Protokoll der Sitzung vom 17.10.2024

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.2:

Priorität der Fraktion der CDU

Tagesordnungspunkt 54

Baustellen koordinieren – Beeinträchtigungen reduzieren

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD Drucksache 19/1955

In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU. – Bitte schön, Herr Kraft, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Jeder, der sich in unserer schönen Stadt bewegt, der sieht sie, und zwar nahezu überall, die unzähligen Baustellen auf Straßen, Gehwegen, Fahrradwegen und überall, wo man sie sonst noch findet. Dann wundert man sich oft und fragt sich: Da ist zwar eine Baustelle, da ist eine Absperrung, aber da arbeitet niemand, und zwar nicht nur am Wochenende, sondern zum Teil tage-, wochen- oder monatelang nicht. Und wenn eine Baustelle mal fertig ist, dann passiert es nicht selten, dass ein paar Wochen später an derselben Stelle wieder eine Baustelle aufgemacht wird.

Was bedeutet das für alle, die in dieser Stadt unterwegs sind, dass Fußwege nicht benutzbar sind, dass Radfahrer auf die Fahrbahn ausweichen müssen, dass Busse umgeleitet werden und dass Autos im Stau stehen? – Das Ganze ist nicht nur ein Sicherheitsrisiko, sondern bedeutet auch einen erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden. Dieser Zustand ist für uns, für die Koalition, untragbar.

[Beifall bei der CDU]

Diese Herausforderungen, die wir durch die vielen Tiefbaumaßnahmen haben, werden nicht kleiner, sondern größer. Ich erinnere nur an die vielen Neubauvorhaben, die geplant sind. Ich erinnere an den notwendigen Netzausbau. Die Stromnetz Berlin beispielsweise muss eine Verdopplung des Mittelspannungsnetzes vornehmen. Und es gibt natürlich auch viele Sanierungsbedarfe im Bestand. Woran liegt das Ganze? – Es liegt daran, dass die Baustellen jeweils einzeln von den vielen Menschen, die im Tiefbau unterwegs sind, nicht miteinander, weder zeitlich noch räumlich, koordiniert werden. Und es liegt auch daran, dass die Genehmigungen für eine solche Baustelle, für die Baustelleneinrichtung, je nach Bezirk zum Teil über ein Jahr lang dauern. Man wartet mehr als zwölf Monate, und das ist kein Einzelfall, darauf, dass man eine Baustelle genehmigen muss.

Das führt dazu, dass die Unternehmen, die tätig sind, weil sie nicht wissen, wann sie die Genehmigung bekommen, einfach mal viel mehr Zeit für die Baustelleneinrichtung einplanen, als die Baustelle eigentlich braucht. Daher kommen übrigens die vielen Schlafbaustellen. Das ist kein böser Wille, und die Lagerkapazitäten der Unternehmen, die die Absperrungen machen, sind nicht voll, und die stellen das sozusagen einfach so auf die Straße, sondern es geht einfach darum, und das Problem ist, dass die Beantragung extrem lange dauert und man nie richtig weiß, wann man die Genehmigung bekommt.

Das zeigt sich übrigens auch in der Belastung der Bezirksämter. Die Straßen- und Grünflächenämter beziehungsweise die Straßenverkehrsbehörden sehen sich einer

(Sebastian Schlüsselburg)

Riesenflut von Anträgen für solche Baustelleneinrichtungen gegenüber. Wenn man sich mal anguckt, was das für Anträge sind, dann sind über zwei Drittel dieser Anträge Folgeanträge. Also man stellt einen Antrag für eine Baustelleneinrichtung und nach zwei, drei Monaten, wenn man keine Genehmigung bekommen hat, denn man will irgendwann auch beauftragen, stellt man gleich einen Folgeantrag. Fast zwei Drittel aller Anträge sind Folgeanträge. Das alles ist völlig unnötig,

[Beifall bei der CDU]

