Dietrich Hildebrandt
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das ist jetzt – ich habe nicht alles mitgezählt – die dritte, vierte oder fünfte von der FDP/DVP beantragte Aktuelle Debatte,
an der nicht viel aktuell ist, auch wenn das Thema dies wäre.
Der Antrag auf Abhaltung dieser Aktuellen Debatte und deren Durchführung sind nicht sehr aktuell. Zumindest die Hälfte Ihrer Rede, liebe Kollegin Fauser, war die Einleitung, die Sie bei diesem Thema schon immer gehalten haben. Ich will Ihnen dazu etwas sagen: Sie versuchen hier im Landtag vom Land her, in dem Sie in der Regierung sind, die Oppositionspolitik in Berlin zu formulieren und zu verbessern. Das ist Ihnen aber im Wesentlichen nicht gelungen und hält Sie, glaube ich, nur davon ab, eine ordentliche Landespolitik zu formulieren.
Ich weise Sie darauf hin: Ich las heute in der Zeitung,
dass die CDU und die Opposition in Berlin von Wirtschaftskreisen zurzeit als „nicht regierungsfähig“ eingestuft werden.
Und irgendwie scheint mir die Art und Weise, in der Sie diese Themen hier wenig aktuell einbringen, mit dieser Fähigkeit oder Nichtfähigkeit zu tun zu haben.
1972 – Kollege Nagel hat darauf hingewiesen – ist die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes unter heftigen Diskussionen und Auseinandersetzungen in die Wege geleitet worden. Wir können nach dieser Zeit zusammen mit dem Kollegen Kurz feststellen, dass es eine Erfolgsgeschichte dieses Mitbestimmungsmodells gibt.
Es stimmt auch einfach nicht, dass die Mitbestimmung in Deutschland Investoren abhalte und Investitionen verhindere, und es stimmt auch einfach nicht, dass sie nur Kosten verursache.
Niemand, der ein Unternehmen führt, würde zum Beispiel die Fragen danach, dass er für das Marketing bezahlt und etwas für die Corporate Identity seines Unternehmens tut, unter dem Kostengesichtspunkt diskutieren
oder allein oder vordergründig sehen, nur weil er den Erfolg, den er mit dieser Tätigkeit hat, nicht unmittelbar monetarisieren kann.
Ich kann Ihnen einige Untersuchungsinstitute nennen, die sehr wohl in der Lage wären, das zu monetarisieren, was die Mitbestimmung und die Zusammenarbeit – gleichberechtigte Zusammenarbeit fordern die Gewerkschaften; „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ lautet noch die Formulierung dieses Gesetzes – im Betrieb für ein Vorteil des Unternehmensstandorts Deutschland sind.
Das Gesetz selbst ist – und das ist die Frage, die die Handlungsfähigkeit der Regierung ausmacht – um einiges von dem entfernt, was die Gewerkschaften seit Jahr und Tag dazu fordern.
Unumstritten ist, dass es eine Novellierung dieses Gesetzes geben muss. Warum muss es sie geben? Erstens haben wir immer mehr betriebsratsfreie Bereiche in unseren Unternehmen, deren Zahl weiter zunimmt.
Frau Kollegin, nachdem Sie „Gott sei Dank“ sagen: Ich habe zum Beispiel gerade bei uns in der Region sowohl die Auseinandersetzung mit der Firma Schlecker als auch mit der Firma Media-Markt mitgemacht,
wo sich zeigte, wie schwierig es für die Beschäftigten in solchen Unternehmen ist, überhaupt nur einen Betriebsrat
zu installieren. Dabei geht es noch gar nicht einmal darum, was der Betriebsrat dort eigentlich machen kann.
Ich denke, dass gerade die Beschäftigten in solchen Unternehmen wie Schlecker oder Media-Markt allein deshalb dringend eine eigene Vertretung brauchen,
um die ihnen vom Gesetz garantierten Rechte im Betrieb durchzusetzen.
Zweitens haben sich in den letzten 30 Jahren die Betriebsformen und die Unternehmensformen gewandelt.
Die Situationen fallen immer mehr auseinander: Dort, wo Betriebsräte existieren und mitreden sollen, fallen häufig keine Entscheidungen mehr, und dort, wo die Entscheidungen in den Unternehmen fallen, bestehen häufig keine Betriebsräte mehr. Das Gesetz schlägt nun vor, dies relativ flexibel und locker zu organisieren, nämlich Möglichkeiten zu eröffnen – nicht für jeden einzelnen Fall vorzuschreiben –, wie das zwischen den Tarifpartnern, zwischen Betriebsvertretung und Unternehmen im Einzelfall geregelt werden kann. Das erfordert bestimmte Übergangsregelungen für den Fall, dass es zu Betriebsteilungen und Betriebsübernahmen kommt. Das ist eine unmittelbare Reaktion auf die Entwicklung der letzten 30 Jahre, die nötig ist.
Das Nächste ist: Die Betriebe werden im Durchschnitt doch immer kleiner. Also ist es sinnvoll, dort entsprechende Vertretungen einzurichten.
Lassen Sie mich jetzt etwas zum Mittelstand sagen. Sie haben hier Kosten ausgerechnet. Das, was Sie hier vorgetragen haben, hält aber den Grundrechenarten nicht stand. Es hält auch der Realität in den Betrieben nicht stand. Zum Beispiel bedeutet die Vereinfachung des Wahlverfahrens unter Umständen auch eine erhebliche Kostenentlastung.
Unter dem Gesichtspunkt der Kosten verstehe ich überhaupt nicht, warum Teile der Unternehmerverbände sich so dagegen wehren. Von daher ist die von Ihnen hier vorgetragene Kostenbelastung wirklich aus dem Reich der Fantasie.
Hinzu kommt, dass die Betriebsratsarbeit in der letzten Zeit auch durch die Wahlmöglichkeit zwischen Berufstätigkeit und Freistellung gelitten hat. Die Möglichkeit der Teilzeitstellung, die Möglichkeiten, Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen, auch die Möglichkeit, Rat von außen zu holen, stärken die Betriebsratsarbeit und machen sie effizienter. Das alles sind Argumente.
Ich habe jetzt noch nicht einmal versucht, aus Sicht der Interessen der Belegschaft und der Arbeitnehmer zu argumentieren. Ich habe nur versucht, Ihnen klar zu machen,
welche Verbesserungen auch in der Effizienz der Betriebsratsarbeit durch die neue Gesetzesnovelle eintreten sollen.
Wenn Sie auf diese Ebene der Diskussion kommen und wenn auch die Unternehmerverbände auf diese Ebene der Diskussion kommen, werden Sie in die Debatte um die Ausformulierung des Gesetzes einbezogen werden, die ja noch ansteht, weil wir erst einen Referentenentwurf haben. Dann wären Sie dabei, wenn Verbesserungsmöglichkeiten diskutiert werden.
Wenn Sie aber nur in der ideologisch begründeten Opposition weitermachen, dann wird es zwischen Ihnen und uns nicht zu einer sachlichen Reformarbeit kommen.
Aber immer die Medaille wechseln, Kollege Nagel, damit das Revers nicht so voll wird.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister Döring, was wollten Sie eigentlich entlarven? Das ist mir völlig unverständlich geblieben. Was ist denn bei der Entlarvung herausgekommen? Aber allein, dass Sie schon in der Haltung des Entlarvers hier auftreten wollen, noch dazu, indem Sie eine Ihrer hervorragendsten Eigenschaften nach vorne bringen, nämlich die Arroganz, ist eine Art und Weise, wie Sie mit der Sache nicht umgehen sollten. Wer entlarvt, der kommt nämlich schließlich zu dem, was er immer schon gewusst und gesagt hat, aber er kommt nicht in das Zentrum der Debatte.
