Protokoll der Sitzung vom 01.02.2001

Wenn das nicht stimmt – und ich behaupte, das stimmt nicht –, dann brauchen wir nicht so einen Staatsrat, sondern dann brauchen wir, wie Herr Maurer gesagt hat, jemanden, der als Minister oder als Ministerin voransteht und den Verbrauchern wieder glaubhaft macht, dass die Lebensmittel in Baden-Württemberg sicher sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Dr. Reinhart CDU: Wie macht man das, einen Staatsrat aus der Tasche ziehen? Kön- nen Sie das erklären?)

Was Sie, Herr Ministerpräsident, hier machen, das ist nicht Politik, das ist Politiksimulation, das ist moderner Voodoo.

(Heiterkeit beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Sie suggerieren Handlungsfähigkeit. Das ist der reine Aktionismus.

(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen)

Ich will Ihnen einmal an drei Beispielen deutlich machen, dass der Verbraucherschutz in diesem Interessenkonflikt bei Ihnen, Frau Staiblin, immer systematisch hinten runtergefallen ist.

Das Thema Risikomaterial wurde erwähnt. Der entscheidende Punkt ist ja nicht, dass Sie die Bauernlobbyistin, die Agrarlobbyistin waren, die dafür gekämpft hat, dass in Baden-Württemberg immer schon alles sicher und gut war. Es gab ja noch andere in der Regierung. Der Kollege Repnik hat gesagt: „Der Gesundheitsschutz geht vor, egal, ob das ein paar Millionen kostet; die Verbraucher sind verunsichert; wir müssen etwas tun.“ Das wurde von Ihnen weggewischt. Das ist doch der Punkt, warum Sie als Verbraucherministerin nicht glaubwürdig sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das zweite Beispiel sind die Beimischungen. Ich sage nicht Verschleppungen. Das sind die systematischen Beimischungen im Kraftfutter, das man auch für das HQZ genommen hatte. Sie haben immer gesagt, das ließe sich nicht vermeiden, weil die Hersteller das nicht kontrollieren könnten. Es wurden dann Briefe gefunden, aus denen hervorging, dass das Ministerium dies schon seit 1995 – noch zu Zeiten von Herrn Weiser – weiß. Da hat man an die Bundesregierung geschrieben. Noch im letzten November, als Sie in großen Anzeigen geworben haben: „HQZ – kein Tiermehl, das ist sicher“, haben Sie an Herrn Funke geschrieben und wollten sich noch eine Toleranzgrenze bescheinigen lassen. Das war dann der Grund für uns, zu sagen: Das ist nicht nur Verbrauchertäuschung, das ist ge

meingefährlich und gesundheitsschädigend. Sie täuschen auch die Bauern. Sie haben die Bauern getäuscht, weil sie davon ausgingen, dass das Kraftfutter, das sie für das HQZ nehmen, sicher ist. Sie täuschen also beide, die Verbraucher und die Bauern.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Jetzt stellt sich noch etwas ganz anderes heraus. Jetzt stellt sich nämlich heraus – wie man aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium erfahren kann –, dass die Ihnen in den Antworten auf Ihre Briefe immer gesagt haben, dass der Fall, von Bundesseite aus gesehen, völlig klar ist. EUrechtlich ist es so, dass es überhaupt keine Toleranzgrenzen gibt.

(Zurufe von der SPD: Ah ja!)

Es gibt null Toleranz. Es war von Anfang an, seit 1995, klar. Sie haben jetzt immer die Schuld auf den Bund abgewälzt und haben gesagt, die hätten bestimmen sollen, wie wir es machen sollen. Der Bund hat gesagt: Die Futtermittelhersteller müssen so genannte Spülchargen fahren und dann kontrollieren, ob noch Reste drin sind. Das heißt nichts anderes, als dass sie die Nulltoleranz einhalten müssen.

Ich sage deshalb: Bei einem Prozent Beimischung handelt es sich nicht um Verschleppungen. Das sind systematische Beimischungen, das sind systematische Täuschungen der Bauern und der Verbraucher in Ihrem Namen, in Ihrem Wissen. Nehmen Sie den Hut, und treten Sie zurück. Das Ganze kann man gar nicht mehr anders beschreiben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Weil Herr Maurer schon die Antibiotika in der Schweinemast genannt hat, will ich einmal die Antibiotika im Obstanbau nennen. Von Antibiotika – das wissen wir alle – wird man nicht krank, sondern wenn man Antibiotika nimmt, wird man gesund, wenn man krank ist. Daher ist das, was Sie machen, etwas völlig anderes. Da werden 15 Tonnen eines Antibiotikums, das als Reserve-Antibiotikum zum Beispiel bei Tuberkulose vorgehalten wird, in die Umwelt gesprüht, die Bakterien werden dadurch resistent, und dann wirkt das Mittel nicht mehr, wenn man krank ist und es dann braucht. Man weiß auch, dass das alles so ist.

Sie haben sich hingestellt, haben sich in Presseerklärungen gebrüstet, dass Sie, unterstützt von den Obstbauernverbänden, durchgesetzt haben, dass dieses Antibiotikum in der Umwelt wieder verspritzt werden darf.

(Abg. Maurer SPD: So ist es!)

