Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: So ist es!)

Ich weiß nicht, woher die Zensur letztlich kam. Gemeinsam haben wir die Forderungen auf der fachlichen Ebene noch miteinander festgestellt. Dann sind Sie in die Fraktionsberatungen gegangen, und dann kam mehr oder weniger heiße Luft zurück. Das finde ich ausgesprochen schade.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Auch in einem weiteren Punkt ist es uns so gegangen: im Bereich Weiterbildung. Die Enquete fordert gemeinsam, dass die ESF-Mittel, die Weiterbildungsmittel aus dem Eu

ropäischen Sozialfonds, vom Land auch kofinanziert werden, dass hier genügend Geld bereitgestellt wird; eine ganz wichtige Forderung im Bereich der Qualifizierung. Das steht auch nicht mehr im 10-Punkte-Katalog.

Drittens zu einem Thema, das sich wie ein roter Faden durch die Anhörungen zog: besserer Service für den Mittelstand durch bessere Zusammenarbeit in den Regionen. Der Förderwirrwarr und die Unkenntnis über bestehende Programme haben deutlich gemacht, dass es nicht darum geht, noch einmal und noch einmal und noch einmal ein kleines Progrämmchen für den Mittelstand aufzulegen, sondern dass es darum geht, für den Mittelstand den Zugang zu Informationen, Forschungsergebnissen, Beratungsangeboten und Qualifizierungsmöglichkeiten zu verbessern. Das funktioniert überall dort, wo alle Beteiligten, wo alle, die mit dem Mittelstand zu tun haben, in der Region miteinander kooperieren. Dort, wo der Mittelstand in regionale Netzwerke eingebunden ist, ergeben sich Synergien, Standortvorteile und neue Möglichkeiten für den Mittelstand.

Wirtschaftsförderung aus einer Hand und regionale Anlaufstellen haben sich als Lösungsvorschläge geradezu aufgedrängt. Also hat die Enquetekommission einstimmig beschlossen: regionale Anlaufstellen, One-stop-Agencies überall in den Regionen. Im 10-Punkte-Katalog ist davon nichts mehr zu finden. Da steht dann noch, man solle die Stärken stärken; die Regionen gebe es auch, und diese seien auch wichtig. Aber zu dem, was dann gemacht werden muss, nämlich ein regionales Förderprogramm: Fehlanzeige.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und des Abg. Nagel SPD)

Wir Grünen haben deswegen einen Katalog aufgestellt, einen abweichenden 10-Punkte-Katalog, ein Sofortprogramm von Maßnahmen, die wirklich umgesetzt werden können. Dies ist jetzt Teil des Abschlussberichts, und darin steht all das, was wir gemeinsam erarbeitet haben – zum Teil auch auf grüne Empfehlungen hin. Darin steht das, was im Land konkret gemacht werden soll. CDU und FDP/ DVP waren dort konkret, wo sich die Aussagen an die Berliner Adresse richten. Dort waren sie mutig, dort haben sie die Muskeln angespannt und kritisiert. Es ist ja auch leicht, konkret zu sein, wenn man selbst nicht zuständig ist.

Ich will auch noch eine Ausführung zu den Rahmenbedingungen machen: Während die Enquetekommission gearbeitet hat, haben sich die Rahmenbedingungen für den Mittelstand ganz deutlich verbessert. Mittlerweile wurde nämlich die Steuerreform verabschiedet.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Belastet!)

Das, was die Betriebe am Anfang gefordert haben, nämlich Steuerentlastung, ist in großem Umfang jetzt beschlossen. 30 Milliarden DM allein für den Mittelstand: Herr Capezzuto hat es gesagt.

(Abg. Kurz CDU: Und die Gegenfinanzierung?)

Die 30 Milliarden DM sind eine Nettoentlastung, und die Gegenfinanzierung ist eingerechnet. Lesen Sie es im Be

richt nach, Herr Kurz. Wir haben dort die Details aufgeführt.

(Zuruf des Abg. Kurz CDU)

Zweitens, eine wichtige Forderung: Die Gewerbesteuer ist in ihrer Kostenwirkung für die Betriebe abgeschafft. Das ist eine ganz wichtige Erleichterung für die mittelständischen Betriebe.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Und für die Landwirt- schaft!)

Sie zahlen keine Gewerbesteuer mehr, weil sie bei der Einkommensteuer angerechnet wird.

Eine Forderung, die immer wieder vorgebracht wurde und der jetzt entsprochen worden ist, ist die nach hohen Freibeträgen bei der Betriebsveräußerung. Der Mittelstand hat inzwischen die Rahmenbedingungen, die er zu Beginn der Arbeit der Enquetekommission eingefordert hat, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ein weiterer Strukturvorschlag, den wir Grünen in die Enquetekommission eingebracht haben, besteht darin, effiziente Wirtschaftsförderstrukturen im Land einzuführen. Unter dem Motto „Schnittstellen statt Parallelstrukturen“ wollen wir eine grundlegende Reform des Landesgewerbeamts. Das Landesgewerbeamt soll nicht der verlängerte Arm einer Behörde sein, nicht wie eine Außenstelle des Wirtschaftsministeriums arbeiten. Es soll eine effiziente Wirtschaftsfördergesellschaft werden, vergleichbar mit der Wirtschaftsfördergesellschaft in der Region Stuttgart.