Übrigens, Frau Fauser, Steuern senken: Was hat die FDP in ihren 16 Regierungsjahren an Steuern gesenkt? Sie hat den Spitzensteuersatz nicht gesenkt, was diese Regierung gemacht hat, sie hat den Eingangssteuersatz erhöht, und sie hat die Mineralölsteuer erhöht, und zwar heftig.
So viel zu der Glistrup-Partei FDP mit der Steuersenkung.
Aber jetzt kommen wir noch einmal zu den entscheidenden Fragen. Sie haben sich bei Ihrem Vorwurf, es gehe um die Macht von außen, nicht der Mühe unterzogen, genau zu gucken. Sie haben weder das berücksichtigt, was ich gesagt habe, noch das, was in dem Gesetz steht. Es geht darum, dass zum Beispiel Vertretungsrechte des Betriebsrats auf innerbetriebliche Arbeitsgruppen übertragen werden können. Warum? Um diese in den unterschiedlichen Beschäftigungssituationen, in den unterschiedlicher gewordenen Betriebsstrukturen in die Lage zu versetzen, selber tätig zu werden. Es kann mehr Sachverstand bereitgestellt werden durch Hinzuziehung von Arbeitnehmern innerhalb des Betriebes.
Das heißt, dieses Betriebsverfassungsgesetz stärkt nicht einfach die Kollektivrechte der Vertretung, und es ist schon gar nicht ein Diktat der Gewerkschaften, sondern es stärkt die einzelnen individuellen Arbeitnehmer und geht besonders auf die neuen Unternehmen, gerade auf die kleinen Unternehmen und ihre Betriebswirklichkeiten, ein. Das ist der entscheidende Punkt.
Hinzu kommt noch eine erleichterte Beiziehung von Sachverständigen bei Betriebsveränderungen – sonst überhaupt
nicht – zur Stärkung der Betriebsratsarbeit und nicht zu etwas anderem.
Nun müsste man sich die Mühe machen, darauf einzugehen. Es ist immer leichter, so aufzutreten, wie das hier der Wirtschaftsminister getan hat. Nachdem wir jetzt das Urteil haben, dass in Berlin die Opposition nicht regierungsfähig ist, wäre zu fragen, ob jeder, der schon in einer Regierung ist, auch regierungsfähig ist.
Lassen Sie uns mal auf einen entscheidenden Punkt kommen, Herr Minister.
Das ist schon besser.
Das ist hervorragend, Herr Minister.
Herr Präsident, falls es Ihnen entgangen sein sollte: Der Ausdruck „blöd“ ist auch nicht parlamentsfähig.
Aber kommen wir zum zentralen Punkt der Auseinandersetzung: Wenn es darum geht, die Tarifverträge zu flexibilisieren oder Entscheidungen als Ausnahmefälle von Regelungen in Tarifverträgen zu ermöglichen, dann brauchen wir eine Stärkung der Betriebsvertretungen. Sie können sich doch nicht hier hinstellen und sagen: „Wir brauchen dringend eine Unterschreitung der Bestimmungen des Tarifvertrags“, wenn wir uns nicht gleichzeitig Sorgen und Gedanken darüber machen, wie die Betriebsvertretungen selbst überhaupt in die Lage versetzt werden, mit den Unternehmen entsprechende Abkommen zu schließen.
Die Überlegung, die Betriebsvertretung im Betriebsrat zu stärken, sie überhaupt in Betrieben zu schaffen, wäre eine Ergänzung zu der Forderung: „Wir können die Tarifverträge in flächendeckend gleichen Bestimmungen so nicht mehr aufrechterhalten“. Das wäre eine vernünftige Überlegung. Dann könnten wir uns darüber unterhalten. Dann wäre eine Diskussion darüber möglich, wie dies überhaupt gesetzlich gestaltet werden kann. Dies tut dieser Gesetzesvorschlag.
Ich bin überhaupt nicht so aufgetreten, als sei dies endgültig. Ich weiß doch selbst, dass dieser Entwurf der Diskussion unterliegt. Ich werde mich nicht auf etwas versteifen, was meine Regierung drei Wochen später wieder kassiert. Darin habe ich doch Erfahrung.
Das werde ich doch nicht machen.
Aber Sie müssten sich auf die Probleme einlassen, auf die dieser Gesetzentwurf eingeht, statt so zu antworten, wie Sie das immer tun. Die Antworten aus Ihrem Munde kennen wir ja zur Genüge.
Also, Herr Schlauch hat nicht mehr Ideen als ich. Er hat zum Teil Ihre Ideen.
Meine Partei hat eine klare Mehrheitsentscheidung getroffen. Das ist die richtige Entscheidung, und darum vertrete ich sie hier.
Es gibt ein Zitat von Joschka Fischer in diesem Zusammenhang.
Das heißt: An einer grün angestrichenen FDP gibt es keinen Bedarf. – Dieses Zitat ist schon etwas älter.
Aber es trifft immer noch zu.
Herr Fraktionsvorsitzender, darf ich Sie fragen: Sollten wir in Ihrem Fall nicht besser statt von deutscher Leitkultur von deutscher Liedkultur reden?
Kann es denn sein, dass wir von den Ausländern und Immigranten die Kenntnis deutscher Überlieferung und deutscher Tradition verlangen, zu der wir selbst nicht fähig sind? Oder anders gefragt: Kann jemand über Deutsches und über deutsche Kultur kompetent reden,
der mit Verbindungsstudenten zusammen das Deutschlandlied singt, ohne zu wissen, wo Etsch und Belt wirklich liegen und was sie in der deutschen Tradition wirklich bedeuten?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich für meinen Teil muss gestehen, dass ich diese Debatte schwierig finde – nicht, weil Sie uns mit Hinweisen, Tatsachen und Zahlen überfallen hätten, sondern weil Sie dem Thema nicht gerecht werden, sondern das abhaken, was Sie immer schon abhaken können oder wollen. Das macht es ein bisschen schwierig, sachlich darauf einzugehen.
Also, Herr Kollege Wieser – aber der Herr Wirtschaftsingenieur und Oberstudiendirektor ist nicht mehr da –, das will ich nur zur Einleitung sagen: Die Binnennachfrage sinkt, und das ist ein Problem unserer Volkswirtschaft. Es ist ein starkes Problem unserer Volkswirtschaft, dass wir nur auf den Exporterfolg setzen.
Das wird auf längere Sicht ein Problem für uns werden. Es war schon 1992/93 das Problem Baden-Württembergs, und man kann vorhersagen, dass es wieder eines wird. Aber bitte schön, Herr Wirtschaftsingenieur, die Binnennachfrage wird nicht durch die Ökosteuer beeinträchtigt oder verringert.
Das ist eine Grundtatsache, basierend auf volkswirtschaftlichen Daten. – Nein, liebe Kollegin, die Binnennachfrage wird schon prinzipiell nicht, aber in diesem besonderen Fall schon gar nicht berührt, weil die aufgrund der Ökosteuer eingenommenen Mittel umstandslos alle wieder zurückfließen und durch die Senkung der Lohnnebenkosten in der Binnennachfrage mit einer Veränderung der Kaufkraft von null Koma noch was wieder auftauchen. Das ist nun wirklich das Einmaleins der Wirtschaftstheorie.
Verstehen Sie, das ist wirklich das Einmaleins. Das können Sie mit jedem, nicht nur mit Sachverständigen diskutieren.
Mit so etwas muss man sich jetzt hier auseinander setzen.
Ich meine, Sie spielen ja sowieso das Spiel: Wenn es in Baden-Württemberg regnet, ist die Bundesregierung in Berlin schuld. Wenn die Sonne scheint, ist die Landesregierung in Stuttgart dafür verantwortlich.
Können wir uns darüber einigen, dass auf die tatsächlichen Zahlen und Entwicklungen der Arbeitslosigkeit insgesamt – die konkreten Problembereiche jetzt einmal ausgenommen, also Arbeitslose, schlecht Ausgebildete, gesundheitlich Eingeschränkte oder ausländische Frauen –, dass auf die globalen Zahlen die politischen Entscheidungen und Vorschläge den geringsten Einfluss haben?
