Protokoll der Sitzung vom 22.05.2025

Man sollte sich überlegen, ob man es nicht paraphrasieren kann: Wäre es nicht besser, die Regierung löste eine Partei auf und verböte den Menschen, diese Partei zu wählen, wenn ihnen diese Partei nicht passt? – Das ist doch das, worüber wir reden. Das ist keine juristische Frage, das ist eine Frage politischer Kultur und eines politischen Kulturkampfes. Ich finde es eigentlich ganz ungewöhnlich, dass die AfD, zu der ich übrigens auch kritisch stehe, was mir die Herrschaften drüben nicht abnehmen, da sie mich selbst auf der Toilette nicht grüßen, dass hier – –

[Torsten Schneider (SPD): Ich grüße auch niemanden auf der Toilette! – Heiterkeit]

Na, das stimmt nicht. Da gibt es Leute, die grüßen.

[Unruhe]

Wenn hier eine Parallele gezogen wird zwischen der Wehrsportgruppe Hoffmann und dem NSU und der AfD, der größten Oppositionspartei in diesem Lande: Ich finde das unsäglich im Hinblick auf eine Partei, die 15, 20, vielleicht auch 25 Prozent haben wird.

[Tobias Schulze (LINKE): Wünschen Sie denn gegrüßt zu werden auf der Toilette?]

Das Entscheidende ist doch: Bei allem Respekt für das Bundesamt für Verfassungsschutz habe ich eine gesunde Distanz zu Geheimdiensten, und ich möchte nicht, dass politische Vorentscheidungen getroffen werden von Geheimdiensten, egal ob diese Verfassungsschutz heißen, Staatssicherheit oder Securitate. Ich möchte nicht, dass die Securitate darüber entscheidet, was die Leute wählen sollen und was sie nicht wählen sollen.

[Vasili Franco (GRÜNE): Das macht das Bundesverfassungsgericht! – Zuruf von Sebastian Schlüsselburg (SPD)]

Ich habe von „Vorentscheidung“ gesprochen; ich komme noch zum Bundesverfassungsgericht. – Ich habe den Eindruck, dass die üblichen Verdächtigen, hauptberuflichen, selbst ernannten Antifaschisten und Demokraten hier roten oder grünen Schaum vor dem Mund haben, wenn sie zu diesem Thema gelangen.

[Zuruf von Tobias Schulze (LINKE)]

Dieser Schaum ist vorher in Ihrem Gehirn und verwirrt dieses offenbar, weil Sie nicht richtig nachdenken können. Die einzigen, die noch darüber nachdenken, aber sehr verhalten, sind die Leute von der CDU, die offenbar erkannt haben, dass repressive Maßnahmen juristischer Art politisch-parlamentarische Auseinandersetzungen nicht ersetzen können.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Wenn Sie wollen, dass die AfD verschwindet, müssen Sie doch eine Politik machen, die die Leute wollen,

[Zuruf von Sebastian Schlüsselburg (SPD)]

und das wird offenbar nicht gemacht. Vielleicht hat es jetzt Herr Merz erkannt und wird entsprechend handeln. Wäre ich noch in der AfD, dann würde ich der AfD empfehlen: Die AfD sollte sagen: Ja, bitte, verbietet uns, geht doch zum Bundesverfassungsgericht! Das Bundesverfassungsgericht wird uns einen Persilschein geben. Es wird uns entlasten. Das Verfahren wird scheitern, und wir werden stärker.

[Anne Helm (LINKE): Das Wording ist aber mal sehr, sehr tarnend mit dem Persilschein!]

Ich glaube, das ist nichts, was Sie wollen. Setzen Sie sich politisch auseinander, aber nicht über den Weg, dass Sie gut finden, was Geheimdienste Ihnen erzählen!

[Anne Helm (LINKE): Ich würde den Rat annehmen!]

Vielen Dank!

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, Medien sowie mitberatend an den Ausschuss für Verfassungsschutz. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5.3:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 80 A

Neubau von 850 Wohnungen am Güterbahnhof Köpenick absichern – Wohnraumbewirtschaftungsgesetz auf den Weg bringen

Dringlicher Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 19/2451

Der Dringlichkeit haben Sie bereits eingangs zugestimmt. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. – Bitte schön, Herr Abgeordneter Schenker, Sie haben das Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen heute vor einer ziemlich entscheidenden Frage, und zwar der Frage: Wie ernst meint es der Senat eigentlich mit dem Wohnungsbau? – 850 Wohnungen am Güterbahnhof Köpenick könnten gebaut werden, aber das Eisenbahn-Bundesamt hat die Freigabe der Fläche abgelehnt mit einer Begründung, die es wirklich in sich hat. Es fehle ein gesetzlich gesichertes Gemeinwohlinteresse am Wohnungsbau. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin: Ein das

„überragende öffentliche Interesse an der Beibehaltung des Bahnbetriebszwecks überwiegendes Freistellungsinteresse des Landes Berlin …“

ist zu verneinen

„mangels gesetzlicher Einrichtung und hinreichend dauerhafter Sicherstellung der Wohnraumversorgung der breiten Berliner Bevölkerung als öffentlicher Daseinsvorsorgeaufgabe.“

Klingt kompliziert, aber mit anderen Worten: Der Senat betrachtet Wohnungsbau und Wohnraumversorgung als private Aufgaben. – Und genau deshalb hat Wohnraum gegenüber anderen Interessen das Nachsehen.

