Dieter Salomon

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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist wirklich die Frage, ob es klug ist, solche Debatten in der Fasnetswoche anzusetzen. Wenn ich mir den Beitrag des Herrn Kollegen Scheffold vergegenwärtige, muss ich wirklich sagen: ein paar Tage zu früh. Ein anderer Zeitpunkt wäre besser gewesen.
Zu Ihnen, Herr Ministerpräsident, und zu dem Thema: „Warum eigentlich eine Regierungserklärung?“
Das erste Mal seit neun Jahren war ich wirklich fast versucht, der Begründung von Herrn Dr. Schlierer zu folgen;
sie war nämlich aufs Tüpfele richtig: Das ist keine Regierungserklärung. Sie haben in den letzten Jahren schon des Öfteren Regierungserklärungen zu diesem Thema abgegeben. In einer unsäglich dürftigen Art und Weise geben Sie hier eine Erklärung ab,
die nicht einmal eine Haushaltsrede ist – obwohl wir gar keine Haushaltsberatungen haben. Normalerweise müsste so etwas in einen Nachtragshaushalt einfließen. So war es in diesem Hause immer guter Brauch. Davon ist nichts zu spüren. Wenn Sie hier vier Wochen vor der Wahl eine Regierungserklärung abgeben, frage ich mich, für welche Regierung Sie eigentlich sprechen.
Für welche Regierung haben Sie eigentlich noch ein Mandat?
Insofern bleibt übrigens noch die Frage, ob es dann noch „Erwin 3“ heißt oder nicht eher „Ute 1“. Das müsste man auch noch diskutieren.
Das Schauspiel, das hier gegeben wird, hat den Titel: „1,2 Milliarden DM für den Machterhalt von Erwin Teufel“. Nur: Ob das zu diesem Machterhalt reichen wird, warten wir doch besser noch ab.
Herr Maurer hat richtig gesagt: Es geht nicht mehr um die Frage, an wen verkauft wird. Das haben wir in diesem Land schon oft diskutiert. Aber das Zitat aus dem „Handelsblatt“ ist richtig. Wir haben hier wahrscheinlich noch eine Gnadenfrist von fünf Jahren, wie das „Handelsblatt“ schreibt, und dann wird die EnBW das Vertriebsbüro der EdF in Deutschland. Das sollten wir hier nicht mehr diskutieren; das ist einfach klar. Auch Sie können keine Garantien für die Arbeitsplätze geben. Das Argument hat man heute auch nicht mehr so laut gehört.
Die Frage, die wir hier diskutieren müssen, ist eine ganz andere: Ob es der richtige Weg war, die Privatisierungser
löse und andere Landesbeteiligungen in eine gemeinnützige Gesellschaft einzuschließen. War das der richtige Weg,
oder entstehen dadurch nicht erst andere Probleme, die man vorgibt, lösen zu können? Es ist kein Geheimnis, dass wir von der Stiftungslösung nichts halten.
Ich will dazu sagen, Herr Kollege Pfister: Am Anfang hatten wir Sympathien für diese Lösung, aber je näher man sich das angeschaut hat,
desto mehr hat man gemerkt, dass es schlichtweg nicht funktioniert. Man muss sich nur einmal vor Augen führen, welche Kriterien der Rechnungshof in der Finanzausschusssitzung, in der dies beraten wurde, aufgestellt hat, damit das Ganze funktioniert, damit es steuerrechtlich und haushaltsrechtlich funktioniert.
All diese Bedingungen, meine Damen und Herren, sind nicht erfüllt. Die erste Bedingung war: Die gefundene Lösung muss steuerrechtlich unangreifbar sein. Hier fangen die Schwierigkeiten schon an, abgesehen davon, dass auch die Kriterien, die vorliegen müssen, damit die Landesstiftung dem Land Mittel zuwenden kann, ohne ihre Gemeinnützigkeit zu gefährden, einigermaßen restriktiv ausgelegt sind.
Erstens: Die Zuwendungen der Landesstiftung an das Land dürfen nur für steuerbegünstigte Zwecke erfolgen, das heißt, sie müssen gemeinnützig sein. Das sind enge Regeln. Wenn ich sehe, was Sie da alles machen, wird es einem ganz anders.
Zweitens: Da es sich um Zuwendungen an das Land, das heißt eine nicht steuerbegünstigte Körperschaft, handelt, muss die Landesstiftung als zuwendende Körperschaft die Zweckbindung festlegen.
Sie muss dann drittens dafür Verantwortung tragen, dass die Mittel zeitnah und zweckentsprechend durch das Land ausgegeben werden. Ansonsten trägt die Landesstiftung das Rückforderungsrisiko.
Und viertens – das ist ganz wichtig –: Das Land darf durch die Zuwendungen keinen wirtschaftlichen Vorteil erlangen, es darf insbesondere keine eigenen Mittel einsparen. Wenn ich mir aber anschaue, was Sie hier alles auflegen, dann kann ich nur sagen: Sie stopfen jetzt Ihre Haushaltslöcher mit dem allem. Da muss ich schon fragen: Wo ist denn die Gemeinnützigkeit?
Wenn man das alles ernst nimmt und danach handelt, dann werden die Handlungsspielräume des Landes – und das ist der zweite Punkt, den uns der Rechnungshof ins Stamm
buch geschrieben hat – in nicht vertretbarer Weise eingeengt. Sie und wir alle werden dann gezwungen sein, das Wohl des Landes durch die Brille der Gemeinnützigkeit zu betrachten. Die Schlüsselfrage, die uns alle hier beschäftigen wird, wird in Zukunft lauten: Wie werde ich gemeinnützig? Da laufen dann ganz tolle Dinge. Da wird jetzt schon an Vereinen gestrickt, die sich extra gründen, um das Kriterium der Gemeinnützigkeit zu erfüllen. Da kann man sich tolle Sachen vorstellen. Da kommt dann der Undercover-Wirtschaftsförderer von der gemeinnützigen Weiterbildungs-GmbH. Man darf übrigens auch noch gespannt sein, wie sich die Förderkulisse des Landesgewerbeamts unter diesen Rahmenbedingungen verändern wird.
Aber auch die Rechte des Landtags – hier geht es um die Demokratie, hier geht es um die Frage, was wir hier eigentlich noch zu sagen haben – werden in unverantwortlicher Weise eingeengt. Das wird dann so laufen: Dann kommt die Stiftung wie der Weihnachtsmann in den Landtag und packt Geschenke aus. Wir, der Landtag, können dann nur noch wie die Kinderlein sagen: „Gut, nehmen wir“ oder „Passt uns nicht, nimms wieder mit“. Das heißt, wir haben keine eigenen Gestaltungsmöglichkeiten mehr. Wenn Sie sagen, das werde ja dadurch geheilt, dass im Aufsichtsrat der Stiftung zu 50 % auch Parlamentarier vertreten seien, dann will ich Sie einmal darauf hinweisen, dass ein Abgeordneter im Aufsichtsrat einer Stiftung natürlich das Wohl der Stiftung im Auge zu haben hat und nicht mehr frei handelnder und nur seinem Gewissen verantwortlicher Abgeordneter ist. Diese Trennung sollte man intellektuell redlich eigentlich schon noch aufrechterhalten.
Kommen wir zum dritten Punkt, den uns der Rechnungshof aufgegeben hat. Er hat gesagt: Die Lösung darf nicht neue, noch nicht überschaubare Probleme verursachen. Aber genau das tut sie. Das kleinste Problem wird wohl sein, dass wir, der Landtag, im Haushalt sparen müssen, so wie wir das auch früher schon getan haben, und umgekehrt die Stiftung dann diejenige ist, die die Wohltaten übers Land verteilt. Da haben wir als Landtag aber nichts mehr zu sagen. Das, meine Damen und Herren, ist der Abschied von Demokratie, das ist die Refeudalisierung von Landespolitik. Wir schaffen einen Schattenhaushalt, der nicht mehr demokratisch legitimiert ist. Das ist der Stoff – da kennen Sie sich ja nach 50 Jahren Regierung aus –, aus dem der Filz in diesem Land besteht, meine Damen und Herren.
