Aber wenn Sie sich heute hier hinstellen und selbstgerecht eine Regierungserklärung abgeben, dass in Baden-Württemberg immer schon alles Spitze gewesen sei und Sie überhaupt nichts für die Krise könnten, dann muss ich sagen: So geht es auch nicht. Das muss man zurechtrücken, denn es kann doch nicht sein, dass Baden-Württemberg die Insel der Seligen ist, wie Sie das sehen wollen.
Die Voraussetzung für alles ist, dass man eingesteht – das hat Herr Maurer richtig gesagt –, dass einfach Fehler gemacht wurden. Sie haben 16 Jahre lang dieses Land im Bund regiert. Da war der Höhepunkt der BSE-Krise. Damals wurden die entscheidenden Fehler gemacht. Die Krise hat den Höhepunkt doch schon längst überschritten. Man hat sich nur der Illusion hingegeben, dass das alles ein Problem der britischen Insel wäre und mit uns nichts zu tun hätte.
(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen – Abg. Göbel CDU: Was? – Abg. Döpper CDU: Sie haben nicht zugehört!)
Herr Ministerpräsident, die CDU-Fraktion hat gestern Abend Weihnachtsfeier gehabt, wir auch. Ich habe gehört, bei der CDU sei es ein schöner und guter Abend gewesen.
(Abg. Dr. Schlierer REP: Bei Ihnen nicht? – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Hoffentlich bei euch auch!)
Aber als ich heute Ihre Regierungserklärung gehört habe, Herr Ministerpräsident, habe ich gedacht: Dieses Weihnachtsmärchen hätten Sie eigentlich gestern Abend erzählen sollen. Da hätte es besser hingepasst als heute hierher.
Man muss die Punkte, die Sie aufgezählt haben, einfach einmal widerlegen. Das will ich an vier Punkten tun.
Erster Punkt: Tiermehl. Dass das Tiermehl der Übertragungspfad Nummer 1 ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Aber die Landesregierung hat sich in dieser und in den vorhergehenden Legislaturperioden – wie auch die früheren Bundesregierungen – immer gegen ein generelles Verbot der Tiermehlverfütterung eingesetzt. Das ist der Punkt, zu dem ich hier überhaupt nichts von Ihnen gehört habe.
auch wenn das so überhaupt nicht stimmt. Entscheidend ist doch, dass nach dem Verbot von Tiermehl in Großbritannien im Jahr 1988 dieses englische Tiermehl offiziell noch bis 1996 in andere EU-Länder und auch nach Deutschland exportiert wurde.
Selbst nach dem Verbot der Verfütterung von Tiermehl an Rinder konnten die Kraftfutterwerke noch Tiermehl als billiges Protein beimischen, weil die Kontrollen mehr als unzureichend waren. Das zeigen auch die Skandale mit Dioxinen und anderem in Futtermitteln.
Es mag etwas besserwisserisch klingen, wenn ich sage, alle haben Schuld. Natürlich haben alle Schuld, aber selbstverständlich in unterschiedlichem Maße. Mein Kollege Michael Jacobi hat hier vor zehn Jahren den Antrag gestellt, ein generelles Verbot des Einsatzes von Tiermehl bis zur Aufklärung der BSE-Seuche anzustreben, wohlgemerkt, vor zehn Jahren. Dieser wurde abgelehnt. Damals, auf dem Höhepunkt der Krise, wäre dies bereits dringend notwendig gewesen. Sie haben es damals nicht getan. Stattdessen wurde abgewiegelt, vertuscht, verdrängt und gehofft, dass nichts schief geht.
Das Hauptproblem ist doch immer, dass in dem Widerstreit zwischen Wirtschaftsinteressen und Gesundheit – die Überschrift Ihrer Regierungserklärung lautet ja, Gesundheit habe absoluten Vorrang – die Gesundheit und der Verbraucherschutz immer hinten runtergefallen sind. So sieht es aus.
Zweiter Punkt: Importverbote. Gerade in der kritischen Zeit Ende der Achtziger-, Anfang der Neunzigerjahre hat die Landesregierung nichts unternommen. 1990 hat wiederum Michael Jacobi einen Antrag gestellt, dass sich die Landesregierung über den Bundesrat für ein Verbot des Imports von britischem Fleisch und britischen Lebendtieren einsetzen soll. Es ist daraufhin nichts geschehen. Seit Sie im Bund nicht mehr regieren, stehen Sie auf einmal an
Das Gleiche gilt übrigens – das ist auch ein Punkt, den Sie einfordern – für die offene Deklaration der Futtermittel. Das haben Sie in Ihrer Regierungserklärung aufgeführt. Als diese offene Deklaration der Futtermittel Anfang der Neunzigerjahre dringend nötig gewesen wäre, damit die Bauern kein Tiermehl als Proteinträger beim Futter untergejubelt bekommen, haben Sie das ebenfalls abgelehnt. So weit zu dem Thema „Gesundheit geht vor“.
