Protokoll der Sitzung vom 31.01.2001

Wenn man also nicht nur unterhalten und Schlagzeilen produzieren will, sondern wirklich etwas erreichen will – das

unterstelle ich einmal; jedenfalls für meine Fraktion und für mich sage ich, dass wir da etwas erreichen wollen –, gibt es nur den schrittweisen Weg. Dann gibt es nur den Weg einer Regionalentwicklung von unten nach oben.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: So ist es!)

Dann gibt es nur den Weg, bei dem Flexibilität nicht torpediert, sondern eröffnet wird, so wie es der Städtetag verlangt: Kooperationsräume, flexibel und anpassungsfähig. Der Weg muss darauf abzielen, dass die Weiterentwicklung auf regionaler Ebene nur über eine kommunale Zusammenarbeit aller regionalen Akteure erfolgen kann. Ich sage „Arbeit“; denn da muss man beharrlich arbeiten und darf nicht nur Reden halten.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: Sehr gut! – Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Wie die Landesregierung!)

Ich arbeite hart daran; das glaube ich jedenfalls.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Diesen Weg der schrittweisen Entwicklung von unten nach oben verfolgen wir mit dem Gesetz. 1994 wurde der Verband Region Stuttgart gegründet, 1999 wurden seine Kompetenzen erweitert, und jetzt kommt das Gesetz, mit dem die anderen Regionen nachziehen sollen.

Dies alles geschieht in der Erkenntnis und dem sicheren Wissen, dass regionale Entwicklung erforderlich ist – das bestreitet ja niemand; es ist übrigens schon wertvoll, dass das heute niemand mehr bestreitet –, weil unsere Wirtschafts- und Lebensbedingungen einfach nicht mehr ganz mit den administrativen und bürokratischen Gebietszuschnitten übereinstimmen. Das stimmt nicht mehr, da hat sich etwas verändert. Darauf muss man reagieren, weil überörtliche Interessen einen Ausgleich der örtlichen Interessen erfordern und weil der globale Wettbewerb – auch das wissen wir – heute zwingend mit regionaler Entwicklung verbunden ist.

Der Weg der Regionalentwicklung von unten nach oben, auf Flexibilität und Zusammenarbeit der regionalen Kräfte bedacht, ist übrigens nicht nur zielführend, sondern auch inhaltlich richtig. Ich möchte einmal darauf hinweisen, dass der Verband Region Stuttgart nicht etwa, wie manche hier meinen, durch einen gesetzlichen Urknall entstanden ist.

(Abg. Schmiedel SPD: Nein, durch die SPD!)

Alle, die damals dabei waren, wissen, dass sich schon Jahre zuvor alle regionalen Akteure in Arbeitsgruppen und Konferenzen zusammengesetzt hatten, um das ursprünglich ausschließliche Finanzthema von Stuttgart in eine echte regionale Zusammenarbeit überzuführen. Jeder, der dabei war, weiß das.

Der Gesetzgeber hat damals Dinge aufgegriffen und mit einer einzigen Ausnahme im Verhältnis 1 : 1 umgesetzt. Das war die Direktwahl. Sie war nicht vorgesehen; sie hat der Ministerpräsident damals aus dem Hut gezaubert. Wir finden das heute in der Region Stuttgart gut. Aber wir haben

gesagt: Das ist nicht das Modell, das unbedingt allen übergestülpt werden muss.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Richtig! – Abg. Deuschle REP: Aber kein schlechtes Mo- dell, Herr Kollege!)

Den Weg, dass man sich auch in der Politik wichtige Dinge erarbeiten und an ihnen dranbleiben muss, eröffnet in ähnlicher Weise das Gesetz, indem es die regionale Ebene stärkt und indem es Ungleichheiten der Regionalplanung im Lande weitestgehend nivelliert.

Besonders wichtig ist – mich wundert, dass es so viele nicht verstehen; aber wenn sie auf regionaler Ebene weniger reden als mitarbeiten würden, würden sie es besser verstehen –, dass das Gesetz den Regionalverbänden das Recht eröffnet, in allen regionalen Organisationen Mitglied zu werden. Sie müssen dieses Recht nur in den Regionen ergreifen. Sie dürfen es nicht nur fordern, sondern müssen es selber tun. Aber das Gesetz eröffnet jetzt diese Möglichkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Hans-Michael Bender CDU: So ist es!)