Man kann es auch anders formulieren: Der Weg vom Verkauf von Landesvermögen an die Landesholding – Sündenfall 1983 Lothar Späth – bis hin zur Landesstiftung, das ist die Chronik des demokratischen Verfalls, das ist der Abschied von demokratischer Mitwirkung und Kontrolle.
Deshalb, Herr Ministerpräsident, fordern wir Sie auf: Machen Sie Schluss mit dieser unsäglichen Konstruktion. Denn nur, wenn es gelingt, die freie Verfügung über diese Teile des Landesvermögens wieder zu erlangen, können wir auch in diesem Land, in diesem Haus – und das ist die demokratische Qualität – frei über die Verwendung der
Mittel diskutieren und in die demokratische Auseinandersetzung darüber eintreten, wofür wir denn das Geld ausgeben. Denn eines, meine Damen und Herren, ist seit Jahren klar: Der Unterschied zwischen den Zukunftsoffensiven I und II und der Zukunftsoffensive III, genannt „Erwin 3“, ist schlichtweg folgender:
Die ersten zwei Zukunftsoffensiven wurden aus dem Haushalt finanziert. Zu Bayern besteht aber ein Unterschied: Die Bayern haben damit Profil erzielt, weil sie zusätzliche Sachen gemacht haben. Wir haben in den Neunzigerjahren gespart. Wir mussten sparen. Wir haben 1996 die Haushaltsstrukturgesetze verabschiedet. Vieles von dem, was aus dem Haushalt gestrichen wurde, ist über „Erwin 2“ wieder hereingekommen. Man kann fragen, ob das sinnvoll war. Auf jeden Fall war es aber steuerrechtlich unproblematisch.
„Erwin 3“ ist eine ganz andere Geschichte. Die Gemeinnützigkeitsregelung wird dazu führen, dass vieles von dem, was Sie ausgeben wollen, nicht ausgegeben werden kann. Sie haben zum Beispiel die anwendungsorientierte Forschung drin, bei der eigentlich klar ist, dass sie nicht gemeinnützig sein kann. Sie haben zum Beispiel die Wirtschaftsförderung drin, von der jeder weiß, dass sie eigentlich nicht gemeinnützig sein kann. Deshalb hat man in der Enquetekommission „Mittelständische Unternehmen“ des Landtags vor kurzem darüber diskutiert, ob nicht auf Bundesebene ein Vorstoß unternommen werden soll, um die Wirtschaftsförderung gemeinnützig zu machen. Tatsache ist aber: Sie ist es nicht. Es ist zwar sinnvoll, Existenzgründungen zu fördern – das ist gar keine Frage –, aber es geht nicht um die Sinnhaftigkeit solcher Maßnahmen, sondern um die Frage, ob sie gemeinnützig im steuerrechtlichen Sinne sind, und das sind sie nicht.
Wenn man dies alles zusammennimmt, muss man sagen: Die Bayern haben einen Weg gewählt, mit dem man Profil schafft, wenn man Landesvermögen veräußert. Diesen Weg konnten wir aufgrund des Sündenfalls Späth 1983 und der Schulden der Landesholding so nicht wählen. Was Sie aber machen, ist mehr als heikel; ich behaupte: Es trägt nicht. Sie müssen all die Dinge, die Sie jetzt ankündigen, falls Sie in vier Wochen wieder ein Mandat der Wähler erhalten, mit Ihrer nächsten Regierung im Prinzip wieder einsammeln, weil sie einfach nicht tragen, oder aber Sie müssen die Programme umstricken und vergewaltigen, damit sie gemeinnützig werden. Darauf bin ich gespannt. Mit Demokratie und Haushalt hat dies alles aber nichts mehr zu tun, meine Damen und Herren.
Weil das so ist, ist das, was der Rechnungshof gesagt hat, für uns klar: Landesvermögen kann am Besten erhalten bleiben, indem man Schulden zurückzahlt. Dem brauche ich nichts mehr hinzuzufügen – das hat Herr Kollege Maurer schon ausgeführt.
Nachdem man die Schulden zurückgeführt hat, würden wir für den Rest drei Schwerpunkte setzen: Erstens eine Multimedia-Offensive für das Land, zweitens würden wir endlich das tun, was Sie in Ihrem Koalitionsvertrag stehen haben, nämlich eine Stiftung Weiterbildung ins Leben rufen,
und drittens – darüber habe ich von Ihnen in Ihrer Regierungserklärung überhaupt nichts gehört – würden wir dafür sorgen, dass regenerative Energien und die Energieforschung endlich den Stellenwert erhalten, den sie in diesem Lande schon lange nicht mehr haben.
Was ist denn drin? Von regenerativen Energien ist nichts drin.
Das wären die Schwerpunkte, die wir setzen würden. Damit wäre das Geld sinnvoll verwendet.
Es wäre steuerrechtlich in Ordnung. Wir als Landtag würden die Herrschaft darüber behalten, wie die Mittel verwendet würden, und würden nicht solchen Murkskonstruktionen anheim fallen müssen.
Danke schön.
Herr Kollege Reinhart, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass seit der Gründung der Grünen vor 21 Jahren eine der vier Grundsäulen der Grünen die Gewaltfreiheit ist? Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich denke, Herr Kiefl hat in der vorherigen Debatte hier etwas ganz Wichtiges zu der Frage gesagt,
wie man aus der Krise in der Landwirtschaft herauskommen kann, wenn man es ernst meint. Er hat gesagt, man könne nicht die Bauern gegeneinander ausspielen, man könne nicht ökologische gegen konventionelle Landwirtschaft ausspielen und man könne das Ganze nur schaffen, wenn man das Vertrauen der Verbraucher in die Gesundheit der Lebensmittel wieder herstelle. Das ist genau der Punkt, dass das in Baden-Württemberg nicht der Fall ist.
Ich will auf die Organisation des Ministeriums gar nicht eingehen. Ich will nur eines sagen: In diesem Konflikt – das ist ein ganz natürlicher Konflikt, ein Interessenkonflikt – zwischen den Interessen der Landwirtschaft oder, wie ich eher sagen möchte, der Agrarlobby und den Interessen des Verbraucherschutzes muss man Prioritäten setzen. Diese Prioritäten sind in der Person Gerdi Staiblin, in der Person
der Ministerin verleugnet worden bzw. für die Agrarlobby und gegen den Verbraucherschutz gesetzt worden. Das allein ist meines Erachtens Grund genug für den Rücktritt.
Wir sind uns seit Jahren in diesem Haus einig, dass die Ministerin überfordert ist.
Wir sind uns in diesem Haus einig. Jetzt könnte die Opposition, wenn die Sache nicht so ernst wäre, natürlich acht Wochen vor der Wahl locker sagen: „Eine schwache Ministerin ist uns lieber als eine starke. Und was solls? Es sind ja eh bald Wahlen, und warum sollte man so jemanden ablösen?“
Das könnte man sagen, wenn die Situation nicht so dramatisch wäre, dass es hier um den Gesundheitsschutz geht und dass es hier Verfehlungen gab, die ein Verbleiben der Ministerin im Amt unseres Erachtens überhaupt nicht mehr möglich machen.
Hier besteht – und das ist ja das eigentlich Erstaunliche – bis weit in die Reihen der CDU hinein ein völliges Rätsel, warum im Dezember der Ministerpräsident eine Regierungserklärung gehalten hat und nicht die Ministerin. Herr Teufel, Sie haben sich indirekt auch mit dem Schicksal Ihrer Ministerin verbunden. Sie haben sich zuerst vor sie gestellt, dann haben Sie sich hinter sie gestellt, und jetzt lassen Sie sie im Regen stehen. So geht es nicht.
Sie haben hier noch im Dezember die Parole vertreten – was eigentlich völlig irre ist; Herr Kiefl hat richtig gesagt, BSE sei eine europäische Krankheit –: „In Europa ja, aber sicher nicht in Baden-Württemberg.
