Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Das ist das Einfallstor, um zum Nachteil des individuellen Schutzes Auskünfte erteilen zu können. So etwas können wir nicht mitmachen.

Auch die Regelung, dass Auskünfte über Vorgänge aus nicht öffentlichen Sitzungen gewährt werden können, können wir nicht mittragen. Das ist ein Eingriff in rechtliche Regelungen, die aus gutem Grund erfolgt sind. Sie können nicht einer Abwägung in dem Sinne unterliegen, dass im Regelfall etwa Auskunft gegeben werden muss und nur im Ausnahmefall, das heißt mit besonderer Begründung, eine Auskunft verweigert werden kann.

So geht es weiter in diesem Gesetzentwurf. Es gibt eine ganze Reihe von Regelungen, die wir nicht mittragen können, so sinnvoll es grundsätzlich ist, das Informationsbedürfnis des Bürgers zu gestalten. Wir werden in der neuen Legislaturperiode sicherlich einen entsprechenden, einen richtigen, guten Gesetzentwurf vorlegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Krisch REP: Einen nachgeschriebenen Gesetzentwurf!)

Das Wort erhält Herr Abg. Jacobi.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein umfassendes Akteneinsichtsrecht hat diesen Landtag in den letzten Legislaturperioden schon mehrfach beschäftigt. Für uns als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat ein umfassendes Akteneinsichtsrecht einen sehr hohen Stellenwert.

Lassen Sie mich einen Gedanken in dieser Diskussion anführen: Bürokratie hat im allgemeinen Sprachgebrauch einen negativen Beigeschmack. Das ist aber eigentlich falsch. Bürokratie sollte ein ganz neutraler Begriff sein. Bürokratie, das sind zum Beispiel staatliche Behörden, die Aufgaben der Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger erledigen oder ihnen Dinge abnehmen, die sie nicht selber tun können. Die Regeln der Bürokratie sind für alle gleich.

Bürokratie ist kein Selbstzweck, sondern sie hat eine Aufgabe, eine Funktion, nämlich die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten, Dinge für sie zu tun, also im eigentlichen Sinn eine Dienstleistung an der Bürgerschaft zu erbringen.

Aus diesem Dienstleistungsgedanken heraus, den die Bürokratie oder die Behörden haben, ist es aus unserer Sicht sehr logisch, dass das behördliche Tun und Arbeiten auch dem Gebot der Transparenz zu unterliegen hat und dass die Daten, die Informationen, mit denen die Behörden zu tun haben, auch veröffentlicht werden können. Wenn wir über die Veröffentlichung von Daten reden, bezieht sich das selbstverständlich nicht auf alle Daten, sondern nur auf die, welche für die jeweilige Bürgerin oder für den jeweiligen Bürger von Belang sind, das heißt also, soweit es um die eigenen personenrelevanten Belange geht.

Es ist also richtig, dass sich die Behörden, dass sich das Land, dass sich die Kommunen in Baden-Württemberg dann, wenn der einzelne Bürger, die einzelne Bürgerin an diese Stellen herantritt und wissen möchte, was über die je

weilige Person an Daten vorhanden ist, mit diesem aus unserer Sicht völlig berechtigten Wunsch auseinander setzen müssen.

Herr Reinhart hat unterstellt, dass sich dadurch ein erhöhter Personalbedarf ergeben kann. Ich will ihm entgegenhalten: Wenn alle Daten veröffentlicht werden können, dann wird – davon bin ich überzeugt – die eine oder andere Notiz, die eine oder andere Information erst gar nicht verewigt, erst gar nicht gespeichert oder registriert werden. Das muss nicht unbedingt mit mehr Personal einhergehen. Es ist letztlich eine mentale Umstellung, die hier mit eine wichtige Rolle spielt. Es ist eben eine andere Haltung, mit der die Behörden, mit der die Stellen an die Bürgerschaft herantreten, wenn sie wissen, dass auch alle Bürgerinnen und Bürger diese Informationen einsehen können.

Die Republikaner haben uns einen sicherlich verbesserungsfähigen, aber auf jeden Fall diskussionswürdigen Gesetzentwurf vorgelegt. Im Gegensatz dazu war das Gebrabbel zur Begründung des Gesetzentwurfs weder verbesserungsfähig noch diskussionswürdig. Aber der Gesetzentwurf selbst ist wirklich einer Diskussion wert. Leider wurde er erst in der Zielgeraden dieser Legislaturperiode eingebracht.

Meine Damen und Herren, weil hier ein ganz essenzielles Bürgerrecht in Rede steht, muss diese Thematik eingehend und umfassend beraten werden. Auch müssen die Erfahrungen aus anderen Bundesländern – Herr Bebber hat darauf hingewiesen – aufgenommen werden. Sie haben völlig zu Recht das Stichwort „neue Informationstechnologien“ genannt. Ich glaube, dass sich der nächste Landtag mit diesem Thema auseinander setzen muss, dass ein solches modernes Akteneinsichtsrecht, das auch die neuen Technologien bereits berücksichtigen kann, installiert werden soll.

Unsere Fraktion hielte es nicht für sinnvoll, wenn ein solches Gesetz zum Ende dieser Legislaturperiode – das wäre der Fall, weil die Träger der öffentlichen Belange und insbesondere die Kommunen einbezogen werden müssen – in aller Eile durchgezogen würde. Dieses wichtige Bürgerrechtsthema muss umfassend beraten werden. In der nächsten Legislaturperiode muss ein solches Gesetz hier beschlossen werden.