(Abg. Maurer SPD: Und Herr Teufel war immer dabei! – Zurufe der Abg. Schmiedel SPD und Wal- ter Bündnis 90/Die Grünen)
Dritter Punkt: Risikomaterial. Ich will es nicht noch einmal anführen; Herr Kollege Maurer hat dazu lange Zitate vorgetragen. Sich hier jetzt hinzustellen und Krokodilstränen zu vergießen ist einfach unglaubwürdig. Noch vor wenigen Wochen hat sich Frau Staiblin zusammen mit ihrem bayerischen Kollegen vor die Presse gestellt und gefordert, dass die Risikomaterialien für die Tiermehlherstellung weiterhin zugelassen werden. So viel zu Ihrem Anspruch, dass für die Landesregierung die Gesundheit der Bürger absoluten Vorrang habe. Wir wissen mittlerweile, was das heißt.
Nächster Punkt: die Tests. Ich will es auch hier kurz machen. Auch hier ist die Landesregierung weit davon entfernt, Spitze zu sein. Auch hier will sie zum Jagen getragen werden,
ganz anders, als der Herr Ministerpräsident glauben machen will. Baden-Württemberg hat mit den Tests erst angefangen, als klar war, dass die EU diese ab nächstem Jahr vorschreibt, und das Bundesministerium für Landwirtschaft die Länder zu Tests aufforderte. Die Vorziehung um wenige Wochen auf Mitte November ist wahrlich keine große Heldentat des Verbraucherschutzes. Von Ihrer Panne im Fernsehen will ich jetzt gar nicht reden.
Ich will Ihnen sogar zugute halten, dass Sie die Leute nicht wissentlich angelogen haben, sondern dass Sie einfach nicht im Bilde waren. Bei Ihrer Geschichte „Wir haben immer alles getan“ habe ich, nachdem ich Ihren Fernsehauftritt gesehen habe, eher das Gefühl, das Wort BSE können Sie erst seit wenigen Wochen buchstabieren. Das ist wahrscheinlich die bessere Erklärung dafür.
Im Gegensatz dazu hat Frau Höhn in Nordrhein-Westfalen schon Anfang 1999, nachdem der Prionenschnelltest in der
Schweiz als einigermaßen zuverlässig galt, mit einer freiwilligen Testreihe bei 5 000 Schlachttieren begonnen. Ich will deutlich hinzusagen: Gott sei Dank waren die Tests bei diesen Tieren alle negativ. Es gab keinen positiven Befund. Darüber kann man froh sein,
wie man natürlich genauso über die Ergebnisse der jetzt in Baden-Württemberg gemachten 2 500 Tests froh sein muss. Ich will es, was die Tests angeht, bei dieser Kritik bewenden lassen. Ich finde aber, dass die Landesregierung überhaupt keinen Grund hat, in dieser Frage die Backen so weit aufzublasen.
Dazu sage ich erstens: Die derzeitigen Testmethoden müssen so schnell wie möglich flächendeckend eingesetzt werden, und zwar, Herr Hauk, auch bei jüngeren Tieren ab 20 Monaten, auch wenn die Tests bislang keine hundertprozentige Sicherheit geben,
(Abg. Hauk CDU: Entschuldigung, wir gaukeln doch den Leuten keine Sicherheit vor! – Gegenruf der Abg. Ingrid Blank CDU: Das würden die aber machen!)
In England gibt es bereits nicht zugelassene Bluttests an lebenden Tieren. Diese Tests müssen ausprobiert und verbessert werden. Da muss die Forschung so intensiviert werden,
dass wir dazu kommen, dass man nicht erst bei toten Tieren testet, sondern bereits bei lebenden Tieren Bluttests macht. Das ist der Punkt.
Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Dazu würde ich gern noch einiges sagen, Herr Ministerpräsident, aber dafür reicht die Zeit nicht.
Es wird kein Rindfleisch aus Großbritannien importiert. Das ist de facto so, weil es überhaupt niemand essen würde. Es würde nicht verkauft werden können.