Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

Das Wort hat Herr Abg. Hofer.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir das Mittelstandsförderungsgesetz heute verabschieden, dann ist das ein guter Tag für den Mittelstand in Baden-Württemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Dieser gute Tag ist ihm auch zu gönnen, denn aus Berlin ist in der letzten Zeit, zumindest was die Gleichbehandlung anbelangt, nicht sehr viel Gutes gekommen.

(Oh-Rufe von der SPD – Abg. Sabine Schlager Bündnis 90/Die Grünen: Das ist jetzt auch nicht wahr, Herr Hofer!)

Herr Capezzuto, Sie kommen mir so vor, als wollten Sie sagen: Warum sind wir in Berlin so gut, und keiner sagt es uns?

(Abg. Capezzuto SPD: Da irren Sie sich aber ge- waltig!)

Es ist ein guter Tag für viele kleine und mittlere Unternehmen, ob sie zum Handwerk oder zum Handel gehören, zum Hotel- und Gaststättenbereich, zu den freien Berufen oder auch zu den Dienstleistungsberufen. Wir wissen, dass der Mittelstand zusammen mit den Großunternehmen Garant für die gute Entwicklung in Baden-Württemberg ist – das bestreitet ja niemand – und dass er das, wie es auch in der Begründung des Gesetzentwurfs sehr anschaulich steht, aufgrund der technologischen und strukturellen Entwicklung, die wir zu verzeichnen haben, in Zukunft mehr denn je sein wird.

Das vorgelegte Gesetz wird – das muss man auch sehen – von den Wirtschaftsverbänden begrüßt, insbesondere vom Baden-Württembergischen Handwerkstag; sie wissen, was sie tun, wenn sie das begrüßen.

(Zuruf des Abg. Birzele SPD)

Es ist auch deshalb ein guter Tag für das Land, weil das Gesetz mit der Übernahme von Vorschlägen aus der Mittelstandsenquete, die zum Teil im Gegenlaufverfahren befruchtet worden sind, die Erfolgsstory des Mittelstands in Baden-Württemberg fortsetzt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Ich weise auf die wichtigsten Punkte ein bisschen staccato hin: Alle freien Berufe werden gefördert, nicht nur die wirtschaftsnahen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Im Interesse eines schlanken Staates soll die öffentliche Hand, Herr Capezzuto, grundsätzlich nur dort als Wettbewerber auftreten, wo sie im Vergleich zu privaten Anbietern effizienter ist.

(Abg. Birzele SPD: Das sagen Sie als ehemaliger Oberbürgermeister?)

Darauf komme ich noch.

Das ist ein alte liberale Forderung, und wir sind sehr froh, dass sie aufgenommen wurde.

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Eine differenzierte, auch im Hinblick auf die Zielgruppen genauere Ausgestaltung der Betriebe – 250 Mitarbeiter als Obergrenze – ist gut – das ist auch nach den EU-Normen so –, und die weitere Abgrenzung zwischen Kleinstbetrieben, Kleinbetrieben und mittleren Betrieben wollen wir, wie wir schon im Wirtschaftsausschuss gesagt haben, in die Förderprogramme übernehmen.

Wichtig ist auch, dass die Kernbereiche der Mittelstandsförderung nicht nur definiert worden sind, sondern dass im Gesetz – das muss man betonen – dafür ausdrücklich eine angemessene und stetige Finanzausstattung vorgesehen ist. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Auf die Förderung von Existenzgründern und Betriebsübernehmern ist schon zur Genüge hingewiesen worden.

Zwei Hauptanliegen unserer Fraktion, die zugleich mittelständische Hauptanliegen sind, konnten im Gesetz verankert werden. Hier möchte ich Frau Gräßle – man möge es ihr bitte weitersagen – und denjenigen Kolleginnen und Kollegen unseres Koalitionspartners einen herzlichen Dank sagen, die ich als die „Wirtschaftler“ und „Mittelständler“ dieser Fraktion bezeichnen darf.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Genau!)

An diese möchte ich mich besonders wenden, wenn ich dafür Danke schön sage, dass wir diese Regelung haben.

(Abg. Deuschle REP: Das waren aber nicht viele! – Abg. Kluck FDP/DVP: Wir haben es schwer ge- habt!)

Wir haben bei der Übernahme der Auftraggeberdefinition eine Vereinheitlichung unterhalb der Schwellenwerte des EU-Vergaberechts erreicht und damit eine weitere Anlehnung an eine Vereinheitlichung des Vergaberechts. Das ist übrigens die befriedigende Lösung, die wir für kommunale Unternehmen in privater Rechtsform versprochen hatten. Das hatten wir versprochen, und das haben wir gehalten.

Die Vereinheitlichung des Vergaberechts ist überhaupt keine Bürokratie. Im Gegenteil, sie erzeugt Klarheit und Transparenz.

Im Gemeindewirtschaftsrecht hatten wir den Gemeinderäten richtigerweise die Möglichkeit gegeben – jetzt komme ich auf das Kommunale –, sich in privater Rechtsform wirtschaftlich ausgiebig zu betätigen. Das sollen sie, das wird von ihnen verlangt. Im Mittelstandsförderungsgesetz haben wir konsequenterweise aber auch den Rahmen bestimmt, innerhalb dessen diese wirtschaftliche Handlungsweise erfolgen muss.

