Protokoll der Sitzung vom 31.01.2001

Damit komme ich zu dem, was Sie zitiert haben, nämlich zu meiner damaligen Aussage, es wäre gut, wir würden hier über Spielräume reden. Daraufhin sind Empfehlungen des Städtetags und des Gemeindetags an die Kommunen erfolgt. Die anwesenden Bürgermeister und Oberbürgermeister können das bestätigen. Städtetag und Gemeindetag haben eine Empfehlung an die Gemeinden abgegeben, die Bagatellgrenze, also die Beschreibung dessen, was unter der Rubrik „geringfügiger Wert“ erfolgt, in einer bestimmten Bandbreite anzusiedeln. Diese einzelne Kommune ist deutlich über diese Bandbreite hinausgegangen. Insofern hat das Urteil, so wie es bisher vorliegt, überhaupt nichts mit unserer Lernmittelverordnung oder mit der Schulgesetzänderung zu tun.

(Beifall bei der CDU – Abg. Carla Bregenzer SPD: Was eiern Sie denn herum? – Zuruf des Abg. Win- truff SPD – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Es wird auf Zeit gespielt!)

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

Es ist völlig klar – und das ist auch in den damaligen Beratungen jedem klar gewesen –: Wenn ich eine Lernmittelverordnung erlasse, die keinen Betrag enthält, sondern eine Beschreibung, die dann auf dem Wege der kommunalen Selbstverwaltung von einer Kommune ausgefüllt werden muss, dann kann es zu Situationen kommen, in denen das nicht vernünftig gehandhabt wird,

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

oder aber es kann zu Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Schulen kommen,

(Zuruf der Abg. Carla Bregenzer SPD)

wobei Sie auch wissen, dass immer mehr Kommunen dazu übergehen, der Schule insgesamt ein Budget zur Verfügung zu stellen.

Über das Budget wird innerhalb der Schulkonferenz beraten und verhandelt, und in 99,9 % der Fälle wird dieses Budget in großem Einvernehmen verteilt.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Deshalb kann ich uns allen nur raten: Diesen Weg sollte man konsequent fortsetzen. Das hilft den Schulen, das hilft der Konsensfindung in unseren Schulen, das hat sich bewährt.

(Zuruf des Abg. Haas CDU)

Die unmittelbare Reaktion etwa der Stadt Stuttgart auf dieses Urteil war ja auch, zu sagen: Wir haben einen Pauschbetrag pro Schüler festgelegt, wir haben eine Regelung zwischen den Schulen und der Stadt, welche stimmt und über die Konsens besteht, übrigens auch mit den Eltern. Deshalb rate ich uns sehr – das tut nicht nur Juristen gut, sondern auch Politikern –, einmal abzuwarten, was in der Urteilsbegründung dann schriftlich steht. Es ist nicht so schlecht, wenn man als Politiker, bevor man redet und Thesen aufstellt, einfach einmal nachliest.

Zweitens zu der Aufforderung, jetzt mit den Kommunen zu reden: Das machen Kultusministerium und Finanzministerium bereits seit Wochen, und zwar in einer Arbeitsgruppe, die Sie kennen,

(Abg. Wintruff SPD: Seit Monaten, nicht seit Wo- chen!)

da wir ja längst nicht nur über Lernmittel sprechen, sondern über explosionsartig steigende Kosten im Bildungswesen in den nächsten Jahren sprechen, die gemeinsam verantwortet und gemeinsam getragen werden müssen.

Diese Arbeitsgruppe arbeitet unter der Leitung meines Ministerialdirektors, und sie wird zu Ergebnissen führen.

(Abg. Wintruff SPD: Wann?)

Ich bin davon überzeugt: Diese Ergebnisse werden die kommunale Selbstverwaltung nicht schwächen. Kommunale Selbstverwaltung gehört zur politischen Kultur in Baden-Württemberg!

