Ich kann Ihnen sagen: Professor Beyreuther ist nach meiner Erfahrung und den Gesprächen, die ich mit ihm geführt habe, in seiner wissenschaftlichen Reputation und Forschung eben nicht nur auf BSE eingeengt. Er ist beispielsweise ein ausgesprochener Fachmann von Format in Fragen der Alzheimer-Forschung. Er ist ein Fachmann in Fragen der Lebenswissenschaften. Verfolgen Sie denn im Augenblick nicht die Diskussion, die auf Bundesebene zwischen den Regierungsfraktionen über die Frage Embryonenschutzgesetz – Änderungsnotwendigkeit oder nicht –,
Embryonenforschung, pränatale Diagnostik stattfindet, und die ganz und gar unterschiedlichen Äußerungen des Bundeskanzlers und des neuen Staatsministers, der ins Bundeskanzleramt berufen worden ist, meine Damen und Herren?
Ich kann nur sagen: Mittelfristig gesehen werden die Fragen des Lebensschutzes und des Gesundheitsschutzes der Menschen eine größere Bedeutung haben als das Thema BSE.
Deswegen ist natürlich im Augenblick die erste, die vordringliche Frage: Was können wir bezüglich BSE tun? Aber mittelfristig liegen in den anderen Bereichen die zentraleren Fragen, und dort wollen wir uns als Landesregierung von Baden-Württemberg einbringen, weil ich nicht hinnehmen kann, dass ein Staatsminister im Bundeskanzleramt in so fahrlässiger Weise über Menschenrechte und Menschenwürde redet, wie das geschehen ist.
Deswegen habe ich als Aufgabe von Herrn Professor Beyreuther ganz bewusst formuliert und mit ihm abgesprochen: Lebensschutz und Gesundheitsschutz der Menschen – darum geht es.
Natürlich brauchen wir mehr Transparenz für die Verbraucher. Die Sprecher der Opposition haben heute wider besseres Wissen behauptet, wir – die Landesregierung – hätten gesagt, in unserem Land sei in den letzten Jahren in der BSE-Bekämpfung alles gut gewesen und es sei nichts zu ändern. Warum hat die Landesregierung denn nach dem ersten BSE-Fall in einer Kabinettssitzung einen Katalog mit einem Dutzend Sofortmaßnahmen beschlossen
und gesagt, Kosten spielten überhaupt keine Rolle? Die Gesundheit der Menschen geht jeder anderen Frage vor. Warum haben wir im Januar in einer weiteren Kabinettssitzung erneut ein Dutzend von Maßnahmen besprochen? Herr Professor Beyreuther – der damals noch nicht beratend für uns tätig war, aber diese Beschlüsse inzwischen kennen gelernt hat – hält sie für richtig und für notwendig. Nein: Sie behaupten Dinge wider besseres Wissen. Ich habe in meiner Regierungserklärung nur das gesagt, was die beiden Fraktionsvorsitzenden der regierungstragenden Fraktionen zuvor auch gesagt haben.
In der Organisation des Verbraucherschutzes, der Lebensmittelkontrolle und der Ernährungsberatung haben wir exakt das, was die Bundesregierung Hals über Kopf vorgenommen hat, nämlich eine Zusammenfassung von Zuständigkeiten im Landwirtschaftsministerium – die von Herrn Kuhn vor viereinhalb Jahren in diesem Hause kritisiert worden ist und jetzt von ihm in Berlin vorgenommen wird.
(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Hauk CDU: Kritisiert wurde! So war es! – Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)
Das haben wir vor viereinhalb Jahren gemacht. Aus 14 Untersuchungseinrichtungen haben wir fünf schlagkräftige Institute mit über 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemacht.
(Abg. Drautz FDP/DVP: Weil es in der großen Koalition nicht möglich war! – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Der Rechnungshof hat es doch kritisiert!)
Ich kann jetzt doch nicht deshalb, weil man in Berlin eine Neuorganisation nach genau dem gleichen Muster wie in Baden-Württemberg vornimmt, meinerseits wieder etwas anderes tun, nur um Aktionismus vorzutäuschen. Das ist nicht meine Politik, meine Damen und Herren.
(Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Wieser CDU: So ist es! – Zuruf des Abg. Bebber SPD)
Transparenz für die Verbraucher: Ich kann Ihnen nur sagen: Als ich vor etwa fünf Jahren Ministerin Staiblin berufen habe, hat sie zu mir gesagt, sie wolle nicht nur Landwirtschaftsministerin sein, sie sehe die Zuständigkeit für Ernährung und Verbraucherschutz in ihrem Haus gleichgewichtig. Das hat sie mir gesagt.
(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: An ihren Taten sollen wir sie erkennen, habt ihr heute gesagt!)
Ich habe sie in dieser Auffassung bestärkt. Ich habe sie auch unterstützt, als sie Ernährungszentren geschaffen und dieser Aufgabe ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat.
(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Jetzt muss man sich mal die CDU-Fraktion anschauen! Die weinen fast schon! – Zuruf von der SPD: Be- lämmert!)
Sie bekommen Verbraucherschutz und eine bessere Qualität der Lebensmittel nur mit den Bauern und nicht gegen die Bauern.
Das wurde vorhin von verschiedenen Kollegen und auch von der Ministerin begründet. Selbst wenn man, wie Baden-Württemberg, einen doppelt oder dreimal so hohen Anteil an Ökolandwirtschaft hat wie andere Länder, ist es eine Utopie, dass wir allein darauf setzen können, wenn es um gesunde Lebensmittel geht.
Wir brauchen insgesamt gesunde Lebensmittel aus der landwirtschaftlichen Produktion, für alle Verbraucher.
(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Sie lesen wohl keine Zeitung!)
Dann sage ich noch etwas anderes: Solange Menschen in verfassten Staaten und in Gesellschaften zusammenleben, gab es schon immer das Verhalten, dass in den Fällen, in denen es eine Katastrophe gab oder eine Gruppe von Menschen in eine Katastrophe verwickelt worden ist, alle zusammenstanden und dass man geholfen hat. Man hat aber eine solche Gruppe nicht an den Pranger gestellt, wie es dieser Bundeskanzler gemacht hat.
Deswegen stelle ich mich hinter die Landwirtschaft, was nicht heißt, dass ich jeden Fall, der bekannt wird – es sind wirklich Einzelfälle und mit Sicherheit nicht mehr schwarze Schafe als in jedem anderen Beruf –, rechtfertige oder dafür gar im Voraus Absolution erteile. Wir werden jedem Einzelfall nachgehen. Aber die Bauern insgesamt sind nicht Täter und Verursacher von BSE, sondern sind ihr erstes Opfer.
Nun wird als Zweites wider besseres Wissen gesagt, wir hätten uns in diesem Land in den letzten Jahren hingestellt und Baden-Württemberg für BSE-frei erklärt.
Sie finden von mir nicht eine einzige solche Äußerung, aber wenn ich gefragt worden wäre, hätte ich dies gesagt. Aber das haben nicht wir, das hat nicht die deutsche Bundesregierung und nicht die Landesregierung von BadenWürttemberg festgestellt, sondern ein internationales Institut, das für Europa zuständig ist und in Paris seinen Sitz hat. Das hat im letzten Jahr Deutschland noch für BSE-frei erklärt.
Deswegen kann man doch nicht mit dem Wissen nach dem ersten BSE-Fall, mit dem Wissen aus dem Dezember 2000 oder dem Januar 2001, Vorgänge aus den letzten Jahren beurteilen.
Herr Pfister hat besonders auf diesen Punkt hingewiesen. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit, niemand hat so gehandelt. Auch von Ihnen gab es zu diesem Zeitpunkt keine Anträge in diese Richtung.
Ja, ich lasse sie gerne zu, möchte aber dann anschließend im Zusammenhang meine Ausführungen machen.
Herr Ministerpräsident, ist Ihnen bekannt, dass im BSE-Untersuchungsausschussbericht eine wissenschaftliche Studie zitiert wird, wonach für Deutschland ein 48-mal höheres BSE-Risiko angenommen wird, als es die damals bekannten fünf Fälle darstellten?
Herr Kollege, erstens kenne ich diesen Vorgang nicht, und zweitens werden Sie nicht bestreiten: Die Vertreter Ihrer Partei und der von ihr mitgetragenen Bundesregierung haben im Dezember vor den Ministerrücktritten die ganze Zeit gesagt, dieses internationale Institut habe BSE-Freiheit für Deutschland angenommen und sie hätten auf dieser Basis gehandelt. Die EU hat uns auf dieser Basis behandelt.