Durch die Erleichterung grenzüberschreitender Aktivitäten entlang der Grenzen zu Frankreich, der Schweiz und Österreich – das ist auch ein ganz wichtiger Punkt – gibt es die Möglichkeit, über Regionalpläne, regionale Entwicklungskonzepte und Städtenetze – der Städtetag fordert dies ja – vertragliche Vereinbarungen mit allen öffentlichen und privaten Organisationen zu schließen. Das steht im Raumordnungsgesetz des Bundes. Das wird jetzt übernommen. Ich wundere mich, dass das so wenig gewichtet wird. Da gibt es eine breite Palette von Möglichkeiten, und die muss und kann man jetzt ergreifen.

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Man muss!)

Ich komme jetzt auch noch einmal auf das Thema Regionalzweckverband zu sprechen. Der Regionalzweckverband mag als Träger der Regionalplanung die Ausnahme bleiben. Wir haben uns da am Anfang auch schwer getan, das verhehle ich gar nicht.

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Hört, hört!)

Aber dort, wo er von den regionalen Akteuren als die örtlich richtige Organisationsform gesehen wird, insbesondere im grenzüberschreitenden Verkehr, muss sie möglich sein. Warum denn nicht?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Richtig! Mehrheit statt Regulierung! – Zuruf des Abg. Deuschle REP)

Für die demokratische Legitimation ist gesorgt. Die Zweckverbände sind weitestgehend frei in ihrer Satzungsgestaltung. Nach dem Zweckverbandsgesetz, das Anwen

dung findet, sind sie das sowieso. Herr Fleischer, ich darf es vielleicht einmal so formulieren: Ich freue mich, dass auch unser Koalitionspartner dem Vorschlag zugestimmt hat, dass man nicht nur sagt: „Ihr könnt eine solche Satzung machen“ – dann wären die kreisangehörigen Kommunen die Bittsteller –,

(Abg. Deuschle REP: Eben!)

sondern dass das als gesetzliche Verpflichtung eingeführt wird, dass auch die kreisangehörigen Kommunen mitzuwirken haben. Das Wie müssen dann die Regionen ausmachen. Lieber Kollege List, danke dafür, dass wir das zu zweit in den Fraktionen haben vortragen können.

(Beifall des Abg. Herrmann CDU – Abg. Hans- Michael Bender CDU: Sehr vernünftiger Kompro- miss! Sehr gut!)

Im Übrigen will ich auch keinen Zweckverband, in dem ein Oberbürgermeister zusammen mit drei Landräten sagt, wo es langgeht. Das ist nicht das, was ich mir unter regionaler Entwicklung vorstelle.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Bloeme- cke CDU und Deuschle REP – Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Das wäre mir aber neu! – Abg. Brechtken SPD: So ist es nach dem Gesetz möglich! Das ist das Problem!)

Ich darf an dieser Stelle sagen, was meines Erachtens bisher die Wenigsten gesehen haben: Ein Zweckverband hat durchaus einige Vorteile, um die sich Regionalverbände bemühen. In der Region Stuttgart will man ständig Vollzugsaufgaben haben. Man will mit dem Umlageproblem fertig werden. Das können Sie am besten über einen Zweckverband. Das muss man sehen.

(Abg. Fleischer CDU: Viel flexibler!)

Es soll nichts übergestülpt werden, weder die Stuttgarter Lösung noch die der Zweckverbände. Ich möchte aber an dieser Stelle, obwohl ich auch Fraktionsvorsitzender im Verband Region Stuttgart bin, doch noch eine Fragestellung aufwerfen:

(Abg. Oelmayer Bündnis 90/Die Grünen: Dann müssten Sie aber auch die Stuttgarter Lösung an- bieten! Dann wäre es glaubwürdig!)

In der weiteren Entwicklung wird auch der Verband Region Stuttgart mit auf den Prüfstand genommen werden.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Fleischer CDU: Sehr richtig! – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Jawohl!)

