Protokoll der Sitzung vom 31.01.2001

Ich bin überhaupt nicht so aufgetreten, als sei dies endgültig. Ich weiß doch selbst, dass dieser Entwurf der Diskussion unterliegt. Ich werde mich nicht auf etwas versteifen, was meine Regierung drei Wochen später wieder kassiert. Darin habe ich doch Erfahrung.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das wird also nachge- bessert? – Abg. Schmiedel SPD: Das ist doch noch gar nicht verabschiedet!)

Das werde ich doch nicht machen.

Aber Sie müssten sich auf die Probleme einlassen, auf die dieser Gesetzentwurf eingeht, statt so zu antworten, wie Sie das immer tun. Die Antworten aus Ihrem Munde kennen wir ja zur Genüge.

Also, Herr Schlauch hat nicht mehr Ideen als ich. Er hat zum Teil Ihre Ideen.

(Abg. Brechtken SPD: Sieht das der Schlauch auch so?)

Meine Partei hat eine klare Mehrheitsentscheidung getroffen. Das ist die richtige Entscheidung, und darum vertrete ich sie hier.

Es gibt ein Zitat von Joschka Fischer in diesem Zusammenhang.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Es gibt auch eines von Herrn Metzger!)

Das heißt: An einer grün angestrichenen FDP gibt es keinen Bedarf. – Dieses Zitat ist schon etwas älter.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Die älteren Zitate spre- chen noch morgen!)

Aber es trifft immer noch zu.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Wir werden uns auch nicht grün anstreichen! – Abg. Pfister FDP/DVP: Herr Metz- ger sagt: Fiskalisch unfähig!)

Das Wort erhält Herr Abg. Deuschle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte wieder zur Sachlichkeit zurückkehren und einige Kritikpunkte an diesem Entwurf des Betriebsverfassungsgesetzes äußern.

Erstens: Die Mitbestimmung des Betriebsrats soll ja nach dem Referentenentwurf auf die Änderung der Arbeitsabläufe ausgedehnt werden. Dies gefährdet nach unserer Auffassung die flexible Reaktion der Betriebe. Dies gefährdet auch die Möglichkeiten befristeter Neueinstellungen.

Auf der einen Seite müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die Betriebe aufgrund der verschärften Wettbewerbsanstrengungen im Europäischen Binnenmarkt immer schneller und immer flexibler reagieren müssen. Auf der anderen Seite wird die Möglichkeit der Betriebe zur schnellen Reaktion durch die vorgesehenen Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes kaputtgemacht.

Ich frage mich: Denkt man nicht einmal betriebswirtschaftlich, wenn man solche Entwürfe erstellt? Oder machen das nur Bürokraten, die selbst noch nie einen Betrieb zu führen hatten? Diesen Eindruck gewinnt man nämlich, wenn man sich den Riester-Entwurf vor Augen führt.

Ich frage auch, was die Ausdehnung der Mitbestimmung auf Umweltfragen oder auf Fragen der Weiterbildung soll? Wer soll denn in Zukunft eigentlich entscheiden, ob ein Mitarbeiter eine Zusatzqualifizierung bekommt oder nicht? Macht das wie bisher die Betriebsleitung, die sicher nach sachlichen Gesichtspunkten auswählt? Oder soll das am Ende ein Arbeitsrichter als Vorsitzender einer Einigungsstelle machen?

Das sind doch wirklich zentrale Punkte. Darauf läuft das hinaus, wenn man den Riester-Entwurf zu Ende denkt.

(Zuruf des Abg. Kurz CDU)

Natürlich! Herr Kurz, Sie unterstützen ja meine Argumentation.

(Abg. Brechtken SPD: Herr Kurz, jetzt würde ich mich fragen, was ich falsch gemacht habe!)

Man muss ja die Gesetze ernst nehmen. Die Kollegen von Rot-Grün nehmen anscheinend ihre eigenen Gesetzentwürfe nicht ernst und denken, dass es Änderungen gibt, dass die Referentenentwürfe nicht Realität werden. Wenn sie so wenig an die Durchsetzungsfähigkeit glauben, spricht das natürlich für sich.

(Beifall bei den Republikanern)

Ich möchte noch einen dritten Punkt ansprechen: Das ist die durch die Absenkung der Schwellenwerte geplante Erweiterung auf Kleinbetriebe. Wir haben uns im Landtag in der Enquetekommission eineinhalb Jahre über dieses Thema unterhalten und gute Vorschläge gemacht, um die Bürokratiekosten in den Griff zu bekommen. Die Landesregierung hat immerhin das Mittelstandsförderungsgesetz durchgesetzt, auch mit dem Ziel, zu Erleichterungen zu kommen. Deshalb kann man fragen: Waren denn die eineinhalb Jahre Arbeit für die Katz? Wird von Berlin all das Vernünftige ausgehebelt, das wir in Baden-Württemberg zum Teil gemeinsam erreicht haben?