Das gilt in besonderem Maße für die Landesregierung. Sie wissen, dass Baden-Württemberg ein Standort mit entscheidenden Vorzügen ist.
Diese Vorzüge hat man gerade bei der Überwindung der Krise von 1992/93 kennen gelernt. Aber Sie, die Regierungsparteien, haben ein Verhältnis zu den Vorzügen dieses Landes wie die Made zum Speck.
Sie wollen von diesen Vorzügen immer noch mehr profitieren, als das Land selbst von den angeblichen Qualitäten dieser Landesregierung profitiert.
Ja, natürlich. So habe ich das gar nicht gemeint.
So einfach habe ich das nun auch nicht gemeint.
Nun schauen Sie aber einmal, wo Sie auf Landesebene wirklich etwas hätten machen können und zum Teil auch etwas tun. Ich weise darauf hin, dass die Arbeitsverwaltung selbst für sich in Anspruch nimmt, durch ihre arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in Baden-Württemberg 55 000 Arbeitsplätze neu geschaffen und möglich gemacht zu haben.
Das ist doch anerkennenswert, völlig richtig. Das ist prima.
Jetzt schauen wir einmal, was Sie als Landesregierung hätten machen können. Sie haben mutwillig das Bündnis für Arbeit aufs Spiel gesetzt.
Sie haben dort die Möglichkeiten, zum Beispiel für Überstundenreduktion zu sorgen, durch Ihre Politik im Bündnis für Arbeit mutwillig aufs Spiel gesetzt. Sie haben die Altersteilzeit – Herr Kollege Hausmann hat es angesprochen – in diesem Bundesland nicht eingeführt. Sie haben bei den Vergaberichtlinien nichts vorgegeben, was in Baden-Württemberg eine andere Politik zugelassen hätte.
Wir sind seit Jahr und Tag mit der Frage beschäftigt, ob Baden-Württemberg die europäischen Fördermittel wirklich vollständig kofinanziert. Es geht doch nicht bloß darum, dass Sie im Nachhinein sagen, die Mittel seien rechnerisch alle abgerufen worden. Es geht auch darum, dass jetzt, wo mehr europäische Mittel zur Verfügung stehen, auch im Lande die Situation geschaffen wird, sie abzurufen, und dass Beschäftigungsinitiativen mobilisiert werden, die einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass auch Problemarbeitslose Arbeit finden. Sie müssen eine kontinuierliche Rahmenbedingung für ihre Arbeit haben und stärker mobilisiert werden als bisher.
Was ist die Situation? Sie versprechen immer, dass die Kofinanzierungsmittel vollständig zur Verfügung stehen, aber immer noch fehlen die 15 Millionen DM im Bereich des Wirtschaftsministeriums. Sie sind laut Aussage des Sozialministers nicht finanziert. Sie verweisen – und jetzt kommt das homerische Gelächter, lieber Kollege Wieser – auf Privatisierungsmittel aus Verkaufserlösen, die Sie die Delikatesse haben „Erwin“ zu nennen.
Das sind Vermögen des Landes Baden-Württemberg, die Sie zyklushaft verscherbeln nach dem Zyklus der Landtagswahlen. So muss man das, glaube ich, bezeichnen.
Sie weisen immer auf diese Privatisierungsmittel hin. Ich bin dafür, dass sie fließen, aber dieser Hinweis führt dazu, dass wir eine Stop-and-go-Politik bei der Beschäftigungspolitik haben und keine Kontinuität.
Das ist für die Beschäftigungsinitiativen, die der eigentliche Träger dieser Politik sind, wirklich Gift. Wenn Sie auf eine positive Beschäftigungspolitik des Landes BadenWürttemberg hinweisen wollten und diese hier vorstellen wollten, dann würde ich Sie bitten, wenigstens an den Punkten, wo Sie etwas machen können, in den Lücken der verschiedenen Förderprogramme als Land in Vorfinanzierung zu treten
und für eine kontinuierliche Arbeit der Beschäftigungsinitiativen zu sorgen.
Zum Schluss: Bei allen positiven Meldungen, dass die Arbeitslosigkeit unter 5 % gesunken ist, womit wir auf dem Stand von 1995 wären – und da haben ja auch eigentlich alle gejubelt –, ist der Anteil der älteren Arbeitslosen gestiegen.
Ich bin sofort fertig, Herr Präsident.
Gerade bei den Langzeitarbeitslosen, bei den arbeitslosen Frauen, bei denen, die in einem größeren Risikobereich sind, könnte das Land eine Politik machen. Da ist diese Landesregierung in der Schuld und sollte endlich etwas mehr tun als bisher.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine erste Rede in diesem Parlament habe ich zu eben diesem Thema Europa vor mehr als vier Jahren gehalten, vor einem ähnlich leeren Saal. Ich hatte mir damals vorgenommen und zugemutet, an der Politisierung dieses Parlaments in der Frage der europäischen Politik teilzuhaben und mitzuarbeiten – Sie sehen, mit welchem Ergebnis. Wir lernen daraus, dass die vornehmste Tugend eines Politikers, zumal eines durchschnittlichen Abgeordneten, eine ausgeprägte Frustrationstoleranz ist,
wenn es überhaupt andere Tugenden gibt.
Ich sage das allgemein und für das heutige Thema: Wer heute öffentlich über Europa spricht, hat widersprüchliche Anforderungen.
Auf der einen Seite handelt es sich um historische Ereignisse von nicht zu unterschätzender Bedeutung, zum Beispiel die Osterweiterung der Europäischen Union oder die Frage einer Vertiefung des europäischen Einigungsprozesses und dessen Unumkehrbarkeit.
Auf der anderen Seite eignet sich nichts so schlecht für eine dauernde Dramatisierung wie die Themen der europäischen Politik, weil die europäische Einigung eben nicht von Katastrophe zu Katastrophe fortschreitet. Vielmehr hat die Normalität des europäischen Alltags in den letzten Jahren den Erfolg der europäischen Einigung ausgemacht.
So auch diesmal: Wenn wir den Europabericht diskutieren, sehen wir uns auf der einen Seite mit der Alltäglichkeit der europäischen Politik konfrontiert – Oberrheinrat, grenzüberschreitende Kooperationen, die Strukturförderprogramme der Europäischen Union, die zum Teil funktionieren –; auf der anderen Seite stehen historisch entscheiden
de Fragen, die, wenigstens zum Teil, bisher als ungeklärt gelten und die in den nächsten Monaten eine Klärung finden müssen. Wir haben aber immer auch die Politik des Landes zu diskutieren und nicht nur einfach über unsere Kompetenzen hinausgehend ständig über Europa zu reden, weil wir sonst in Gefahr kommen, nur zu schwafeln.
Ich habe ein Zitat in „Aus Politik und Zeitgeschehen“, der Beilage der Zeitschrift „Das Parlament“, gefunden, in dem sich zwei wissenschaftliche Autoren über die Europafähigkeit der Landtage äußern. Sie sagen:
Einen adäquaten Stellenwert wird die Europapolitik als landesparlamentarisches Politikfeld nur erlangen, wenn sich ein entsprechendes Bewusstsein innerhalb des Landtags über die Bedeutung der Europapolitik für die Landespolitik entwickelt. Die aktive Rolle des Landtags als europapolitischer Akteur muss in diesem politischen Willen gründen.
Ich hatte schon festgestellt, dass dieser politische Wille nicht ausreichend ausgeprägt ist. Es bleibt die Frage, woran das liegt. Dafür gibt es sicherlich viele Gründe. Ich will versuchen, einen hervorzuheben, weil ich finde, dass die Fragen, die wir auf Landesebene entscheiden können und müssen, durch die Mehrheitsfraktionen in diesem Landtag nicht richtig, nicht öffentlich, nicht einsehbar genug gestaltet werden.