Und ich sage Ihnen auch, warum. Damit komme ich zu unserem Antrag. Die Senatsverwaltung hat vor einer Weile das sogenannte Regelverfahren bereits ausgeweitet, das heißt, die Baustellen, je nachdem, wie groß sie sind, müssen zum großen Teil gar nicht mehr diesen aufwendigen Genehmigungsprozess durchlaufen. Wenn es aber um größere Maßnahmen geht, beispielsweise die Wasserbetriebe etwas machen oder die BVG etwas baut, dann müssen eben diese Baustellen genehmigt werden. Was wir sagen, ist, dass der Baustellenatlas künftig von jedem, der in dieser Stadt auf Gehwegen, Straßen oder sonst irgendwo buddelt, genutzt werden muss. Der Baustellenatlas existiert. Der Baustellenatlas ist eine digitale Plattform, wo eigentlich sämtliche Informationen über jede Baustelle mit Grund, Anlass, Ort und dem geplanten Zeitraum verzeichnet werden müssen. Das Problem ist, es nutzen nicht alle, und dann kann man natürlich auch nicht koordinieren.

Und wir fordern, dass künftig, und wir leben im Jahr 2024, darauf will ich noch mal hinweisen, sämtliche Anträge für solche Sondernutzung des Straßenlandes nur noch digital gestellt werden müssen. Gucken Sie mal in die Bezirksämter, wo die meisten Anträge auflaufen! Da wird mit Post gearbeitet, werden Faxe geschickt und PDFs an E-Mails gehängt. Das alles ist völlig unnötig, denn auch dieser Prozess ist bereits vollständig digital abzuwickeln. Alle Voraussetzungen sind da.

Und wir fordern, dass es Baustellenkoordinierungsrunden gibt, und zwar innerhalb der Bezirke mit allen, die in den Bezirken tätig sind, aber auch über die Bezirke hinaus. Denn auch das ist ein großes Problem in Berlin. Selbst wenn der einzelne Bezirk sich darüber Gedanken macht, welche Baustelleneinrichtung er zulassen kann, damit die Umleitungsverkehre noch halbwegs vernünftig abfließen, dann weiß der andere Bezirk, der Nachbarbezirk, davon gar nichts, und auch dann steht man natürlich wieder im Stau. Diese zentrale Koordinierung muss natürlich an zentraler Stelle, nämlich bei der Senatsverwaltung, passieren. Ich habe es schon gesagt, diese Maßnahmen kosten kein Geld und sind schnell umzusetzen, denn alles, was es dafür braucht, ist längst da. Wir müssen es einfach nur anwenden.

Lassen Sie uns über diesen Antrag gerne sprechen, aber lassen Sie uns ihn vor allem schnell beschließen, denn damit wird dieses Chaos, das wir hier erleben, jeden Tag,

überall in dieser Stadt, endlich beendet! Dann gehören diese Schlafbaustellen der Vergangenheit an. Dann wird schneller gebaut. Dann gibt es weniger Staus. Dann sind die Kosten für uns alle, für die Gemeinschaft, geringer, und dann profitieren wir alle von besserer und sichererer Mobilität. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Vasili Franco (GRÜNE)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Kapek das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja in den letzten zwei Wochen doch sehr viel über das Thema Baustellenkoordination gesprochen. Ich muss sagen, ich bin dankbar, dass man hier auch einer parlamentarischen Debatte anmerkt, dass wir uns bei diesem Thema gemeinsam weiterentwickeln, denn Sie haben vollkommen recht, ich glaube, wir sind uns alle einig, der Status quo ist unbefriedigend. Es muss etwas passieren, die Frage ist nur, was.