Sie haben sich damit gebrüstet, haben dann Tests gemacht und festgestellt, dass die Grenzwerte überschritten sind, haben dann den Honig heimlich aufgekauft und stellen sich jetzt hier hin und sagen: „Ich bin die Ministerin für Verbraucherschutz. Ihr könnt mir glauben, in Baden-Württemberg ist alles sicher.“

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Drexler SPD: Wo ist der Honig jetzt? – Zuruf des Abg. Dr. Schäfer Bündnis 90/Die Grü- nen)

Für den Rücktritt einer Ministerin, meine Damen und Herren, kommt es auch auf die Maßstäbe an. Wenn ich den Maßstab zugrunde lege, weshalb Frau Fischer zurückgetreten ist, warum Frau Stamm zurückgetreten ist,

(Zuruf des Abg. Fleischer CDU – Abg. Dr. Rein- hart CDU: Das war auch höchste Zeit!)

dann frage ich mich: Was muss eigentlich in Baden-Württemberg alles noch geschehen, bis Sie, Frau Ministerin, endlich Ihren Hut nehmen?

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Fleischer CDU: Hier ist ein ganz an- derer Sachverhalt!)

Da Sie – so, wie Sie gestrickt sind – das sicher nicht tun, muss man die Frage an den Herrn Ministerpräsidenten stellen. Sie decken das alles. Sie erinnern mich an Erich Honecker in der Spätphase,

(Heiterkeit und Beifall beim Bündnis 90/Die Grü- nen und bei der SPD – Lebhafte Unruhe bei der CDU – Abg. Ingrid Blank CDU: Das ist jetzt eine Unverschämtheit! – Abg. Haasis CDU: Schämen Sie sich nicht? Schämen Sie sich nicht, eine Dikta- tur mit einer Demokratie zu vergleichen? Das ist wirklich das Letzte! Treten Sie doch als Fraktions- vorsitzender zurück! Den Ministerpräsidenten mit Honecker zu vergleichen! – Abg. Dr. Reinhart CDU: Das ist ja ungeheuerlich! – Anhaltende leb- hafte Unruhe bei der CDU)

der damals, angesprochen, warum in der Sowjetunion – – Aufstehen, machen Sie La Ola wie im Fußballstadion, Herr Fleischer.

(Lebhafte Unruhe – Glocke des Präsidenten – Abg. Hauk CDU: Herr Präsident, eine Rüge!)

Jetzt hören Sie doch mal zu. – Als Herr Honecker Ende der Achtzigerjahre gefragt wurde, warum er denn in seinem Staat nichts ändere, wo doch in der Sowjetunion Glasnost und Perestroika kommen – wir stehen hier vor einer Wende in der Landwirtschaft –, hat er gesagt: „Warum soll ich meine Wohnung tapezieren, wenn der Nachbar sie tapeziert? Das muss ich doch nicht machen.“ Das ist Ihre Haltung.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Zuruf von der CDU)

Daraufhin hat Gorbatschow geantwortet: „Und wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Haasis CDU: Da klatscht die SPD noch beim Vergleich mit Honecker!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oettinger.

(Anhaltende lebhafte Unruhe – Glocke des Präsi- denten – Abg. Haasis CDU: Das ist das Allerletzte! Den Honecker mit uns zu vergleichen, der die Leu- te hat erschießen lassen! Und ihr klatscht auch noch dazu! Der Honecker hat an der Mauer Leute erschießen lassen! Das muss man sich einmal überlegen! – Fortdauernde Unruhe)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen, meine Herren Kollegen! Der Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Entlassung der Ministerin nach Artikel 56 der Landesverfassung bietet Anlass, über den aktuellen Status unserer Agrarpolitik, unserer Verwaltungsstruktur, über die Konsequenzen in der BSE-Problematik und über die Arbeitsweise unserer Ministerin zu beraten. Wir greifen diese Gelegenheit gern auf.

Aber eines vorweg: Kollege Salomon, da ist noch eine Aussage notwendig. Honecker ist eine Schande für die jüngere deutsche Zeitgeschichte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Reinhart CDU: Und er für die neue!)

Er ist ein Repräsentant eines Unrechtsstaats. Er ist ein Veranlasser von Mord und Totschlag, von Gängelung.

(Zurufe der Abg. Dr. Schäfer und Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Hofer FDP/DVP: War nicht so gemeint!)

Deswegen ist jeder Vergleich, der hier eingeführt wird,

(Abg. Schonath REP zur SPD und zum Bünd- nis 90/Die Grünen: Hofiert habt ihr ihn!)

von Honecker mit einem demokratisch gewählten Ministerpräsidenten Ihrer nicht würdig und des Hauses nicht würdig. Er gehört nachher abgeräumt. Dafür müssen Sie hier, glaube ich, geradestehen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wacker CDU: Das ist unglaublich! Er muss sich entschuldigen! – Abg. Dr. Reinhart CDU: Wir erwarten eine Entschuldigung! Zurücktreten muss er! – Weitere Zurufe von der CDU – Abg. Brecht- ken SPD: Jetzt überziehen Sie aber völlig!)

Auch wenige Wochen vor der Wahl gehört ein ordentlicher Umgangsstil hier in den Landtag von Baden-Württemberg.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Seimetz CDU: So ist es!)

Den haben Sie gerade eben nicht gewahrt, sondern deutlich verletzt. Wenn Sie im Augenblick nicht mich sehen würden, sondern die Betroffenheit Ihrer Kollegen hinter sich,

(Lachen beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD – Abg. Dr. Salomon Bünd- nis 90/Die Grünen: Die scheint nicht so groß zu sein! – Gegenruf des Abg. Haasis CDU: Bei Ihnen leider nicht!)

wüssten Sie, was zu tun wäre, Kollege Salomon.