Wir haben nie etwas falsch gemacht; wir haben immer alles richtig gemacht, und wir werden das, was wir getan haben, weiter so machen.“ Das ist der Grund, warum Sie da mit drinhängen.
Das hätte beinahe geklappt.
Jetzt kommen Sie daher und ziehen einen Staatsrat – Herrn Beyreuther, der als Wissenschaftler natürlich völlig außerhalb der Diskussion steht; das ist gar nicht der Punkt – aus
der Tasche als Eingeständnis, dass doch etwas nicht stimmen kann. Denn eines ist doch klar: Wenn das stimmt, was Sie im Dezember gesagt haben, Herr Ministerpräsident, dann brauchen wir keinen Staatsrat.
Wenn das nicht stimmt – und ich behaupte, das stimmt nicht –, dann brauchen wir nicht so einen Staatsrat, sondern dann brauchen wir, wie Herr Maurer gesagt hat, jemanden, der als Minister oder als Ministerin voransteht und den Verbrauchern wieder glaubhaft macht, dass die Lebensmittel in Baden-Württemberg sicher sind.
Was Sie, Herr Ministerpräsident, hier machen, das ist nicht Politik, das ist Politiksimulation, das ist moderner Voodoo.
Sie suggerieren Handlungsfähigkeit. Das ist der reine Aktionismus.
Ich will Ihnen einmal an drei Beispielen deutlich machen, dass der Verbraucherschutz in diesem Interessenkonflikt bei Ihnen, Frau Staiblin, immer systematisch hinten runtergefallen ist.
Das Thema Risikomaterial wurde erwähnt. Der entscheidende Punkt ist ja nicht, dass Sie die Bauernlobbyistin, die Agrarlobbyistin waren, die dafür gekämpft hat, dass in Baden-Württemberg immer schon alles sicher und gut war. Es gab ja noch andere in der Regierung. Der Kollege Repnik hat gesagt: „Der Gesundheitsschutz geht vor, egal, ob das ein paar Millionen kostet; die Verbraucher sind verunsichert; wir müssen etwas tun.“ Das wurde von Ihnen weggewischt. Das ist doch der Punkt, warum Sie als Verbraucherministerin nicht glaubwürdig sind.
Das zweite Beispiel sind die Beimischungen. Ich sage nicht Verschleppungen. Das sind die systematischen Beimischungen im Kraftfutter, das man auch für das HQZ genommen hatte. Sie haben immer gesagt, das ließe sich nicht vermeiden, weil die Hersteller das nicht kontrollieren könnten. Es wurden dann Briefe gefunden, aus denen hervorging, dass das Ministerium dies schon seit 1995 – noch zu Zeiten von Herrn Weiser – weiß. Da hat man an die Bundesregierung geschrieben. Noch im letzten November, als Sie in großen Anzeigen geworben haben: „HQZ – kein Tiermehl, das ist sicher“, haben Sie an Herrn Funke geschrieben und wollten sich noch eine Toleranzgrenze bescheinigen lassen. Das war dann der Grund für uns, zu sagen: Das ist nicht nur Verbrauchertäuschung, das ist ge
meingefährlich und gesundheitsschädigend. Sie täuschen auch die Bauern. Sie haben die Bauern getäuscht, weil sie davon ausgingen, dass das Kraftfutter, das sie für das HQZ nehmen, sicher ist. Sie täuschen also beide, die Verbraucher und die Bauern.
Jetzt stellt sich noch etwas ganz anderes heraus. Jetzt stellt sich nämlich heraus – wie man aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium erfahren kann –, dass die Ihnen in den Antworten auf Ihre Briefe immer gesagt haben, dass der Fall, von Bundesseite aus gesehen, völlig klar ist. EUrechtlich ist es so, dass es überhaupt keine Toleranzgrenzen gibt.
Es gibt null Toleranz. Es war von Anfang an, seit 1995, klar. Sie haben jetzt immer die Schuld auf den Bund abgewälzt und haben gesagt, die hätten bestimmen sollen, wie wir es machen sollen. Der Bund hat gesagt: Die Futtermittelhersteller müssen so genannte Spülchargen fahren und dann kontrollieren, ob noch Reste drin sind. Das heißt nichts anderes, als dass sie die Nulltoleranz einhalten müssen.
Ich sage deshalb: Bei einem Prozent Beimischung handelt es sich nicht um Verschleppungen. Das sind systematische Beimischungen, das sind systematische Täuschungen der Bauern und der Verbraucher in Ihrem Namen, in Ihrem Wissen. Nehmen Sie den Hut, und treten Sie zurück. Das Ganze kann man gar nicht mehr anders beschreiben.
Weil Herr Maurer schon die Antibiotika in der Schweinemast genannt hat, will ich einmal die Antibiotika im Obstanbau nennen. Von Antibiotika – das wissen wir alle – wird man nicht krank, sondern wenn man Antibiotika nimmt, wird man gesund, wenn man krank ist. Daher ist das, was Sie machen, etwas völlig anderes. Da werden 15 Tonnen eines Antibiotikums, das als Reserve-Antibiotikum zum Beispiel bei Tuberkulose vorgehalten wird, in die Umwelt gesprüht, die Bakterien werden dadurch resistent, und dann wirkt das Mittel nicht mehr, wenn man krank ist und es dann braucht. Man weiß auch, dass das alles so ist.
Sie haben sich hingestellt, haben sich in Presseerklärungen gebrüstet, dass Sie, unterstützt von den Obstbauernverbänden, durchgesetzt haben, dass dieses Antibiotikum in der Umwelt wieder verspritzt werden darf.
Sie haben sich damit gebrüstet, haben dann Tests gemacht und festgestellt, dass die Grenzwerte überschritten sind, haben dann den Honig heimlich aufgekauft und stellen sich jetzt hier hin und sagen: „Ich bin die Ministerin für Verbraucherschutz. Ihr könnt mir glauben, in Baden-Württemberg ist alles sicher.“
Für den Rücktritt einer Ministerin, meine Damen und Herren, kommt es auch auf die Maßstäbe an. Wenn ich den Maßstab zugrunde lege, weshalb Frau Fischer zurückgetreten ist, warum Frau Stamm zurückgetreten ist,
dann frage ich mich: Was muss eigentlich in Baden-Württemberg alles noch geschehen, bis Sie, Frau Ministerin, endlich Ihren Hut nehmen?
Da Sie – so, wie Sie gestrickt sind – das sicher nicht tun, muss man die Frage an den Herrn Ministerpräsidenten stellen. Sie decken das alles. Sie erinnern mich an Erich Honecker in der Spätphase,
der damals, angesprochen, warum in der Sowjetunion – – Aufstehen, machen Sie La Ola wie im Fußballstadion, Herr Fleischer.
Jetzt hören Sie doch mal zu. – Als Herr Honecker Ende der Achtzigerjahre gefragt wurde, warum er denn in seinem Staat nichts ändere, wo doch in der Sowjetunion Glasnost und Perestroika kommen – wir stehen hier vor einer Wende in der Landwirtschaft –, hat er gesagt: „Warum soll ich meine Wohnung tapezieren, wenn der Nachbar sie tapeziert? Das muss ich doch nicht machen.“ Das ist Ihre Haltung.
Daraufhin hat Gorbatschow geantwortet: „Und wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“
Ich danke Ihnen.
Dazu sage ich auch noch etwas.
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Dazu sage ich etwas, wenn ich etwas dazu sagen will, nicht wenn Sie es wollen, Herr Hauk.
Richtig. Aber Sie müssen mir zuhören, weil anschließend die Abstimmung ist. Von daher würde ich Ihnen einfach empfehlen, sitzen zu bleiben.
Sie können auch alle hinausgehen. Ich rede so lange, wie ich will. Machen Sie es, wie Sie es wollen. Es dauert alles
länger. Der Herr Kollege Pfister hat schon einen solchen Hunger, dass er gesagt hat, er sei bereit, alles zu essen, ob es getestet sei oder nicht.