(Abg. Schmiedel SPD: Sehr gut!)

Ich denke, das wäre eine konkrete Forderung gewesen, die der Minister hätte umsetzen müssen. So bleibt die jetzt nur aufgenommene Forderung – weiterentwickeln, Servicehotlines einrichten – viel zu vage.

Noch ein abschließendes Wort zu den Regionen. Wir Grünen haben uns bestätigt gesehen in unserem Ansatz, die Wirtschaftsförderung viel stärker zu regionalisieren. Die Regionen im Land müssen dabei unterstützt werden, ihren jeweils eigenen Weg bei der Netzwerkbildung zu gehen. Es darf nicht sein, dass die Region Stuttgart ihre Stärken besonders gut entfalten kann, weil die Region verfasst ist und eine Wirtschaftsfördergesellschaft hat, während anderen Regionen die Strukturen dazu fehlen.

Diese regionalen Anlaufstellen wären eine wichtige Hilfe für die einzelnen Regionen, ihre Wirtschaftsförderstrukturen weiterzuentwickeln. Aber ich glaube, dass dieser Gedanke deswegen nicht in den Abschlusskatalog Eingang gefunden hat, weil es in der CDU eine Art Angst oder ein Zurückweichen vor dem Begriff Regionen gibt.

(Abg. Deuschle REP: Ja, da haben Sie Recht! Re- gionale Zweckverbände oder so etwas!)

Da klingt Strukturreform mit. Das wäre eine Innovation, die tatsächlich an den Strukturen im Land etwas ändern würde.

(Abg. Deuschle REP: An den Machtpositionen der CDU auch!)

Diesen Schritt sind Sie einfach nicht gegangen. Es soll alles so bleiben, wie es ist. Ansonsten haben Sie in Sachen Rahmenbedingungen aus Berlin einfach Parteipolitik pur gemacht. Deswegen gab es keinen gemeinsamen Abschlusskatalog.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Drautz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mich jetzt an der „Berliner Diskussion“ – Sie haben bei meinen Vorrednern einen kleinen Eindruck davon bekommen, wie die Diskussion in der Enquetekommission am Schluss abgelaufen ist – nicht beteiligen. Herr Capezzuto, ich glaube, dass Sie aus Versehen Ihre Wahlkampfrede von heute Abend hier vorgelesen haben, statt von der Enquetekommission und von Fakten zu berichten.

(Abg. Capezzuto SPD: An Ihrer Stelle würde ich auch den Kollegen Scheffold hören! Ich nehme das einfach einmal so hin!)

Im März 1999 wurde die Enquetekommission Mittelstand ins Leben gerufen. Nun, eindreiviertel Jahre später, haben wir das Ergebnis vorliegen. Schon der Umfang des Werkes zeigt: Es war eine Fleißarbeit.

Die Enquetekommission hat insgesamt 39-mal getagt. Wir waren dazu im ganzen Land unterwegs, um vor Ort mit den Mittelständlern zu sprechen.

(Abg. Schmiedel SPD: Das haben wir alles schon gehört, Richie! Das hat alles Frau Netzhammer schon erzählt! – Gegenruf der Abg. Veronika Netzhammer CDU: Manche müssen es halt zwei- mal hören!)

Herr Schmiedel, ich sage Ihnen einmal eines.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Sie wissen selbst heute noch nicht genau, worum es geht.

Herr Kollege Capezzuto, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie vorhin wiederholt gesagt haben, die Leute möchten zuhören, wenn Sie reden.

(Abg. Capezzuto SPD: Das habe ich nicht gesagt! Ich habe nur den Namen genannt! Ich kann trotz- dem meinen Senf dazugeben!)

Ich würde Ihnen empfehlen, das selbst auch zu befolgen.

Bitte, fahren Sie fort, Herr Kollege Drautz.

Wir waren im Land unterwegs, um vor Ort mit den Mittelständlern zu sprechen und die regionalen Probleme kennen zu lernen, die viele Kolleginnen und Kollegen nicht gekannt haben. Wir haben eine lange Reihe von Experten gehört, die uns über die gesamte Bandbreite der Problematik mittelständischer Unternehmen berichtet haben.

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Wir haben zahllose interne Sitzungen gehabt und uns um viele einzelne Formulierungen gestritten, aber das Ergebnis kann sich meines Erachtens sehen lassen.

(Abg. Deuschle REP: So arg haben wir uns gar nicht gestritten! – Abg. Veronika Netzhammer CDU: Wir haben doch nicht gestritten!)

Schon jetzt kann man mit Recht sagen, dass wir sehr viel für den Mittelstand erreicht und in das Bewusstsein der Bevölkerung gerückt haben.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Jawohl, ge- nau!)

Viele Punkte, die im Bericht der Enquetekommission stehen, sind bereits im Mittelstandsförderungsgesetz umgesetzt.