Protokoll der Sitzung vom 27.03.2025

[Beifall bei der CDU – Beifall von Orkan Özdemir (SPD) und Jörg Stroedter (SPD)]

Schaut man sich den Antrag aber auf den folgenden zwei Seiten an, dann muss ich zugeben, dass das Ganze nicht mehr ganz so zustimmungsfähig ist. Zuerst einmal möchte ich kritisieren, dass es sich hier nicht um einen Antrag handelt, sondern eigentlich um ein Sammelsurium von ganz vielen Anträgen, die einmal quer durch die gesamte Berliner Politik, durch alle Senatsverwaltungen gehen.

[Anne Helm (LINKE): Querschnittsthema!]

Sie wollen hier weitere Gutachten, weitere Instanzen, weitere Beauftragte, die unsere Bürokratie weiter lähmen. Das wird es mit uns nicht geben.

[Beifall bei der CDU – Elif Eralp (LINKE): Hat die SPD versprochen!]

Sie hätten sich die Rede unseres Finanzsenators von vor zwei Wochen anhören sollen. Sie war sehr eindrücklich und hat sehr eindrücklich klargemacht, dass wir Büro

(Elif Eralp)

kratie abschaffen müssen. Dieser Antrag ist ein Bürokratiemonster, und dem werden wir nicht zustimmen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Es gibt ganz viele inhaltliche Punkte zu kritisieren. Ich möchte zwei herausstellen: Zum einen – Sie haben es schon angesprochen, Frau Eralp – wollen Sie das Prinzip der kriminalitätsbelasteten Orte abschaffen. Die Polizei hat die Möglichkeit, Orte, wo die Straftaten in einem hohen Maß über dem Durchschnitt liegen und die öffentliche Sicherheit und Ordnung für Berlinerinnen und Berliner nicht mehr gegeben ist, als kriminalitätsbelastet zu benennen und somit ihren Handlungsspielraum erweitern. Das ist das einzig Richtige.

[Beifall bei der CDU]

Wir werden die Arbeit der Polizei an dieser Stelle nicht einschränken. Mit dieser Koalition ist das nicht machbar.

Zweiter inhaltlicher Punkt: Dieses Thema begleitet uns hier schon eine Weile in diesem Haus. Sie fordern in diesem Antrag in Ihrem letzten Punkt das Wahlrecht für alle Berlinerinnen und Berliner, unabhängig vom deutschen Pass oder der deutschen Staatsbürgerschaft. Wir hatten diesen Antrag erst vor Kurzem sowohl hier als auch im Ausschuss. Die Koalition hat diesen Antrag aus triftigen Gründen abgelehnt. Das lässt doch nur schlussfolgern, dass wir diesem Antrag hier heute gar nicht zustimmen können, nur alleine dieses Punktes wegen und beispielsweise der kriminalitätsbelasteten Orte. Das ist für uns nicht machbar.

Es gibt viele weitere kritische Punkte. Es ist auch gar nicht klar, wie Sie all diese Dinge, die Sie hier fordern, finanzieren wollen. Wir befinden uns in Zeiten der Konsolidierung, und Sie wollen wieder mit Geldern um sich schmeißen – nicht mit uns.

[Beifall bei der CDU – Elif Eralp (LINKE): Für Rassismusbekämpfung ist kein Geld da!]

Ich möchte aber gerne noch eine andere Perspektive auf diesen Antrag eröffnen. Seit dem 7. Oktober 2023 mussten wir einen enormen Anstieg von antisemitischen Gewalttaten, von Gewalt gegenüber unseren Einsatzkräften, Polizei, Feuerwehr, auch gegenüber Politikern, Rassismusvorfällen in Gänze in dieser Stadt wahrnehmen. Das hat uns alle beschäftigt. Das war ein Weckruf für uns alle.

Wir haben gemeinsam beschlossen, dass wir eine Kommission gründen wollen, die sich genau für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und gegen Rassismus jeder Art einsetzt. Diese Enquete-Kommission wird morgen konstituiert und nimmt morgen ihre Arbeit auf. Meine sehr geehrten Damen und Herren der Linksfraktion! Jeder Antrag, den wir hier heute beschließen würden, der sich mit diesem Themenbereich befasst, ob der jetzt hier geeint wäre oder nicht – dieser wird niemals hier geeint sein

, würde der Arbeit der Kommission vorweggreifen. Das halten wir für vollkommen falsch.

