vorsieht, oder durch rassistische Polizeikontrollen. Auch dagegen müssen wir entschieden vorgehen!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! – Stattdessen werden aber auch aus den Reihen dieser Koalition rassistische Debatten befeuert.

Herr Wegner! Im letzten Plenum haben Sie gemeint, Sie sähen keinen Grund, sich für die rassistische Vornamensabfrage der CDU zur Silvesterdebatte im letzten Wahlkampf zu entschuldigen. Das sei ja nun schon 15 Monate her. Aber die Berlinerinnen und Berliner mit Migrationsgeschichte, die übrigens knapp 40 Prozent der Bevölkerung ausmachen, haben diese öffentliche Demütigung auch nach 15 Monaten nicht vergessen und verdienen eine Entschuldigung!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Maik Penn (CDU)]

Durch die Übernahme von Forderungen und Sprache der extremen Rechten wird das gesellschaftliche Klima verschärft und nicht, wie manche meinen, der AfD der Boden entzogen. – Trotzdem fordern Sie, Herr Wegner: Mehr Abschiebungen, mehr Migrationsbegrenzung und ein Machtwort des Kanzlers für stigmatisierende Bezahlkarten! Ich befürchte, dass Sie bald auch die Arbeitspflicht für Geflüchtete fordern, wie Ihre CDU-Kollegen aus Thüringen, Sachsen-Anhalt oder Ihr CDU-Vize Linnemann.

[Zuruf von Maik Penn (CDU)]

Auch zu all dem sagen wir: Stopp! Hören Sie endlich auf, Geflüchtete zum Problem zu erklären und zu kriminalisieren. Das ist Butter auf das Brot der AfD und anderer Rechter!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Stattdessen sollte diese Koalition endlich ihre Hausaufgaben machen. Die Hälfte der Beschwerdefälle bei der LADG-Ombudsstelle sind aufgrund rassistischer Zuschreibungen und davon die meisten bei der Polizei. Trotzdem haben Sie das noch im R2G-Koalitionsvertrag verabredete Vorhaben für ein ausdrückliches Verbot von Racial-Profiling und ein Kontrollquittungssystem gecancelt. Dabei braucht es eigentlich die Abschaffung der anlasslosen Kontrollen.

Bei dem Thema möchte ich an den kürzlich verstorbenen Biplab Basu erinnern, dessen Kampf dagegen weit über Berlin hinaus reichte, sogar bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Im Anbetracht der Proteste in Deutschland nach dem Polizeimord an George Floyd sagte er: Ich freue mich, dass so viele Menschen jetzt über rassistische Polizeigewalt sowie institutionellen und strukturellen Rassismus sprechen und gegen die Politik der Verleugnung auf die Straße gehen.

Auch ich habe mich damals gefreut und ein Zeitfenster gesehen, um antirassistische Politiken umzusetzen, was mich zu meiner Kandidatur für das Abgeordnetenhaus bewogen hat. Jetzt stehen wir mit dieser von der CDU angeführten Koalition leider woanders. Auch andere Empfehlungen des vom Vorgängersenat eingesetzten Gremiums zu antischwarzem Rassismus werden nicht umgesetzt, beispielsweise die Weiterförderung des Lehrgangs Intersectional Black Studies an der TU, wo uns kürzlich im Antidiskriminierungsausschuss Expertinnen und Experten von der Verzweiflung schwarzer Studierender berichteten und davon, als wie verletztend sie die Streichung von antischwarzem Rassismus im neuen Koalitionsvertrag in der Community empfanden.

Eine zentrale Empfehlung der Expertinnen- und Expertenkommission gegen antimuslimischen Rassismus war die Abschaffung des durch das Neutralitätsgesetz bewirkten Kopftuchverbots für Lehrkräfte, was die SPD jahrelang blockierte und was die jetzige Koalition trotz jüngster eindeutiger Verfassungsgerichtsentscheidung immer noch nicht umsetzt.

Zum Thema antimuslimischer Rassismus kann ich übrigens eine aktuelle Studie von Dr. Mustafa empfehlen, die im Auftrag des beim Bundesinnenministerium angesiedelten Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit erfolgte. Dort wird angeprangert, dass demokratische Parteien Diskurse der extremen Rechten übernehmen. Vor allem bei der CDU wird das Problem gesehen. Bei ihr seien Muslime eindeutig die Anderen, und es herrsche eine klare Tendenz zur Pauschalisierung.

