Protokoll der Sitzung vom 21.03.2024

[Zuruf von Christian Gräff (CDU)]

Wir stecken fest bei der Verkehrswende, wir stecken fest beim Klimaschutz, und vor allem stecken wir fest bei der Verkehrssicherheit. Nicht zuletzt, und darüber reden wir heute, stecken Busse und Straßenbahnen im Stau fest, und das, obwohl uns der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, versprochen hat: Wenn er gewählt wird, wird er Berlin wieder funktionieren lassen.

[Christian Gräff (CDU): Genau!]

Das heißt dann aber, dass er den ÖPNV, wie im Koalitionsvertrag versprochen, attraktiver machen müsste. Das Gegenteil ist der Fall. Dieser wird kategorisch ausgebremst, und das muss sich nun wirklich ändern.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Tobias Schulze (LINKE) – Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Das ist jetzt auch nicht einfach nur eine Behauptung, sondern gemessen hat sich in den letzten Monaten die Durchschnittsgeschwindigkeit von Straßenbahn und Bus noch einmal erheblich verringert.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Das kostet uns nicht nur Fahrgäste, das kostet uns alle Zeit und Nerven, aber vor allem erhöht es den Perso

(Frank-Christian Hansel)

nalbedarf, und das bei gleichzeitig steigendem Frust der Fahrerinnen und Fahrer. Statt also Busspuren abzubauen oder zu beklagen, brauchen wir endlich mehr Busspuren, und wenn Sie jetzt behaupten, das ginge nicht, die StVO und so weiter, sage ich Ihnen: Selbstverständlich geht das, mindestens als temporäre Maßnahme in der Rushhour, denn das würde dem Nahverkehr tatsächlich Priorität einräumen, statt ihn auszubremsen, Herr Melzer.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Anne Helm (LINKE)]

Statt also die Fahrpläne wegen des steigenden Personalmangels immer weiter auszudünnen, sollte vielleicht der Personalbedarf gesenkt werden, indem wir den Bus- und Straßenbahnverkehr konsequent bevorzugen, wenn es um Ampelschaltungen geht, denn jeder Kilometer, den wir an Durchschnittsgeschwindigkeit dazu gewinnen, bedeutet 100 Fahrerinnen und Fahrer weniger, die für den Betrieb benötigt werden. Das nimmt nicht nur Druck von der BVG, das senkt auch den Stress beim Fahrpersonal, und es erhöht die Pünktlichkeit im ÖPNV und macht ihn damit, wie in Ihrem Koalitionsvertrag versprochen, attraktiver. Das sollte also auch ganz in Ihrem Sinne sein.

Natürlich können Sie sich jetzt hinstellen und sagen: Ja, die BVG ist doch zuständig –, aber ganz so einfach ist es dann nicht, denn erstens ist die BVG ein Landesunternehmen und sollte als solches selbstverständlich auch für gute Arbeitsbedingungen sorgen, und zweitens kann hier der Senat vor allem selbst tätig werden, wie zum Beispiel durch die Schaffung und Einrichtung von Busspuren, durch die Vorrangschaltung von Ampeln oder durch das Aufstellen von Toiletten in Warteschleifen. Das wäre dann mal echtes Machen, statt immer nur mit dem Finger auf andere zu zeigen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Katalin Gennburg (LINKE), Anne Helm (LINKE) und Kristian Ronneburg (LINKE)]

Dazu gehört auch die gemeinsame Erarbeitung von Schutzkonzepten für Fahrerinnen und Fahrer. Dazu gehört aber auch, dass man sich vor allem erst einmal der Aufgabe annimmt und nicht vor der Verantwortung drückt.

Wir alle wissen: Die technische Umsetzung braucht Zeit, aber bis dahin könnte man wenigstens mal konsequent kontrollieren, denn es kann ja wohl nicht sein, dass 50 Menschen, die gemeinsam in einem Bus sitzen, zu spät kommen, nur weil eine einzelne Person der Meinung ist,

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

sie müsste eine Busspur als Parkplatz benutzen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Christian Gräff (CDU): Fahrradfahrer oder was?]

Das ist wieder ganz hohes intellektuelles Niveau. Ich bin begeistert.

Ein gutes Miteinander geht nur mit gutem ÖPNV, und dafür müssen Sie aufhören, Busse und Bahnen auszubremsen. Ein erster Arbeitsschritt für Sie wäre es, gute Arbeitsbedingungen für das Personal zu schaffen, denn zufriedenes Personal schafft einen guten ÖPNV, und damit schaffen wir alle gemeinsam ein klimagerechtes Berlin. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Zuruf von den GRÜNEN: Bravo!]

Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Kraft das Wort.

Verehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste und Zuschauer! Zunächst mal, Frau Kapek: Ich schätze das, was Sie beschrieben haben, mit dieser Verquickung zwischen Verdi, Fridays for Future und der BVG ehrlicherweise deutlich anders ein.

[Katalin Gennburg (LINKE): Ach nein! Sehr überraschend!]

Ich sehe das deutlich kritischer. Ich kann Ihnen eines sagen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass den BVGMitarbeiterinnen und -Mitarbeitern diese Aktion hilft, zum einen.

Zum Zweiten: Sie haben über Zuständigkeiten gesprochen, aber wie so oft auch hier nicht wirklich vollständig. Die Senatsverkehrsverwaltung ist zuständig für die Verkehrspolitik. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe ist zuständig für die innere Ausrichtung der BVG, und, jetzt wird es wichtig, die BVG und ihr Vorstand ist zuständig für die Erfüllung der Verträge mit dem Land Berlin, für die Führung der Geschäfte und vor allem für die Erbringung der Verkehrsleistungen. Das ist ursächliche Aufgabe der BVG, und insbesondere der Vorstand der BVG ist zuständig für die Personalfragen. Dass da in der Vergangenheit eine ganze Menge schiefgelaufen ist, muss ich Ihnen nicht erzählen, das wissen Sie, zumindest die, die sich für das interessieren, was im Rahmen des ÖPNV und insbesondere der BVG passiert. Diese Versäumnisse der Vergangenheit führen übrigens dazu, dass es inzwischen eine sehr hohe Quote von Verfrühungen gibt, und zwar, um die Situation für die Mitarbeiter zu verbessern. Das Ganze wird auf dem Rücken der Fahrgäste ausgetragen, denn ein zu früh kommender Bus ist quasi einer, den ich nicht mehr erreiche und der für mich dann gefühlt ausfällt.

Das Thema Pausenzug – sicherlich ein Feinschmeckerthema – wird inzwischen bei der BVG als normal angesehen. Das bindet Kapazitäten sowohl des Personals als auch des rollenden Materials.

(Antje Kapek)

Und – das haben Sie auch nicht angesprochen – aktuell laufen Tarifverhandlungen, zwar zunächst zum Manteltarifvertrag und dann folgen die Entgelttarifverhandlungen, aber auch das alles wird Thema zwischen denen sein, die zuständig sind, nämlich zwischen der BVG als Arbeitgeber und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der BVG.

Unsere Erwartung an die BVG ist ganz klar: Wir wollen, dass man sich strategisch besser ausrichtet. Und wir wollen selbstverständlich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einen klasse Job machen, deutlich bessere Arbeitsbedingungen. Das ist unsere Erwartungshaltung an die BVG und an den Vorstand. Ehrlicherweise bin ich ziemlich guter Hoffnung, nachdem der Vorstand jetzt komplettiert wurde, dass wir damit einen guten Schritt vorankommen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Dann kommen wir mal zu den Punkten, die Sie aufgeschrieben haben. Da geht es beispielsweise um Mitarbeitergewinnung. Jetzt sage ich Ihnen mal, was wir gemacht haben – das haben Sie vorhin nicht getan – in dem Wissen, dass wir ein Busfahrermangelproblem haben, in dem Wissen, dass es eine riesige Konkurrenz auf dem Markt gibt, in dem Wissen, dass bei der BVG viel zu wenige Ausbildungskapazitäten vorhanden sind. Wir haben in diesem Doppelhaushalt 1 Million Euro ausschließlich und zweckgebunden für die Mitarbeitergewinnung und für die Berufsausbildung der BVG eingestellt. 1 Million Euro! Wir haben mit der BVG – es ist nicht lange her – verhandelt, dass es einen weiteren neuen Ausbildungsstandort Ost gibt. Und es gibt die Bundesratsinitiative – da ist das, was Sie aufschreiben, ausnahmsweise mal richtig –, um die Hürden für die entsprechenden Führerscheinprüfungen zu senken.

Dann schreiben Sie so etwas auf wie „Spurwechsel“ in Potsdam, also Brandenburg.

[Antje Kapek (GRÜNE): Das gab es in Berlin auch schon!]