Zuerst will ich dabei feststellen, dass wir in den Prinzipien – sagen wir, zumindest in der Rhetorik, aber ich denke, ein Stück weit auch in der Auffassung – einer Meinung sind. Es herrscht Übereinstimmung, dass sich die Europäische Union weiterentwickeln muss und dass der Integrationsprozess, wie er bisher stattgefunden hat, nicht stehen bleiben darf. Es reicht nicht aus, nur einen Binnenmarkt zu etablieren. Einigkeit besteht darüber, dass hierzu auch politische Reformen nötig sind, dass die Institutionen Europas reformiert werden müssen, um mehr demokratische Transparenz zu gewährleisten.
Zweitens besteht Einigkeit darin, dass die Osterweiterung eine historische Chance und Aufgabe der Europäischen Union ist. Sie würde ihre ureigenste Aufgabe nicht erfüllen, wenn sie daran scheiterte. Die Osterweiterung der Union, das heißt die Einbeziehung der bis zur Wende 1989/90 im sowjetischen Herrschaftsbereich befindlichen Nationen und Staaten, macht aus der europäischen Einigung überhaupt erst das, was vor einigen Jahrzehnten als Ziel avisiert wurde. Sie schafft Prosperität, das heißt eine gedeihliche Entwicklung für die Menschen in Europa in Wohlstand, sie schafft Stabilität, das heißt Frieden und Freiheit, und sie schafft Identität in der kulturellen Entwicklung Europas. Das bedeutet, dass Städte wie Krakau, Riga oder Laibach europäische Städte sind, die an der kulturellen europäischen Entwicklung teilhaben, und dass es unsere Aufgabe ist, mit allen zusammen an dieser europäischen Einheit zu arbeiten.
Drittens besteht Übereinstimmung, dass Subsidiarität herrschen sollte. Alle sagen es hier: Kompetenzbeschreibung. Nicht alles soll von der Zentrale, von Brüssel aus geregelt werden. Das will ich aber als Beispiel dafür nehmen, dass in der Landespolitik zu Europa nicht alles richtig läuft. Natürlich läuft auch nicht alles gut und richtig in Europa sel
ber. Es gibt eine berechtigte Kritik an dem Heranziehen von Entscheidungen, die nicht nach Brüssel gehören. Aber ich finde, dass man hier etwas klären muss. Es gibt auch berechtigte Ängste vor der wachsenden Migration und vor internationaler Kriminalität. Die Frage ist aber: Wie geht man damit um? Man muss herausfinden, was die Gründe dieser Ängste sind, und die Gründe beseitigen. Was man nicht machen darf, ist, diese Ängste zu bedienen und sie nur zu benutzen, um sie auf eine oberflächliche Zustimmung zu leiten, die sich dann in Wahlen ausdrückt. Die Landesregierung und die Mehrheitsfraktionen sind nicht frei von solcher Demagogie in Bezug auf die möglichen Entwicklungen in Europa.
Nehmen Sie die Fragen der Subsidiarität und der Daseinsvorsorge. Als Beispiel nehmen wir das öffentliche Sparkassenwesen. Das ist im Kern keine Auseinandersetzung zwischen Europa und Brüssel auf der einen und den armen, unterdrückten Ländern auf der anderen Seite. Meine Damen und Herren, das ist es nicht. Die Europäische Union und der Vertrag, den die Mitgliedsstaaten geschlossen haben, gefährdet nicht die kommunale Selbstverwaltung, sondern garantiert ausdrücklich die innerstaatlichen Regelungen. Die Europäische Union kümmert sich nicht einmal um die Tatsache, dass 50 % des Kreditwesens in Deutschland in öffentlicher Hand sind, was für britische Ohren ganz fremd erscheint. Es geht einzig und allein um die Frage der Wettbewerbsverzerrung und um die Herstellung der gleichen Wettbewerbsbedingungen. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass eine Regelung durch Brüssel getroffen worden ist, die die öffentliche Versorgung mit Kreditanstalten nicht gefährdet. Aber es gibt jemand, der das kritisiert hat, nämlich der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Industrie Ludolf-Georg von Wartenberg, der Folgendes gesagt hat: „Unter dem Deckmantel der so genannten Daseinsvorsorge darf es keine wettbewerbsrechtlichen Reservate für die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand geben.“ In diesen Chor eingestimmt hat Professor Wernhard Möschel aus Tübingen, bis vor kurzem der Vorsitzende der Monopolkommission, der gefordert hat, dass die öffentliche Beteiligung an dem Kreditwesen endlich beseitigt und Privatisierung durchgeführt werden müsse.
Das heißt, hier findet eine Auseinandersetzung zwischen Neoliberalismus und Deregulierung auf der einen und Fragen der sozialen Daseinsvorsorge auf der anderen Seite statt, und die Landesregierung tut so, als wäre es eine Auseinandersetzung zwischen dem Brüsseler Bürokratismus und den Interessen des Landes, was nicht stimmt. Es ist im Übrigen, wie ich finde, eine Auseinandersetzung mitten in Ihrer eigenen Partei. Sie müssten schon sagen, wo Sie für Deregulierung und Liberalismus sind, und müssten schon genau klären, wo Sie für Wettbewerbsverzerrung oder Wettbewerbsgleichheit sind.
Wir – das haben wir übereinstimmend im Landtag festgestellt – verteidigen die öffentlichen Sparkassen in unserem Land und kommen in Brüssel damit auch durch. Aber die Frage muss schon gestellt werden, ob zum Beispiel, je mehr von deutscher Seite für Einrichtungen, die Teile der Daseinsvorsorge sind, gefordert wird, nicht auch aus Frankreich Forderungen lauter werden, das, was dort Service publique heißt, ebenfalls zu schützen, zum Beispiel auf dem Sektor des Energiewesens, wo wiederum wir die
größeren Freihändler sind. Also es ist eine Frage der sozialen Politik und der inneren Politik, wie wir sie selbst vorschlagen. Die Frage eignet sich aber überhaupt nicht für oberflächliche Polemiken gegen Brüssel. Umso schlimmer ist es, wenn sie dazu benutzt wird.
Die Landesregierung spricht in diesem Punkt, wie ich finde, mit zwei Zungen. Sie sagt: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass; einsammeln, was wir an Vorteilen von der europäischen Einigung haben – Deutschland ist der größte Exporteur; die europäische Einigung vollzieht sich auch ohne unser Zutun, zum Beispiel in den osteuropäischen Ländern, wohin wir am meisten exportieren und die am meisten mit uns in Handel treten –, aber auf der anderen Seite die Leistungen, die von unserer Seite dafür zu erbringen sind, nicht wahrhaben wollen und nicht selber übernehmen wollen. Das ist eine nicht überzeugende, nicht sehr klare Politik, und am Beispiel der Diskussion über die Subsidiarität kann man das am deutlichsten zeigen.
Ich finde, man muss als Kernsatz in der europäischen Einigung etwas herausheben, wo die Landesregierung bisher völlig versagt, nämlich dass in der Bevölkerung Europa nicht als abstraktes historisches Prinzip seine Unterstützung und Grundlage findet, sondern wegen der spürbaren Vorteile, die dabei für jeden herauskommen – und zwar über die angenehme Freizügigkeit des Urlaubseuropas hinaus –, also Abbau der Arbeitslosigkeit, entscheidende Verbesserung der Umweltbedingungen, zum Beispiel durch eine strikte europäische Politik für gesunde Nahrungsmittel usw. Die Fragen der Sozialpolitik, der Beschäftigungspolitik in Europa sind alles Themen, die die Landesregierung bisher als europäische Politik abgelehnt hat.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Die von mir zitierten beiden Autoren haben aus ihrer Beschreibung der Landespolitik zu Europa folgende Konsequenz gezogen:
Kernelement parlamentarischer, auf die Rahmenbedingungen des europäischen Mehrebenensystems ausgerichteter Strukturreform ist die Einrichtung eines europapolitischen Ausschusses.