Wir haben allein in der Anhörung zum sogenannten Schneller-Bauen-Gesetz – – Und ich weiß, Herr Kraft, es sind viele verschiedene Gesetze, aber vielleicht hätten Sie sich dann die Zeit nehmen müssen, es auch SchnellerBauen-Gesetz-Paket zu nennen, so heißt es nun mal Gesetz. In diesem Zusammenhang haben wir schon darauf hingewiesen, dass die sogenannte Genehmigungsfiktion gerade bei der Einrichtung von Baustellen dazu führen wird, dass wir zumindest mit erheblichen Erschwernissen für den Wirtschaftsverkehr, also für die Ver- und Entsorgung der dann betroffenen Häuserzeilen, rechnen müssen, aber noch viel gravierender, diese Standardeinrichtung von Baustellen wird aus unserer Sicht das Verkehrssicherheitsrisiko, vor allem im Bereich Fuß- und Radverkehr, erheblich verschärfen. Auf diese beiden Fragen gibt auch Ihr heutiger Antrag keine befriedigende Antwort. Ich hoffe, das tun wir dann in der parlamentarischen Befassung mit dem Schneller-Bauen-Gesetz.

Nun schlagen Sie heute im Wesentlichen zwei Dinge vor, erstens die Anwendung des Baustellenatlas. Da sage ich Ihnen gleich vorweg, ja, das ist eine gute Sache. Ich glaube, das ist auch bereits in der Implementierung.

Zweitens wollen Sie, dass die zeitliche und räumliche Baustellenkoordination durch eine jährliche Runde bei den Bezirken angesiedelt wird. Spätestens an dieser Stelle muss man sagen, dass Sie hier die gesamtstädtische, bezirksübergreifende Steuerung auf die Bezirke abwälzen wollen, das ist ein Stück weit absurd, denn es ist natürlich so, dass die Bezirke Hunderte von Kleinstbaustellen verantworten, aber diese, lieber Herr Kraft, führen nicht zu

(Johannes Kraft)

der Aufregung in der Stadt, sondern das sind regelmäßig die Großbaustellen, vor allem dann, wenn größere Maßnahmen beispielsweise von der Deutschen Bahn, den Wasserbetrieben oder der BVG parallel angeordnet werden. Das wiederum passiert, weil die betreffenden und zuständigen Planungsabteilungen in der Senatsverwaltung oft nicht einmal voneinander wissen, was gerade geplant wird.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kraft?

Von mir aus!

Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Vielen Dank, geschätzte Kollegin Kapek! „Der Senat wird zudem aufgefordert, den Bezirken die Organisation einer sog. Baustellenkoordinierungsrunde, die mindestens einmal jährlich mit allen relevanten“ Akteuren agiert, nahezulegen, –

Kommen Sie bitte zu Ihrer Frage, Herr Abgeordneter!

und soll selbst an diesen Runden teilnehmen, „um Interdependenzen bzw. Konfliktpotentiale … zu identifizieren …“. Haben Sie das in unserem Antrag gelesen, oder haben Sie den Antrag überhaupt gar nicht gelesen?

Ich habe diese Stelle gelesen, Herr Kraft, und ich werde in meiner fortschreitenden Rede genau auf diesen Punkt noch eingehen, aber so weit war ich noch nicht.

Insofern leite ich es noch mal davon her, dass das große Problem in dieser Stadt, das zu Unmut führt, die Großbaustellen sind. Das Problem ist, dass hier nicht nur ganz oft diese Baustellen vom Senat selbst angeordnet werden, sei es durch das Tiefbauamt oder die hier verantwortlichen Leitungsunternehmen wie Wasserbetriebe, BVG und andere, sondern dass auch die entsprechenden Umleitungsverkehre, die dann wiederum zum Ärger führen, von der Abteilung V verkehrsrechtlich angeordnet werden müssen. Hier fehlt oft die Abstimmung. Den Bezirken an dieser Stelle die Hauptverantwortung zu übertragen, macht folglich keinen Sinn, sondern sie muss bei der

Senatsverwaltung liegen. Jetzt verstehe ich Sie so, habe ich auch gerade in Ihrer Rede so verstanden, dass Sie da sogar meiner Meinung sind.