In der Studie heißt es auch, ich zitiere: Die einzige Partei, die ohne antimuslimische Narrative und Bedrohungsszenarien auskommt, ist Die Linke. Gegen Muslimfeindlichkeit, vor allem bei der AfD, bezieht sie am entschiedensten Stellung. – Das hat mich natürlich

[Maik Penn (CDU): Wahnsinnig gefreut!]

gefreut. Aber auch für uns enthält sie Verbesserungsvorschläge, die wir uns zu Herzen nehmen. Das kann ich nur allen hier empfehlen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Diese Koalition hat übrigens trotz der historischen Verantwortung auch den ebenfalls noch im R2G

Koalitionsvertrag verabredeten Einsatz für ein Bleiberecht für Roma und Romnija, die europaweit und in Deutschland mit am meisten von Rassismus und Diskriminierung betroffen sind, gestrichen. Sie sind übrigens auch besonders von Ausbeutung betroffen, wie auch sehr viele andere Menschen mit Migrationsgeschichte in Berlin, die im Niedriglohnsektor arbeiten.

Mehr als doppelt so viele Menschen mit Migrationsgeschichte gegenüber denjenigen ohne leben in Berlin an der Armutsrisikogrenze. Die soziale Frage ist daher immer mitzudenken, und insgesamt muss eine gute antirassistische Politik intersektional sein, und es muss ressortübergreifend zu Antidiskriminierung gearbeitet werden.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Dass ein Senat divers ist, reicht nicht. Entscheidend ist, dass antirassistische Politik gemacht wird. In unserem heute vorliegenden Antrag haben wir dazu viele Vorschläge gemacht, und ich hoffe, dass wir in der anstehenden Enquete-Kommission bei diesen Themen weiterkommen.

Zur AfD will ich nicht viel mehr sagen. Sie gehört nach meiner Meinung verboten, weil sie als aktuell größte Gefahr für die Demokratie anzusehen ist.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Aber große Sorgen macht mir, ob die Brandmauer der CDU steht. – Wenn ich sehe, dass Sie in Thüringen gemeinsam mit der AfD Gesetze durchbringen, wenn ich sehe, wie

[Zuruf von Maik Penn (CDU)]

beispielsweise in Cottbus gemeinsame Anträge gegen Geflüchtete eingebracht werden.

Mit allen demokratischen Kräften, die bereit sind, gegen den Faschismus aufzustehen, wollen wir zusammenarbeiten, aber wer ihre Sprache und Forderungen übernimmt, mit ihnen zusammenarbeitet oder gar, vielleicht, künftig koaliert, der darf sich nachher nicht wundern, warum die AfD so mächtig wurde und weiter an ihren Deportationsplänen arbeitet.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Robert Eschricht (AfD)]

Für uns bleibt klar: Antifaschismus und Antirassismus sind unser aller Pflicht, denn „Nie wieder!“ ist jetzt! – Danke!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Trefzer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute vor genau 64 Jahren, am 21. März 1960, zogen mehrere Tausend schwarze Südafrikaner aus Protest gegen die Rassentrennung in ihrem Land zum örtlichen Polizeirevier im Township Sharpeville, circa 50 Kilometer südlich von Johannesburg. 51 Männer, 8 Frauen und 10 Kinder wurden erschossen, als die Polizei das Feuer eröffnete. Mehrere Hundert Menschen wurden verletzt; Vorredner von mir hatten das angesprochen.

Dieser Tag markierte den Anfang vom langen Ende des südafrikanischen Apartheidstaates und wurde aus Anlass des 6. Jahrestages 1966 von den Vereinten Nationen zum Internationalen Tag gegen Rassismus erklärt.

Seit 1995 wird der 21. März in Südafrika als Tag der Menschenrechte begangen. Ich selbst habe 1996/97 hautnah in Kapstadt und Johannesburg miterleben dürfen, wie das neue Südafrika nach dem Ende der Apartheid Gestalt annahm. Bei aller Aufbruchsstimmung, die damals dort herrschte, hat sich mir doch der Eindruck einer entlang ethnischer Linien tief gespaltenen Gesellschaft eingeprägt. Es war bei allem Wohlwollen spürbar, dass das Erbe wechselseitiger Vorurteile und wechselseitiger Verwünschungen nicht leicht zu überwinden sein würde. So etwas wünschte ich mir für Deutschland nicht und war froh, dass es solche Zustände bei uns hier nicht gab.

[Beifall bei der AfD]