Das klingt selber bürokratisch und institutionell. Aber wir brauchen in diesem Landtag eine eingerichtete Institution, die sich mit den europapolitischen Fragen befasst. Wir brauchen eine Europapolitik vom Land, die – ich sage es mit allem Lob und aller Sympathie – mehr als nach Gutsherrenart Europapolitik und Vertretung des Landes bei den europäischen Institutionen wahrnimmt und die dann nicht dazu führt, dass wir immer zu spät kommen, etwa mit der Diskussion dieses Europaberichts oder – das zum Schluss – mit unserem Antrag, in dem wir gesagt haben, wir müssten zu der Grundrechtecharta vom Landtag aus in der Öffentlichkeit etwas unternehmen, oder mit unserem Antrag auf Einsetzung eines Europaausschusses, womit wir gegen Ende der Legislaturperiode schon wieder zu spät kommen. Das kann man beklagen. Wir tun das auf unser eigenes Konto. Aber das muss der nächste Landtag anders machen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir leisten uns in diesem Landtag wieder einmal den Luxus, in einer Aktuellen Debatte ein aktuelles bundespolitisches, durchaus interessantes, wichtiges Thema zu diskutieren. Da wir nichts zu entscheiden haben, kommt es dabei darauf an, wie man sich hier präsentiert, ob die Journalisten wahrnehmen, dass man sich präsentiert, und dass man den Wahlkampf ein bisschen einleitet.
Die Krawatte ist an Ihnen noch das Beste, Kollege Haas.
Der Landtag sieht im Bewusstsein seiner geringen Rangfolge die Notwendigkeit, damit seine Tagesordnung auszufüllen. Das ist die eine Schwierigkeit.
Die zweite Schwierigkeit, liebe Kollegin Fauser, ist: Wenn Sie das schon machen, dann bitte ich darum, dann in die Details zu gehen und die Tatsachen darzustellen. Rundumschläge können wir immer ablassen. Wir können uns da auch streiten. Es ist in der Öffentlichkeit bekannt, dass wir unterschiedlicher Meinung sind. Gelöst haben wir damit aber nichts.
Worum geht es? Erstens gibt es eine Regelung der europäischen Sozialpartner zur Frage der Befristung von Arbeitsverträgen. Darin wird davon ausgegangen, dass Arbeitsverträge im Grundsatz unbefristet sind, dass aber eine Befristung als Möglichkeit in den einzelnen Mitgliedsstaaten geregelt wird.
Es gibt zweitens die noch von der alten Regierung schon 1985 eingeführte Regelung, dass Arbeitsverträge grundlos befristet werden können. Diese Regelung wurde selbst befristet. Jetzt passiert Folgendes: Sie wird ohne jegliche Befristung Gesetz, mit einigen zusätzlichen Regelungen zur Präzisierung, die Missbräuche ausschließen sollen. Darum geht es.
Jetzt reden Sie einmal darüber, was wirklich der Fall ist. Warum wurde das Gesetz denn befristet? Weil man herausfinden wollte, ob die erwarteten Effekte überhaupt eintreten. Ich behaupte: Der in Deutschland bestehende Kündigungsschutz, der, wie ich finde, eine soziale Errungenschaft ist und die Arbeitnehmer vor Missbrauch durch Arbeitgeber schützt, und der erreichte Standard verhindern in keinem Fall irgendeine Beschäftigung. Diese Behauptung lässt sich empirisch nicht begründen.
Dahinter steckt eine andere Absicht, nämlich die Position des Arbeitgebers in dieser Frage zu stärken, aber Beschäftigung wird damit nicht geschaffen,
es sei denn in bestimmten konkreten zu beschreibenden Punkten, möglicherweise bei Existenzgründern. Vielleicht gibt es auch Gelegenheit für ältere Arbeitnehmer, leichter in Arbeit zu kommen. Aber alles andere lässt sich in den letzten Jahren empirisch nicht begründen.
Ich kann Ihnen sagen, wie das im Verlagsgewerbe behandelt wurde. Diese Möglichkeit bestand zunächst einmal nicht. Dann wurde dazu übergegangen, neu Einzustellenden generell zunächst einmal nur einen auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag anzubieten. Inzwischen tun sie das nicht mehr. Woran liegt das? Das liegt nicht an dem Gesetz und nicht an der Juristerei. Das hängt mit der Lage auf dem Arbeitsmarkt zusammen.
Warum, frage ich Sie, bietet die rheinland-pfälzische Landesregierung ihren Lehramtsanwärtern jetzt ordentliche Verträge und Beamtenstellen an und nicht mehr befristete Stellen? Weil die rheinland-pfälzischen Lehramtsanwärter nach Baden-Württemberg gehen und der Arbeitsmarkt das nicht mehr hergibt.
Das heißt, eine solche generelle Regelung, die eine Befristung einfach so erlaubt, ist im Ernstfall nichts weiter als eine Verlängerung der Probezeit und schwächt die Stellung des Arbeitnehmers, hindert den Arbeitgeber aber überhaupt nicht an Unternehmerentscheidungen.
Sie kennen die höchstrichterliche Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht, lieber Kollege von der CDU. Selbstverständlich ist ein Unternehmer bei seiner unternehmerischen Entscheidung in der Lage – eine Entscheidung, die im Übrigen von niemandem überprüft wird, auch nicht vom Arbeitsgericht –, auch zum Beispiel Arbeitnehmer, die sonst als unkündbar gelten, zu entlassen, wenn es der Betrieb erfordert. Unter fünf Beschäftigten besteht ohnehin kein Kündigungsschutz. Die bestehende Regelung der Teilzeit zum Beispiel wird in Betrieben mit weniger als 15 Beschäftigten auch nicht angefasst. Was soll denn von Ihrer Seite aus zu beklagen sein?
Ich will nachher noch auf die positiven Effekte eingehen. Ich will Ihnen aber schon einen Punkt nennen, der durch diese neue Regelung ausgeschaltet wird: In Mannheim zum Beispiel gibt es im Augenblick einen heftigen Arbeitskampf bei einem solchen neuen Unternehmen, bei Transmedia, das von der Erstellung von Websites, Magazinen usw. lebt: 150 Beschäftigte, die keinen Tarifvertrag haben und die um einen Tarifvertrag mit dem Arbeitgeber kämpfen. 76 % der Beschäftigten dieser Firma sind befristet beschäftigt. Jetzt geschieht nichts anderes, als diese befristete Beschäftigung weiterhin zuzulassen mit der einen Ausnahme, dass Kettenverträge unterbunden werden. Es geht also um die Fälle, in denen aus einem Grund befristet beschäftigt und dann ohne Grund nachgelegt und weiter befristet beschäftigt wird.
Es ist eine vernünftige Regelung, diese Beschränkung einzuführen. Aber ein Grund für Ihre Klage über eine Einschränkung der Unternehmerfreiheit und eine Überregulierung besteht überhaupt nicht. Das hätten Sie festgestellt, wenn Sie anstelle eines Rundumschlags in die tatsächlichen Details der Gesetzgebung gegangen wären.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Staatssekretärin, Sie sagten, das erfolgreiche arbeitsmarktpolitische Instrument solle erhalten bleiben. Wären Sie darauf eingegangen, was geändert wird, hätte man vielleicht ein bisschen genauer diskutieren können. Dieses arbeitsmarktpolitische Instrument wird erhalten.
Es wird erhalten; denn es gibt Leute, es gibt ja einflussreiche Leute, die davon betroffen sind, die strikt dagegen sind, zum Beispiel der DGB. Warum Sie so böswillig darstellen, dass da etwas erkauft würde, lasse ich Ihre Sache sein. Aber Tatsache ist, dass da natürlich etwas verhandelt werden muss. Das hat das Bundesarbeitsministerium ausdrücklich auch erklärt.