[Elif Eralp (LINKE): So ein Quatsch!]

Das bringt auch schlechte Stimmung in die Kommission in den nächsten Tagen. Das ist wirklich schädlich für die Arbeit dort. Wir wollen einen offenen Dialog. Wir wollen Ideen, Konzepte erarbeiten, die den Rassismus nachhaltig in dieser Stadt bekämpfen. Das wird ab morgen in der Kommission getan. Der Antrag, der hier formuliert ist, wird unsere Zustimmung ganz sicher nicht finden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Jörg Stroedter (SPD)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Bozkurt das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vergangene Freitag war Internationaler Tag gegen Rassismus. Letztes Jahr hatte die schwarz-rote Koalition diesen zum Anlass genommen, um in der Aktuellen Stunde dem Rassismus abzuschwören. Vollmundig bekannten sich die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD zum Kampf gegen Rassismus. Es hieß, nicht einfach nur Rassismus ablehnen, sondern ihn erkennen und in aller Entschiedenheit bekämpfen. Vor einem Jahr schien das unverrückbarer Konsens zu sein. So hieß es auch im schwarz-roten Koalitionsvertrag noch, mit einer Enquete-Kommission wolle man strukturellen Rassismus bekämpfen. Die Experten- und Expertinnenkommission für antimuslimischen Rassismus solle ihre Arbeit fortführen und ihre Handlungsempfehlungen umgesetzt werden.

Unterstützen wollte der Senat die Arbeit der Landeszentrale für politische Bildung, Projekte gegen Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit, die Drei-Religionen-Kita im Sinne der interreligiösen Verständigung. All dies ist Teil der Koalitionsvereinbarung, abgestimmt, abgesprochen, besiegelt per Handschlag und Unterschrift.

Gerade befinden wir uns in den letzten Tagen des islamischen Fastenmonats Ramadan. Auch einige von Ihnen saßen bei Gemeinden, Nachbarschaftszentren und Verbänden am Iftartisch. War das nicht schön, gemeinsames Fastenbrechen mit einer saftigen Dattel, Baklava, türkischem Tee, netten Gesprächen über die Vielfalt Berlins, ein bisschen Folklore hier, ein bisschen Lokalkolorit dort? – Sehr nett, ohne Frage, aber eben auch sehr unverbindlich. Denn was ich eben aufgezählt habe, waren Vorhaben aus einer Zeit, als „das Beste für Berlin“ mehr zu sein versprach als bloße esoterische Übung von Manifestation und Wunschdenken.

(Niklas Graßelt)

Jenseits von Sonntagsreden ist dieser Senat seiner plakativ zur Schau gestellten Diversität und angetäuschten Fortschrittlichkeit nicht gerecht geworden. Die Landeszentrale für politische Bildung hat dieser Senat in aller Öffentlichkeit beschädigt, ihre Arbeit, ihre Unabhängigkeit und Bedeutung für Demokratiebildung und Antidiskriminierungsarbeit diskreditiert. Mit großem Getöse wurde die Einsetzung einer Kontroll- beziehungsweise Stabsstelle inszeniert, und nun ist nicht einmal klar, ob sie überhaupt zustande kommt. Was für ein kolossaler Riesenfail.

Die Handlungsempfehlungen der Experten- und Expertinnenkommission zu antimuslimischem Rassismus liegen nun seit bald drei Jahren herum. Während Mitglieder der Koalitionsfraktionen vom sogenannten antimuslimischen Rassismus reden und ihn damit infrage stellen, prüft die Antidiskriminierungssenatorin die Einsetzung einer Beauftragten beziehungsweise eines Beauftragten gegen eben diesen antimuslimischen Rassismus. Immerhin setzen sie damit unseren Antrag vom letzten Sommer um – gern geschehen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Die Umsetzung von Gerichtsentscheidungen würde der Koalition und ihrem Senat ebenfalls eine seriöse Note verleihen. Wann gedenken Sie eigentlich, das im Neutralitätsgesetz festgeschriebene diskriminierende Kopftuchverbot abzuschaffen? Ich lade Sie dazu ein, sich ganz im Sinne der freiheitlich-demokratischen Grundordnung an die nun schon mehr als zehn Jahre bestehende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu halten.