Ist es eigentlich sinnvoll, dass künftig auch ein mittelständischer Betrieb die Auswahlkriterien für Einstellungen, Versetzungen und Kündigungen mit dem Betriebsrat vereinbaren muss? Kommt der Mittelständler, der ja auch nur eine begrenzte Arbeitszeit hat und nicht um 35, sondern vielleicht um 60 oder 70 Stunden in der Woche kämpft, noch zu seinen wichtigen Unternehmensaufgaben, wenn er solche zusätzlichen Aufgaben hat, die ihn nicht weiterbringen?

Ich komme zum Resümee, meine Damen und Herren. Das geplante Betriebsverfassungsgesetz ist sowohl für Arbeitgeber, vor allem für mittelständische Arbeitgeber, als auch für Arbeitnehmer problematisch. Die jetzige Form der Betriebsverfassung in Deutschland und in Baden-Württemberg hat sich bewährt. Das neue Gesetz – das kristallisiert

sich nach der Debatte immer mehr heraus – soll nur die Interessen der Gewerkschaftsfunktionäre

(Abg. Nagel SPD: Quatsch!)

und der Gewerkschaft als machtpolitischer Organisation stärken. Deswegen sagen wir auch konsequent Nein zu dem Gesetzentwurf.

(Abg. Schmiedel SPD: Ihr seid doch gar nicht ge- fragt! – Abg. Nagel SPD: Euch fragt doch keiner! – Abg. Brechtken SPD: Im Bundestag müsst ihr nicht mitstimmen!)

Wir verstehen zwar, dass Sie von der SPD dem DGB etwas für die 8 Millionen DM Wahlkampfunterstützung geben müssen; aber das darf doch nicht dazu führen, meine Damen und Herren, dass eine bewährte Form der Interessenabwägung und des Interessenausgleichs in Deutschland zerstört wird.

(Abg. Nagel SPD: Oh Deuschle!)

Zahlen Sie dem DGB die Wahlkampfunterstützung anders zurück! Aber belasten Sie damit nicht die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Republikanern)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist Tagesordnungspunkt 3 abgeschlossen.

Ich unterbreche die Sitzung bis 14:30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung: 13:02 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 14:29 Uhr)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz über die Weiterentwicklung der Regionen und zur Änderung des Landesabfallgesetzes – Drucksache 12/5877

Für die Aussprache nach der Begründung durch die Regierung hat das Präsidium gestaffelte Redezeiten bei einer Grundredezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt.

Das Wort zur Begründung erhält Herr Staatssekretär Dr. Mehrländer.

Herr Präsident, Frau Schweizer, meine Herren!

(Vereinzelt Heiterkeit – Abg. Deuschle REP: Da werden wir wieder benachteiligt als Männer! Im- mer werden die Frauen bevorzugt! – Abg. Kiefl CDU: Ein Kavalier! Ein Charmeur! – Abg. Göbel CDU: So macht man Politik!)

(Staatssekretär Dr. Mehrländer)

Man muss den Überblick behalten.

Der Landtag hat bei der Verabschiedung des Gesetzes über die Weiterentwicklung des Verbands Region Stuttgart im Oktober 1999 die Landesregierung in einer Entschließung beauftragt, zu prüfen, in welchen Bereichen Kompetenzveränderungen bei den übrigen Regionalverbänden für eine dynamische Weiterentwicklung des Landes erforderlich sind; denn auf die Dauer gewährleistet nur ein einheitliches Planungsrecht eine gleichwertige nachhaltige Entwicklung aller Regionen unseres Landes.

Der jetzt von der Landesregierung eingebrachte Gesetzentwurf verfolgt dieses Ziel. Er basiert auf einer landesweiten Umfrage zur Weiterentwicklung der Regionen. Diese Umfrage hat ergeben, dass neben der Region Stuttgart auch die anderen Regionen des Landes und die Vertreter der Wirtschaft eine maßvolle Stärkung der regionalen Ebene wollen. Dagegen haben die kommunalen Landesverbände die Kompetenzerweiterungen überwiegend abgelehnt. Wir sehen jedoch eine solche Stärkung im Interesse der Entwicklungsmöglichkeiten und der Zukunftsfähigkeit der Regionen als sinnvoll und notwendig an.