Was aber nicht reicht, ist eine jährliche Runde, die zusammenkommt, oder so ein lapidares Man-stimmt-sichab-und-zu-mal-ab oder man macht das vielleicht, indem man in einen Atlas hineinguckt, sondern, und das ist unsere klare Forderung, wir sagen, wir brauchen eine übergeordnete Stabsstelle, also auch oberhalb der Planungsabteilungen, am besten bei der Senatorin selbst angeordnet, die hier nicht nur die Koordination der angesetzten Baustellen koordiniert, sondern darüber hinaus das Projektmanagement inklusive der Kostenstelle übernimmt. Denn, Herr Kraft, oft führt auch zu Verzögerungen, dass ich für jede Baumaßnahme, einmal bei den Wasserbetrieben, einmal bei der BVG, auf unterschiedliche Fördertöpfe zurückgreifen muss. Das führt dann zu den von Ihnen angemahnten Verzögerungen bei den Baugenehmigungen, die aber nur noch technisch von den Bezirken ausgeführt werden; die ganzen Genehmigungsverfahren im Vorfeld laufen in der Regel über den Senat selbst.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wiedenhaupt?

Von mir aus!

Bitte schön, Herr Abgeordneter! – Ein Moment, wir regeln das Mikrofonproblem. – Bitte schön!

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! – Herzlichen Dank, Frau Kollegin! Sie haben gestern und auch eben gesagt, dass Sie sich eine Stabsstelle für Baustellenkoordination wünschen. Das teilen wir. Deshalb ist die Frage an Sie, warum Sie im November letzten Jahres, als wir genau diesen Antrag mit der Drucksache 19/1265 hier eingebracht haben, dem widersprochen haben.

Wir haben, soweit ich mich erinnere, in einer ersten Lesung über einen Antrag, den die AfD-Fraktion eingereicht hat, hier beraten. Eine Ausschussberatung hat in diesem Zusammenhang noch gar nicht stattgefunden, insofern können Sie gar nicht wissen, wie wir uns abschließend zu dem einen oder anderen Antrag verhalten.

[Vereinzelter Beifall bei der AfD – Lachen von Thorsten Weiß (AfD)]

Ich kann Ihnen aber eines sagen: Die Idee einer Stabsstelle haben mit Sicherheit nicht Sie erfunden. So wie Ricola nicht den Bonbon erfunden hat, können Sie keine Urheberschaft auf eine Stabsstelle erheben, sondern an dieser Stelle haben wir natürlich Hinweise auch aus den Bezirken entgegengenommen, die darauf hinweisen, dass wir vor allem zwei Dinge brauchen, um zu einer guten, effizienten Koordination zu kommen: Das eine – ich glaube, das steht auch in Ihrem Antrag, Sie haben es gerade nicht betont – ist vor allem eine Digitalisierung, denn ein ganz großer Teil der Probleme, die Sie gerade beschrieben haben, würde sich einfach durch Digitalisierung erledigen. Andersherum: Ohne Digitalisierung ist eine Koordination quasi unmöglich. Und zweitens: Ich brauche eine übergeordnete institutionelle Stabsstelle Baustellenkoordination, die dann wiederum im Senat angesiedelt ist, die vor allem dafür sorgt, dass ich hier nicht nur gleichzeitig genehmige und plane, sondern dass diese Planungen aufeinander abgestimmt werden und dann zum Beispiel die Umleitungsverkehre befriedigend angeordnet werden können.

Ich glaube trotz alledem, dass wir das Gleiche wollen, deshalb versuche ich mal, versöhnliche Töne in einer Parlamentsdebatte anzustreben. Unser Vorschlag wäre: Wir machen gemeinsam einen Änderungsantrag, denn Ihr Anliegen ist ja das richtige. Wir teilen das und können im Ausschuss sehr gerne zu einem konstruktiven, dann angepassten Beschluss kommen, sodass die zweite Lesung aus unserer Sicht auch sehr gerne sehr bald hier stattfinden kann. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank! – Für eine Zwischenintervention hat der Kollege Kraft nun noch einmal das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Vielen Dank, Kollegin Kapek, für die versöhnlichen Worte! Ich finde es ja immer gut, wenn wir uns in diesem Hause an der Sache orientieren und zur Sache reden und weniger Ideologie in den Vordergrund stellen.

[Zuruf von der AfD: Haben wir eben gesehen!]