In einer Presseerklärung vom 27. September heißt es:
Die Balance der unterschiedlichen Interessen wird
in unserem Gesetzentwurf –
gewahrt: Während die Regelungen über befristete Arbeitsverträge vor allem den Interessen der Arbeitgeber an flexibler Beschäftigung entgegenkommen, unterstützen die Regelungen zur Teilzeitarbeit den Wunsch vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach mehr Arbeitszeitflexibilität.
Da wird etwas ausbalanciert. Das kann man nun für geschickt oder weniger geschickt halten, aber ich will darauf hinweisen, dass da natürlich unterschiedliche Interessen eine Rolle spielen, und die Regierung macht das, was ihres Amtes ist, nämlich sie auszubalancieren und zu einer Lösung zu kommen, die für alle tragfähig ist. Dieses Instrument wird also beibehalten. Dass es arbeitsmarktpolitisch so ungeheuer erfolgreich sei, lässt sich – „leider“ könnte man sagen – nicht bestätigen. Die Zahlen der Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit belegen nicht, dass die Befris
tung von Arbeitsverträgen zu einer bemerkenswerten, feststellbaren Ausweitung der Beschäftigung geführt habe. Das ist nicht der Fall.
Was wird jetzt geändert? Jeder Arbeitgeber, jedes Unternehmen kann nach wie vor Arbeitnehmer einstellen und das Beschäftigungsverhältnis auf längstens 24 Monate befristen – innerhalb dieser 24 Monate drei Mal aufeinander folgend.
Geändert wird Folgendes: Einschränkend wird gesagt, das solle nur bei Neueinstellungen möglich sein. Das betrifft zum Beispiel die von Ihnen angeführten Existenzgründer. Wer möglicherweise noch nicht ganz übersieht, wie es mit seiner Firma weitergeht, obwohl, wie gesagt, auch bei Existenzgründern die betriebsbedingte Kündigung immer noch völlig offen ist, könnte mit befristeten Arbeitsverhältnissen einen erleichterten Einstieg sowohl in die Existenzgründung als möglicherweise auch in die Beschäftigung für bereitstehende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer finden. Das wird nach wie vor – wie bisher – möglich sein.
Es wird nicht möglich sein, einen Arbeitsvertrag mit einem bestimmten Grund auf 24 Monate zu befristen und dann, wenn dieser Grund wegfällt, einen Kettenarbeitsvertrag – ohne Grund – anzuschließen, oder umgekehrt für jemanden, der 24 Monate ohne Grund befristet beschäftigt war, einen Grund für eine befristete Beschäftigung zu finden.
Das ist jetzt ausgeschlossen. Das ist das Einzige, was sich ändert.
Jetzt müssten Sie sagen, was Sie gegen diese Regelung haben.
Diese Regelung hat mit mehr oder weniger Bürokratie nichts zu tun. – Damit wird versucht, Missbrauch auszuschließen. Missbrauch existiert.
Aber Sie stellen sich hier hin und sagen, Missbrauch gebe es nicht. Ich kenne eine Reihe von Fällen. Ich habe Ihnen einen genannt, nämlich im Arbeitskampf von Transmedia in Mannheim.
Frau Fauser, die diese Debatte beantragt hat, hat sich inzwischen bereits entfernt. Sie hat allgemein irgendetwas von Gewerkschaften und neuen Branchen geredet. Ich dagegen habe konkret von einem Arbeitskampf geredet, der in Mannheim seit mehreren Wochen dauert und bei dem die Mehrheit der Belegschaft – 60 % sind übrigens in der HBV organisiert –, auch die nicht Organisierten, sich für den Arbeitskampf ausgesprochen hat, weil die Firma jetzt, nachdem sie jahrelang existiert, übrigens zu 90 % mit Aufträgen der Bundesanstalt für Arbeit – das ist eine schöne Pointe –,
nicht bereit ist, tarifvertragliche Regelungen einzuführen. Dafür brauchen Sie eine Vertretung.
Überlegen Sie einmal Folgendes bei der arbeitsrechtlichen Position: Es gibt eine Auseinandersetzung um ein Unternehmen, um arbeitsrechtliche, um tarifvertragliche Sachen, und die Mehrheit der Beschäftigten ist befristet beschäftigt. Die Europäische Union kümmert sich darum, dass diejenigen, die befristet beschäftigt und teilzeitbeschäftigt sind, nicht diskriminiert werden. Aber schon in diesem Fall zeigt sich, dass die befristet Beschäftigten natürlich eine sehr viel unsicherere und schlechtere Position haben.
Ein letztes Wort zur Teilzeit: Teilzeitbeschäftigte sind entgegen den Aussagen von Frau Fauser generell die besseren, die billigeren und die effektiveren Beschäftigten im Betrieb. Jeder, der das kennt, kann sagen, dass zwei Halbtagskräfte für jeden Betrieb erheblich mehr sind als eine Vollzeitkraft.
Zweitens sind wir uns darüber einig, dass Teilzeit und vermehrte Teilzeit einen Teil unserer Beschäftigungsprobleme lösen kann. Die Bundesrepublik ist in Europa, was die Teilzeit betrifft, Schlusslicht.
Drittens können wir bestehende Hindernisse aus dem Weg räumen, um mehr Teilzeit zu ermöglichen. Das ist einfach. Diese Regelung ist präzise. Sie muss natürlich halbwegs präzise sein. Sie ist dort nicht präzise, wo bisher Richterrecht existierte und nicht Gesetzesrecht. Aber, lieber Kollege, dass daraus folgt, dass der Unternehmer nicht mehr entscheiden könne und keine Personalplanung mehr habe, ist nicht richtig. Sie haben sich wohl diese Regelung nicht angeguckt.
Das Einzige, was passiert, ist, dass nach bestimmten Fristen unter bestimmten Umständen der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin selber sagen kann: „Ich möchte gern Teilzeit arbeiten“ und der Unternehmer, der keinen Grund hat, das zu verweigern, sich dann darauf einlassen muss. Aber jeder Grund, der in der Betriebsführung, in der Produktion, in der Belegschaft oder in anderem liegt, gilt aufseiten des Unternehmers, um zu sagen: „Ich kann die Teilzeit nicht einführen.“ Sich haben sich die Regelungen einfach nicht angeguckt.
Meine Damen und Herren, Vorbild ist Holland. Sie haben es doch immer so schön mit Vorbildern.
Ich komme sofort zum Schluss. – Eine solche Regelung existiert in Holland. Wir brauchen mehr Teilzeit. Wir brau
chen auch mehr Teilzeit für Männer und nicht nur für Frauen, und wir brauchen eine Teilzeitregelung, die diejenigen, die in Teilzeit sind, nicht diskriminiert und nicht grundsätzlich gegenüber den anderen benachteiligt. Mit dieser Regelung kommen wir in der richtigen Richtung einen Schritt weiter und haben damit ein wirklich gutes beschäftigungspolitisches Instrument. Ich denke, wer wirklich die Arbeitslosigkeit abbauen will –
und diese Bundesregierung ist ja seit langer Zeit die erste, die das tut –, der muss auch zu diesem Mittel greifen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Schwierige bei dieser Debatte ist, dass die Vertreter der CDU immer, wenn es um Fragen des Zusammenlebens und der Integration geht, wenn es um die Frage der Ausländer geht, zum groben Ton und zum Holzhammer greifen.
Das ist deshalb so fatal, weil das einen Beitrag dazu leistet, dass Integration in diesem Land schwieriger wird, weil unsere ausländischen Mitbürger bei diesen Tönen große offene Ohren haben.
Ich will Ihnen drei Beispiele nennen.
Sie haben es für richtig gehalten, in diese Debatte Ihre prinzipielle Ablehnung der Mitgliedschaft der Türkei in der EU als Argument einzuführen. Wussten Sie zum Beispiel, dass unter den ausländischen Arbeitskräften im IT-Bereich aus Nicht-EU-Ländern die Türken und Türkinnen laut Beschäftigungsstatistik mit 1 500 Personen die größte Gruppe stellen? Unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Nutzens, den wir haben, muss Ihnen doch wenigstens dieses Argument eingehen, wenn schon die humanistischen Argumente nicht so sehr bei Ihnen landen.