Es dauert halt noch einen Moment. Ich freue mich, dass der Herr Ministerpräsident hier bleibt, weil ich auch auf seine Ausführungen antworten will. Ich werde auch ausführlich auf alles antworten, was wir angesprochen haben.
Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, ich denke, Sie haben am Anfang zwei Dinge getan, wo Sie einen Popanz aufgebaut haben. Es ist völlig klar, dass man jetzt nicht, auch nicht in Berlin, die biologische Landwirtschaft gegen die konventionelle Landwirtschaft ausspielen darf. Nein, das ist völlig klar,
weil auch das hohe Ziel, von 2,5 % Biolandbau auf 10 % zu kommen, natürlich nicht heißt, dass am Ende nicht 90 % konventioneller Landbau übrig bleiben. Das ist ja völlig klar. Die Frage ist doch eine ganz andere, nämlich ob wir nicht insgesamt das Leitbild in der Landwirtschaft ändern müssen. Deshalb ist die Umstrukturierung des Ministeriums in Berlin ein so wichtiger Schritt. Wir haben nie gesagt, dass der Verbraucherschutz, so wie er in Baden-Württemberg organisatorisch im Ministerium verankert ist, der Hauptpunkt ist, der kritisiert werden soll. Insofern haben Sie natürlich Recht, wenn Sie sagen, dass Sie das, was jetzt in Berlin gemacht wird, in Baden-Württemberg organisatorisch schon längst vollzogen haben, übrigens damals auf ein Monitum des Rechnungshofs hin, weil der gesagt hat, es könne nicht sein, dass der Verbraucherschutz über x Ministerien im Land verteilt sei.
Die entscheidende Frage, die in Berlin jetzt anders beantwortet wird, ist doch, was eigentlich das Neue an Frau Künast ist und warum Frau Künast so wichtig für ein neues Verständnis von Landwirtschaftspolitik ist. Das hat Herr Maurer beantwortet. Die Antwort ist nämlich, dass es, wenn man schon beides in einem Ministerium gleichzeitig verankert, nur Sinn macht, wenn im Kopf des Ministeriums die politische Verantwortung für den Verbraucherschutz steht und nicht für eine Agrarlobby, wie es hier in BadenWürttemberg der Fall ist.
Solange ich politisch denken kann – das sind ungefähr 30 Jahre, dass ich mich zurückerinnern kann –, hatten wir immer Landwirtschaftsminister, angefangen bei Herrn Ertl über Herrn Kiechle und Herrn Borchert bis hin zu Herrn Funke, die früher selber Landwirte waren und die stolz darauf waren, dass sie den Aufstieg gemacht haben und im Ministerium dann die Interessen ihrer Landwirte vertreten konnten, aber nicht die Interessen der Verbraucher. Das ist das Neue an Frau Künast. Das ist das, was Frau Staiblin nicht repräsentiert. Das ist der eigentliche Punkt, Organisation hin oder her.
Deshalb sage ich Ihnen – das ist der nächste Punkt –, dass das HQZ keine Zukunft haben wird, ganz einfach deshalb, weil niemand daran glaubt, dass hiermit bessere Qualität verbunden wird. Das HQZ war über die Jahre hinweg immer nur ein regionales Herkunftszeichen, aber es war kein Qualitätszeichen. In der Hähnchenmast war es so, dass die Antibiotika nicht einmal restriktiv verwendet werden mussten, sondern man sie einfach ungeschützt verwenden konnte. Wo also ist beim HQZ die Qualität?
Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt, der in Berlin verfolgt werden wird: Wir brauchen künftig zwei bundesweite Qualitätszeichen, ein Biogütesiegel und ein konventionelles Gütesiegel, das aber an klare Kriterien geknüpft sein wird. Damit wird die konventionelle Landwirtschaft nicht gegen die biologische ausgespielt.
Das macht aber natürlich nur unter einer anderen Überschrift Sinn, nämlich der, dass Verbraucherschutz das höchste der Güter ist.
Ich will Ihnen noch etwas zum Thema Kontrolle sagen. Sie haben hier aufgelistet, was Sie auf einmal alles kontrollieren wollen, was Sie früher nicht kontrolliert haben. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Kontrolle ist das eine, aber aus der Kontrolle müssen auch Konsequenzen folgen.
Dann haben Sie noch etwas gemacht, was ich nicht für Verbrauchertäuschung, sondern für Abgeordnetentäuschung halte. Sie haben aus einem Bundesratsprotokoll zitiert und gesagt, inhaltlich sei dies in der Substanz genau das, was in dem Brief von Frau Staiblin stehe. Herr Ministerpräsident, das ist es eben nicht. In der Substanz besagte dieser Antrag, dem 13 Bundesländer zugestimmt haben, unter anderem auch Nordrhein-Westfalen, lediglich, dass man sich nach dem damaligen Wissen und Glauben versichert hat, dass man – was BSE angeht – kein Risikoland sei. Das ist alles. Gegenstand des Antrags war nicht, dass man Risikomaterial weiterhin ungefährdet in die Wurst mischen kann. Da täuschen Sie sich einfach.
Zum Tiermehl und zur persönlichen Verantwortung muss ich noch eines sagen: Sie haben in Ihrer Regierungserklärung soeben zwei Maßstäbe genannt. Einer davon – das ist eigentlich auch richtig – lautet: Man kann nur das Menschenmögliche tun, also das, was man auch weiß. Jetzt habe ich versucht, aufzuzeigen, dass Frau Staiblin, obwohl sie seit fünf Jahren gewusst hat, dass systematisch – nicht zufällig, sondern systematisch, bei 70 % aller Proben bis zu 1 % – Tiermehl enthalten war, die EU-Vorschrift, die von null Toleranz ausgeht, nicht eingehalten hat. Sie hat versucht, von der Bundesregierung quasi einen Freibrief dafür zu bekommen, dass man 1 % tolerieren darf.
Das war die Absicht. Damit hat sie – ich wiederhole es noch einmal – nicht nur die Verbraucher getäuscht, die davon ausgegangen sind, dass HQZ-Produkte gesund sind.
Sie hat auch die Bauern getäuscht, die geglaubt haben, wenn sie Kraftfutter zukaufen, sei es tiermehlfrei. Das ist eine doppelte Täuschung.
Es ist nicht das Menschenmögliche, was Sie getan haben, sondern Sie haben sich richtig – man muss es sagen – zur Agentin der Futtermittelindustrie gemacht. Dazu kann ich nur sagen, man müsste eigentlich einmal nachforschen, ob es menschliches Versagen oder Unwissenheit war – was eine lässliche Sünde wäre –, oder ob eine Amtspflichtverletzung vorliegt, was schon ein ganz anderer Vorwurf wäre.
Zum Thema Staatsrat will ich nur eines sagen. Sie haben gesagt, man könne gar nichts dagegen haben – das wäre fast charakterlos –, wenn ein Staatsrat berufen wird, der sich um den Lebens- und Gesundheitsschutz kümmert. Natürlich kann man überhaupt nichts dagegen haben, wenn das getan wird. Aber man muss die Frage hinzufügen, was dieser arme Mensch, der hier vorne sitzt und den ich persönlich – ich habe ihm vorhin gratuliert – sehr nett finde und dessen Qualifikation als Wissenschaftler auch gar niemand infrage stellt, eigentlich tun kann. Er kann zwei Tage in der Woche ehrenamtlich beraten und einem Kabinett aus wissenschaftlicher Sicht Hinweise geben. Wie ich gehört habe, tagt das Kabinett in dieser Legislaturperiode nur noch ein einziges Mal.
Was kann dieser Mensch tun? Beratend tätig sein bei einem Ministerpräsidenten, von dem man gemeinhin hört, er sei beratungsresistent?
Es ist einfach absurd.