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen)

Und wer regieren will, der sollte einfach einmal anfangen, das zu begreifen. Das ist eine gute Grundlage hier im Land.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Als letzter Satz – jetzt ganz ernsthaft –: Diese kommunale Selbstverwaltung, die Gestaltungsspielräume, die die Städte und Gemeinden haben, werden in diesem Land von vielen, vielen schulfreundlichen Städten und Gemeinden so genutzt, dass die Eltern in Baden-Württemberg nicht nur im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern, sondern aus der Situation heraus sehr wohl wissen, was sie daran haben und dass die Chancengleichheit in diesem Land und die Priorität für Bildung auch in unseren Kommunen eingehalten werden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Lachen des Abg. Maurer SPD – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Wärmster Dank und heiße Luft!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Maurer.

(Unruhe – Abg. Keitel CDU: Zeller darf heute nicht reden? – Abg. König REP: Wann kommt endlich Zeller? – Weitere Zurufe von der CDU)

Na, steigt der Adrenalinspiegel bei euch? Dann ist es okay.

(Unruhe)

Das war jetzt wieder typisch Frau Schavan: Erst ein weihevoller Vorspruch auf das hohe Gut unserer Landesverfassung, ein weihevoller Vorspruch, wie hoch dieses Gut ist, und anschließend das Ablenkungsmanöver, indem man Beispiele aus Ländern nimmt, die dieses Verfassungsgebot in ihrer Landesverfassung gar nicht haben. Wenn das nicht getrickst ist, Frau Schavan, dann weiß ich es auch nicht mehr.

Sie haben einen Amtseid nicht auf die Praxis anderer Länder, sondern auf die Verfassung von Baden-Württemberg geschworen.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen: Warum bemühen Sie denn eigentlich eine solche Verfassungsdiskussion, wenn Sie drei Minuten später sagen, das Urteil habe die Verfassungsproblematik gar nicht aufgeworfen?

(Abg. Zeller SPD: So ist es!)

Das war hochinteressant! Sie sollten einmal über die Stringenz Ihrer eigenen Logik nachdenken.

Herr Kollege Rau hat uns als Erfahrungsjurist hier mitgeteilt, das hätte schon deswegen nichts zu sagen, weil es

sich um einen Einzelfall handeln würde. Das hat auch Frau Schavan gesagt. Lieber Kollege Rau, es ist das Wesen unseres Justiz- und Rechtssystems, dass anhand von Einzelfällen über die Gesetzmäßigkeit und die Verfassungsgemäßheit der Praxis entschieden wird. Jede Verfassungsbeschwerde, lieber Kollege Rau, ist eine Entscheidung über einen Einzelfall. Man muss sich bei dem, was man sich da alles anhören muss, wirklich an den Kopf langen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Kommen wir zum Kern der Sache. Das ist halt ein Stein in Ihrer Strategie. Ich zähle es Ihnen noch einmal auf, Frau Ministerin: Ihre Strategie, die Strategie von Herrn Teufel, besteht darin, sich Kosten vom Hals zu schaffen, indem man sie zunächst auf die kommunale Seite abwälzt und dann händereibend daneben steht, wenn die Eltern und die Kommunen darüber miteinander in Streit geraten. Dann kommt die Pontius-Pilatus-Nummer: „Wir waschen unsere Hände in Unschuld,

(Abg. Haas CDU: Quatsch!)

wir haben mit alldem nichts zu tun. Wendet euch an die Gemeinden und an die Landkreise.“ Das ist die Strategie, die hier in Baden-Württemberg betrieben wird.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen)

Frau Kollegin Berroth, wir sind in der Tat sehr für Autonomie

(Abg. Haas CDU: Na, na, na! – Abg. Kluck FDP/ DVP: Seit wann denn das?)

und sehr für mehr Freiheit und Gestaltungsraum an unseren Schulen.

(Abg. Rau CDU: Passt halt nicht!)

Aber mehr Freiheit bedeutet, dass Eltern und Schüler mehr zu sagen haben an den Schulen, aber nicht die Freiheit, mehr zu zahlen. Das ist das Problem.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen)

Ihr Verständnis von Autonomie und Freiheit an den Schulen, jedenfalls in dieser zu Ende gehenden Legislaturperiode, ist:

(Abg. Zeller SPD: Zur Kasse bitten!)

Die Eltern und die Schüler kriegen nicht mehr Mitspracherechte, aber sie werden mehr zur Kasse gebeten.