Der wirtschaftliche Nutzen, den wir durch die Zu- und Einwanderung aus der Türkei haben, lässt sich also auch im IT-Bereich mit Zahlen belegen.
Zweitens: die Arbeitslosigkeit. Das Problem ist nicht die Zumutbarkeit, Herr Oettinger; das Problem ist die Qualifikation und die Befähigung der Arbeitslosen zu Arbeit.
Es geht doch nicht darum, dem arbeitslosen Ingenieur jetzt zuzumuten, Softwareentwickler zu werden, sondern man muss ihn dazu befähigen. Wo bitte schön bleibt die Stiftung Weiterbildung im Lande Baden-Württemberg,
die Sie uns seit Jahren versprochen haben und bei der Sie nicht in der Lage sind, sie endlich zu realisieren?
Immer, wenn Sie davon sprechen, sprechen Sie von Restriktionen, Verboten, Abschiebungen, Zumutung. Sie sprechen nie von Angebot, von Werbung und von Wettbewerb.
Der Wahlausgang in Nordrhein-Westfalen hat unter anderem ein positives Ergebnis, nämlich dass er mit der AntiInder-Kampagne des CDU-Spitzenkandidaten Rüttgers Schluss gemacht hat und dass wir jetzt eine Chance haben,
diese Frage endlich ruhig und überlegt und sachlich zu diskutieren.
Die Greencard-Regelung wird eingeführt, weil sie von der Wirtschaft verlangt wird und weil die Argumente für sie so
stark sind. Ich sage Ihnen voraus: Sie werden ihr zustimmen. Selbst Herr Teufel, der Letzte in der Riege der Umfaller der CDU, wird dieser Regelung zustimmen.
Sie haben doch auch in die Presse geschaut. Da hieß es: „Der Schwenk“, „Teufel lenkt ein“, „Teufels Kehrtwende um 180 Grad“. Es gab Kommentare, die überschrieben waren mit „stur und kurzsichtig“, „wenig flexibel“. Das beschreibt genau das, was im Augenblick innerhalb der CDU stattfindet.
Innerhalb der CDU wird an der Demontage des Ministerpräsidenten Erwin Teufel gearbeitet, weil er wie ein Block der notwendigen Entwicklung im Wege steht.
Aber Sie arbeiten noch nicht an einem Neuanfang. Sie haben noch zu wenig getan.
Sie arbeiten immer noch an der Agonie dieser Landesregierung, an ihrer Beharrlichkeit und nicht an ihrer Änderung.
Sie haben doch selber eine Kommission beauftragt, ein „Leitbild Baden-Württemberg 2000“ zu erarbeiten. Es gibt einen Bericht der Zukunftskommission 2000. In beiden Dokumenten wird schon seit längerer Zeit niedergelegt, dass es eine einsichtige Begründung für Einwanderung nach Deutschland gibt. Sie haben gesellschaftspolitische Überlegungen aus Ihrer Regierung sozusagen outgesourct in eine Kommission, die sich darüber Gedanken gemacht hat – ein hervorragender Gedanke, wenn Sie es schon nicht selber machen. Aber dann sind Sie nicht einmal in der Lage, die Ergebnisse dieses Outsourcings zurückzukaufen und in Ihrer Regierungspolitik zu nutzen, nämlich dass wir eine Einwanderung und nicht eine Zuwanderungsbegrenzung brauchen. Das ist das, was jetzt durch die Rede von Herrn Bundespräsident Rau, durch die Greencard-Initiative des Bundeskanzlers Schröder und durch die langen, hartnäckigen Forderungen nach einem Einwanderungsgesetz von der grünen Fraktion in Bonn und Berlin endlich auf den Tisch kommt, dass wir vernünftige Regelungen brauchen, die sich im Übrigen, wie Frau Merkel gestern im Fernsehen gesagt hat – ich habe aufmerksam zugehört –, mit dem Asylrecht nicht verrechnen lassen.
Ja, gern.
Ich habe Ihre Beschlüsse von Biberach aufmerksam gelesen, und ich teile die Kommentare, die in der Presse zu lesen waren, dass es sich um einen Zwitter handelt.
Ich rede über einen konkreten Gesetzentwurf.
Ja, das ist ein Zwitter, und ich denke, das Einwanderungsgesetz, das Sie vorgeschlagen haben, war in der gegebenen Form nicht zustimmungsfähig.
In Baden-Württemberg haben Sie ja noch etwas draufgelegt, weil zum einen Ihr Wirtschaftsminister gefordert hat, dass wir eine Zuwanderung von 200 000 brauchen – diese Zahl hat er genannt –, Sie dies aber in Ihren Beschlüssen von Biberach zum anderen zurückgenommen haben
und nicht ein Einwanderungsgesetz,
sondern ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz vorgeschlagen haben. Das ist etwas anderes, zumal noch hinzukommt, dass der baden-württembergische Landesverband der FDP einen Punkt, der mir die FDP früher immer sympathisch gemacht hat, zurückgenommen hat, nämlich die Verteidigung des Asyls als Grundrecht in dieser Gesellschaft.
Sie haben sich damit zu Recht die Kritik Ihres Jugendverbandes eingehandelt.
Wir haben in diesem Parlament – lassen Sie mich das zum Schluss sagen – seit langem eine parlamentarische Mehrheit für die Greencard-Initiative und für weiter gehende ausländerrechtliche Zuwanderungsbestimmungen in der Bundesrepublik. Machen Sie davon doch Gebrauch! Gehen Sie doch in dieser Hinsicht mit uns zusammen und überlegen Sie sich, ob die Einschränkung des Asylrechts mit den Liberalen nicht doch anders zu lesen ist, als Sie das bisher vorgeschlagen haben.
Herr Ministerpräsident, ist Ihnen entgangen, dass der Fraktionschef der CDU eben gerade in einem Punkt zu der Arbeitslosig
keit Stellung genommen hat, und zwar so, dass er meinte, dass die Zumutbarkeitsregeln verschärft würden, und würden Sie das für die soziale Standarte halten?
Auf die Mittagspause kann ich keine Rücksicht nehmen, meine lieben Herren Kollegen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist deutlich geworden, dass der Ministerpräsident sich nicht auf diese Art und Weise aus der Sache herausreden kann. Ich will dazu drei Punkte nennen.
Sie haben appelliert, eine Politik zu machen, die die Arbeitslosigkeit und die Arbeitslosen berücksichtigt. Sie waren bei der letzten Debatte nicht da, aber bevor Sie so etwas sagen, hätten Sie wenigstens das Protokoll der Debatte nachlesen können. Es war ausdrücklich Gegenstand der Debatte in diesem Landtag, und ich habe zu denen gehört, die ausdrücklich darauf Bezug genommen haben, dass eine Politik der Einwanderung und ein Einwanderungsgesetz und eine Anwerbung ausländischer Fachkräfte kein Ersatz oder auch nur eine Störung sein können für eine Politik, die Arbeitslosigkeit bekämpft und Arbeitslosigkeit abbaut.
Man kann ökonomisch sogar sagen: In der gegenwärtigen Lage ist der Zuzug von ausländischen Fachkräften ein Faktor zur Behebung der Arbeitslosigkeit, weil wir damit mehr Arbeitsplätze schaffen können.
Richtig ist auch, was der Vorsitzende des DGB in BadenWürttemberg sagt, dass es keine Arbeitgeberlösung des Zuzugs und des Abstoßes geben darf, also keine Billiglösung in Bezug auf die Arbeitskräfte. Aber auch das ist nicht geplant. Nur: Wenn Sie ausgerechnet gegenüber der aktuellen Lösung anführen, Sie seien der Vertreter mit der sozialen Standarte des Kampfes gegen die Arbeitslosigkeit, dann müssen Sie sich schon nach den Ergebnissen Ihrer Politik der letzten Jahre fragen lassen. Diese Bundesregierung jedenfalls tut einiges mehr für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, als die alte Bundesregierung in den 16 Jahren davor getan hat.