Sie können Ihren Kollegen sagen, dass ich jetzt noch zu dem Punkt Honecker Stellung nehmen werde. Wenn sie es interessiert, können sie hereinkommen, aber ich warte nicht, bis alle da sind; ich fange gleich an.
Herr Ministerpräsident, ich habe Sie nicht mit der Person Erich Honecker verglichen.
Ich habe auch Ihre Politik nicht mit der Erich Honeckers verglichen. Ich habe Sie nicht beleidigt, wollte Sie auch nicht beleidigen, und nichts liegt mir ferner. Ich habe mich aber auch weder zu entschuldigen noch irgendetwas zurückzunehmen. Aber ich kann gerne wiederholen, was ich gesagt habe.
Ich habe lediglich verglichen. Ich habe lediglich eine Haltung verglichen, eine Haltung von jemandem, der nicht versteht, dass sich die Welt um ihn herum ändert, und den alle fragen, warum er sich nicht ändere. Der Zusammenhang war klar: Wir machen eine andere Landwirtschaftspolitik, und Erwin Teufel sagt: „Das brauchen wir nicht. Wir haben es hier immer schon so gemacht, und so, wie wir es machen, ist es gut.“
Ja, die CDU denkt selber so.
Diesen Vergleich habe ich mit folgendem Dialog angestellt: Man hat Honecker gefragt: „Warum demokratisierst du dich nicht? Gorbatschow macht es doch auch.“ Dann hat er gesagt: „Wenn andere ihre Wohnung tapezieren, muss ich das nicht auch machen.“ Wenn ich heute höre, was der Herr Ministerpräsident von sich gegeben hat, dann passt der Vergleich.
Ich habe ihn weder mit einem Kommunisten verglichen – nichts läge mir ferner; das wäre auch absurd –, noch habe ich behauptet, dass er den Schießbefehl an der Mauer gegeben hat; das wäre ja völlig idiotisch. Ich habe nicht einmal behauptet, obwohl er jetzt einen Staatsrat ernannt hat, dass er Staatsratsvorsitzender ist. Das wäre auch falsch.
Ich glaube, wenn man einigermaßen guten Willens ist und sich bemüht, anderen zuzuhören, dann konnte man das nie und nimmer als Beleidigung auffassen. Wenn er sich beleidigt fühlt, tut mir das Leid, aber ich glaube nicht, dass es mit meinen Äußerungen zu tun hat.
Herr Kollege, die Zitate sind ja hochinteressant. Sie zitieren da immer eine Organisation namens CDA. Ich kenne die gar nicht. Können Sie mir erklären, wer das eigentlich ist?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin prinzipiell der Meinung, dass es die Bürgerinnen und Bürger draußen im Land überhaupt nicht interessiert, wer hier was wann gemacht oder nicht gemacht hat.
Die Bürgerinnen und Bürger im Land interessiert in erster Linie, warum das Fleisch momentan nicht sicher ist und wie man es wieder sicher machen kann.
Aber wenn Sie sich heute hier hinstellen und selbstgerecht eine Regierungserklärung abgeben, dass in Baden-Württemberg immer schon alles Spitze gewesen sei und Sie überhaupt nichts für die Krise könnten, dann muss ich sagen: So geht es auch nicht. Das muss man zurechtrücken, denn es kann doch nicht sein, dass Baden-Württemberg die Insel der Seligen ist, wie Sie das sehen wollen.
Die Voraussetzung für alles ist, dass man eingesteht – das hat Herr Maurer richtig gesagt –, dass einfach Fehler gemacht wurden. Sie haben 16 Jahre lang dieses Land im Bund regiert. Da war der Höhepunkt der BSE-Krise. Damals wurden die entscheidenden Fehler gemacht. Die Krise hat den Höhepunkt doch schon längst überschritten. Man hat sich nur der Illusion hingegeben, dass das alles ein Problem der britischen Insel wäre und mit uns nichts zu tun hätte.
Herr Ministerpräsident, die CDU-Fraktion hat gestern Abend Weihnachtsfeier gehabt, wir auch. Ich habe gehört, bei der CDU sei es ein schöner und guter Abend gewesen.
Aber als ich heute Ihre Regierungserklärung gehört habe, Herr Ministerpräsident, habe ich gedacht: Dieses Weihnachtsmärchen hätten Sie eigentlich gestern Abend erzählen sollen. Da hätte es besser hingepasst als heute hierher.
Man muss die Punkte, die Sie aufgezählt haben, einfach einmal widerlegen. Das will ich an vier Punkten tun.
Erster Punkt: Tiermehl. Dass das Tiermehl der Übertragungspfad Nummer 1 ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Aber die Landesregierung hat sich in dieser und in den vorhergehenden Legislaturperioden – wie auch die früheren Bundesregierungen – immer gegen ein generelles Verbot der Tiermehlverfütterung eingesetzt. Das ist der Punkt, zu dem ich hier überhaupt nichts von Ihnen gehört habe.
Das stereotype Argument war immer, deutsches Tiermehl sei sicher,
auch wenn das so überhaupt nicht stimmt. Entscheidend ist doch, dass nach dem Verbot von Tiermehl in Großbritannien im Jahr 1988 dieses englische Tiermehl offiziell noch bis 1996 in andere EU-Länder und auch nach Deutschland exportiert wurde.
Selbst nach dem Verbot der Verfütterung von Tiermehl an Rinder konnten die Kraftfutterwerke noch Tiermehl als billiges Protein beimischen, weil die Kontrollen mehr als unzureichend waren. Das zeigen auch die Skandale mit Dioxinen und anderem in Futtermitteln.
Es mag etwas besserwisserisch klingen, wenn ich sage, alle haben Schuld. Natürlich haben alle Schuld, aber selbstverständlich in unterschiedlichem Maße. Mein Kollege Michael Jacobi hat hier vor zehn Jahren den Antrag gestellt, ein generelles Verbot des Einsatzes von Tiermehl bis zur Aufklärung der BSE-Seuche anzustreben, wohlgemerkt, vor zehn Jahren. Dieser wurde abgelehnt. Damals, auf dem Höhepunkt der Krise, wäre dies bereits dringend notwendig gewesen. Sie haben es damals nicht getan. Stattdessen wurde abgewiegelt, vertuscht, verdrängt und gehofft, dass nichts schief geht.
Das Hauptproblem ist doch immer, dass in dem Widerstreit zwischen Wirtschaftsinteressen und Gesundheit – die Überschrift Ihrer Regierungserklärung lautet ja, Gesundheit habe absoluten Vorrang – die Gesundheit und der Verbraucherschutz immer hinten runtergefallen sind. So sieht es aus.
Zweiter Punkt: Importverbote. Gerade in der kritischen Zeit Ende der Achtziger-, Anfang der Neunzigerjahre hat die Landesregierung nichts unternommen. 1990 hat wiederum Michael Jacobi einen Antrag gestellt, dass sich die Landesregierung über den Bundesrat für ein Verbot des Imports von britischem Fleisch und britischen Lebendtieren einsetzen soll. Es ist daraufhin nichts geschehen. Seit Sie im Bund nicht mehr regieren, stehen Sie auf einmal an
der Spitze der „Grenzen dicht!“-Bewegung. Das ist auch interessant.
Das Gleiche gilt übrigens – das ist auch ein Punkt, den Sie einfordern – für die offene Deklaration der Futtermittel. Das haben Sie in Ihrer Regierungserklärung aufgeführt. Als diese offene Deklaration der Futtermittel Anfang der Neunzigerjahre dringend nötig gewesen wäre, damit die Bauern kein Tiermehl als Proteinträger beim Futter untergejubelt bekommen, haben Sie das ebenfalls abgelehnt. So weit zu dem Thema „Gesundheit geht vor“.
Die Erinnerung daran kann man Ihnen leider nicht ersparen.