Schönen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen und der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Kluck.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst muss ich meiner Verwunderung darüber Ausdruck geben, dass ausgerechnet Sie, Herr Krisch, sich erdreisten, die Demokratie und die bürgerlichen Freiheiten zu beschwören. Sie sind der Allerletzte. Ich habe förmlich gespürt, wie sich Friedrich Hecker, Gustav Struwe, Julius Haußmann und Friedrich Payer im Grabe umgedreht haben, und zwar in ständiger Rotation.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Lachen des Abg. Brechtken SPD)

Die Fraktion, die sich hier Die Republikaner nennt, obwohl sie mit Republik gar nichts zu tun hat, will jetzt kurz vor Toresschluss

(Abg. Wilhelm REP: Beruhigen Sie sich doch!)

noch einmal den Eindruck erwecken, als ob sie auch zu solider Sacharbeit in der Lage sei. Deswegen hat sie diese Fleißarbeit vorgelegt. Es ist in der Tat eine Fleißarbeit,

(Abg. Bebber SPD: Abgeschrieben!)

aber sie ist ungenügend. Wir brauchen sie auch nicht. Denn, meine Damen und Herren, solche Akteneinsichtsund Informationsgesetze gibt es ja in anderen Bundesländern. Mir ist bisher noch keine Beschwerde zu Ohren gekommen, dass das bei uns ohne ein solches Gesetz nicht funktionieren würde. Vielmehr funktioniert es in der Tat gut. Wir sind in dieser Hinsicht bisher ohne Gesetz ausgekommen. Ich glaube, wir können da auch noch eine ganze Weile ohne Gesetz auskommen.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Ohne Sie auch!)

Überall dort, wo eine gesetzliche Regelung nicht unbedingt erforderlich ist – der Kollege Reinhart hat es schon gesagt –, sollte man auch nicht krampfhaft eine solche Regelung suchen und verabschieden. Der den Bürgerinnen und Bürgern zustehende freie Zugang zu Informationen ist in Baden-Württemberg gewährleistet.

(Beifall der Abg. Heiderose Berroth und Lieselotte Schweikert FDP/DVP)

Wie gesagt: Mir jedenfalls sind keine Beschwerden zu Ohren gekommen. Es mag ja sein, dass jemand etwas anderes gehört hat. Dann soll er es sagen.

Ganz grundsätzlich sind wir Liberalen der Auffassung, dass wir eher zu viele als zu wenige Gesetze haben. Im Moment sehen wir für ein solches Gesetz überhaupt keine Notwendigkeit. Deswegen werden wir den Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Schonath REP)

Das Wort hat Herr Abg. Krisch.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte ein Wort von Dr. Hans-Günther Weber zitieren: „Nur ein Volk, das sich zur Freiheit bekennt, wird vor der Geschichte bestehen. Ein Volk ohne Freiheit ist nichts.“

(Beifall bei den Republikanern)

Damit ganz kurz zu meinen vier Vorrednern.

Herr Kluck hat sich wieder einmal als Landtagskasper bewährt. Dazu brauchen wir nichts zu sagen.

Herrn Jacobi spreche ich meinen Respekt aus.

Die SPD hat ein Problem.

(Lachen des Abg. Brechtken SPD)

Sie haben ständig das Thema Kosten hervorgehoben. Ich frage Sie: Wie wollen Sie in der Bundesregierung Ihren eigenen Koalitionsvertrag umsetzen, in dem ein solches Gesetz zur Informationsfreiheit ausdrücklich festgeschrieben ist?

Und der Schlüsselsatz aller vier Vorredner, Herr Kollege, war Ihrer: „Wir werden ein gleiches Gesetz in Zukunft vorlegen.“

(Abg. Bebber SPD: Nein, besser!)

Genau das haben wir erwartet. Damit können wir rechnen. Genau das passiert regelmäßig mit unseren Anträgen: Sie lehnen ab, und kurz darauf finden wir unsere Entwürfe und unsere Vorschläge in anderen Worten wieder.

(Beifall bei den Republikanern – Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Oje, oje!)

Meine Damen und Herren, der Deutsche Journalistenverband, der DJV, verlangt das Recht auf Akteneinsicht in öffentlichen Einrichtungen, ein „Recht zu wissen“ – –

(Zurufe von der CDU und der SPD)

Herr Kollege, es gibt drei Bundesländer, die solche Gesetze schon erarbeitet haben. Wir erfinden das Rad nicht zum vierten Mal. Selbstverständlich haben wir die Pflicht, bestehende Gesetze zu prüfen und handwerkliche Fehler aufzuspüren. In unserem Entwurf sind handwerkliche Fehler bestehender Gesetze herausgenommen. Unser Entwurf schließt ausdrücklich zukünftige Entwicklungen im Informationssektor mit ein. Unser Gesetzentwurf ist genauso auf das Internet und auf Nachfolger des Internets anwendbar – lesen Sie ihn bitte genau durch.

Meine Damen und Herren, nur Wissen um Fakten und Vorgänge schützt die Bürger und unseren Staat.

Nun zum Kollegen Reinhart: Ausgerechnet die Fraktion, die gestern ein Überwachungsgesetz hervorgebracht hat,

(Abg. Haasis CDU: Ein Überwachungsgesetz? – Zuruf des Abg. Rech CDU)

die das Polizeigesetz um eine Überwachung der Bürger durch Videotechnik ergänzt hat, ausgerechnet diese Fraktion sagt hier: Die Verfassung braucht dieses Gesetz nicht. Meine Damen und Herren von der CDU, Sie sind in der Verteidigung, weil Sie gemerkt haben, dass Sie mit dem gleichen Gesetzentwurf zu spät gekommen sind. Sie werden das selbst noch machen.