Ich weiß, dass die Kommunen über diese Regelung nicht besonders erfreut sind. So hat der Vertreter des Städtetags darauf hingewiesen: „Eigentlich brauchen wir das Gesetz gar nicht. Wir sind ja die natürlichen Verbündeten des Mittelstands.“ Das stimmt. Der Mittelstand ist in starkem Maß auf die Kommunen angewiesen. Aber die Kommunen sind wegen der Standorttreue des Mittelstands umgekehrt auch auf den Mittelstand angewiesen. Nur – das sage ich unumwunden; das kann man gern auch weiterhin zitieren –: Nicht alle Kommunen sind, um es vorsichtig auszudrücken, immer vorbildlich.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Warum Baden-Württemberg mit seiner Mittelstandsfreundlichkeit im Übrigen hinter Brüssel zurückbleiben sollte, das muss man uns erst einmal erklären.

Abschließend möchte ich sagen: Wir haben den Kommunen über eine zugegebenermaßen komplizierte Spartenregelung zudem noch die Freiheit gelassen, die sie in einem entwickelten Wettbewerb brauchen, um entsprechend konkurrenzfähig zu sein.

Ich war selbst Mitglied im Vorstand des baden-württembergischen Städtetags, als dies behandelt worden ist. Ich plaudere wohl nicht in unzulässiger Weise aus der Schule, wenn ich sage, dass dort die übereinstimmende Meinung herrschte: Eigentlich können wir damit leben.

(Abg. Birzele SPD: Ach, dann haben uns die kom- munalen Landesverbände angelogen? – Abg. Ca- pezzuto SPD: Das werden wir weitersagen!)

Ich sage Ihnen die Antwort: Die vorgebrachte Kritik wurzelt in der Verunsicherung darüber, Herr Birzele, wie sich die gesamte Thematik der Daseinsvorsorge entwickelt. Sie war früher einmal ein kommunales Monopol, bei dem niemand anderes vorgesorgt oder versorgt hat – deshalb kommunale Daseinsvorsorge. Sie hat sich nun in einen Wettbewerb gewandelt – zum Teil mit Überkapazitäten. Dass die Kommunen höchst sensibel reagieren, wenn sie hier in irgendeiner Weise gesetzlich gebunden sind, das wissen wir. Die Kommunen sind dort wirklich betroffen – auch da plaudere ich nicht aus der Schule; das wissen Sie, Herr Birzele, sicher auch –, wo sie in ihrer Tätigkeit an ihren örtlichen Wirkungskreis gebunden sind, insbesondere bei der Energieversorgung. Da müssen wir ihnen helfen. Das haben wir uns vorgenommen. Wenn wir ihnen dort helfen, können sie mit dieser Regelung sehr gut leben.

Im Übrigen freuen wir uns, dass den Hauptforderungen des Mittelstands durch Verankerung entsprechender Vorschriften in diesem Gesetz entsprochen wurde und dass wir das

Gesetz noch rechtzeitig vor Ende der Legislaturperiode verabschieden können.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat Herr Abg. Huchler.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Mittelstandsförderungsgesetz hat sich in den letzten 25 Jahren weitgehend bewährt. Der Nachwuchs wurde ausgebildet, Existenzgründer und Betriebsübernehmer wurden gefördert, es wurden Hilfestellungen zur Anwendung neuer Technologien und bei der Erschließung von Märkten geleistet.

Dennoch braucht der Mittelstand noch zusätzliche mittelstandsgerechte Rahmenbedingungen. Dazu gehören der Abbau der Bürokratiekostenbelastung, gleiche Kosten im Sozialbereich, gleiche Steuern, Gebühren, Umweltstandards und Regelungen der Behörden – europaweit.

Auch das Problem der spanischen, portugiesischen, polnischen und ungarischen Billiglohnkolonnen muss vorrangig gelöst werden. Andernfalls verfehlt das Mittelstandsförderungsgesetz sein Ziel.

(Beifall bei den Republikanern)

Die Wettbewerbsbedingungen innerhalb der europäischen Wirtschaftsunion müssen gleich sein. Es darf nicht sein, dass sich deutsche Unternehmen mit ihren hohen Kosten nur noch in Marktnischen bewegen können. Jedes neue Gesetz in Europa und jedes nationale Gesetz muss auf seine mittelstandspolitischen Auswirkungen überprüft werden können. Es muss auf die Anliegen der kleinen und mittleren Unternehmen eingegangen und eine Vereinbarkeitsprüfung vorgelegt werden. Eine verfehlte nationale und europäische Wirtschaftspolitik gefährdet in Baden-Württemberg zurzeit 40 000 Arbeitsplätze und Hunderte von Unternehmen.

(Abg. Deuschle REP: Sehr richtig!)

Auf diese Fehlentwicklung haben wir Republikaner schon in den letzten fünf Jahren hingewiesen. Aber es wurde nichts gemacht.

(Beifall bei den Republikanern)

Gefordert werden konkurrenzfähige Lohnnebenkosten – das ist der Hauptpunkt für die Mittel- und Kleinunternehmen. Die VOB muss zur Grundlage der Auftragsvergabe werden. Daher fordern wir Republikaner, dass Investoren vertraglich auf die VOB verpflichtet werden. Wir schlagen deshalb vor, § 22 Abs. 5 wie folgt zu formulieren:

Für privat finanzierte öffentliche Bauaufträge, besonders Bauträgerverträge, Mietkauf- und Leasingverträge, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. Dabei ist mit den Investoren zu vereinbaren, dass bei der Vergabe von Bauaufträgen die für öffentliche Auftraggeber verbindlichen Vergabevorschriften und die Absätze 3 und 4 anzuwenden sind.

Im Gesetz muss noch geregelt werden, wer im Streitfall die Vergabeanwendungspflicht zu beweisen hat. Vom Handwerksunternehmen kann nicht verlangt werden, diesen Nachweis zu führen.