Dritter Punkt: Risikomaterial. Ich will es nicht noch einmal anführen; Herr Kollege Maurer hat dazu lange Zitate vorgetragen. Sich hier jetzt hinzustellen und Krokodilstränen zu vergießen ist einfach unglaubwürdig. Noch vor wenigen Wochen hat sich Frau Staiblin zusammen mit ihrem bayerischen Kollegen vor die Presse gestellt und gefordert, dass die Risikomaterialien für die Tiermehlherstellung weiterhin zugelassen werden. So viel zu Ihrem Anspruch, dass für die Landesregierung die Gesundheit der Bürger absoluten Vorrang habe. Wir wissen mittlerweile, was das heißt.
Nächster Punkt: die Tests. Ich will es auch hier kurz machen. Auch hier ist die Landesregierung weit davon entfernt, Spitze zu sein. Auch hier will sie zum Jagen getragen werden,
ganz anders, als der Herr Ministerpräsident glauben machen will. Baden-Württemberg hat mit den Tests erst angefangen, als klar war, dass die EU diese ab nächstem Jahr vorschreibt, und das Bundesministerium für Landwirtschaft die Länder zu Tests aufforderte. Die Vorziehung um wenige Wochen auf Mitte November ist wahrlich keine große Heldentat des Verbraucherschutzes. Von Ihrer Panne im Fernsehen will ich jetzt gar nicht reden.
Ich will Ihnen sogar zugute halten, dass Sie die Leute nicht wissentlich angelogen haben, sondern dass Sie einfach nicht im Bilde waren. Bei Ihrer Geschichte „Wir haben immer alles getan“ habe ich, nachdem ich Ihren Fernsehauftritt gesehen habe, eher das Gefühl, das Wort BSE können Sie erst seit wenigen Wochen buchstabieren. Das ist wahrscheinlich die bessere Erklärung dafür.
Im Gegensatz dazu hat Frau Höhn in Nordrhein-Westfalen schon Anfang 1999, nachdem der Prionenschnelltest in der
Schweiz als einigermaßen zuverlässig galt, mit einer freiwilligen Testreihe bei 5 000 Schlachttieren begonnen. Ich will deutlich hinzusagen: Gott sei Dank waren die Tests bei diesen Tieren alle negativ. Es gab keinen positiven Befund. Darüber kann man froh sein,
wie man natürlich genauso über die Ergebnisse der jetzt in Baden-Württemberg gemachten 2 500 Tests froh sein muss. Ich will es, was die Tests angeht, bei dieser Kritik bewenden lassen. Ich finde aber, dass die Landesregierung überhaupt keinen Grund hat, in dieser Frage die Backen so weit aufzublasen.
Was die Leute viel mehr interessiert, ist doch die Frage: Wie soll es weitergehen?
Dazu sage ich erstens: Die derzeitigen Testmethoden müssen so schnell wie möglich flächendeckend eingesetzt werden, und zwar, Herr Hauk, auch bei jüngeren Tieren ab 20 Monaten, auch wenn die Tests bislang keine hundertprozentige Sicherheit geben,
auch wenn ihre Aussagekraft nicht hundertprozentig ist.
In England gibt es bereits nicht zugelassene Bluttests an lebenden Tieren. Diese Tests müssen ausprobiert und verbessert werden. Da muss die Forschung so intensiviert werden,
dass wir dazu kommen, dass man nicht erst bei toten Tieren testet, sondern bereits bei lebenden Tieren Bluttests macht. Das ist der Punkt.
Die Kennzeichnungsverordnung ist ganz wichtig.
Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Dazu würde ich gern noch einiges sagen, Herr Ministerpräsident, aber dafür reicht die Zeit nicht.
Es wird kein Rindfleisch aus Großbritannien importiert. Das ist de facto so, weil es überhaupt niemand essen würde. Es würde nicht verkauft werden können.
Das ist auch gut so. Aber der entscheidende Punkt – darauf haben Sie nur am Rande hingewiesen – ist natürlich der Punkt, dass die Kennzeichnungspflicht, die beschlossen wurde, von vielen Ländern nicht eingehalten wird und dass man deshalb fordern muss, dass es eine durchgehende Kennzeichnungspflicht geben muss, das heißt von der Ge
burt bis zur Ladentheke. Nur insofern macht die Forderung nach dem Verbot des Imports aus Ländern, die sich nicht an die Kennzeichnungspflicht halten, Sinn.
Damit kann man Druck ausüben. Aber Sie tun jetzt so, als hätten wir die Kühltheken hier voll mit britischem Rindfleisch. Das ist natürlich absoluter Unsinn. Deshalb ist die Anschuldigung an die Bundesregierung, sie habe sich nicht richtig gegen die Aufhebung des Verbots des Exports von britischem Rindfleisch eingesetzt, natürlich Unsinn. Die Bundesrepublik Deutschland war das einzige Land, das dagegen gestimmt hat, muss aber eine solche EU-Verordnung trotzdem umsetzen. Das ist der Punkt. Über den Hebel der Kennzeichnungspflicht haben wir Druck gemacht, dass das auch wirklich passiert. Das muss man schon einmal erwähnen.
Herr Kluck.
Da kann ich mit einer Gegenfrage antworten: Würden Sie uns erklären, warum Sie unsere Anträge immer ablehnen, bloß weil wir in der Opposition sind? Das ist eigentlich auch eine gute Frage.
Dritter Punkt: Wir werden uns bei der Bundesregierung und im Bundestag dafür einsetzen, dass die finanziellen Lasten gleichmäßig auf alle Schultern verteilt werden. Das gilt sowohl für die Kosten der Tiermehlbeseitigung als auch für die Tests. Das gilt auch für die nationalen Hilfen für die Landwirte.
Der vierte Punkt ist ein ganz wichtiger Punkt. Darum müsste eigentlich die ganze Debatte kreisen. Wir müssen endlich erkennen, dass unsere Art, wie wir Landwirtschaft betreiben, mit ursächlich für BSE und andere Skandale ist. Das heißt, wir müssen die Ziele unserer Landwirtschaftspolitik ändern, die im Wesentlichen – schreien Sie jetzt nicht gleich wieder „MEKA“! –
immer nur die Quantität und weniger die Qualität gefördert hat.
Konkret: Die agrarpolitischen Rahmenbedingungen sind so zu ändern, dass bei staatlichen Fördermaßnahmen artgerechte Tierhaltung und nachhaltige Landwirtschaft bevorzugt werden.
Wenn Sie jetzt sagen, das gehe nicht, muss ich Ihnen entgegnen, es geht. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel werden bei der Investitionsförderung die Stallbauvorhaben begünstigt, die eine artgerechte Haltung der Tiere ermöglichen.
Fünfter Punkt: Das HQZ muss ausgebaut werden. Das HQZ funktioniert aber als regionales Markenzeichen nur dann und hat nur dann eine Berechtigung, wenn zum Beispiel bei den Rindern auch das Kraftfutter aus dem Land kommt und draufsteht, was drin ist. Wir brauchen also eine Kennzeichnungspflicht für das Kraftfutter.
Sechster Punkt: Die jetzige aufgeregte Situation muss unseres Erachtens auch genutzt werden, um Verbraucheraufklärung zu betreiben. Billig – das bekommen manche jetzt mit – ist nicht immer gut. Jeden Tag Fleisch essen ist auch nicht gut. Deshalb finden wir, dass gutes Fleisch auch teurer sein darf. Wer glaubt, für 5,99 DM bei Aldi ein Kilo Rindfleisch kaufen zu müssen, und dann noch meint, gute Qualität zu bekommen, der irrt. Das muss mal klar gesagt werden.
Das, was Sie, Herr Kluck, sagen, ist wahrscheinlich sogar richtig.
Die Landesregierung, meine Damen und Herren, muss diesen Bewusstseinswandel vorantreiben.
Ich glaube, meine Damen und Herren – und damit bin ich beim siebten Punkt –, dass es kein Zufall ist, dass die Begriffe „Biolandbau“ und „ökologische Landwirtschaft“ in Ihrer Regierungserklärung, Herr Ministerpräsident, mit keinem Wort vorkommen. Mit keinem Wort! Dabei ist doch klar, dass der Biolandbau die artgerechte Tierhaltung voranbringt, ja sie betreibt, heimische Futtermittel verwendet, Landschafts- und Gewässerschutz betreibt. Das heißt, das müsste doch eigentlich gefördert werden.