Auch dort ist der Gebietszuschnitt nicht von vornherein sakrosankt; denn es sind auch dort fünf Landkreise, die den Gebietszuschnitt ergeben. Das muss man genauso überprüfen. Ich bin überzeugt, es wird einen Wettbewerb regionaler Systeme geben. Es ist noch lange nicht ausgemacht – die Selbstkritik, Herr Schmiedel, sollten wir auch in unserem Gremium üben –, ob die Verfasstheit und die Institutionalisierung, die wir im Verband Region Stuttgart haben, der modernere Weg sind

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: So ist es! Sehr gut!)

oder ob nicht – projektbezogen – eine flexible Vernetzung besser ist. Das muss man erst einmal auf den Prüfstand nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Ich weiß, Sie bangen da um Ihre Positionen. Aber man muss das von allen Seiten offen hineingeben. Wichtig ist, wie gesagt, ein weiteres schrittweises Voranführen.

Den einen oder anderen kleineren Schritt hätten wir uns auch vorstellen können. Ich habe zum Beispiel nicht eingesehen, dass man das Klagerecht ausschließlich auf das Thema „großflächiger Einzelhandel“ bezieht und nicht sagt: Wenn etwas der verbindlichen Zielführung eines Verbands widerspricht, dann gilt das Klagerecht allgemein. Das ist ein Punkt, bei dem wir nicht weitergekommen sind.

Aber im Übrigen, kann ich nur sagen, sind wir mit dieser Lösung sehr einverstanden, weil wir von der Fraktion unsere Position da sehr gut wiederfinden. Wir sollten das auf den Weg bringen. Die weitere Entwicklung, die natürlich auch berücksichtigen muss, dass die übrige staatliche Verwaltung nachziehen muss, wird dann in einem weiteren Schritt stattfinden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Herr Abg. Deuschle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf soll die 1994 mit dem Gesetz über die Stärkung der Zusammenarbeit in der Region Stuttgart und dessen Weiterentwicklung 1999 begonnene Reform der Regionalpolitik fortsetzen. Die vorgesehenen zusätzlichen Kompetenzen für die Regionalverbände, die größtenteils schon beim Verband Region Stuttgart vorliegen, können deshalb heute auch beurteilt werden.

Ferner beabsichtigt die Landesregierung, das Recht der Landesplanung wieder stärker zu vereinheitlichen. Ich möchte schon zu diesem Zeitpunkt aus Sicht der Republikaner sagen, dass die Regionalverbände keine vierte Verwaltungsebene mit überzogenem Verwaltungsapparat werden dürfen. Dies ist übrigens – Herr Kollege Hofer, darin sind wir uns wohl einig – beim VRS nicht der Fall. Dort haben wir eine kleine, sehr hoch qualifizierte Verwaltung, die sehr effektiv arbeitet.

Ich möchte das auch an einem anderen Beispiel klar machen. Seit 1994 sind im Verband Region Stuttgart 79 Millionen DM über die Regionalabgabe von den Kommunen gekommen, aber man hat gleichzeitig 209 Millionen DM an Drittmitteln über Wettbewerbe eingeworben. Daher ist das eine sehr erfolgreiche Veranstaltung gewesen, und ich glaube, das müssen wir auch heute bei der Beurteilung sagen, Herr Hofer.

Hier stellt sich natürlich auch eine Grundsatzfrage: Wie klappt es mit der einheitlichen Verwaltungsstruktur in Baden-Württemberg? Wir haben nämlich unterschiedliche Gebiete. Ich denke an die Großräume – Region Stuttgart, Mannheim/Ludwigshafen, Raum Freiburg, Raum Karlsruhe –, die andere Entwicklungs- und Strukturprobleme als die übrigen Räume haben. Zum Beispiel haben wir in den Großräumen so etwas wie eine Überentwicklung, wir haben ein Zusammenwachsen von Städten und Gemeinden zu Agglomerationen. Da stellt sich auch die Frage, ob die bisherige Einteilung nach dem zentralen Ortesystem – Kleinzentrum, Unterzentrum, Großzentrum – in solchen urbanen Gebieten eigentlich noch Sinn macht. Meines Erachtens wird sie in Großräumen immer weniger brauchbar. Hinzu kommt noch, dass die Entwicklung des S-Bahn-Netzes den Trend zu diesen Agglomerationen eher verstärkt.