Da gibt es ein Programm, bei dem geduldeten Flüchtlingen die Möglichkeit gegeben werden soll, durch eine Ausbildung einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Jetzt gucken Sie mal, was Sie in Ihrem Antrag aufgeschrieben haben. Sie schreiben: Abgelehnten Asylbewerbern soll bei der BVG die Möglichkeit gegeben werden, eine Berufsausbildung zu machen. – Ist das Ihr Ernst? Abgelehnte Asylbewerber sind ausreispflichtig. Das kann ja nur ein Rechtschreibfehler sein – hoffe ich zumindest.

Kommen wir mal zum Thema der Beschleunigung des ÖPNV, insbesondere der Busse und der Straßenbahnen: Was machen wir als Koalition? – Baustellenmanagement und Baustellenkoordinierung. Das ist eins der zentralen Themen. Auch dafür haben wir Geld vorgesehen. Auch dafür gibt es Antragslagen. Das wissen Sie. Wir optimie

ren – eine zentrale Forderung der Koalition – die Schaltung der Lichtsignalanlagen. Und übrigens ordnen wir rechtsicher Bussonderfahrstreifen an. Die Bussonderfahrstreifen, die Sie angeordnet haben, wurden beklagt, beziehungsweise es wurde in Widerspruch gegangen, und die mussten alle wieder abgeordnet werden.

Jetzt noch kurz zum Antrag der Linken, der hier mitbehandelt wird: Ja, Alarmismus im Titel kann man machen, aber auch da hilft mal wieder der Blick ins Gesetz. § 45 Straßenverkehrsordnung sagt:

„Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sind nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist.“

Das setzt eine qualifizierte Gefahrenlage voraus. Und in der AV StVO steht drin: Bussonderfahrstreifen nur, wenn mindestens 20 Linienbusse pro Stunde dort entlangfahren. – Das ist die Rechtslage. Daran halten wir uns selbstverständlich – im Gegensatz zur Vorgängerregierung.

Kommen wir zu den beiden Punkten, die Sie angesprochen haben: In der Otto-Braun-Straße wurde eine Radverkehrsanlage zulasten eines Bussonderfahrstreifens angeordnet. Das ist gut. Warum? – Weil die Voraussetzungen für einen Bussonderfahrstreifen nicht erfüllt waren.

Zum Bahnhofsvorplatz S-Bahnhof Schöneweide: Wenn Sie sich besser informiert hätten, dann wüssten Sie, dass dort im Moment kleinere Anpassungen aufgrund von Baumaßnahmen notwendig sind. Wenn die Baumaßnahmen beendet sind, dann wird es im Bereich bis zur Bushaltestelle dort auch einen Bussonderfahrstreifen geben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Die Kollegin Kapek hat um das Wort für eine Zwischenbemerkung gebeten und bekommt es jetzt. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Verehrter Herr Kraft! Da hat der Tag gegen Rassismus ja schnell seine Beendigung gefunden. Sie erklären den Menschen ja so gerne die Welt, dabei wissen Sie so wenig – offensichtlich auch nicht, dass „Spurwechsel“ ein Programm des Bundes ist, das in Berlin jahrelang erfolgreich praktiziert wurde

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Elke Breitenbach (LINKE)]

und unter anderem von der Berliner Wirtschaft, vorneweg der Industrie- und Handelskammer, mit wehenden Fahnen unterstützt wird, weil es eine sinnvolle Initiative ist.

(Johannes Kraft)

Wir sprechen hier auch nicht von Menschen, die abgeschoben werden müssen, sondern von Menschen, die geduldet sind, bei denen es ein Abschiebeverbot gibt. – So viel zur Nachhilfe, lieber Herr Kraft!

Dass Ihnen das ganze Thema nicht so ganz passt, habe ich mir, ehrlich gesagt, schon im Vorfeld gedacht. Die Tatsache, dass wir gestern in der Sprecherrunde im Anschluss an den Mobilitätsausschuss versucht haben, einen Besprechungspunkt zum Thema „Wir fahren zusammen“ anzumelden, der unter anderem von Ihnen vehement torpediert wurde, hat mich schon zum Nachdenken gebracht. Ganz ehrlich, Herr Kraft: Auf öffentlicher Bühne haben Sie vor Herrn Graf und vielen Tausend anderen die Petition der Initiative „Wir fahren zusammen“ unterschrieben. Was denn nun? Haben Sie einen Doppelgänger?