Frau Staiblin sagt in den „Stuttgarter Nachrichten“: Machen wir alles.
Es ist doch komisch: Wir wollen, dass der biologische Landbau, der heute ungefähr 3 % der Produktion ausmacht,
in wenigen Jahren auf 10 % kommt. Wir haben nicht 12 %, wie Frau Vogt glaubt, aber wir sollten 12 % anstreben. Das ist entscheidend.
Entscheidend dabei ist, dass dafür gesorgt wird, dass der Biolandbau in den Landesprogrammen wie MEKA höher dotiert wird, dass die Nachfrage stimuliert wird, zum Beispiel durch die Umstellung der Behördenkantinen des Landes und der Kantinen der Krankenhäuser des Landes. Da hat das Land Vorbildfunktion, und da sollten wir vorangehen. Wir haben das übrigens in der Mittelstandsenquete, die gerade zu Ende gegangen ist, gefordert. Da kann ich Sie auch fragen, Herr Kluck: Warum haben Sie das abgelehnt? Warum eigentlich?
All das tun Sie nicht.
Letzter Punkt: Jetzt will ich Ihnen noch ein Beispiel für die Widersprüchlichkeit, für die Chaotik, die Sie hier in Ihrer Politik an den Tag legen, nennen. In der Kantine des Landwirtschaftsministeriums wurde das Rindfleisch ausgeräumt. Es gibt kein Rindfleisch mehr in der Kantine des Landwirtschaftsministeriums.
Warum stellen Sie denn eigentlich nicht auf Biofleisch um? Das wäre doch eigentlich vernünftig. Irgendwie müssen Sie Schiss haben. Sie sind ja nahe dran an den Informationen.
Der Herr Umweltminister aber isst in Friedrichshafen vor laufenden Kameras Tafelspitz, um zu demonstrieren, dass baden-württembergisches Fleisch sicher ist. So widersprüchlich ist Ihre Politik. Sie müssen sich schon entscheiden, welche Art von Politik Sie betreiben. Ich halte das für ein gutes Beispiel für das, was in diesem Land los ist.
Danke schön.
Die Frage, meine Damen und Herren, was diese Regierungserklärung zum Thema BSE sollte, hat nicht nur uns beschäftigt, sondern das ging ja weit in Ihre Reihen hinein. Alle haben sich gefragt: Was soll diese Regierungserklärung zu diesem Zeitpunkt?
Ich hätte mir gewünscht, dass Sie sich vor wenigen Wochen zu einem ganz anderen Thema, nämlich zum Rechtsextremismus, hier im Plenum zu Wort gemeldet hätten bzw. vielleicht eine Regierungserklärung abgegeben hätten.
Jetzt habe ich Ihre Regierungserklärung vernommen und in der ersten Runde auch gesagt, wie sie auf mich gewirkt hat. Ich weiß jetzt – ich war als Kind Asterix-Leser –, dass Sie glauben – –
In Ihrer Regierungserklärung gibt es einen Satz, der nicht zum Rest passt. Sie sagten nämlich sinngemäß, die Globalisierung führe dazu, dass man natürlich auch um BadenWürttemberg keinen Zaun errichten könne. Aber Sie tun so, als hätten wir hier in Baden-Württemberg folgende Situation: Baden-Württemberg, du hast es besser! Hier ist alles Klasse. Die Landwirtschaft bei uns ist schon Spitze.
Der Begriff „ökologische Landwirtschaft“ kommt zwar nicht vor, aber auch Frau Staiblin sagt: Bei uns ist alles bestens; die anderen sollen sich erst einmal so anstrengen. Bei uns gibt es keine Tierfabriken.
Es ist alles toll, und wenn irgendetwas nicht toll ist, dann ist die Bundesregierung schuld, dann ist die EU schuld, dann sind irgendwelche Verbrecher schuld, die auf Umwegen britisches Rindfleisch in dieses Land bringen.
Das kann doch nicht sein, meine Damen und Herren! Sie können sich doch hier nicht hinstellen und so tun, als hätten Sie mit der EU-Politik, die Sie 20 Jahre mitgemacht haben, nichts zu tun.
Ich gebe gern zu, dass die EU-Landwirtschaftspolitik nicht nur überholt ist, sondern dringend überholt werden sollte.
Auch vorhin habe ich gesagt, dass sie überholt werden sollte. Ich gebe auch gern zu,
dass das, was Herr Schröder jetzt im Bundestag gesagt hat, wir müssten zu einer Entwicklung weg von den Tierfabriken und hin zu einer artgerechten Tierhaltung kommen, auch in der EU erst einmal umgesetzt werden muss. Das ist überhaupt keine Frage.
Das ist eine Aufgabe, die man wahrscheinlich auch nicht in Monaten, sondern nur in Jahren erledigen kann. Aber das geht nur dann, wenn sich das Bewusstsein insgesamt ändert, und da sind wir am Punkt: Das Bewusstsein muss sich ändern.
Ich frage Sie: Was tun Sie in diesem Land eigentlich, damit sich dieses Bewusstsein ändert?
Ich war vor wenigen Wochen in Wangen bei der Biokäserei Zurwies. Herr Kiefl kennt sie. Die reden auch gut über Sie, Herr Kiefl, weil Sie sich für diese Käserei einsetzen, wie ich gehört habe.
Das kann man ja hier auch einmal sagen. – Aber die Leute von der Biokäserei sagen auch Folgendes – und Sie, Herr Kiefl, wissen, dass ich jetzt die Wahrheit sage; früher hat es ja geheißen, die Bauern stellten deshalb nicht um, weil man mit Öko nichts verdiene und das alles Humbug sei –: 90 % der Bauern würden sofort umsteigen und wären sogar scharf drauf, umzusteigen, doch das Problem sei, dass die Käserei keinen Markt habe und den Käse nicht losbekomme, weil die entsprechende Aufklärungsarbeit fehle.
Wenn Sie den biologischen Landbau fördern wollen, dann dürfen Sie nicht subventionieren, sondern dann müssen Sie eine Vermarktungsoffensive starten! Das ist der entscheidende Punkt.
Meine Damen und Herren, warum werden in Österreich, das ähnlich ländlich strukturiert ist wie wir, mittlerweile 16 % der Höfe biologisch bewirtschaftet und 10 % der Nahrungsmittel biologisch erzeugt? Warum sind es bei uns nur 3 % der Nahrungsmittel? Warum sind es in der Schweiz 7 %? Warum tut man in diesem Land nichts offensiv, um diesen Anteil zu erhöhen?
Ich sage noch eines dazu: Man wird natürlich nicht dazu kommen, dass man alles auf Bio umstellt. Die Italiener wollen einen Anteil von 25 % erreichen. Sie sind zwar noch weit von diesem Prozentsatz entfernt, aber sie setzten sich wenigstens Ziele.
Ich finde auch, dass das HQZ gestärkt werden muss. Wir haben das vorhin auch ausgeführt. Frau Staiblin hat es – heute in den „Stuttgarter Nachrichten“ nachzulesen – auch gesagt, und ich will nicht wiederholen, was Herr Maurer dazu gesagt hat. Da gibt es scheinbar auch Informationsdefizite innerhalb der Landesregierung. Aber insgesamt muss man zu einer Qualitätsverbesserung kommen. Ich frage mich nur, warum Sie das nicht offensiv ansprechen, warum Sie den Bewusstseinswandel, den die Leute derzeit anscheinend durchmachen, nicht fördern,
sondern Entwarnung geben, und auf 24 Seiten Regierungserklärung nur schreiben: In Baden-Württemberg haben wir in den letzten 125 000 Jahren alles richtig gemacht, und das wird auch weiterhin so sein. Das ist unglaublich.