Zweitens haben Sie gesagt: Die Menschen, die hier leben, zuerst. Natürlich! Erstens ist das geltendes Recht, und zweitens gehört dazu inzwischen auch eine große Anzahl von Ausländern. Natürlich sind die zuerst dran. Ich sehe auch ein, dass es für jeden, der keine Arbeit findet, schwer verständlich ist, dass in anderen Feldern Leute aus dem Ausland angeworben werden müssen. Weil das aber nicht kompatibel ist, müssen wir unsere Anstrengungen erhöhen, zum Beispiel im Bündnis für Arbeit, zum Beispiel im sozialen Sektor, zum Beispiel bei der Anwerbung der ESFMittel in diesem Land, und das hat mit der Verweigerung der Zustimmung zur Greencard überhaupt nichts zu tun. Ich will Sie warnen, aus der Parole „Die Menschen hier zuerst“ eine Parole „Deutsche zuerst“ zu machen. Sie wissen ja, wohin das führt.
Das Handwerk hat sich zu Ihren Vorschlägen schon geäußert. Die Lösung, die Sie in Bezug auf die Bosnien- und Kosovo-Flüchtlinge vorschlagen, ist völlig unzureichend. Sie beharren auf dieser Lösung, weil Sie aus rein ideologischen und politischen Gründen auf Ihrer abschreckenden Abschiebepraxis beharren wollen. Sie ist für die Lage im Handwerk aber völlig unzureichend und muss dringend verbessert werden.
Sie sind darauf eingegangen, dass die Studenten, die hier ausgebildet werden, hier bleiben könnten, wenn wir ihre Ausbildung und ihre Fähigkeiten brauchen. Lieber Herr Teufel, Sie kennen die Vorlage zur Greencard nicht. Wer sich über die Sache informiert, weiß, dass das Inhalt des Vorschlags zur Einführung der Greencard ist.
Ich habe letztes Mal für die Grünenfraktion im Plenum gefordert, dass das geschieht,
und es ist Bestandteil des Greencard-Vorschlags der Bundesregierung. Man kann sich ja einmal kundig machen, verehrter Herr Ministerpräsident.
Der entscheidende Satz aber, den Sie gesagt haben – den muss man wiederholen und für das Protokoll unterstreichen –, war: „Wer ein Einwanderungsland herbeiredet, handelt verantwortungslos.“
Lieber Herr Ministerpräsident, das zeigt wirklich, dass der Wechsel, den die CDU vollziehen will, erstens nur einer der Taktik ist und zweitens bei Ihnen nicht angekommen ist.
Ich könnte jetzt sagen, dass die Frage des Einwanderungslandes faktisch geklärt ist, weil wir Einwanderung haben. Ich könnte sagen, dass die Kommissionen, die Sie selber eingesetzt haben, sowohl die Zukunftskommission als auch die, die das Leitbild erarbeitet hat, davon selbstverständlich ausgehen. Die Kommission, die Herr Leibinger geleitet hat, geht zum Beispiel von einem Zuwachs von 25 000 Zuwanderern pro Jahr in Baden-Württemberg aus. Das haben Sie nicht wahrgenommen.
„Wer ein Einwanderungsland herbeiredet, handelt verantwortungslos“ – wissen Sie, worauf das zielt? Natürlich weiß ich – Herr Professor Oberndörfer spricht davon –, dass es in beiden großen Parteien Ansprechpartner für Parolen gibt, die das Zusammenleben mit Ausländern infrage stellen, und dass dann manchmal solche Parolen herauskommen.
Sie haben von der Akzeptanz der Bevölkerung gesprochen, der wir nicht mehr zumuten dürften, als sie tragen könne. Verantwortungslos handelt, wer die mindere Akzeptanz der Bevölkerung herbeiredet
und wer etwas dafür tut, dass diese Akzeptanz gering ist.
Zum Schluss sage ich Ihnen noch: Schäbig ist es, sich auf die mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung zu berufen und gleichzeitig bei Wahlen regelmäßig zu versuchen, diese zweifellos in Teilen der Bevölkerung vorhandene Ablehnung eines Zusammenlebens mit Ausländern nicht nur auszunutzen, sondern sogar zu mobilisieren für das Ziel kurzfristiger taktischer Wahlerfolge. Gott sei Dank hat das in Nordrhein-Westfalen nicht geklappt, und ich hoffe, das ist der Beweis dafür, dass es auch in nächster Zeit nicht klappt.
Die Diskussion um Zuwanderung und Einwanderung ist eine weit ausgreifende gesellschaftspolitische Diskussion, aber sie betrifft in allererster Linie die Frage: Welche Politik machen wir im Zusammenleben mit den Ausländern, die zu uns kommen? Ich bin der Letzte, der Migration als solche schon für einen Erfolg hält. Da gibt es nämlich die Migrationsgewinner und die Migrationsverlierer, für die es ein großes Unglück ist, dass sie wandern müssen, weil sie sonst nicht existieren können. Aber wie wir damit umgehen, dass wir dafür offen sind, dass wir ihnen die gleichen Rechte zubilligen wie uns auch und dass wir sie nicht terroristisch abschieben, das ist die entscheidende politische Frage, und da ist der Unterschied zwischen dem, was die Landesregierung macht, und dem, was wir vorschlagen, deutlich geworden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es hat, wie erwähnt, in dem zentralen Punkt im Wirtschaftsausschuss Übereinstimmung zwischen den Fraktionen dieses Hauses gegeben. Es besteht Übereinstimmung, dass das öffentlich-rechtliche Bankenwesen nicht durch den EU-Vertrag und auch nicht durch die EU-Kommission infrage gestellt wird und auch nicht durch den Wettbewerbskommissar Monti, wie man dem Bericht entnehmen konnte und was hier auch schon erwähnt worden ist. Die meisten Sparkassen können beruhigt sein, was die Kommission angeht. Das hat Herr Monti erklärt, wobei er irgendwie vorausgesetzt hat, dass sie durch die Kommission vorher beunruhigt gewesen seien.
Ich habe den Aufsatz, den der Herr Kollege Haasis über „Die Banken auf dem Weg nach Europa – ein Plädoyer für die Gemeinwohlorientierung“ geschrieben hat, nachgelesen. Er schreibt dort:
Standortpolitik darf daher nicht allein auf Investitionsund Kostensenkungsstrategie beschränkt werden, sondern muss den gesamten Systemwettbewerb zwischen Nationen, Regionen und Kulturen einbeziehen.
Ich gehöre nicht zu denen, die von Systemwettbewerb zwischen Nationen und Kulturen reden, aber im Kern will ich ausdrücklich der Aussage des Kollegen Haasis zustimmen: Standortpolitik darf nicht allein auf Investitions- und Kostensenkungsstrategie beschränkt werden. Sie ist immer auch eine Politik zusammen mit den Menschen in der Region, mit den Voraussetzungen dort, und muss sich dem Gemeinwohl und dem Prinzip der Subsidiarität unterwerfen.
Die Menschen brauchen
schreibt der Kollege Haasis weiter –
verlässliche politische und ökonomische Organisationsstrukturen, um Produktivität und Kreativität zu entwickeln.
Auch das will ich ausdrücklich unterstreichen und den Appell anfügen, dass solche Grundsätze bitte schön nicht bloß für den Sparkassen- und Giroverband Baden-Württemberg oder Nordwürttemberg gelten, sondern dass das politische Grundsätze sind, die man auch in anderen Bereichen anwenden kann. So weit also die gemeinsame Übereinstimmung und die Zustimmung.
Ich will aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass in dem Beschluss, den die CDU-Fraktion im Wirtschaftsausschuss vorgeschlagen hat und der einstimmig verabschiedet wor