Die Enquete-Kommission wurde indes zu einer Art Heiland stilisiert. In gefühlt jedes Mikrofon erklärten die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD unisono, dass sie, bald eingesetzt, alle Probleme lösen würde, die Senat und Koalition mit der Zivilgesellschaft, in Wahrheit mit sich selbst haben. Ich gebe zu, ich hatte eine Wette laufen, dass die Kommission nicht mehr kommen würde. Ob sie nun alle Probleme lösen wird, werden wir alle noch gemeinsam erleben.

Diversität als Fotokulisse, als Zurschaustellung eines Nichts-dafür-tun-Müssens, rächt sich leider, nicht nur für die in Wortakrobatik geübte Koalition, sondern vernichtet dringend gebrauchte Antirassismus- und intersektionale Antidiskriminierungsarbeit. Die Drei-Religionen-Kita, die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus, i-PÄD für intersektionale Pädagogik, meet2respect und viele andere Projekte mehr hat diese Koalition nun schon auf dem Gewissen.

Lieber Regierender Bürgermeister! Liebe Antidiskriminierungssenatorin Kiziltepe, liebe Mitglieder des Senats, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition! Letztes Jahr beendete ich meine Rede mit: „Der Schutz vor rassistischer Diskriminierung ist ein Menschenrecht.

Gedenktage sind es nicht.“ In nur einem Jahr haben Sie selbst das Gedenken unterboten. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Özdemir das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!

[Alexander Bertram (AfD): Hallo! – Gunnar Lindemann (AfD): Hallo!]

Dieser Antrag zur Stärkung der Bekämpfung von Rassismus im Land Berlin spricht ein zentrales Thema an, das uns alle betreffen sollte. Es ist unsere Verantwortung, jeglicher Form von Rassismus entschlossen entgegenzutreten und die Menschen zu schützen, die aufgrund ihrer Herkunft, ihres Glaubens oder ihres Aussehens ausgegrenzt oder angegriffen werden. Ja, Berlin ist vielfältig und Berlin geht voran, wenn es darum geht, Haltung zu zeigen. Das ist und bleibt unser gemeinsames Ziel. Das alles ist umso wichtiger in Zeiten, in denen Demokratie und Zivilgesellschaft nicht nur von Faschisten der AfD angegriffen werden,

[Rolf Wiedenhaupt (AfD): Oi, oi, oi!]

sondern auch von konservativen Kräften deutschlandweit, die bewusst oder unbewusst in deren Fahrwasser mitschwimmen. Und das macht mir besonders große Sorgen.

Trotz aller Widerstände haben wir als SPD im Haushalt 2024/2025 den Bereich Antidiskriminierung innerhalb der LADS fast verdoppelt. Selbst nach der PMA-Kürzung gibt es weiterhin einen Aufwuchs von über 30 Prozent im Bereich der Rassismusbekämpfung. Das ist ein Rekordwert für Berlin. Darauf sind wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stolz.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Werner Graf (GRÜNE) und Bettina Jarasch (GRÜNE)]

Aber wir müssen natürlich auch realistisch bleiben. Die kommenden Haushaltsverhandlungen werden hart. Berlin steht unter Sparzwängen, und wir haben es mit einer CDU als Koalitionspartnerin zu tun, die in Fragen der Antidiskriminierung eine fundamental andere Haltung vertritt.

[Elif Eralp (LINKE): Ja!]

Wir haben bereits erlebt, wie massiv die Antidiskriminierungsmaßnahmen im Bildungs- und im Jugendbereich von der CDU gekürzt wurden. In dieser Frage sind wir uns mit unserem Koalitionspartner einig, dass wir uns

(Tuba Bozkurt)

uneinig sind. Trotzdem haben wir mit Senatorin Kiziltepe und Unterstützung der Innensenatorin Spranger vieles auffangen können. Dafür möchte ich mich hier noch einmal ausdrücklich bedanken.

[Beifall bei der SPD]

Lassen Sie mich also kurz zusammenfassen. Erstens: Wir haben das größte Budget für Antidiskriminierung und Integrationsarbeit, das Berlin je gesehen hat. Zweitens: Im Bundesvergleich verfügen wir in Berlin über eine der stärksten Antidiskriminierungsstrukturen. Drittens: Wir stehen vor einem Kürzungshaushalt. Viertens: Unser Koalitionspartner hat eine diametral entgegengesetzte Haltung zu diesem Thema.

[Elif Eralp (LINKE): Falscher Partner!]