[Anne Helm (LINKE): Was? Kann ja nicht sein!]

Damit dürfte ein für alle Mal klar sein: Wer den Wohnungsbau dem Markt überlässt, darf sich nicht wundern, wenn am Ende nichts mehr gebaut wird.

[Beifall bei der LINKEN]

Das Dramatische ist: Der Güterbahnhof Köpenick ist gar kein Einzelfall. Auch an fünf weiteren, mindestens fünf weiteren ehemaligen Bahnflächen droht der Stillstand: Pankower Tor, Hertzallee Nord, Friedenauer Höhe, Ringbahnhof Neukölln oder Stadteingang West. Tausende Wohnungen stehen auf dem Spiel, nur weil der Senat bislang nicht bereit ist, das Gemeinwohl beim Wohnungsbau endlich öffentlich-rechtlich abzusichern. Herr Gaebler! Wenn Sie wollen, dass die Bagger wieder rollen, wie es die neue Bundesbauministerin in ihrer Antrittsrede so schön formulierte, dann brauchen wir ein Wohnraumbewirtschaftungsgesetz.

[Beifall bei der LINKEN]

Jede Minute, die Berlin zögert, Neubau und Wohnungsversorgung öffentlich zu regeln, gefährdet den Neubau Tausender dringend benötigter Wohnungen. Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist, wir sind als Partei Die Linke nicht nur die Partei des bezahlbaren Wohnraums, sondern auch die Partei des schneller Bauens.

[Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Jeannette Auricht (AfD)]

Deswegen haben wir längst geliefert und mit unserem Sicher-Wohnen-Gesetz und einem kommunalen Wohnungsbauprogramm gezeigt, wie es geht. Wir wollen Wohnungsbau zurück in die öffentliche Hand holen. Wir wollen Schluss machen mit diesem absurden Zustand, dass Wohnen ein Marktprodukt ist, wo Renditen gesichert, aber Wohnungsbau verhindert werden. Das ist ja keineswegs revolutionär, so etwas wie ein Wohnraumbewirtschaftungsgesetz einzuführen. Das war früher in Berlin ganz normal. Bis 1987, gar nicht so lange her,

[Lachen von Jeannette Auricht (AfD)]

war die Wohnraumversorgung zumindest in Westberlin öffentliche Aufgabe. Mit der Abschaffung des Mietendeckels für Altbauten wurde das beendet, mit den bekannten Folgen: steigende Mieten, schlechtere Versorgung. Seit 2002 fördert der soziale Wohnungsbau nur noch Menschen mit geringen Einkommen, aber was ist mit der Mehrheit in der Stadt, die sich den Markt kaum leisten kann, aber keine Förderung bekommt? Mit der Föderalismusreform 2006 haben die Länder eigene Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen bekommen. Berlin könnte handeln.

Ein von uns als Linksfraktion in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten der renommierten Staatsrechtlerin Prof. Dr. Pia Lange kommt deswegen auch klar zum Schluss: Je stärker der Markt zurückgedrängt wird, desto größer ist die Gesetzgebungskompetenz der Länder. – Jetzt zitiere ich noch mal mit Erlaubnis der Präsidentin aus dem von uns in Auftrag gegebenen Gutachten:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht eine Gesetzgebungskompetenz der Länder im Bereich der Wohnraumbe

(Antonin Brousek)

wirtschaftung, jedenfalls im Bereich der Regulierung der Miethöhe jedoch nur, wenn der privatrechtliche Charakter des Mietvertrages durch öffentlich-rechtliche Vorschriften ganz oder teilweise verdrängt wird.“

Jetzt kommt der entscheidende Satz:

„Diese Elemente müssten insoweit zwingend ganz oder teilweise öffentlich-rechtlich überlagert werden, um die Gesetzgebungskompetenz der Länder aus dem Bereich des Wohnungswesens zu begründen.“

Was folgt daraus? – Wir brauchen ein Landesgesetz, das die Wohnraumbewirtschaftung umfassend und öffentlich regelt. Unser Sicher-Wohnen-Gesetz macht genau das. Das ist ein Wohnraumbewirtschaftungsgesetz. Ich verrate Ihnen gerne noch ein paar zentrale Inhalte. Wir wollen erstens dafür sorgen, dass gewerbliche Vermieter in Berlin verpflichtet werden, einen angemessenen Anteil an Wohnraum der jährlich wieder neu zur Vermietung kommenden Wohnungen mit geringen Preisen und an Menschen mit geringen und mittleren Einkommen vermieten zu müssen, und zwar zu bezahlbaren Preisen.

[Beifall bei der LINKEN]

Wir wollen Kündigungen wegen Eigenbedarfs oder Räumungen in die Obdachlosigkeit deutlich erschweren und mit einer öffentlich-rechtlichen Regelung überlagern. Wir wollen ein Mieten- und Wohnungskataster, das für Transparenz auf dem Wohnungsmarkt sorgt, und, damit wir uns hier nicht immer weiter anhören müssen, dass die Bezirke zuständig sind, ein Landesamt für Wohnungswesen aufbauen, das kontrollieren und diese Vorgaben tatsächlich durchsetzen soll.