Jetzt noch zu zwei Dingen, die allerdings wichtig sind. Sie, Herr Ministerpräsident, waren ja in den Siebzigerjahren Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, und es ist Ihnen heute noch wichtig, sich als Vertreter der Landwirte hier im Land darzustellen. Dafür habe ich auch Verständnis. Aber ich habe kein Verständnis für Geschichtsklitterung.
Sie haben Anfang der Neunzigerjahre – das habe ich in meiner Rede erwähnt – eben nichts getan, um den Import britischen Rindfleisches zu stoppen. Erst 1996 ist die Regierung tätig geworden. Der Konflikt zwischen immer der Agrarlobby verpflichteten Landwirtschaftsministern und dem Verbraucher- und Gesundheitsschutz ist kein Konflikt zwischen SPD und CDU, den kann man nicht parteipolitisch festmachen, sondern das ist ein Konflikt in der Gewichtung. 1993 zum Beispiel hat Horst Seehofer einen Importstopp gefordert und wollte die Verfütterung von Tiermehl verbieten lassen. Herr Borchert von der CDU hat das abgeblockt; das wurde nicht gemacht. Die Agrarlobby hat sich durchgesetzt.
Das zieht sich durch die Jahre durch. 1996 wurde der Importstopp verhängt, aber 1999 – das will ich Ihnen jetzt noch einmal deutlich sagen, ich habe mich in diese Geschichte eingelesen – hat die EU mit 14 : 1 Stimmen die Aufhebung dieses Importstopps verfügt. Die Deutschen waren dagegen, haben als Einzige dagegen gearbeitet und haben in Verhandlungen eine Kennzeichnungspflicht durchgesetzt. Das Problem der Kennzeichnungspflicht, die EU-Recht ist, ist allerdings, dass sie von verschiedenen Ländern nicht umgesetzt wird. Das ist das eigentliche Problem.
Wie gesagt, über deutsche Ladentheken geht offiziell kein Kilo britisches Rindfleisch; es kann nicht gekauft werden. Also ist es etwas populistisch, zu sagen: „Wir brauchen dringend einen Importstopp für britisches Rindfleisch“, wenn eh keines da ist. Das muss man doch auch einmal festhalten.
Zum Thema Risikomaterial sind Sie einfach falsch informiert, Herr Ministerpräsident. Was Herr Maurer gesagt hat, entspricht den Tatsachen: Ihre Ministerin hat sich dagegen gewehrt, dass man dieses Material jetzt nicht mehr zu Tiermehl verarbeitet und es damit nicht mehr in die Nahrungskette kommt. Sie hat gesagt, das sollte weiter gemacht werden. Das war der Punkt.
Nein, Herr Ministerpräsident, das ist ein Missverständnis. Sie haben gesagt, es gehe um Abfall, um Beseitigung. Es geht aber nicht um Beseitigung, sondern darum, ob man weiterhin aus dem Risikomaterial, also aus Hirn, Rückenmark usw., Tiermehl herstellen darf oder nicht. Frau Staiblin hat zusammen mit ihrem bayerischen Kollegen gesagt: Jawohl, das wollen wir weiterhin machen,
mit der Begründung: Unser Tiermehl ist sicher. Zwar spricht einiges dafür, dass unser Tiermehl das sicherste in Europa ist,
aber noch sehr viel mehr spricht dafür, dass es trotzdem nicht sicher ist.
Der Anteil des infizierten Materials wird zwar mit diesem Verfahren deutlich reduziert, aber nicht auf null.
Deshalb ist es auch völlig richtig – sonst würde es keinen Sinn machen –, dass man das deutsche Tiermehl nicht weiterverwertet. Das ist doch der eigentliche Punkt.
Das ist ja interessant. Herr Hauk sagt: Das macht keinen Sinn.
Herr Ministerpräsident, Sie haben vor einer halben Stunde gesagt, Sie seien dagegen, dass das Verbot der Tiermehlverfütterung nur ein halbes Jahr gelte, man solle es auf immer ausdehnen.
Richtig. Aber Herr Hauk sagt, unseres sei sicher und es mache keinen Sinn. Da haben Sie offensichtlich noch Klärungsbedarf.
Um es noch einmal festzuhalten: Ich weiß immer noch nicht, warum Sie diese Regierungserklärung abgegeben haben. In der Sache haben Sie eigentlich nichts erhellt. Warum Sie aber in der zweiten Runde noch einmal ans Rednerpult gekommen sind und Behauptungen wiederholt haben, die nachweislich falsch sind, das entzieht sich völlig meinem Verständnis.
Herr Kollege Drautz, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie die Zeitung vielleicht falsch gelesen haben? Denn verboten wurde allein, dass man an der Ladentheke mit der Kennzeichnung „BSE-getestet“ wirbt, weil auch ein BSE-Test keine hundertprozentige Sicherheit gibt. So habe ich es der Zeitung entnommen. Ich weiß nicht, welche Zeitung Sie lesen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man muss es wirklich so hart sagen: Die CDU hat auf den Begriff „deutsche Leitkultur“ oder, wie es jetzt heißt, „Leitkultur in Deutschland“ deshalb nicht verzichtet, und zwar gegen alle gut gemeinten Ratschläge, insbesondere auch aus den eigenen Reihen – ich sage nur Peter Müller, Volker Rühe, Heiner Geißler, Hildegard Müller, Rita Süssmuth –, weil der Begriff vor allem für Unklarheit, für Kopfschütteln, ja für Empörung sorgt und, sage ich, für Empörung und Verwirrung sorgen soll, auf der einen Seite für Empörung, auf der anderen Seite für Zustimmung an den Stammtischen – oder was die CDU dafür hält. Die Zustimmung kam mittlerweile ja auch schon. Insbesondere kam sie von den Republikanern am letzten Wochenende.
„Was soll das?“, fragt man sich. Frau Merkel hat bei der Vorstellung ihres Eckpunktepapiers zur Zuwanderung den Begriff „Leitkultur in Deutschland“ unter anderem damit begründet, dass er schon allein deshalb gut sei – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen –, weil sich die anderen so schön darüber aufregen. Das ist an Zynismus eigentlich kaum zu überbieten.
Überhaupt, meine Damen und Herren zur Rechten hier: Das ganze unselige Hin und Her um die deutsche Leitkultur – – Herr Merz hat diesen Begriff zufällig erfunden, weil er auf Frage eines Journalisten einmal blöd rausgeschwätzt hat – anders kann man es nicht sagen.
Frau Merkel ist zunächst dagegen und verspricht Paul Spiegel: „Das machen wir weg“, und dann ist es doch drin. Herr Teufel ist dafür, spricht mittlerweile sogar von „nationaler Leitkultur“.
Herr Oettinger ist dagegen, Rommel schauderts, von Trotha findet es absurd. Den Vogel schießt Frau Schavan als stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende ab: Ihr ist das Niveau der Debatte zu niedrig und zu degoutant. Sie beschließt, es sei ihr egal, was in diesem Papier steht. Das ist eigentlich unglaublich.
Dieses ganze Hin und Her, meine Damen und Herren, steht meines Erachtens für die Schwierigkeiten in der CDU, in der politischen Realität anzukommen. Die politische Realität ist, dass sich die CDU in einem wichtigen gesellschaftspolitischen Feld endlich und nur auf ständigen Druck der Wirtschaft hin von ihrer Lebenslüge verabschiedet hat, dass Deutschland kein Einwanderungsland sei. Das, meine Damen und Herren, ist der wahre Grund für die Instrumentalisierung des Begriffs Leitkultur.
Die CDU hat sich in der Sache bewegt, und sie will dies mit Worten verschleiern. Es handelt sich um Nebelwerfen, um den rechten Rand einzubinden, weil die dort das mit der Einwanderung vielleicht nicht so gut finden könnten. Das ist der Punkt.
Dafür nehmen Sie, Herr Ministerpräsident, und Frau Merkel und Frau Schavan und die ganze CDU in Kauf, dass das aufgeklärte und tolerante Deutschland und mehr noch das Ausland über Sie entsetzt ist.